I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil:
Rechte der Landschaft. Band 3: Die Landvogtei GreifenseeRainer HugenerRainer HugenerRainer HugenerSSRQ-SDS-FDSAttribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International (CC BY-NC-SA
4.0)Sammlung Schweizerischer RechtsquellenRechtsquellenstiftung des Schweizerischen JuristenvereinsHerausgeberschaftSSRQ-ZH-NF_II_3-intro
Vorwort des Präsidenten der Rechtsquellenstiftung und des
Staatsarchivars des Kantons Zürich
Die Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins und das
Staatsarchiv des Kantons Zürich freuen sich, mit dem vorliegenden Band und vier
weiteren, gleichzeitig erscheinenden Editionseinheiten einen wertvollen Beitrag
zum Verständnis der Geschichte von Stadt und Territorialstaat Zürich im
Mittelalter und in der Frühen Neuzeit zu leisten. Unter der Leitung von
Christian Sieber haben insgesamt sechs Bearbeiterinnen und Bearbeiter die
Quellen zu den Städten Zürich und Winterthur, zur Landvogtei Greifensee sowie zu
den Obervogteien rund um die Stadt Zürich gesichtet, zentrale Stücke ausgewählt
und wissenschaftlich kommentiert. Die Quellenstücke wurden in digitaler Form
nach den Grundsätzen der Text Encoding Initiative (TEI) aufbereitet und online
publiziert. Die gedruckte Fassung dient demgegenüber als
Referenzpublikation.
Unser Dank gebührt zuallererst den Bearbeiterinnen und Bearbeitern der fünf
Editionseinheiten, Dr. des. Michael Schaffner (Stadt und Territorialstaat
Zürich), Sandra Reisinger (Gedruckte Mandate), Dr. Bettina Fürderer (Stadt
Winterthur), Dr. Rainer Hugener (Landvogtei Greifensee) sowie Dr. Ariane Huber
Hernández und Michael Nadig (Obervogteien um die Stadt Zürich). Dr. Pascale
Sutter hat das Projekt als wissenschaftliche Leiterin der Rechtsquellenstiftung
begleitet und zusammen mit den Bearbeiterinnen und Bearbeitern neue Richtlinien
für die digitale Edition erarbeitet. Unterstützt wurde sie im Bereich der
Informatik und Computerlinguistik durch Dr. Bernhard Ruef. Im Staatsarchiv
wurden entsprechende Arbeiten durch Rebekka Plüss durchgeführt.
Bei der Erfassung und Verwaltung der Literatur hat sich die Zusammenarbeit mit
der Schweizerischen Nationalbibliothek bewährt, indem alle verwendeten
Publikationen in der Bibliographie der Schweizergeschichte (BSG) verzeichnet
werden. Unterstützung in linguistischen Fragen erhielt das Projektteam durch Dr.
Hans-Peter Schifferle vom Schweizerischen Idiotikon sowie durch Dr. Philipp
Roelli, Darko Senekovic und Severin Hof von der Fachstelle Latein der
Universität Zürich.
Zu danken haben wir ausserdem den beteiligten Stadtarchiven von Zürich und
Winterthur, die Arbeitsplätze für unsere Bearbeiterinnen und Bearbeiter
bereitgestellt und sie bei ihrer Arbeit tatkräftig unterstützt haben. Für das
Erstellen von Digitalisaten ausgewählter Quellenstücke bedanken wir uns bei
Romano Padeste, bei der Zentralbibliothek Zürich und bei der Fotografin
Christine Seiler, Zürich. Die Satzarbeiten haben Dr. Pascale Sutter und Dr.
Bernhard Ruef übernommen, den Druck hat in bewährter Manier die Dike-Verlag AG
durchgeführt. Ermöglicht wurde dieses Vorhaben dank der massgeblichen
Unterstützung durch den Gemeinnützigen Fonds (ehemals Lotteriefonds) des Kantons
Zürich sowie die Städte Zürich und Winterthur. Ihnen allen sei an dieser Stelle
herzlich gedankt.
Prof. Dr. Lukas Gschwend, Präsident der Rechtsquellenstiftung
Dr. Beat Gnädinger, Staatsarchivar des Kantons Zürich
St. Gallen/Zürich, im Frühling 2021
Vorwort des Bearbeiters
Schon als Kind habe ich meine Freizeit gern am Greifensee zugebracht und neben
der lieblichen Landschaft auch die Burg und das Städtchen Greifensee bewundert.
Wie die Menschen hier früher gelebt haben, welche Herausforderungen sich ihnen
stellten und wie sie ihr Zusammenleben organisierten, hat schon damals mein
Interesse geweckt. Für mich war es daher eine grosse Freude und Ehre, mich über
mehrere Jahre hinweg intensiv mit der Geschichte dieser Region zu befassen und
sie im Rahmen der vorliegenden Quellenedition für ein grösseres Publikum
zugänglich zu machen. Sie bildet Teil eines gemeinsamen Projekts der
Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins und des Staatsarchivs
des Kantons Zürich, in dessen Rahmen neben dem vorliegenden Band auch noch vier
weitere Editionseinheiten zur Geschichte des vormodernen Stadtstaats Zürich
erarbeitet wurden. Ermöglicht wurde dies dank der grosszügigen Finanzierung
durch den Gemeinnützigen Fonds (ehemals Lotteriefonds) des Kantons Zürich.
Seit dem Beginn meiner Arbeit an den Rechtsquellen der Landvogtei Greifensee hat
sich einiges verändert. Gerade im Bereich der Editionstätigkeit haben sich neue
Technologien etabliert, die nicht nur für die Bearbeitung, sondern auch für die
Publikation von historischem Quellenmaterial erhebliche Vorteile mit sich
bringen – die es aber auch erforderlich machen, althergebrachte Standards der
Editionsphilologie zu überdenken. Die Rechtsquellenstiftung hat es geschafft,
die neuen technischen Möglichkeiten nutzbar zu machen und das
Editionsunternehmen von einer individualistisch geprägten Arbeitsweise in ein
stark vernetztes, kollaboratives Projekt umzuwandeln. Dies ist vor allem der
administrativen und wissenschaftlichen Leiterin, Dr. Pascale Sutter, zu
verdanken. Sie hat die bewährten Transkriptionsrichtlinien der
Rechtsquellenstiftung im Hinblick auf die digitale Publikation überarbeitet,
dokumentiert und gemeinsam mit den Bearbeiterinnen und Bearbeitern
weiterentwickelt sowie die Entwicklung interoperabler Datenbanken und die
Vernetzung mit anderen Institutionen entscheidend vorangetrieben. Nicht zuletzt
hat sie auch sämtliche Texte lektoriert, wofür ich mich herzlich bedanke. Für
das Lektorat der lateinischen Quellenstücke danke ich Dr. Philipp Roelli und
Darko Senekovic von der Fachstelle Latein der Universität Zürich. Die Karte der
Landvogtei Greifensee hat Alexander Hermann vom Geographischen Institut der
Universität Bern erstellt. Die verwendete Literatur wurde durch die
Schweizerische Nationalbibliothek in die Bibliographie der Schweizergeschichte
(BSG) aufgenommen, was eine professionelle und nachhaltige Lösung
gewährleistet.
Auch die Zusammenarbeit in einem Team von Editorinnen und Editoren hat sich als
sehr vorteilhaft erwiesen. Das gegenseitige Kollationieren der Texte sowie das
gemeinsame Erarbeiten von Werkzeugen und Richtlinien tragen wesentlich zur
Qualität der vorliegenden Editionseinheit bei. Hierfür habe ich vor allem Dr.
Ariane Huber Hernández, Dr. Bettina Fürderer, Dr. des. Michael Schaffner, Sandra
Reisinger und Michael Nadig sowie dem Projektleiter Christian Sieber zu danken.
Zweifellos hat sich die enge Anbindung an das Staatsarchiv des Kantons Zürich
bewährt, indem dadurch die notwendigen Überlegungen vorangetrieben wurden, wie
historische Quellen im digitalen Zeitalter künftig am besten präsentiert werden
können. Staatsarchivar Dr. Beat Gnädinger ist es zu verdanken, dass das Archiv
seine diesbezüglichen Anstrengungen fortsetzt und weiterhin spannende Dokumente
zur Zürcher Geschichte für eine breitere Öffentlichkeit aufbereitet.
Tessa Krusche hat als studentische Mitarbeiterin von diversen Quellenstücken
Rohtranskriptionen erstellt und die Registerdaten aufbereitet, was es mir und
den übrigen Bearbeiterinnen und Bearbeitern ermöglicht hat, uns stärker auf die
Kommentierung und Kontextualisierung der Stücke zu fokussieren. Mit Hilfe
unserer Informatikspezialistin Rebekka Plüss konnten wir diverse Arbeitsschritte
automatisieren und somit erheblich vereinfachen. Sehr wertvoll war ausserdem der
Austausch mit Prof. Dr. Tobias Hodel, der parallel zu unserem Projekt die
digitale Edition der Urkunden des Klosters Königsfelden betreut und im Rahmen
eines europäischen Grossprojekts die maschinelle Erkennung von Handschriften
erprobt hat. Dass ich meine Überlegungen zur Erforschung von materiellen
Aspekten im digitalen Zeitalter im Rahmen einer gross angelegten Tagung im
Herbst 2014 an der Universität Zürich präsentieren konnte, ist der
Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte (SGG) zu verdanken. Erste Resultate
unsere Editionstätigkeit durfte ich ausserdem im Herbst 2015 beim
Cappelli-Hackathon an der Universität Zürich sowie im Sommer 2016 anlässlich der
4. Schweizerischen Geschichtstage an der Universität Lausanne vorstellen.
Herzlich bedanken möchte ich mich abschliessend auch bei meiner Partnerin Kerstin
Seidel, die mich nicht nur auf diverse Wanderungen und Velotouren durch die
ehemalige Landvogtei Greifensee begleitet hat, sondern mit der ich mich auch
über jegliche Fragen betreffend Geschichte, Archivpraxis und Digitalisierung
austauschen konnte.
Rainer Hugener
Zürich, im Frühling 2021
Einleitung
Den geographischen Rahmen für die vorliegende Edition bildet die Landvogtei
Greifensee. Diese war aus einem
hochmittelalterlichen Konglomerat adliger Besitzansprüche hervorgegangen, das
als Verwaltungseinheit bis zum Untergang des Ancien Régime Bestand hatte und das
Leben der Leute vor Ort neben der Familie, der Gemeinde und der nahen Stadt
Zürich massgeblich geprägt haben
dürfte. Viele Belange waren auf dieser Ebene geregelt, insbesondere die
gerichtliche Zugehörigkeit und der Instanzenzug, aber auch persönliche Rechte
und Pflichten wie die Allmendnutzung sowie Abgaben, Kriegs- und Frondienste.
Nichtsdestotrotz ist gerade diese Zwischeninstanz verhältnismässig schlecht
untersucht: Während es auf den Ebenen darunter und darüber diverse Orts- und
Kantonsgeschichten gibt, bieten ehemalige Verwaltungseinheiten, die nicht länger
fortbestehen, einen schlechten Anknüpfungspunkt für die territorial orientierte
Geschichtsschreibung. Die meisten Orts- und Kantonsgeschichten beschränken sich
darauf aufzuzählen, wann welches Gebiet zum betreffenden Kanton
hinzugekommen ist; unterbelichtet bleiben sowohl die
Vorgeschichte als auch die lange Entwicklung innerhalb der neuen
Obrigkeit, im vorliegenden Fall der Stadt Zürich mit ihrem wachsenden Herrschaftsgebiet, aus dem der
heutige Kanton hervorgegangen ist.Einen guten Überblick über
das Herrschaftsgebiet der Stadt Zürich bietet Weibel
1996; ferner immer noch Largiadèr
1932; Largiadèr
1922; Dändliker
1908-1912; für einen geographischen Zugang Kläui/Imhof
1951.
