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SSRQ ZH NF II/3 63-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft. Band 3: Die Landvogtei Greifensee, von Rainer Hugener

Zitation: SSRQ ZH NF II/3 63-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Offnung von Maur

1543 September 5.

Die Offnung des Meieramtes von Maur wird auf Bitte von Jakob und Jakob Aeppli sowie Hans Trüb, den Vertretern und Vorstehern der Gemeinde Maur, durch die Pfleger der Zürcher Fraumünsterabtei erneuert, weil der alte Hofrodel schadhaft geworden ist. Geregelt werden unter anderem die Rechte und Pflichten des Meiers (1-4, 6), die Abhaltung des Meiergerichts (1-3) und des Vogtgerichts an den Terminen im Mai und im Herbst (15-17), die Haltung von Zuchttieren auf dem Kirchengut (5), die Rechte und Pflichten des Hirten (6-8), die gemeinschaftliche Nutzung des Waldes Guldenen und der Weide vom Weissen Stein bis nach Rellikon (9-13), die Zugehörigkeit zur Ehegenossame der sieben Gotteshäuser, nämlich des Zürcher Grossmünsters, Einsiedelns, Pfäfers, Sank Gallens, Reichenaus, Schaffhausens und Säckingens (14), die Rechte und Pflichten des Vogts von Greifensee (16-23), die Pflicht der Bewohner von Maur, an einem Tag pro Jahr Kriegsdienst zu leisten (22), die Freiheit von Abgaben wie Zoll und Immi in der Stadt Zürich (24) sowie die Freiheit, den eigenen Wein auszuschenken (28). Bemerkenswert ist die Feststellung, dass der Vogt nur dann in Auseinandersetzungen eingreifen darf, wenn jemand stirbt oder klagt (23). Speziell hervorgehoben wird ausserdem, dass der Meier zu jeder Hochzeitsfeier in Maur einen Kochtopf, Brennholz und Schinken bringen soll und dafür das Recht erhält, in der Hochzeitsnacht bei der Braut zu schlafen, sofern der Bräutigam sie nicht gegen fünf Schilling und vier Pfennig loskauft (4).

  • Signatur: StAZH C I, Nr. 2562
  • Originaldatierung: 1543 September 5
  • Überlieferung: Aufzeichnung, Rodel (aus drei Stücken zusammengenäht)
  • Beschreibstoff: Pergament
  • Format B × H (cm): 20.0 × 148.0
  • Sprache: Deutsch
  • Edition
    • Aeppli 1979, S. 303-306; Schmid 1963, S. 309-312; Grimm, Weisthümer, Bd. 1, S. 43-45 (vermutlich nach der Abschrift in StAZH B III 65)

  • Signatur: StAZH A 123.2, Nr. 5
  • Originaldatierung: 1543 September 5
  • Überlieferung: Entwurf, Heft (4 Blätter)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 21.5 × 31.5
  • Sprache: Deutsch
  • Signatur: StAZH B III 65, fol. 112r-114v
  • Originaldatierung: ca. 1545 – 1550
  • Überlieferung: Abschrift (Grundtext), unvollständig (der erste Artikel, die Einleitung und der Titel fehlen)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 23.5 × 32.5
  • Sprache: Deutsch

Beim vorliegenden Rodel handelt es sich vermutlich um das Exemplar des Gerichtsherrn von MaurOrt: , das dem obrigkeitlichen Archiv erst mit dem Übergang der Gerichtsherrschaft an die Stadt ZürichOrt: im Jahr 1775 einverleibt wurde; im betreffenden Katalog aus dem 18. Jahrhundert wurde es jedenfalls erst nachträglich verzeichnet (StAZH KAT 405).

Einige der darin enthaltenen Punkte finden sich in ähnlicher Form bereits im sogenannten Burgurbar aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts (StAZH C I, Nr. 2563; Edition: Schmid 1963, S. 302-306), nämlich die Bestimmungen zu den zweimal jährlich abzuhaltenden Gerichtstagen (1-2), zu den Gebühren für auswärtige Kläger (3) und zur Hochzeitsnacht (4), dort allerdings mit einer Gebühr von drei SchillingWährung: 3 Schillinge statt fünf SchillingWährung: 5 Schillinge und vier PfennigWährung: 4 Pfennige .