Vor diesem Hintergrund bietet die vorliegende Quellenedition einen neuen,
detailreichen Einblick in die Geschichte einer solchen vormodernen
Verwaltungseinheit. Die Herrschaft Greifensee bietet sich hierfür besonders an, weil es sich um
das erste Territorium handelt, welches die Stadt Zürich durch einen Vogt vor Ort als sogenannte äussere Vogtei
oder Landvogtei verwalten liess.Eine Zusammenstellung aller
Zürcher Landvögte findet sich bei
Dütsch 1994. Aus sozialgeschichtlicher Perspektive
wird die Landvogtei Greifensee
behandelt bei Hürlimann 2000. Für die Gemeinden der Landvogtei
Greifensee gibt es verschiedene
ältere und neuere Ortsgeschichten, insbesondere Frei
2006; Frei
2004; Frei
1993; Kläui
1964; Schmid
1963; Graf
1941; Bühler
1922; aus kunsthistorischer Sicht auch die Beiträge in
KdS
ZH III; zum Schloss und Städtchen Greifensee ausserdem Gruhner
2013; Sieber
2007c; Diethelm/d’Andrea 1996; Diethelm/d’Andrea 1995; Diethelm/d’Andrea 1991; Leuzinger 1956. An diesem Beispiel lässt sich
somit untersuchen, wie die Stadt Zürich
ihre Herrschaft über die Landschaft ausweitete und verdichtete, wie sie ihre
Machtausübung delegierte, wie sie die Verwaltung ihres wachsenden Territoriums
konkret organisierte, wie sie dabei mit ihren Untertanen kommunizierte und wie
letztere ihre Handlungsspielräume ausgestalteten, um ihr Zusammenleben zu
regeln. Die nachfolgenden Ausführungen gehen diesen Fragen nach und sollen damit
zu einem besseren Verständnis der hier präsentierten Quellenstücke beitragen,
indem sie diese kontextualisieren und in grössere Zusammenhänge einbetten. Damit
soll zugleich verdeutlicht werden, dass die ausgewählten Quellenstücke nicht nur
aus rechtshistorischer Perspektive, sondern auch für sozial-, wirtschafts- und
kulturgeschichtliche Fragestellungen von Interesse sein können.
Nach einem Überblick über die historische Entwicklung der Herrschaft Greifensee und der darin begüterten
Herrschaftsträger folgen Erläuterungen zum zugehörigen Gebiet, zu den
Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen, zur Gerichtsorganisation, zu den
kirchlichen Verhältnissen und zum Wirtschaftswesen. Erläuterungen zur
Quellenlage und zu den Auswahlkriterien für die vorliegende Editionseinheit
schliessen die Einleitung ab und leiten zu den edierten Stücken über.
Historischer Überblick
Die Ufer des Greifensees waren bereits in
der Steinzeit besiedelt. Von neolithischen Ufersiedlungen zeugen die Funde von
Hausfundamenten, Keramik, Korbgeflechten, Werkzeugen, Waffen, Schmuck und
Knochen bei Böschen, Furen und Storen, am Rietspitz bei
Fällanden, in Riedikon sowie bei der Schifflände in Maur und bei Uessikon. Bei Riedikon
wurden ausserdem bronzezeitliche Grabhügel gefunden. Römische Gutshöfe sind in
Nänikon und Riedikon nachgewiesen.Gruhner
2013, S. 325; Frei 2006,
S. 19-35; Ziegler
2001, S. 66-69; Diethelm/d’Andrea 1991, S. 3-4; Eberschweiler
1989; Aeppli
1979, S. 19-25; Ruoff
1995, S. 29, 42-44, 49; KdS ZH
III, S. 341-342; HLS, Pfahlbauer; HLS, Greifensee; HLS, Fällanden; HLS, Maur; HLS, Uster.
Im Mittelalter waren verschiedene Herrschaftsträger rund um den Greifensee oder Glattsee, wie er ursprünglich noch genannt
wurde, begütert. Über einen relativ geschlossenen Herrschaftskomplex verfügten
die Herren und nachmaligen Grafen von Rapperswil. Deren Verwaltungsmittelpunkt stellte die Burg
Greifensee dar, die urkundlich
1260/1261 erstmals erwähnt wird.Hugener
2009; Sieber
2007c; Diethelm/d’Andrea 1996, S. 6; Diethelm/d’Andrea 1991, S. 5. Bereits damals
ist von einem Ammann beziehungsweise minister die Rede, der die
Burg, das Städtchen und die zugehörigen Güter im Auftrag der Rapperswiler verwaltete.Vgl.
unten Anm. 50. Man nimmt an, dass der Name Greifensee in Analogie zur rapperswilischen Burg Greifenberg bei Bäretswil im Zürcher
Oberland gewählt wurde, nach der sich einzelne
Familienmitglieder benannten.Diethelm/d’Andrea 1996, S. 6; Diethelm/d’Andrea 1991, S. 5. Wohl aus dem
Umfeld der Grafen von Rapperswil wurde im
ersten Drittel des 13. Jahrhunderts, sicher vor 1250, auch das Lazariterhaus im Gfenn gegründet, das mit verstreutem Besitz in
der näheren und weiteren Umgebung ausgestattet wurde.Vgl.
unten Anm. 211.
Nach dem Tod des letzten Grafen Rudolf von
Rapperswil im Jahr 1283 erbte dessen Tochter Elisabeth den Besitz am Greifensee, doch musste sie aufgrund akuter
Geldnot im Jahr 1300 ihre Herrschaftsrechte rund um den Greifensee an die aufstrebenden Herren von
Landenberg verpfänden, die sich fortan
auch nach Greifensee benannten.SSRQ ZH NF II/3 1-1. Zum Aufstieg der Herren von Landenberg vgl. Hürlimann
2001a; Hürlimann
2001b; Eugster
1995, S. 191-192. Die Landenberger erweiterten den Besitzkomplex um Güter aus ihrem
ehemaligen Stammgebiet im Zürcher
Oberland, sahen sich aber 1369 ihrerseits gezwungen, die
Herrschaft Greifensee an die Grafen von
Toggenburg zu verkaufen.SSRQ ZH NF II/3 4-1; SSRQ ZH NF II/3 6-1. Von diesen kam Greifensee 1402 an die Stadt Zürich.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 7;
SSRQ ZH NF II/3 10-1; SSRQ ZH NF II/3 14-1. Mit diesem Pfand, das nicht mehr
eingelöst wurde, erweiterte die Stadt ihre Herrschaft erstmals auf ein
Territorium, das sie von einem Vogt direkt vor Ort verwalten liess.SSRQ ZH NF II/3 8-1; SSRQ ZH NF II/3 12-1; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 13. Vgl. unten Anm. 56. In
den folgenden Jahrzehnten erwarb Zürich
sukzessive auch die Herrschaft Grüningen
(1408), das Amt Regensberg (1409), die
Grafschaft Kyburg (1424), die Herrschaft
Andelfingen (1434) sowie weitere
Territorien, die sodann wie Greifensee
als Landvogteien durch einen städtischen Vogt verwaltet wurden.Weibel
1996, S. 37-43; Eugster
1995b, S. 306-313; Largiadèr
1922, S. 29-91.
Neben den Grafen von Rapperswil und ihren
Nachfolgern, den Herren von Landenberg, den
Grafen von Toggenburg sowie der Stadt
Zürich, verfügten noch weitere
geistliche und weltliche Herrschaftsträger über Besitz am Greifensee. Übergeordnete Rechte machten auf der
einen Seite die Inhaber der Grafschaft Kyburg, auf der anderen Seite die Inhaber der Burg Grüningen geltend; dies hatte zur Folge, dass
die hochgerichtliche Zugehörigkeit umstritten blieb, bis Greifensee 1498 direkt dem Zürcher Rat unterstellt wurde.SSRQ ZH NF II/3 43-1; SSRQ ZH NF II/3 44-1. Vgl. unten Anm. 32.
In Schwerzenbach war vor allem das
Kloster Einsiedeln begütert, dessen Kastvögte die Herren
von Rapperswil waren. Insbesondere verfügte
das Kloster noch bis 1834 über den Kirchensatz, was nach der Reformation immer
wieder zu Auseinandersetzungen mit der nunmehr protestantischen Zürcher Obrigkeit führte.SSRQ ZH NF II/3 39-1. Weitere geistliche Herrschaftsträger waren
das Grossmünsterstift und die Fraumünsterabtei in Zürich. Zum Grossmünster
gehörte unter anderem die Kirche in Fällanden, wobei die Gemeinde 1492 das Recht erhielt, ihren
Pfarrer selbst zu wählen.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
42. Das Fraumünster
verfügte über ausgedehnten Grundbesitz in Fällanden und Maur, der
durch lokale Amtsträger, die Meier, verwaltet wurde.Gut
dokumentiert ist ein Konflikt über die Rechte und Pflichten des Meiers von
Maur im Jahr 1260 (UBZH, Bd.
3, Nr. 1101). Vgl. Aeppli
1979, S. 39-44; Schmid
1963, S. 31-32. Während die Äbtissin das
Meieramt von Fällanden an die Inhaber der
Burg Greifensee verlieh, was die
Integration in die Herrschaft Greifensee
förderte, lebte das Meieramt von Maur als
eigene Gerichtsherrschaft fast bis zum Untergang des Ancien Régime fort; nach
dem Erwerb durch den ehemaligen Landvogt Heinrich
Aeppli verblieb sie über mehrere Jahrhunderte im Besitz seiner
Familie und wechselte danach noch mehrmals die Hand.SSRQ ZH NF II/3 16-1. Vgl. Aeppli
1979, S. 89-93; Schmid
2004, S. 13; Schmid
1963, S. 320-321. Spezielle Wege ging das
benachbarte Dorf Ebmatingen, dessen
östlicher oder vorderer Teil zur Herrschaft Greifensee gehörte, während der hintere, gegen Witikon gelegene Teil spätestens ab 1617 als
eigene Obervogtei direkt dem Bürgermeister von Zürich unterstand.Sibler
1984-1990, Kap. 11 a, Bl. 1; Aeppli
1979, S. 65; Schmid
1963, S. 110-111; Kläui/Imhof
1951, S. 33; Bauhofer
1943a, S. 136-138; Guyer
1943, S. 39, Anm. 34; Dändliker
1908-1912, Bd. 2, S. 246; KdS ZH I,
S. 620; HLS, Maur. Auf der Grossen Landtafel von Hans Conrad Gyger aus dem Jahr 1667 verläuft die Grenze der
Landvogtei Greifensee um Ebmatingen herum, das Dorf wird dadurch
vollumfänglich dem Territorium von Greifensee zugeschlagen, vgl. unten Anm. 40.
In Uster verfügte unter anderem das
Kloster St.
Gallen über Besitz, den es an die Grafen von
Kyburg und Habsburg weiterverlieh. Daneben beanspruchten die Habsburger auch die Burg Uster, die sie vermutlich bereits ab 1267,
sicher aber ab 1320 an die Freiherren von Bonstetten verliehen, die auch sonst über Güter in dieser Gegend
verfügten. Spätestens nach 1350, als ihre Stammburg in Bonstetten durch zürcherische Truppen zerstört
worden war, verlagerten die Herren von Bonstetten ihren Sitz vollends nach Uster und wählten die hiesige Kirche als Familiengrablege. Mit
der Burg Uster verbunden war eine kleine
Gerichtsherrschaft über Teile von Kirchuster und Nossikon,
die 1544 an die Stadt Zürich verkauft
wurde, während die Burg im Privatbesitz verblieb und an die Freiherren von
Hohensax gelangte.Baumeler 2010, S. 95-99, 211-214; Schmid
2004, S. 13; Schmid
1969, S. 22; Kläui
1964, S. 69-76. Die Gerichtsherrschaft über
Wermatswil hatte die Familie Bonstetten bereits 1528 der Stadt Zürich geschenkt, die sie zur Grafschaft
Kyburg schlug.Baumeler 2012, S. 71; Baumeler
2010, S. 98, 154; Schmid
2004, S. 13-14; Kläui
1964, S. 76-78.
In der Umgebung von Uster waren zudem
freie Bauern ansässig, die über ihr eigenes Gericht in Nossikon verfügten, wo vor allem
Gütertransaktionen der zugehörigen Höfe verhandelt wurden.SSRQ ZH NF II/3 23-1. Vgl. Kläui
1964, S. 64-68; Kläui
1958, S. 423-429. Geleitet wurde diese Gerichts-
oder Dingstatt zunächst vom Ammann, der die Herrschaft Greifensee im Auftrag der Herren von Rapperswil, Landenberg und schliesslich Toggenburg verwaltete; ab 1402 übernahm diese Funktion der Vogt
der Stadt Zürich oder ein Untervogt als
dessen Stellvertreter. Obwohl dieses Gericht auch in der Frühen Neuzeit
gelegentlich noch einberufen wurde, verlor es zunehmend an Bedeutung, weil die
Inhaber der Güter ihre Geschäfte nun meistens vor dem regulären Gericht in
Greifensee abwickelten.SSRQ ZH NF II/3 51-1; SSRQ ZH NF II/3 54-1; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 79.
Freudwil war entlang dem Bach geteilt: Die
drei südlichen Höfe gehörten zum besagten Freigericht Nossikon und damit zur Herrschaft Greifensee, während der nördliche Hof zu einer Gruppe von
freien Gütern zählte, die ihre Gerichtsstätte in Brünggen hatten und somit zur Grafschaft Kyburg gehörten. Die Vogtei über diesen
kyburgischen Teil ging 1471 als Lehen an die Familie Bachofner über, die sie bis 1798 als Gerichtsherrschaft
innehatte, die jeweils durch die ältesten männlichen Familienmitglieder ausgeübt
wurde.Schmid
2004, S. 14; Kläui
1964, S. 78-80; HLS, Freudwil. Wenig bekannt ist schliesslich, dass es
auch in Hegnau eine kleine
Gerichtsherrschaft der Familie Hegnauer gab,
die nach der Reformation jedoch vollständig in der Landvogtei Greifensee aufging.SSRQ ZH NF II/3 73-1. Frei 1993,
S. 19, ist demgegenüber noch davon ausgegangen, dass sich keine
Herrschaftsansprüche der Familie Hegnauer
in Hegnau nachweisen lassen. Die
Gerichtsherrschaft Hegnau fehlt auch
im historischen Atlas von Kläui/Imhof
1951; ebenso bei Schmid
2004; Schmid
1969.
Nach dem Untergang des Ancien Régime bildete man 1798 aus der ehemaligen
Landvogtei Greifensee zusammen mit
Wetzikon den Distrikt Uster und verlegte den Verwaltungssitz dorthin.
In der Restaurationszeit wurde ab 1815 wiederum Greifensee das Zentrum des nunmehr geschaffenen Oberamts
gleichen Namens. Am 22. November 1830 fand in Uster eine Volksversammlung statt, die eine neue Verfassung mit
der Gleichstellung der städtischen und ländlichen Bevölkerung forderte und als
Ustertag in die Geschichte einging. Diese Forderung resultierte schliesslich in
der liberalen Kantonsverfassung vom 23. März 1831. Seither ist Uster der Hauptort des gleichnamigen Bezirks,
der neben den Gemeinden der alten Herrschaft Greifensee auch noch Dübendorf, Wangen-Brüttisellen, Volketswil, Egg und
Mönchaltorf umfasst.Diethelm/d’Andrea 1996, S. 10-12; Diethelm/d’Andrea 1991, S. 7; KdS ZH
III, S. 342-343; HLS, Greifensee
(Herrschaft, Vogtei); HLS, Ustertag; HLS, Regeneration.
Gebiet und Grenzen der Herrschaft Greifensee
Bei der Verpfändung durch Elisabeth von
Rapperswil im Jahr 1300 werden erstmals die Gebiete umschrieben,
die zu ihrem Herrschaftskomplex am Greifensee gehörten, nämlich die Burg und das Städtchen
Greifensee mitsamt dem See, die Höfe
in Fällanden, Maur, Niederuster,
Nossikon, Nänikon, Werrikon,
Schwerzenbach, Hegnau und Hof sowie das Meieramt von Bertschikon und der Kirchensatz von Uster mit allen zugehörigen Äckern, Wiesen, Feldern und Wäldern
sowie Gerichtsrechten und Eigenleuten. Ebenfalls zum Pfand geschlagen werden
ausserdem Leute und Güter in Dübendorf
sowie zwischen Wetzikon, Kaiserstuhl und Baden, die zur Rapperswiler
Herrschaft gehören.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 1. Vgl. Frei 2006,
S. 55-72; Schmid
1963, S. 104; Kläui/Imhof
1951, S. 29. Der in der Urkunde aufgeführte Ort
Hove wird in der Literatur gemeinhin mit Hof bei Egg identifiziert (ChSG, Bd.
5, Nr. 2496, Anm. 16); dieser taucht nachmals jedoch
nicht mehr unter den Ortschaften der Herrschaft Greifensee auf, sodass wohl eher an das heutige Quartier
Hof zwischen Greifensee und Wildsberg zu denken ist, das auf der Gygerkarte von 1667
uff demm Hoff genannt wird, vgl. unten Anm. 40.
Etwas ausführlicher beschreibt die Verkaufsurkunde von 1369 die Güter, Rechte und
Einkünfte der Herrschaft Greifensee.SSRQ ZH NF II/3 4-1. Aufgeführt werden die Abgaben der Vogteien
Maur, Uessikon, Schwerzenbach,
Binz, Auslikon, Fällanden und
Oberuster, des Widums in Winikon, der Mühlen in Niederuster, Volketswil und Greifensee, der Meierhöfe in Bertschikon und Fällanden, des Dinghofs Nossikon, der Fischfanggebiete im See sowie weiterer Güter in
Rumlikon, Irgenhausen, Maur und
Hegnau. Ebenfalls spezifiziert werden
die Gerichtsrechte, welche die Vogteien Fällanden, Maur,
Binz, Niederuster, Wil,
Oberuster, Werrikon, Nänikon,
Hegnau, Schwerzenbach, Irgenhausen, Auslikon,
Schalchen und Hutzikon, die Hälfte der Vogteien in Uessikon, Kirchuster und Freudwil
sowie die Vogtleute in Dübendorf und
sämtliche Eigenleute in den genannten Gebieten umfassen. Gemäss Urkunde handelte
es sich bei all diesen Gütern um freies Eigen, mit Ausnahme des Usterbachs, der ein Reichslehen war, und des
Meieramts Fällanden, das Lehen der
Fraumünsterabtei war. In Uessikon war die Vogtei zwischen Greifensee und Grüningen geteilt, in Freudwil gehörten die drei südlichen Höfe zu Greifensee und der nördliche Hof zu Kyburg, und in Kirchuster besassen die Herren von Bonstetten als Inhaber der Burg Uster die andere Hälfte der Vogtei.Vgl.
oben Anm. 19.
Aus der Auflistung in der Urkunde von 1369 geht hervor, dass die Rechte in
Kaiserstuhl und Baden mittlerweile abgestossen und stattdessen
neue Güter im Zürcher Oberland, nämlich
in Irgenhausen, Auslikon, Rumlikon, Hutzikon und
Schalchen, hinzugefügt worden waren,
die vielleicht aus dem Besitz der Herren von Landenberg stammten, die dort ihren Stammsitz hatten. Ebenfalls
neu hinzugekommen waren ein Gut im Sellholz bei Herrliberg
sowie weitere Weinberge am Zürichsee,
welche die Stadt Zürich nach dem
pfandweisen Erwerb der Herrschaft Greifensee im Jahr 1402 jedoch alsbald verkaufte.SSRQ ZH NF II/3 9-1.
Als sich abzuzeichnen begann, dass das Pfand nicht mehr eingelöst würde,
erstellte Zürich um 1416 ein Urbar, das
die Einkünfte der Herrschaft Greifensee
und weiterer Herrschaftsgebiete detailliert auflistet.SSRQ ZH NF II/3 11-1. Die Einträge zu Greifensee stimmen weitgehend mit den Gütern aus der
Verkaufsurkunde von 1369 überein. Präzisiert werden die Vogteirechte, welche
lediglich die niedere und mittlere Gerichtsbarkeit ohne todeswürdige Vergehen
betreffen. Bezüglich der sogenannten Blut- oder Hochgerichtsbarkeit war
demgegenüber noch länger unklar, ob die Leute aus der Herrschaft Greifensee an den Landtagen in Grüningen oder Kyburg teilnehmen mussten.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
33. Erst 1498 schuf der Zürcher
Rat diesbezüglich Klarheit, indem er Greifensee hochgerichtlich direkt der Stadt unterstellte.SSRQ ZH NF II/3 43-1; SSRQ ZH NF II/3 44-1. Vgl. Hürlimann
2000, S. 34-36; Kläui
1964, S. 80-82; Schmid
1963, S. 118-119.
Umstritten blieb hingegen der Grenzverlauf zwischen Greifensee, Grüningen
und Kyburg, weswegen verschiedentlich
Grenzbegehungen durchgeführt wurden, bei denen man die Grenzen mit sogenannten
Marchsteinen kennzeichnete, deren Standorte genau protokolliert wurden.SSRQ ZH NF II/3 92-1; SSRQ ZH NF II/3 106-1. Die Grenzen rund um die Exklaven
Robenhausen und Robank wurden 1773 in einer eigenen Karte
festgehalten (StAZH PLAN B 236). Sehr umfangreich dokumentiert wurde
die Grenze zur Grafschaft Kyburg 1787
(StAZH C I, Nr. 3383) und zur Herrschaft Grüningen 1790 (StAZH C I, Nr. 3382). Im Auftrag der kantonalen
Denkmalpflege erarbeitet Thomas Specker derzeit ein Inventar der
historischen Grenzsteine, das insbesondere über den Grenzverlauf zwischen
Greifensee und Kyburg bei Volketswil neue Aufschlüsse gibt, vgl. unten Anm.
43. Einen besonderen Anlass für Grenzkonflikte bot die Situation auf
dem Greifensee: Weil dessen oberer Teil
mit den Dörfern Rällikon und Riedikon in den Hof Mönchaltorf und damit zur Herrschaft Grüningen gehörte, kam es im 14. Jahrhundert sogar zu einem
tätlichen Angriff, bei dem mehrere Fischer von Greifensee auf der Burg Grüningen eingesperrt und ihre Netze zerschnitten wurden.SSRQ ZH NF II/3 5-1. Vgl. Frei 2006,
S. 40; Zimmermann
1990, S. 7. Ohnehin stellte der See einen
eigenen Rechtsbereich dar, der insbesondere im Hinblick auf die Fischerei und
die Schifffahrt regelungsbedürftig war.Vgl. unten Anm.
268-269 und 317-319.
Während die übrigen Vogteien der Stadt Zürich meist ein relativ geschlossenes, zusammenhängendes
Gebiet darstellten, verfügte die Herrschaft Greifensee über die bereits erwähnten Exklaven im Zürcher Oberland, die mitten in der Grafschaft
Kyburg beziehungsweise in der
Herrschaft Grüningen lagen. Weil es an
diesen Orten immer wieder zu Streit über die Gerichtszugehörigkeit kam, mussten
hier die Grenzen besonders ausführlich dokumentiert werden. Gut dokumentiert ist
beispielsweise ein Konflikt aus dem Jahr 1563, der sich auf dem Weg von
Turbenthal nach Seelmatten in Neubrunn zutrug: Der Konflikt hatte zur Folge, dass man rund um
das Dorf herum Marchsteine mit der Aufschrift G für Greifensee auf der einen und K für Kyburg auf der anderen Seite setzte.SSRQ ZH NF II/3 80-1.
Die Aussenwachten am Pfäffikersee
(Auslikon, Irgenhausen, Oberwil,
Robenhausen und Robank) wurden in der Frühen Neuzeit im
sogenannten Oberamt zusammengefasst, jene
im Tösstal (Hutzikon, Schalchen,
Tössegg und Neubrunn) im Hinteramt. Im Jahr 1685 liess vermutlich der damalige Landvogt
Hans Hartmann Escher vom Luchs eine
Karte erstellen, auf der neben den Dörfern am Nordufer des Greifensees auch die zugehörigen Exklaven im
Oberland eingezeichnet waren und zu
jedem Ort vermerkt wurde, wie lang die Reise dorthin dauerte: Für einen Ritt von
Greifensee nach Freudwil benötigte man demnach etwas weniger als
eine Stunde, nach Tössegg ungefähr drei
Stunden und bis nach Neubrunn an der
Grenze zur Landgrafschaft Thurgau vier
Stunden.StAZH PLAN B 27.