Interessanterweise beruft sich die neu erstellte Offnung noch immer auf die Äbtissin des FraumünstersOrganisation: als Grund- und Schutzherrin, obwohl die Abtei seit der Reformation 1524 nicht mehr existierte (HLS, Fraumünster). Demgegenüber wollte man den Vertreter der Zürcher ObrigkeitOrganisation: offensichtlich auf Distanz halten, wurde doch in verschiedenen Punkten geregelt, dass der Vogt von GreifenseeOrt: nur bis zur Grenze der Gerichtsherrschaft am DattenbachOrt: kommen durfte und dort vom Meier empfangen werden musste, um in MaurOrt: Gericht zu halten (16-18). Auch wurde bei der Vogtsteuer von fünf PfundWährung: 5 Pfund angemerkt, dass es ein «ungnad und nit ein recht» sei (20). Ausserdem wurde die Einflussnahme des Vogts dahingehend beschränkt, dass er zwischen den Leuten von MaurOrt: lediglich dann richten dürfe, wenn jemand getötet wird oder jemand Klage erhebt (23).

Zwischen den Inhabern der Gerichtsherrschaft von MaurOrt: und dem Vogt von GreifenseeOrt: kam es immer wieder zu Kompetenzstreitigkeiten, bis die Rechte der Gerichtsherrschaft im Jahr 1604 durch den Zürcher RatOrganisation: bestätigt wurden (SSRQ ZH NF II/3 91-1).

Editionstext

Uff den fünfften tag herpstmonets anno etcAbkürzung xvc xxxxiijoOriginaldatierung: 5.9.1543 sind die
erbarn JacobPerson: und aber JacobPerson: die AͤplinenOrganisation: und Hans TruͤbPerson: als anweͣlt und gewallthaber einer gantzen gemeind zuͦ MurOrt: Organisation: vor den
verordneten herren, den pflaͤgeren ze der appty ZürichOrt: Organisation: , erschinen und angezeigt, wie das ir hofrodel des meyerampts ze MurOrt: preͣsthafft sige,1
deßhalb ir früntlich pitt und beger, inen den widerumb zuͦ ernüweren lassen, welliches inen von gemelten herren pfleͣgern bewilliget
worden und gestellt, wie hernach stat und von altem har gestanden ist.


Die rechtunge des meyerampts
ze MureOrt: am GryffensewOrt:

Erstlich sprechent die hofjunger, wann ein meyer ein herpstgericht oder ein meyengericht heisst gepietten, das uff den selben tag
alle die dar sond komen, die hofjunger sind: Die innert etters gesessen,
so man die offnung anfacht; die usseren, ee das die offnung dess
hofs recht ußkom. Wer das nit thaͤtte, der sol iij Währung: 3 Schillinge gen ze bessrung.
Aber sprechent die hofjunger, das er dannenhin sol richten, als
dick und als vil man sin bedarff. Und sol nieman kein gericht von
im kouffen.
Aber sprechent die hofjunger, wer, das kein gast keme, der klagenn
woͤlte umb eygen ald umb erb, der sol einem meyer gen v Währung: 5 Schillinge iiij ₰Währung: 4 Pfennige ,
und sol im dannenhin richten als einem andern husgnossen.
Aber sprechent die hofjunger, weller hie ze der helgen e kumt,
der sol einen meyer laden und ouch sin frowen. Da sol der meyer
lien dem brütgum ein haffen, da er wol mag ein schaͧff in gesieden. Ouch sol der meyer bringen ein fuͦder holtzUngefähres Mass/Gewicht: 1 Fuder Holz an das hochzit.
Ouch sol ein meyer und sin frow bringen ein vierdenteil eines
swins bachen. Und so die hochzit zergat, so sol der brütgum den
meyer by sim wip lassen ligen die ersten nacht, oder er sol sy
loͤsen mit v Währung: 5 Schillinge iiij ₰Währung: 4 Pfennige .2
Aber sprechent die hofjunger, das ein widem da gelegen sy, wer
die widem innhat, der sol innenhan ein wochrer rind und ein
wochrer swin, die sol er han dem dorff, und wenn eines dannen
kumpt, so sol er eines anders dar tuͦn, das dem dorff nutz sy, und
ob er es nit tette, so sol er es jegklichem innsonders bessern. Unnd
die selben zweyMenge: 2 hoͧpt hand du fryheit, wo sy zeschaden tagesZeitspanne: tags gant,
so sol einer, dem sy schaden thuͦnd, triben mit dem rechten geren ab
dem sinen uff den nechsten. Wer aber, das es keiner fürbas tribe
oder schluͤge, der sol es dem widmer bessern mit iij Währung: 3 Schillinge . Der widmer
sol ouch das selb vich ze nachtZeitspanne: nachts in tuͦn. Wer aber, das es keinen schaden
tette ze nachtZeitspanne: nachts, den muͤste er ablegen.
Aber sprechent die hofjunger, das ein hirtt lehen da gelegen sy,
wer den meyerhof innhat, das man im sine swin sol huͤtten
von demselben hirt lehen.
Aber sprechent die hofjunger, das man dem keller ouch sine swin
huͤtten, und sol im der keller wen er in gefert ze imbis ein kessi
mit mus, das der loͤffel dar in gesteckt, und gnuͦg ze essenn hab.