Neben diesen Exklaven verfügte die Herrschaft Greifensee noch über weitere verstreute Güter, Einkünfte und
Rechte in der näheren und weiteren Umgebung, vor allem in Dübendorf, Volketswil, Zimikon,
Bertschikon sowie in Rumlikon oberhalb von Pfäffikon. Weitere Zinsen stammten aus der Gegend von
Wetzikon, nämlich aus Medikon, Seegräben und Stegen.StAZH F II a 183. Ausserdem besass das Haus
Greifensee Eigenleute, die über das
gesamte Zürcher Herrschaftsgebiet von
Wildberg im Oberland bis nach Andelfingen im Weinland
verstreut waren, was gelegentlich zu Konflikten mit anderen Herrschaftsträgern
führte.SSRQ ZH NF II/3 40-1; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 66;
SSRQ ZH NF II/3 88-1.
Ab dem 17. Jahrhundert liess der Zürcher Rat
sehr detaillierte Landkarten ihres Herrschaftsgebiets erstellen. Als Meisterwerk
der zeitgenössischen Kartographie gilt insbesondere die Grosse Landtafel von
Hans Conrad Gyger aus dem Jahr 1667,
die nachmals immer wieder kopiert wurde.StAZH PLAN A 59, PLAN A 27, PLAN A 50. Zu Hans Conrad
Gyger und seinen Kartenwerken vgl. Sigg 1996,
S. 320-321; HLS, Hans Conrad
Gyger. Darauf sind die Grenzen der verschiedenen
Landvogteien und Obervogteien als rot gepunktete Linien deutlich markiert, was
davon zeugt, dass die Obrigkeit ihre Landvogteien nunmehr territorial als
Ansammlung von Dörfern und Höfen in einem abgrenzbaren Gebiet unter der
gemeinsamen Verwaltung und Gerichtsbarkeit eines Landvogts konzipierte.
Mit grosser Zuverlässigkeit lassen sich auf diesen Karten die historischen
Grenzen der Landvogtei Greifensee
einschliesslich der Exklaven am Pfäffikersee und im Tösstal erkennen: Als Zeichen ihrer Zugehörigkeit sind die
extraterritorialen Gebiete ebenfalls mit dem Wappen von Greifensee, einem steigenden roten Greif im
gelben Feld, markiert. Ergänzt werden können diese kartographischen
Darstellungen durch Angaben aus den Grundprotokollen, die für die Herrschaft
Greifensee im Jahr 1662
einsetzen.Vgl. unten Anm. 329. Bereits im ersten
Band werden sämtliche zur Herrschaft gehörenden Dörfer und Höfe aufgelistet und
angegeben, welchem Untervogt oder Weibel sie unterstanden.Vgl. unten Anm. 97. Ein alphabetisches Verzeichnis aller zur Herrschaft
Greifensee gehörenden Dörfer und
Höfe findet sich im gedruckten Mandat betreffend Bereinigung der Kanzlei Greifensee von 1770 (SSRQ ZH NF II/3, Nr.
113).
Die hier abgebildete Karte basiert auf den erwähnten Grenzbeschreibungen,
Grundprotokollen und historischen Kartenwerken sowie den teilweise noch
vorhandenen Grenzsteinen.Ich bedanke mich bei lic. phil.
Thomas Specker, dass er mir einen Einblick in das Inventar der historischen
Grenzsteine gewährt hat, das er derzeit im Auftrag der Denkmalpflege des
Kantons Zürich erarbeitet. Sie zeigt den Umfang der Herrschaft
Greifensee, wie sie sich
grundsätzlich seit dem Verkauf im Jahr 1369 bis zum Untergang des Ancien Régime
präsentierte, mit ihren Exklaven im Oberamt und Hinteramt
sowie den Grenzen zur Grafschaft Kyburg
im Norden, zur Herrschaft Grüningen im
Südosten und zur Obervogtei Küsnacht im
Südwesten. Die eingezeichneten Grenzen decken sich im Wesentlichen mit den
Karten im Atlas von Paul Kläui und Eduard Imhof, doch gibt es ein paar relevante
Abweichungen.Kläui/Imhof
1951, Tafel 9 und 10. So ist die Nordgrenze der
Landvogtei Greifensee aufgrund von
mehreren Grenzsteinen beim Flurnamen Marchstein zwischen Wangen und Kindhausen um rund einen Kilometer nach Norden zu
verlegen.Specker
2012, S. 11. Beim Hinteramt verläuft die Grenze weiter östlich und umfasst den
Hof im Loch bei Wila, der auch in einem gedruckten Verzeichnis
aller zu Greifensee gehörenden Dörfer und
Höfe von 1770 erscheint.Vgl. oben Anm. 42. Bei
Neubrunn dürfte die Grenze aufgrund
der Beschreibung von 1563 weiter nördlich bis zum Steinenbach und weiter westlich bis zur Buechenegg verlaufen sein.SSRQ ZH NF II/3 80-1.
Neben den Grenzen werden auf der Karte auch alle in den Grundprotokollen
aufgelisteten Dörfer und Höfe als Punkte markiert, was den vormodernen
Vorstellungen näher kommen dürfte als eine flächige Darstellung. Denn noch weit
bis in die Frühe Neuzeit hinein ging es weniger um geschlossene Territorien als
um Zugehörigkeit: Ein Dorf oder Hof, aber auch die dort lebenden Menschen
gehörten zu einem festen Punkt, etwa zur Burg des Landvogts.Largiadèr 1932, S. 23-24: Der Begriff einer
Grenze im modernen Sinne ist unbekannt, es steht nicht die scharfe
Grenze im Vordergrund, sondern die Pertinenz zu einem festen
Punkt. Als eigentlicher Besitzer von Gütern,
Abgaben und Eigenleuten wird in den hier edierten Quellen daher fast immer die
Feste, das Schloss oder das HausGreifensee genannt, nicht etwa der Vogt
oder der Rat von Zürich.SSRQ ZH NF II/3 40-1; SSRQ ZH NF II/3 66-1; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 88.
Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen
Bereits die Grafen von Rapperswil liessen ihr
Herrschaftsgebiet am Greifensee durch
einen Verwalter beaufsichtigen, der gelegentlich in Urkunden als Zeuge auftritt
und dabei als minister oder Ammann bezeichnet ^wird.UBZH, Bd.
3, Nr. 1101 (1260); Nr. 1211 (1263); Bd. 5, Nr. 1960-1961 (1286).
Vgl. Hugener
2009; Diethelm/d’Andrea 1996, S. 6; Schmid
1963, S. 104. Nach der Übernahme der Herrschaft
Greifensee durch die Herren von
Landenberg verfügten auch diese über
einen Ammann, der die Gerichtssitzungen leitete und als Zeuge für urkundliche
Geschäfte auftrat.URStAZH,
Bd. 1, Nr. 183 (1340). In einer dieser Urkunden wird
Konrad Ammann als Schultheiss von
Greifensee aufgeführt, was vielleicht
den Versuch dokumentiert, dem stets als Städtchen bezeichneten
Herrschaftszentrum eine an städtische Verhältnisse angelehnte Verwaltung mit
einem entsprechenden Oberhaupt zu verleihen.URStAZH,
Bd. 1, Nr. 388 (1343). Bei späteren Nennungen von
Schultheiss und Ammann ist allerdings unklar, ob es sich um Amtsbezeichnungen
oder Familiennamen handelt; allenfalls könnte das Amt mit der Zeit zu einem
Familiennamen geworden sein.URStAZH,
Bd. 2, Nr. 2248 (1373); Nr. 2823 (1382); Bd. 3, Nr. 3979 (1397); Nr.
4328 (1400); Bd. 4, Nr. 4486 (1401); Nr. 5930 (1414).
Sicher ist hingegen, dass auch die Grafen von Toggenburg wieder einen Ammann zur Verwaltung der Herrschaft
Greifensee einsetzten, der sie bei
Gerichtstagen vertrat und in ihrem Namen Recht sprach. In dieser Funktion
leitete Konrad Branower 1393 das Gericht in
Nossikon.URStAZH, Bd. 3, Nr. 3710. Im Jahr 1400 wurde
die toggenburgische Herrschaft bei
Gerichtsversammlungen auf der Burghalde
in Greifensee, in Nossikon sowie unter der Linde in Oberuster durch Ulrich
Ammann vertreten, der dabei jedoch stets als Vogt angesprochen
wurde, während Ammann zum Familiennamen geworden zu sein scheint.URStAZH,
Bd. 3, Nr. 4283, Nr. 4334; ZGA Oberuster I A 2.
Landvögte
Nach dem Übergang der Herrschaft Greifensee an die Stadt Zürich im Jahr 1402 blieb das Amt des Vogts beibehalten, nur
handelte es sich fortan um einen Stadtbürger, der vom Zürcher Rat entsandt wurde. Als Stellvertreter der Zürcher Herrschaft residierte der Vogt während
seiner Amtszeit permanent auf der Burg Greifensee, die nunmehr meist als Schloss bezeichnet wurde.
Greifensee wurde dadurch zur ersten
äusseren Vogtei, die direkt von einem Vogt vor Ort betreut wurde, was zum
Modellfall für weitere Territorien wurde, die Zürich im Verlauf des 15. Jahrhunderts erwarb. In Abgrenzung zu
den ihm unterstellten Untervögten bezeichnete man den Inhaber der Burg
Greifensee bisweilen auch als
Obervogt, in der Frühen Neuzeit wurde ausserdem die Bezeichnung Landvogt
gebräuchlich, wie man auch die äusseren Vogteien zur Unterscheidung von den
inneren, von einem Obervogt mit Sitz in der Stadt verwalteten Vogteien zunehmend
als Landvogteien bezeichnete.Hürlimann
2000, S. 28-29; Dütsch
1994, S. 11, mit Anm. 3; Largiadèr
1945, Bd. 1, S. 177.
Als ersten Vogt von Greifensee setzte der
Zürcher Rat den Steuereinzieher und
nachmaligen Säckelmeister Heinrich Biberli
ein.Diethelm/d’Andrea 1996, S. 7; Dütsch
1994, S. 20, mit Anm. 29; HLS, Heinrich
Biberli. 1404 wurde erstmals detailliert
geregelt, wie der Vogt für seinen Dienst entschädigt werden sollte: Sein Lohn
betrug demnach jährlich 50 Pfund, doch musste er sämtliche Bussgelder und
weiteren Einnahmen an die Stadt abliefern. Er durfte den Baumgarten, den Weiher
und die zum Schloss gehörenden Felder nutzen, was ihm jedoch ebenso vom Lohn
abgezogen wurde wie die Besoldung seiner Knechte oder Diener.SSRQ ZH NF II/3 8-1.
Wegen des vorzeitigen Todes seines Amtsnachfolgers Rudolf Bitziner im Jahr 1416 wurde die Vogtei für die
verbleibende Amtsperiode an dessen Bruder Johannes
Bitziner verliehen.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
12. Weil dieser bis zum Stichtag am Nikolaustag (6.
Dezember 1418) noch nicht alle Abgaben abgeliefert hatte, gestattete ihm der Rat
einen Aufschub bis zur alten Fasnacht des folgenden Jahres.SSRQ ZH NF II/3 13-1. Dieser Termin etablierte sich fortan als
Stichdatum, an dem der alte Vogt von Schloss Greifensee abzog und der neue Vogt seine Stelle antrat.Frei 2006,
S. 93-94; Dütsch
1994, S. 236-237. Beim sogenannten Aufritt – dem
feierlich zelebrierten Amtsantritt – hatten dem neuen Vogt jeweils die
Untertanen aus Fällanden und Maur zu helfen, indem sie seinen Hausrat über
den See nach Greifensee
transportierten.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 37.
Vgl. Dütsch
1994, S. 22, mit Anm. 44.
Die Aufgaben und Pflichten der Landvögte waren in einem Amtseid geregelt, der für
den Vogt von Kyburg galt, aber auch für
die Vögte von Greifensee, Regensberg und Grüningen verwendet wurde. Demnach mussten die Vögte anlässlich
ihrer Amtseinsetzung schwören, das ihnen zugewiesene Schloss treu zu verwalten,
die Rechte und Freiheiten der Vogtei zu wahren, die Einkünfte und Bussen
zuhanden der Stadt Zürich einzuziehen
sowie ein gerechter und unbestechlicher Richter zu sein.Zürcher Stadtbücher, Bd. 3/2, S. 153-154, Nr. 44. Vgl.
Dütsch 1994, S. 23. Später wurde der Amtseid um
eine eigentliche Ordnung erweitert, die dem Vogt nach dem Schwur vorgelesen
wurde.SSRQ ZH NF II/3 103-1. Insbesondere wurde dem Vogt
vorgeschrieben, sich ohne Erlaubnis der Stadtregierung nicht länger als drei
Nächte von seinem Amtssitz auf dem Schloss fernzuhalten.
Zu einer Zäsur wurde einzig die Zeit des Alten Zürichkriegs, als eidgenössische Truppen im Frühling 1444 raubend
und brandschatzend durch das Zürcher
Oberland zogen, das Kloster Gfenn überfielen und das Städtchen
Greifensee belagerten. Nach
mehrwöchiger Belagerung wurde die Besatzung von Greifensee abgeführt und auf einer Wiese bei Nänikon – der nachmaligen Bluetmatt – enthauptet.Eugster 1995b, S. 314; Kläui
1964, S. 57-61; Dändliker
1908-1912, Bd. 2, S. 113-120. Weil die Eidgenossen das Schloss untergraben und dadurch
teilweise zum Einsturz gebracht hatten, wohnten die Vögte in den folgenden
Jahren in Zürich und verwalteten
Greifensee wie eine innere Vogtei von
der Stadt aus. Anschliessend dürften sie ungefähr ab 1450 wiederum im Städtchen
residiert haben, jedoch nicht im Schloss, sondern im nachmaligen Pfarrhaus, wo
in dieser Zeit ein Wandgemälde mit den Wappen der Vögte erstellt wurde. Erst ab
1520 wurde das Schloss in seiner heutigen Form als viergeschossiger Bau mit
Satteldach neu aufgebaut.Gruhner
2013, S. 326-327; Sieber
2007c; Frei 2006,
S. 121-122; Diethelm/d’Andrea 1996, S. 8-10, 12-17; Diethelm/d’Andrea 1991, S. 5-6, 20-23, 25; Leuzinger 1956, S. 220-221; KdS ZH
III, S. 49. Symbolträchtig zum Ausdruck gebracht
wurde die Wiederherstellung der Machtverhältnisse durch ein Fresko mit den
Wappen des Reichs und der Stadt Zürich, das die Regierung 1536 über dem Tor des
restaurierten Schlosses anbringen liess. Kurz darauf erstellte der Maler
Hans Asper im Inneren des Schlosses
einen ähnlichen Wappenfries wie im Pfarrhaus, der die Kontinuität der Zürcher Vögte vor Augen führte und bis zum
Untergang des Ancien Régime im Jahr 1798 um die Wappen der jeweils neu gewählten
Amtsträger ergänzt wurde.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
62. Anschaulich dargestellt wird die Wohnsituation auf
einem Gemälde von 1640, das den Vogt Hans Konrad
Bodmer mit seiner Familie beim Mahl auf Schloss Greifensee zeigt.Sieber
2007c; Diethelm/d’Andrea 1996, S. 28; Weibel
1996, S. 41.
Spätestens seit der Zeit des Alten Zürichkriegs hatten die Untertanen dem
Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich sowie ihrem Vogt Gehorsam
zu schwören. Gemäss der Eidformel sollten sie die Rechte der Herrschaft
Greifensee schützen und die Burg bei
Bedarf verteidigen. Bei Streit sollten sie Frieden gebieten und sämtliche
Delikte der Obrigkeit anzeigen.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
25. Grundsätzlich sollten die Untertanen diesen Eid wohl
auf jeden neuen Vogt schwören, doch klagten die Landvögte im 17. Jahrhundert
verschiedentlich darüber, dass schon seit längerer Zeit keine derartige
Huldigung mehr stattgefunden habe und man auf dem Schloss auch keinen
entsprechenden Eid finden könne.StAZH A 123.5, Nr. 64, Nr. 302. Erst ab der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts scheinen solche Veranstaltungen wieder regelmässig durchgeführt
worden zu sein, wie aus den Missivenbüchern der Landvögte hervorgeht. Nach dem
Antritt eines neuen Landvogts hatten demnach alle Männer ab dem 16. Altersjahr
zu einem zuvor ab der Kanzel verkündeten Termin in der Kirche zu erscheinen und
den Treueeid auf die Obrigkeit abzulegen. Verweigerer wurden mit einer Geldbusse
oder Körperstrafe bedroht.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
112.
Die Wahl der Landvögte lag spätestens ab 1489 beim sogenannten Grossen Rat der
Zweihundert, Wahltermin war jeweils der Johannestag (24. Juni).Hürlimann
2000, S. 29; Dütsch
1994, S. 20-26, 236-241. Wählbar waren alle
Mitglieder des Grossen und des Kleinen Rats. Die Amtsdauer scheint anfänglich
nicht einheitlich festgelegt worden zu sein, die Vögte waren für nur ein Jahr
oder auch für mehrere Jahre im Amt. So amtierte beispielsweise Oswald Schmid von 1491 bis 1504 – also während
rund 13 Jahren – als Vogt von Greifensee.Dütsch
1994, S. 218, 240. 1504 wurde die Amtsdauer auf
drei Jahre beschränkt, ab 1515 konnte man sich allerdings für jeweils ein
weiteres Jahr bewerben. Seit ungefähr 1540 war die Amtsausübung dann dauerhaft
auf sechs Jahre begrenzt, danach durfte man sich während mindestens drei Jahren
nicht auf ein weiteres Amt im Staatsdienst bewerben.Dütsch 1994, S. 23, 236-241. Im Amt verstorben
sind neben dem bereits genannten Rudolf
Bitziner noch weitere Vögte von Greifensee: Niklaus Keller vom
Steinbock kam 1515 in der Schlacht bei Marignano ums Leben, Hans
Pfenninger ertrank 1566 auf dem Heimweg von Frauenfeld in der Kempt.Dütsch
1994, S. 218, 109-112.Johann Jakob Wick berichtet in seiner
Sammlung zeitgeschichtlicher Denkwürdigkeiten, dass Pfenningers Leichnam erst mehrere Monate später bei Basel gefunden wurde.ZBZ Ms F 16, fol. 179r.
Verschiedentlich sah sich der Zürcher Rat
genötigt, die Amtsführung eines Vogts zu rügen. So wurde beispielsweise dem Vogt
Bilgeri Leemann im Jahr 1543
vorgeworfen, dass er die zum Schloss gehörenden Güter schlecht beaufsichtige und
offen mit einer Prostituierten verkehre.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
64. Der einzige Vogt, der während seiner Amtszeit vom
Rat abgesetzt wurde, war indessen Georg
Rubli, der 1594 wegen Ehebruchs in Ungnade gefallen und aus
moralischen Gründen als Vorbild für die Bevölkerung nicht mehr tragbar war.Dütsch
1994, S. 109.Gerold Edlibach (im Amt 1505 bis 1507), der
sonst vor allem als Verfasser einer Chronik und eines Wappenbuchs bekannt ist,
setzte sich während seiner Amtszeit als Vogt von Greifensee für den Wiederaufbau der Gedenkkapelle auf der
Bluetmatt ein, trat sonst aber vor
allem in Konflikten mit den Inhabern der Burg Uster in Erscheinung, weil er für sich das Recht beanspruchte,
nach Lust und Laune im Usterbach zu
fischen.SSRQ ZH NF II/3 32-1 (zur Erneuerung der Gedenkkapelle
auf der Bluetmatt in Nänikon); SSRQ ZH NF II/3, Nr. 48;
SSRQ ZH NF II/3 50-1. Zu Gerold
Edlibach vgl. HLS, Gerold
Edlibach. Dem Vogt Salomon Landolt (im Amt 1781 bis 1787) hat Gottfried Keller in seiner Novelle Der
Landvogt von Greifensee ein literarisches Denkmal gesetzt, das die
Zustände kurz vor dem Untergang des Ancien Régime thematisiert.Sieber
2007c; Diethelm/d’Andrea 1996, S. 10; Diethelm/d’Andrea 1991, S. 6-7.
Untervögte und Weibel
Dem Obervogt oder Landvogt unterstanden weitere Amtsträger, die man je nach
Grösse der zu verwaltenden Einheit sowie dem Umfang ihrer Kompetenzen als
Untervögte oder Weibel bezeichnete.Hürlimann
2000, S. 30-32; Kunz 1948,
S. 8-42; Weibel
1996, S. 46-48. Diese entstammten der örtlichen
Bevölkerung, doch dürfte es sich in der Regel um Personen aus eher vermögenden
Verhältnissen gehandelt haben. Sie hatten vielfältige administrative,
wirtschaftliche, gerichtliche und polizeiliche Aufgaben.Bickel 2006, S. 196; Weibel
1996, S. 46. Als Vertreter des Landvogts
leiteten sie die örtlichen Gerichte und führten Konkursverfahren,
Zwangsversteigerungen sowie Erbteilungen durch. Ausserdem mussten sie die
Einhaltung der obrigkeitlichen Mandate überwachen sowie Straftäter verhaften und
der Obrigkeit übergeben.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
72. Für die Erledigung ihrer Aufgaben hatten sie
Anspruch auf gewisse Abgaben wie die sogenannten Vogtgarben.SSRQ ZH NF II/3 67-1. Auch wurden sie auf Staatskosten regelmässig
mit Stoff für ihre Amtstracht in den Zürcher Standesfarben Blau und Weiss ausgestattet.SSRQ ZH NF II/3 74-1; SSRQ ZH NF II/3 93-1. Die Ausgaben für diese Amtsröcke wurden
1617 obrigkeitlich geregelt und ab 1674 im sogenannten Mantelbuch
verzeichnet (StAZH F I 103). In der Regel übten die
Untervögte und Weibel ihr Amt auf Lebenszeit aus, doch konnten sie durch den
Landvogt beziehungsweise durch den Zürcher
Rat abgesetzt werden oder freiwillig zurücktreten, beispielsweise
aus Überforderung, Alters- oder Krankheitsgründen.So wurde
1557 Jörg Hoffmann, der wenige Jahre
zuvor noch wegen seiner Amtsausübung gerühmt worden war, als Weibel von
Uster abgesetzt, weil er sich
nach dem Tod seiner Ehefrau um seine vielen Kinder kümmern musste und
deswegen seine Amtsgeschäfte vernachlässigt habe (StAZH A 123.2, Nr. 123-124). 1633 traten Hans
Tobler und Hans Kappeler
freiwillig von ihren Ämtern als Weibel von Robenhausen beziehungsweise Untervogt von Fällanden zurück, wobei letzterer als Grund
sein hohes Alter von 75 Jahren und seine zunehmende Sehschwäche angab
(StAZH A 123.4, Nr. 129). 1659 wurde der über 80 Jahre
alte Lazarus Gyr wegen seiner Gebrechen
und seiner Schwerhörigkeit als Untervogt von Uster abgesetzt (StAZH A 123.5, Nr. 103). 1763 wurde der Untervogt
Jakob Hottinger von Maur wegen seines aufrührerischen Verhaltens
seines Amts enthoben (StAZH A 123.8, Nr. 74). Vgl. Bickel
2006, S. 197-198; Kunz 1948,
S. 9, 36-37. In einem Fall ist überliefert, dass ein
Untervogt der Herrschaft Greifensee wegen
seiner Schulden verhaftet wurde.StAZH A 123.4, Nr. 180-183. Ein anderer Untervogt namens Kaspar Hofmann wurde 1579 im Rahmen seiner
Pflichtausübung bei der Festnahme eines flüchtigen Gewalttäters in Uessikon erstochen, worüber ein illustrierter
Bericht in der bereits erwähnten Sammlung von Johann
Jakob Wick vorliegt.ZBZ Ms F 28, fol. 60r.