Aber wenn der hirtt geisset, so sol er dem keller ein zeinen mit krutUngefähres Mass/Gewicht: 1 Zeine Gemüse
bringen, das die swin gessint, untz das er aber ze abentZeitspanne: abends usfert.
Wer aber, das der keller dem hirtten nit genuͦg tette, so sol er im
lonen als ein ander.
Aber sprechent die hofjunger, was das hirtt lechen besser ist, das
es gemeinem dorff zuͦgehoͤrt.
Aber sprechent dieHinzufügung oberhalb der Zeilea hofjunger, das da ein holtz gelegen sy, heisst GuldinenOrt: , das ist gemeines dorffes ze MureOrt: , rich und armen gelich,
das selb holtz ist der von MureOrt: fry ledig eygenn.
Aber sprechent die hofjunger, wer ze MureOrt: hushablich ist gesin
jar und tagZeitspanne: 1 Jahr 1 Tag, wannen er komen sy, der hat als vil recht und teyl
als ein andra, und wer hinnen züchet, so hat er kein recht daran
me.
Aber sprechent die hofjunger, das sy weyd genoss syent untz an den
Wissen SteinOrt: und gan ReglikonOrt: an den bach.
Aber sprechent die hofjunger, das die ze EsseheOrt: nieman uber triben
süllent, den die ijMenge: 2 huben, die sind unser weyd genossen.
Aber sprechent die hofjunger, das nieman ze EgmentingenOrt: sy
unser weyd genosse, den die iijMenge: 3 huben.
Aber sprechent die hofjunger, das sy genossam syent der vijMenge: 7 gotzhüsern, ir kind ushin ze gen und inhin zenemen. Item das sind die
gotzhüser, des ersten
das gotzhus sant FelixPerson: und sant RegulaPerson: Organisation: ZürichOrt: Organisation: , das ander unser
frowen ze den EinsidlenOrt:
Organisation:
, das dritt ze PfeffersOrt: , das viert ze Sant GallenOrt: ,
das fünfft inn der RichenowOrt: , das sechst ze SchafhusenOrt: , das sybent
Sant FridlinPerson: ze SeckingenOrt: Organisation: .
Aber sprechent die hofjunger, das hie recht sy, das nieman kein hus
dem anderen sol schaden usrichten, er heig im dann verheissen.
Aber sprechent die hofjunger, das ein herr von GryffenseOrt: soͤlle zwürent richten inn dem jar ze meyenDatum: Mai (Termin/Frist) und ze herbstZeitspanne: Herbst. Und wenn er sin
meyenDatum: Mai (Termin/Frist) tag wil han, so sol er an den TattenbachOrt: kommen, und da sol im
der meyer komen, und sol dem pferit bringen ɉ fierttell haberVolumenmass: 0.5 Viertel Hafer und ein
becher mit rottem win
Volumenmass: 1 Becher Wein
, und sol in laden an das gericht.
Aber sprechent die hofjunger, wenn er das herpstZeitspanne: Herbstgericht wil han, so
sol er aber nit fürer komen den an den TattenbachOrt: , und sol im der
meyer bringen j habrin garbenVolumenmass: 1 Garbe Hafer dem hengst und aber ein becher mit
rottem win
Volumenmass: 1 Becher Wein
, und sol in laden an das gericht.
Aber sprechent die hofjunger, das ein vogt zerichten hab umb all frefin,
ußgenomen über das bluͦt. Ouch hat ein vogt nüt fürer zerichtenn
den die zweyMenge: 2 gericht, ald man klag im den, und da sol jederman vor
im.
Aber sprechent die hofjunger, das ein vogt hat xx müt kernnenVolumenmass: 20 Mütt Dinkel, die
selben xx müt kernnenVolumenmass: 20 Mütt Dinkel die stand uff miner frowen der epptissin
guͤttern.
Aber sprechent die hofjunger, das ein vogt habe v  ₰Währung: 5 Pfund , und das ist
ein ungnad und nit ein recht.3
Aber sprechent die hofjunger, das je die hus roͤichi sol einem vogt ein
herpst huͦn und ein fasnacht huͦn.
Aber sprechent die hofjunger, das sy dem vogt nüt fürer gebunden syent
ze reisen, won das sy ze nachtZeitspanne: nachts daheim syent. Wer aber, das er sy fürbas
haben wil, das sol er in sinem costen thuͦn, und so in des costen verdrüsset, sol sy verdriessen ze reisenn. Wil ein vogt uns üt fürer zwingen,
da sol ein epptissin uns schirmen.
Aber sprechent die hofjunger, das sy das recht habent, wie die nachgeburen miteinander lebent, sy schlachent oder stechent ein anndern,
an allein umb den tod, so hat ein vogt nüt ze richten, man klage
im den.
Aber sprechent die hofjunger, das sy die fryheit habent und die rechtung von einer epptissin, was sy da kouffent oder verkouffent, das
sy das imi noch dem zol nüt sond gen.4 Wer aber, das sy uns nüt
moͤchte beschirmen, so sol sy ein vogt ze GryffenseeOrt: an ruͤffen, ira
helffen uns zeschirmen.
Aber sprechent die hofjunger, das sy das recht habent, wer den
andern halb teil gebe in disen hof, dem mag sin güllt nieman ab
ziechen, wan das er vor mengklichem vor var.
Aber sprechent die hofjunger, das sy das recht habent, das sy nieman bezwiflen soͤlle.
Aber sprechent die hofjunger, das sy die fryheit habent von einer
epptissin ZürichOrt: und von einem vogt ze GryffenseOrt: , das sy nieman
laden noch bannen sol, won das man von inen sol das recht neme,
da sy gesessen syent. Wer aber das, es were den das er hablos were, nu̍t
tuͦn woͤlte, so sol uns ein epptissin und ein vogt dartzuͦ schirmen.
Aber sprechent die hofjunger, das sy das recht habent, wellem
hie win wachst, das man in schenckt an schaden.
Aber sprechent die hofjunger, das sy das recht habent, wer das in
jeman in das hof recht sprechen woͤlte, mügent sy den ijMenge: 2 biderman haben der jungren, die es mit der hand mugent behaben,
das es sol also bestan.
[fol. v]Seitenumbruch