Noch in den sogenannten Spruchbriefen, mit denen den ländlichen Gebieten im
Zürcher Herrschaftsgebiet nach den
Unruhen im Zusammenhang mit dem Sturz des Bürgermeisters Hans Waldmann 1489 ihre angestammten Rechte
garantiert wurden, erhielten die Leute von Greifensee wie die Gemeinden am Zürichsee das Recht bestätigt, ihre lokalen Beamteten selber zu
wählen.SSRQ ZH NF II/3 38-1. Vgl. Bickel
2006, S. 204-205, mit Anm. 27. In Uster kam es in der Folge zu einer
Auseinandersetzung zwischen der Gemeinde und dem Gerichtsherrn Andres Roll von Bonstetten, weil letzterer
das Recht beanspruchte, den Untervogt einzusetzen, worin er vom Zürcher Rat unterstützt wurde (StAZH B II 16, S. 11). Vgl. Baumeler
2010, S. 171. Doch wie andernorts setzte die
Zürcher Obrigkeit in der Folge durch,
dass die Gemeinden in der Herrschaft Greifensee fortan lediglich einen Dreiervorschlag machen
durften, aus dem der Zürcher Rat dann den
Nachfolger bestimmte.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
84. In anderen Fällen ist belegt, dass der Landvogt
direkt einen Amtsnachfolger benannte, der sodann vom Rat bestätigt wurde.StAZH A 123.2, Nr. 124 (Weibel von Uster, 1557);
A 123.4, Nr. 109 (Weibel von Irgenhausen, 1629); A 123.4, Nr. 111 (Untervogt von Maur und Weibel von Robenhausen, 1629); A 123.4, Nr. 112 (Untervögte von Uster und Oberuster, 1629); A 123.4, Nr. 121 (Untervogt von Maur, 1630); A 123.4, Nr. 129 (Untervogt von Fällanden und Weibel von Robenhausen, 1633). Einzig 1672
kritisierte der Rat dieses Vorgehen, weil ihm so eine Auswahl verweigert wurde,
worauf der Vogt antwortete, dass er nicht habe herausfinden können, ob früher
ein Zweier- oder Dreiervorschlag üblich gewesen sei, weswegen er gleich selber
eine einzige qualifizierte und tugendhafte Person vorgeschlagen habe.StAZH A 123.5, Nr. 243.
Wie aus einem Verzeichnis aus dem Jahr 1618 hervorgeht, gab es in der Herrschaft
Greifensee vier Untervögte, welche
die Gerichte in Greifensee, Uster, Fällanden und Maur
betreuten, während die sieben Weibel von Uessikon, Aesch,
Oberuster, Nossikon, Irgenhausen,
Robenhausen und Hutzikon demzufolge keine Gerichtsaufgaben
innehatten.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 93. In den
Grundprotokollen von Greifensee werden
indessen alle diese Amtsträger als Untervögte angesprochen.StAZH B XI 10.1. Vgl. Hürlimann
2000, S. 28; Kunz 1948,
S. 37-38. Dass die Grenzen jedenfalls fliessend sein
konnten, geht auch aus einem Schreiben von Landvogt Konrad Escher aus dem Jahr 1553 hervor, in dem Escher darauf hinweist, dass der Weibel von
Uster sein Amt nicht wie sonst ein
Weibel ausübe, sondern Gericht halte wie ein Untervogt.SSRQ ZH NF II/3 74-1. Neben den eigentlichen Untervögten oder
Weibeln gab es beispielsweise in Nossikon
und Maur noch spezielle Weibel, die
eigens für die Einberufung der dortigen Gerichte zuständig waren.Zu den Gerichtsweibeln von Maur vgl. Schmid
1963, S. 322; zu Nossikon unten Anm. 198.
In den Grundprotokollen ist übrigens auch vermerkt, welche Dörfer und Höfe
welchem Untervogt unterstanden. Zum Zuständigkeitsbereich des Untervogts von
Greifensee gehörten demnach auch
Wildsberg, Nänikon, Hegnau,
Schwerzenbach, Gfenn, Niederuster, Wil,
Werrikon, Winikon, Gschwader sowie
die untere Hälfte von Freudwil. Dem
Untervogt von Uster unterstanden
Kirchuster und Brunnen mit dem Hof Schwiz, je ein weiterer Untervogt war für Oberuster und Büelweid mit Neufuhr und
Ägerstenriet sowie für Nossikon und Blindenholz zuständig. Zu Fällanden gehörten die Weiler Benglen und Pfaffhausen
sowie ein Haus in der Binz und der Hof im
Rohr, zu Maur die Weiler Looren,
Stuhlen und Guldenen, die Hälfte von Ebmatingen und ein weiteres Haus in der
Binz. Aesch verfügte zusammen mit Heuberg, Hell und
Scheuren über einen eigenen
Untervogt, ebenso das Fischerdorf Uessikon mit Neuguet,
Bachlen, Wannwis und Letzi. Der
Untervogt von Irgenhausen war zugleich
für Oberwil und Auslikon zuständig, jener von Robenhausen auch für Robank. Dem Weibel von Hutzikon unterstanden auch Tössegg und die Hälfte von Schalchen mit dem Hof im Loch sowie Neubrunn mit
Leerüti an der Grenze zur
Landgrafschaft Thurgau.Mathieu
1976, S. 67-70. Vgl. oben Anm. 42.
Landschreiber
Ein weiterer wichtiger Amtsträger, welcher dem Landvogt zur Seite stand, war der
Landschreiber. Fassbar wird dieses Amt allerdings erst nach der Reformation,
zweifellos im Zusammenhang mit der gesteigerten Bedeutung, welche die Schrift im
theologischen Diskurs erhalten hatte. So erliess der Zürcher Rat im Herbst 1529 ein Mandat zur Regelung der
Schreiberdienste in der Stadt und auf der Landschaft und setzte für jede Vogtei
einen Schreiber ein, der vor allem für die Dokumentation von Zinsgeschäften und
das Führen eines entsprechenden Registers zuständig sein sollte.SSRQ ZH NF I/1/11 6-1; SSRQ ZH NF I/1/3 147-1. Vgl. Weibel
1996, S. 43; Hürlimann
2000, S. 33, mit Anm. 32; Sibler
1988, S. 151-159, zum Fehlen der Register und der späteren
Einführung von Grundprotokollen S. 168-169, mit Anm. 61 und
62. Für die Herrschaft Greifensee und die benachbarte Gerichtsherrschaft Wangen wurde Batt
Ruland gewählt, dessen Vater Heinrich
Ruland als Kaplan von Uster wohl bereits zuvor einzelne Schreibarbeiten im Auftrag
der Vögte von Greifensee ausgeführt
hatte.Sibler
1990, S. 57-58; Sibler
1984-1990, Kap. 11. Fortan verblieb das
Schreiberamt über mehrere Generationen bei der Familie Ruland, deren Mitglieder bisweilen auch einfach mit dem Namen
Schreiber angesprochen wurden.SSRQ ZH NF II/3 85-1 (Batt
Schryber). Vgl. Sibler
1984-1990, Kap. 11, Bl. 5.
Die Amtsträger bezeichneten sich zunächst meist noch als geschworene
Schreiber, weil sie von der Obrigkeit vereidigt worden waren. Ab der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde indessen zunehmend die Bezeichnung
Landschreiber üblich: So unterschrieb Batt
Ruland 1586 erstmals als Landschreiber der Herrschaft Greifensee.Vgl. Sibler
1988, S. 164-171; zu Batt
RulandSibler 1984-1990, Kap. 11, Bl. 5. In bestimmten
Fällen griffen die Vögte selber zur Feder, insbesondere wenn es um Mitteilungen
an den Rat ging,SSRQ ZH NF II/3, Nr. 29; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 41;
SSRQ ZH NF II/3 48-1; SSRQ ZH NF II/3 50-1; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 69; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 74;
SSRQ ZH NF II/3 78-1; SSRQ ZH NF II/3 93-1. Vgl. Sibler
1988, S. 171-173. mitunter delegierten sie
Schreibaufträge an die städtische Kanzlei.Sibler
1988, S. 164, 172. Viele Schriftstücke
betreffend die Verwaltung der Herrschaft Greifensee wurden ohnehin direkt vom Zürcher Rat oder seinen untergeordneten Stellen wie dem Rechenrat
in Auftrag gegeben und dementsprechend durch den Stadtschreiber, dessen
Unterschreiber oder durch die Rechenschreiber ausgeführt.SSRQ ZH NF II/3 47-1; SSRQ ZH NF II/3 81-1; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 82; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 87;
SSRQ ZH NF II/3 107-1; SSRQ ZH NF II/3 109-1; SSRQ ZH NF II/3, Nr.
111.
Gewählt wurden die Schreiber durch den Zürcher
Rat, mitunter auf Empfehlung des zuständigen Vogts.Für die Herrschaft Greifensee sind mehrere solche Empfehlungsschreiben oder
Vorschläge dokumentiert, vgl. StAZH A 123.4, Nr. 187 (1644); A 123.5, Nr. 2 (1651). Während der Vogt 1662 Salomon Sprüngli empfahl, sprach sich die
Gemeinde für Konrad Lavater aus, der
vom Rat aber nicht für die Stelle berücksichtigt wurde (StAZH A 123.5, Nr. 138, Nr. 139, Nr. 142). Einen weiteren Kandidaten brachte
gleichzeitig der Vogt von Andelfingen
ins Spiel, indem er seinen eigenen Sohn vorschlug (StAZH A 123.5, Nr. 140). Zugleich bewarb sich auch
Johannes Denzler, der Bruder des
ehemaligen Landschreibers (StAZH A 123.5, Nr. 141). Ihre Amtszeit war
nicht beschränkt, das heisst, sie übten ihre Tätigkeit bis zu ihrem Ableben oder
ihrem freiwilligen Rücktritt aus. Für Greifensee ist dokumentiert, dass der bereits erwähnte
Batt Ruland im Jahr 1612 altershalber
seinen Rücktritt erklärte.Sibler
1990, S. 57; Sibler
1984-1990, Kap. 11, Bl. 6. Sein Enkel Hans Bernhard Ruland konnte sein Amt als
Landschreiber in den Jahren 1638 bis 1640 nicht ausüben, weil er
krankheitshalber im Spital lag. Er wurde unterdessen durch Hans Denzler vertreten, dessen Pate er war und
der ihm nach seinem Tod schliesslich offiziell im Amt folgte.StAZH A 123.4, Nr. 147. Vgl. Sibler
1990, S. 57; Sibler
1984-1990, Kap. 11, Bl. 8. 1711 wurde der
Landschreiber infolge Krankheit ebenfalls durch einen Substituten vertreten, der
dafür einen Teil des Gehalts erhalten sollte.StAZH C III 8, Nr. 53-54. Auch später wurde der Landschreiber
gelegentlich durch seinen Substituten vertreten, sodass man davon ausgehen kann,
dass es sich um einen fest angestellten Kanzleimitarbeiter handelte.Sibler
1984-1990, Kap. 11, Bl. 14-15.
Wie erwähnt ging es anfänglich vor allem um die Dokumentation von Zinsgeschäften,
doch weitete sich das Aufgabengebiet des Landschreibers schnell aus: Gemäss
einer entsprechenden Ordnung aus der Mitte des 16. Jahrhunderts sollte er die
Gerichtsverhandlungen protokollieren und darüber bei Bedarf ein Urteil, eine
Weisung oder eine Appellation ausstellen.Vgl. unten Anm.
180. Die Aufgaben des Landschreibers waren in einer Ordnung dokumentiert,
die allgemeine Gültigkeit besass, von der sich aber auch eine Abschrift im
Kopialbuch der Herrschaft Greifensee
findet (StAZH F II a 176, S. 119-123; Edition auf der
Grundlage der allgemein gültigen Fassung: SSRQ ZH NF I/1/3, Nr.
177). Zudem war er zuständig für das Abschreiben von
Mandaten zuhanden der Kirchgemeinden sowie für Testamente, Verträge, Urfehden,
Mannrechts-, Gant-, Zins- und Gültbriefe, die vor dem Vogt ausgefertigt wurden.
Rechnungen sind für die Herrschaft Greifensee ab 1542 fast lückenlos überliefert, etwas später die
ersten Kopialbücher und Herrschaftsurbare.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 62.
Vgl. Hürlimann 2000, S. 55, Anm. 128. 1647 bestimmte der
Zürcher Rat, dass der Vogt von
Greifensee die Rechnungen selber
schreiben oder auf eigene Kosten erstellen lassen solle (SSRQ ZH NF II/3, Nr. 96).
Die ältesten urbarialen Aufzeichnungen entstanden um 1416, als die Stadt
Zürich erstmals versuchte, ihren
Besitz auf der Landschaft systematisch zu erfassen, vgl. oben Anm. 30. Zu
den eigentlichen Herrschaftsurbaren vgl. unten Anm. 327. Ein
eigentliches Grundprotokoll führten die Landschreiber von Greifensee indes erst ab 1662 und damit später
als in allen anderen zürcherischen Landvogteien.Sibler
1988, S. 169, Anm. 62. Ebenfalls in den
Aufgabenbereich des Landschreibers beziehungsweise seiner Kanzlei gehörte wohl
die dauerhafte Aufbewahrung der soeben erwähnten Grundprotokolle wie auch
weiterer für die Verwaltung der Landvogtei benötigter Dokumente.Vgl. unten Anm. 329 und 330. Daneben verfügte auch
der Landvogt über ein eigenes Archiv im Schloss, über dessen Bestand ein
Verzeichnis aus dem Jahr 1704 Auskunft gibt.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
104. Um die Ordnung dieses Archivs scheint es nicht zum Besten
bestellt gewesen zu sein; als der Vogt im Auftrag der Obrigkeit 1679 nach
einem Eid für den Landschreiber suchte, wurde er jedenfalls nicht fündig
(StAZH A 123.5, Nr. 302).
Gemäss der erwähnten Ordnung erhielt der Landschreiber für jedes Geschäft einen
fixen Betrag als Lohn. Ausserdem sollten ihm alle Spesen vergütet werden, die im
Rahmen seiner Amtstätigkeit anfielen. In Greifensee erhielt der Landschreiber zusätzlich einen Anteil
der Zehntabgaben.StAZH C III 8, Nr. 117. Inwiefern die Schreiber
nebenamtlich noch weitere Tätigkeiten ausübten, ist ungewiss. Als sich 1662
Konrad Lavater auf die Stelle des
Landschreibers von Greifensee bewarb,
argumentierte er, dass er neben der Schreibertätigkeit auch Medikamente
herstellen und Krankheiten heilen würde. Ausserdem könne er als Hauptmann
militärische Musterungen und Exerzierübungen mit den Bauern durchführen. Für die
Ausübung des Landschreiberamts sah er sich besonders geeignet, weil er auf
seinen Reisen viele Fürstenhöfe und deren Schreibstuben besucht und schliesslich
auch in der Kanzlei der Stadt Zürich zu einer besseren Ordnung
beigetragen habe.StAZH A 123.5, Nr. 139. Vermutlich handelt es sich um
Johann Konrad Lavater (1609-1703),
Hauptmann und Verfasser eines Kriegs-Büchleins, vgl. HLS, Johann Konrad
Lavater.
Es wurde bereits angesprochen, dass das Schreiberamt über längere Zeit in Besitz
der Familie Ruland verblieb. Auf den
Rücktritt von Batt Ruland im Jahr 1612
folgte mit Christian Denzler erstmals ein
Landschreiber aus einer anderen Familie, der offenbar bereits zuvor gewisse
Schreibarbeiten ausgeführt hatte.Vgl. hierzu und zum
Folgenden Sibler 1990, S. 57; Sibler
1984-1990, Kap. 11, Bl. 6-12. Nach Denzlers Tod wechselte das Amt dann wieder zurück
an Hans Bernhard Ruland, den mittlerweile
erwachsenen Enkel von Batt Ruland. Als
dieser 1638 schwer erkrankte, wurde er zunächst vorübergehend, nach seinem Tod
im Jahr 1644 schliesslich dauerhaft durch Hans
Denzler, den Sohn des ehemaligen Landschreibers Christian Denzler, ersetzt. Eine Inschrift an der
neugebauten Empore der Kirche Greifensee
aus dem Jahr 1638 führt ihn neben dem Pfarrer, dem Landvogt und dem Untervogt
als Landschreiber auf.KdS ZH
III, S. 486-487, mit Abb. 694. Auf ihn folgte 1651
sein Sohn Hans Heinrich Denzler. Dieser
erlitt jedoch im Jahr 1660 Konkurs und entzog sich seiner Verhaftung durch
Flucht in den Thurgau.StAZH A 123.5, Nr. 110-111. Diese Informationen fehlen bei Sibler
1984-1990, Kap. 11, Bl. 10.
Es mag mit diesen Umständen zusammenhängen, dass der Rat 1662 nicht dessen Bruder
Johannes Denzler, der den Schreiber
gelegentlich vertreten hatte, zum Landschreiber ernannte, sondern mit Salomon Sprüngli einen erfahrenen Schreiber, der
zuvor schon als Angestellter in den Kanzleien von Grüningen und Kyburg
tätig gewesen war.Vgl. oben Anm. 105. Er begann
1662 die Reihe der bereits mehrfach erwähnten Grundprotokolle und trug damit
eine Praxis, die er in anderen Kanzleien kennengelernt hatte, nach Greifensee.Vgl. unten Anm.
329. Das Haus, das Sprüngli und
seine Amtsnachfolger bewohnten, wurde spätestens ab 1721 als Kanzlei bezeichnet;
sein Standort entsprach dem heutigen Gasthof Alte Kanzlei.Sibler
1990, S. 58; Sibler
1984-1990, Kap. 11, Bl. 14; KdS ZH
III, S. 509. Als Sprünglis Nachfolger wurde 1692 dessen Schwiegersohn Hans Kaspar Zureich gewählt, dessen Sohn und
Amtsnachfolger 1740 das Haus Greifenstein
kaufte, das fortan als Landschreiberei diente.Diethelm/d’Andrea 1991, S. 19 (ohne Unterscheidung
zwischen Alter Kanzlei und Haus Greifenstein); Sibler
1990, S. 58; Sibler
1984-1990, Kap. 11, Bl. 15; KdS ZH
III, S. 507, mit Abb. 716-719.
Trotz ihrer hervorgehobenen Stellung waren die Landschreiber nicht vor Problemen
oder vor Auseinandersetzungen mit ihren Vorgesetzten gefeit. Dass Hans Heinrich Denzler 1660 Konkurs erlitt und
danach in den Thurgau floh, ist bereits
erwähnt worden.Vgl. oben Anm. 119. 1711 kam es zu
einem langwierigen Konflikt zwischen dem damaligen Landschreiber Hans Kaspar Zureich ^und der Gemeinde Greifensee über die Nutzung des Brunnens, wobei sich
Zureich übrigens rühmte, dass er
niemals einen Amtseid abgelegt habe.StAZH C III 8, Nr. 50-54. Zeichnete sich darin schon ein
widersprüchliches Verhältnis gegenüber der obrigkeitlichen Autorität ab, so
scheint dieser Konflikt ein paar Jahre später vollständig eskaliert zu sein:
Infolge seines Streits mit Landvogt Salomon
Escher wurde Landschreiber Zureich im Frühling 1717 verhaftet und ihm befohlen, dass er
während Eschers Amtszeit nicht mehr in die
Herrschaft Greifensee zurückkehren und
stattdessen der Substitut die Kanzlei führen solle.StAZH A 123.6, Nr. 234-235.
Auch sein Sohn und Amtsnachfolger Hans Jakob
Zureich wurde 1732 für drei Jahre vom Dienst suspendiert und die
Kanzleiführung dem Substituten übertragen.Sibler
1984-1990, Kap. 11, Bl. 15. 1739 beklagte sich
Landvogt Melchior Wolf erstmals über Mängel
in der Protokollführung.StAZH A 123.7, Nr. 88, Nr. 90-94. Zur Behebung dieser Mängel erstellte der
Substitut Salomon Heusser noch im gleichen
Jahr ein Register zu den bisherigen Grundprotokollen und teilte die Herrschaft
Greifensee nun in die sieben
Kanzleibezirke Greifensee, Uster, Fällanden, Schwerzenbach
und Maur sowie Oberamt (Pfäffikersee)
und Hinteramt (Tösstal) auf, über die fortan separat Protokoll geführt
wurde.StAZH B XI 10.19. Nichtsdestotrotz beklagte
sich der Vogt um 1742 erneut über den Landschreiber, der sein Amt bis zu seinem
Rücktritt im Jahr 1763 vielleicht nur noch nominell innehatte.StAZH A 123.7, Nr. 148. Vgl. Sibler
1990, S. 58; Sibler
1984-1990, Kap. 11, Bl. 15. Sein Nachfolger war
Matthias Meyer, der nur wenige Jahre im
Amt blieb und wohl kaum etwas zur Behebung der Mängel beitrug. Als Hans Ludwig Nüscheler das Amt im Jahr 1769
übernahm, fand er die Kanzlei dermassen chaotisch vor, dass der Zürcher Rat 1770 ein gedrucktes Mandat erliess,
das dazu aufrief, sämtliche Schuldbriefe aus der Herrschaft Greifensee überprüfen und abschreiben zu
lassen.SSRQ ZH NF II/3 113-1. Parallel dazu legte
Nüscheler mehrere neue Schriftreihen
wie die Verwaltungsprotokolle, die Missivenbücher, die Waisenrechnungen und die
Gemeinderechnungen an.Vgl. unten Anm. 330.
Hans Ludwig Nüschelers Amtsnachfolger war ab
1784 sein gleichnamiger Sohn, der zuvor schon unter seinem Vater in den
Kanzleien von Kyburg und Greifensee hatte üben können. Allerdings erlitt
er 1792 Konkurs und musste zurücktreten.Sibler
1990, S. 59; Sibler
1984-1990, Kap. 11, Bl. 17. Sein Nachfolger
wurde Hans Rudolf Hirzel, dessen Amtszeit
in die unruhige Zeit der Helvetischen Revolution fiel.SSRQ ZH NF II/3 114-1. Nachdem der Zürcher Rat im März 1798 zurückgetreten war, unterschrieb
Hirzel vorderhand als provisorischer
Landschreiber. Im gleichen Band, in dem kurz zuvor noch der Landvogt
seine Missiven eingetragen hatte, führte Hirzel nun Protokoll über die erste Urversammlung der Gemeinde Greifensee, welche über die neue helvetische
Verfassung abstimmte und nunmehr ihre Beamten selber wählte.An die Stelle der gnädigen Herren traten nun die
würdigen Volksrepräsentanten und Bürger, vgl. SSRQ ZH NF II/3, Nr.
115; SSRQ ZH NF II/3 116-1. Wie andere Amtsträger des Ancien Régime
führte auch Hirzel sein Amt als Schreiber
in dieser Zeit noch weiter aus. Wie schon mehrere seiner Vorgänger ging er
jedoch im Jahr 1799 Konkurs und wurde durch einen interimistischen
Kanzleiverwalter abgelöst.Sibler
1990, S. 59; Sibler
1984-1990, Kap. 11, Bl. 18; Sibler
1988, S. 199, mit Anm. 178. Die Funktion des
Landschreibers lebt im heutigen Notariatswesen weiter.Sibler 1988, S. 149-150.
Seeknecht
Eine Besonderheit der Landvogtei Greifensee war der zugehörige See, der insbesondere für die
Lebensmittelversorgung mit frischem Fisch von erheblicher Bedeutung für die
Region war.HLS, Greifensee
(See). Verschiedentlich kam es über die
Fischerei zu Konflikten, beispielsweise zwischen den Fischern von Greifensee und Grüningen, zwischen den verschiedenen Gruppen von Fischern, die
unterschiedliche Fangmethoden benutzten, sowie zwischen den gewerbemässigen
Fischern und den Bauern, die bei Überschwemmungen auf ihren Feldern fischten und
damit die Erträge der Berufsfischer schmälerten.Vgl. oben
Anm. 34 sowie unten Anm. 274-276. Schon früh wurde der Fischfang
daher in der sogenannten Einung geregelt, der auch Bestimmungen über den Betrieb
einer Fähre auf dem Greifensee beigegeben
waren.Vgl. unten Anm. 268-269 und 317-319. Mit
der Aufsicht über die Einhaltung diese Regelungen betraut war der Vogt, den der
Zürcher Rat verschiedentlich dazu
aufforderte, seine Pflicht besser zu erfüllen und den See vor Übernutzung zu
schützen.SSRQ ZH NF II/3 64-1.