Anmerkungen

  1. Hinzufügung oberhalb der Zeile.
  1. Bereits im sogenannten Burgurbar aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird «der alt rodel» erwähnt (StAZH C I, Nr. 2563; Edition: Schmid 1963, S. 302-306).
  2. Hierbei handelt es sich um einen der wenigen Belege für das sogenannte Recht der ersten Nacht (ius primae noctis). Ob dieses effektiv ausgeübt wurde oder lediglich eine drastische Umschreibung der finanziell zu entrichtenden Heiratssteuer darstellt, ist in der Forschung umstritten, zu Maur vgl. Schmid 1963, S. 279-287; Aeppli 1979, S. 46-48; Wettlaufer 1999, S. 16, S. 249-260.
  3. Abgaben an den Vogt von GreifenseeOrt: in gleicher Höhe finden sich auch in der Offnung von FällandenOrt: , ebenfalls mit dem Hinweis, es handle sich um «ungnad und nit ein recht» (SSRQ ZH NF II/3 35-1, Art. 1).
  4. Die gleiche Bestimmung findet sich in der Offnung von FällandenOrt: (SSRQ ZH NF II/3 35-1, Art. 8). 1601 führte der Zürcher RatOrganisation: noch genauer aus, wie die Befreiung von Zoll und Immi für die Leute von MaurOrt: , EbmatingenOrt: , BinzOrt: und AeschOrt: zu verstehen sei (SSRQ ZH NF II/3 89-1).