Um den Vogt bei dieser Aufgabe zu unterstützen, wurde 1650 das Amt des Seeknechts
geschaffen. Gemäss Eid war dieser verpflichtet, den Nutzen der Stadt Zürich zu fördern und dem Vogt von Greifensee gehorsam zu sein. Weil die Fischer
einander bei Regelverstössen nicht gegenseitig anzeigten, wie es die Einung
eigentlich vorsah, sollte der Seeknecht die Einhaltung der Regeln überwachen und
fehlerhaftes Verhalten dem Vogt melden.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 97.
Als 1738 die Ordnung für die Fischer am Greifensee neu angelegt wurde, hielt man auch die Aufgaben
des Seeknechts darin fest, vgl. SSRQ ZH NF II/3, Nr. 107. Ein entsprechendes
Amt gab es auf dem Zürichsee bereits seit
dem 14. Jahrhundert, wo zusätzlich zwei Mitglieder des Kleinen Rats als Seevögte
die Schifffahrt beaufsichtigten.HLS, Zürichsee. Wenig Konkretes zu den Ämtern der Seevögte und
Seeknechte enthält Amacher
1996. Der Eid wurde in die Einung und nachmalige
Ordnung der Fischer eingetragen und alljährlich bei deren Beschwörung
verkündet.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 86; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 97;
SSRQ ZH NF II/3 107-1. Beim Wechsel des Seeknechts im Jahr 1718 wurde die
Beschwörung des in der Einung eingetragenen Eides durch den neuen Amtsträger
ausdrücklich vermerkt, vgl. unten Anm. 145.
Eingesetzt wurde der Seeknecht durch den Säckelmeister der Stadt Zürich, der als Vertreter der Obrigkeit jeweils
der Vereidigung der Fischer beiwohnte.StAZH C III 8, Nr. 55. Wie andere Ämter ging
auch jenes des Seeknechts häufig vom Vater auf den Sohn über. So bekleideten
stets Mitglieder der Familie Brauch diese
Stelle.PGA Greifensee I B 6; PGA Greifensee II A 11-12. Wie die Untervögte und Weibel erhielt auch
der Seeknecht regelmässig Stoff für einen Mantel in den Zürcher Standesfarben.StAZH F I 103, S. 165. Vgl. oben Anm. 85.
Daneben erhielt er einen Lohn, der zunächst jährlich 6 Pfund betrug, 1738 auf 12
Pfund, sodann auf 13 Pfund und 1761 auf 16 Pfund erhöht wurde, damit der
Amtsinhaber fortan seinen Pflichten noch gewissenhafter nachkomme.SSRQ ZH NF II/3 111-1. Allerdings gaben die Seeknechte bei
ihrer Amtsausübung wiederholt Anlass zu Beanstandungen. 1699 wurde dem Seeknecht
Fridli Brauch sein weiss-blauer
Amtsmantel weggenommen, weil er wegen Trunkenheit negativ aufgefallen war.ERKGA Greifensee IV A 1 a, S. 116-117. 1768
klagte ein Berufsfischer den Seeknecht Melchior
Brauch an, weil er seinen Pflichten nicht nachkomme und die
Fischer stattdessen dazu auffordere, trotz der Verbote im Usterbach zu fischen, um ihn mit Fischen zu
beliefern.StAZH C III 8, Nr. 81.
Kommunale Strukturen
Bereits bei der Behandlung der Untervögte und Weibel wurde darauf hingewiesen,
dass die Gemeinden teilweise ein Wahl- oder zumindest Vorschlagrecht bei der
Besetzung dieser Ämter hatten.Vgl. oben Anm. 89-91.
Über weitere örtliche Beamtete wie Hirten, Förster und Bannwarte, aber
auch Kirchmeier beziehungsweise Kirchenpfleger konnten die Gemeinden frei
bestimmen. Der Bannwart hatte die Flur- und Allmendordnung zu kontrollieren, der
Förster die Nutzung von Wald und Holz zu überwachen, während einem Hirten das
Weidevieh der Dorfleute anvertraut wurde. Die Dorfmeier sowie die Kirchmeier
oder Kirchenpfleger verwalteten derweil das Gut der Gemeinde beziehungsweise der
örtlichen Kirche.Kunz 1948,
S. 49-55, 69-70. Nur vereinzelt hatte eine Gemeinde
ausserdem das Recht, ihren Pfarrer selber zu wählen, wie dies in Fällanden zwischen 1492 und 1552 der Fall
war.Vgl. unten Anm. 224.
Zur Wahl der Dorfbeamteten fanden wohl regelmässig Versammlungen der
vollberechtigten Gemeindemitglieder oder Dorfgenossen statt.Kunz 1948,
S. 6-7; Weibel
1996, S. 48-50. Neben Wahlen wurden dort auch
weitere Themen verhandelt, die Anbauordnung für die Dorfflur festgelegt und der
Gemeindehaushalt überprüft. Dazu versammelte sich die Gemeinde in der örtlichen
Kirche, auf dem Kirchhof oder in einem Wirtshaus. Dass es dabei hoch zu- und
hergehen konnte, belegt ein Fall aus Oberuster, wo es 1533 nach der Gemeindeversammlung zu einer
Auseinandersetzung mit Handgreiflichkeiten kam.StAZH A 123.1, Nr. 130. Mitunter versammelte
sich eine Gemeinde im Geheimen und wurde deswegen von der Obrigkeit beargwöhnt.
1491 musste der Zürcher Rat beispielsweise
zur Kenntnis nehmen, dass sich die Leute von Greifensee versammelt hätten, weil sie verhindern wollten, dass
die Grafschaft Kyburg ihre Rechte auf
Greifensee ausweitete.StAZH B II 19, S. 16. Als es 1567 in Uster zu einem Streit um die Höhe des
Einzugsgeldes kam, gaben die Gemeindevertreter gegenüber den Vertretern der
Obrigkeit selbstbewusst an, dass die Beschlüsse der Gemeindeversammlung
unumstösslich seien und der Vogt ihnen nicht in ihre Angelegenheiten reinreden
dürfe.StAZH A 123.3, Nr. 3. Der Zürcher Rat negierte diesen Anspruch und forderte
den Vogt auf, seine Vorgaben gegen den Willen der Gemeinde durchzusetzen.StAZH B II 139, S. 38-39.
Immer stärker kontrollierte die Obrigkeit im Verlauf der Frühen Neuzeit auch den
Umgang der Gemeinden mit ihrem Vermögen. Wie aus einer Auflistung von 1587
hervorgeht, hatten die Dorf- und Kirchmeier nunmehr ihre Rechnung vor dem Vogt
von Greifensee abzulegen. Separat über
das Vermögen von Kirche und Gemeinde abgerechnet wurde demnach in Greifensee, Maur, Schwerzenbach,
Fällanden, Nänikon, Niederuster und
Uster; lediglich als Gemeinden
aufgeführt wurden Nossikon, Aesch, Hegnau, Oberuster,
Werrikon, Irgenhausen, Auslikon,
Robenhausen, Hutzikon, Schalchen und Neubrunn.
Während die meisten Gemeinden gemäss dem Verzeichnis über regelmässige Einnahmen
verfügten, gaben Niederuster und
Schalchen an, kein Gemeinwerk und
demzufolge keine Einnahmen zu haben. Nänikon, Nossikon,
Aesch und Neubrunn hatten lediglich einen gemeinsam genutzten Wald oder
Acker, dessen Ertrag unter den Dorfbewohnern verteilt wurde.StAZH A 123.3, Nr. 125.
Nicht alle Gemeinden wollten sich diese zunehmende obrigkeitliche Kontrolle
gefallen lassen. 1668 verweigerten die Leute von Greifensee die Rechnungslegung vor dem Vogt auf dem Schloss,
weil dies in ihren Augen eine unstatthafte Neuerung gewesen wäre. Während der
Vogt eine drakonische Bestrafung der widerspenstigen Gemeindevertreter forderte,
liess es der Zürcher Rat bei einer Ermahnung
bewenden, erliess zugleich aber eine neue Herrschaftsordnung, die festlegte,
dass künftig alle Gemeinden und Kirchen der Herrschaft Greifensee jährlich oder zumindest alle zwei
Jahre ihre Rechnung vor dem Vogt ablegen mussten.SSRQ ZH NF II/3 100-1.
Militärische Organisation
Bereits im Vorfeld des Alten Zürichkriegs wurden die Leute in der Herrschaft
Greifensee eidlich verpflichtet, die
Herrschaft zu verteidigen, die Burg zu schützen und ohne Zustimmung der
Obrigkeit nicht in den Krieg zu ziehen.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
25. Im Kampf gegen die Eidgenossen wurden ab 1437
verschiedentlich auch Truppen aus der Herrschaft Greifensee ausgehoben, auf dem Höhepunkt der kriegerischen
Auseinandersetzungen um 1443 waren es 15 Armbrustschützen, 27 Langspiessträger
und 105 Träger von Hellebarden und anderen Kurzspiessen oder Streitäxten, die
zusammen mit Männern aus der Stadt und anderen Zürcher Herrschaftsgebieten für Zürich in den Krieg zogen.URStAZH,
Bd. 6, Nr. 8097, Nr. 8955, Nr. 8957, Nr. 8959. Angeführt
wurden die Truppen aus dem Amt Greifensee
von Hauptmann Meier aus Fällanden, vielleicht also jenem Ruedi Meier, der gemäss einem obrigkeitlichen
Erlass aus jener Zeit verpflichtet war, auf seinem Hof im Rohr ein Boot für 30 Personen zu unterhalten,
das demnach wohl auch als Kriegsschiff gedient hätte.Vgl.
unten Anm. 318. Zum Dank für ihre Treue im Krieg gegen die Eidgenossen erhielten diverse Leute aus Greifensee, Hegnau, Schwerzenbach,
Fällanden, Maur, Aesch und
Uessikon im Jahr 1440 pauschal das
Bürgerrecht der Stadt Zürich geschenkt,
woraus wohl das später wiederholt zum Ausdruck gebrachte Selbstverständnis
resultierte, die Bewohner der Herrschaft Greifensee seien Bürger von Zürich und den privilegierten Gemeinden am Zürichsee gleichgestellt.Vgl. unten Anm. 248.
Direkt ins Kriegsgeschehen involviert wurde Greifensee im Frühling 1444, als eidgenössische Truppen das Städtchen mehrere Wochen lang
belagerten und das Schloss teilweise zum Einsturz brachten.Vgl. oben Anm. 65. Aus einem zeitgenössischen Verhörprotokoll geht
hervor, dass die Eidgenossen unterdessen auch diverse Klöster und Kirchen in der
Umgebung heimsuchten: Im Kloster Gfenn hätten sie den Leichnam
einer kürzlich verstorbenen Nonne ausgegraben, in Schwerzenbach den Sarg des Lokalheiligen Einhard aufgebrochen, in Fällanden die Altartücher zu Boden geworfen und
in Greifensee, Volketswil und Dübendorf
die geweihten Hostien geschändet.Langmeier 2017, S.
660-663. Die Besatzung des Schlosses, bestehend aus dem Hauptmann
Wildhans von Breitenlandenberg sowie
rund 70 Männern aus der Herrschaft Greifensee und aus der Stadt Zürich, wurde nach ihrer Kapitulation auf einer Wiese bei
Nänikon – der nachmaligen Bluetmatt – hingerichtet. Ihre Körper wurden im
Beinhaus der Kirche Uster beigesetzt,
Jahre später stiftete der Zürcher Rat für ihr
Seelenheil eine Jahrzeit in Uster sowie
eine Wochenmesse in der bei Nänikon
errichteten Kapelle.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 32.
Die Stiftung ist eingetragen im Jahrzeitbuch von Uster, das nach einem Konflikt 1473 neu angelegt und
notariell beglaubigt wurde, vgl. SSRQ ZH NF II/3, Nr. 34.
Die militärische Organisation orientierte sich im 15. und 16. Jahrhundert noch
vornehmlich an den althergebrachten Herrschaftsverbänden. Alle zürcherischen
Herrschaften oder Ämter versammelten ihre Truppen unter dem jeweiligen
Herrschaftsfähnlein, die zusammen den sogenannten Gewalthaufen unter dem
Zürcher Stadtbanner bildeten. Jedes
Fähnlein wurde von einem Amtshauptmann angeführt, der meist selber in der
betreffenden Herrschaft ansässig war. Ebenfalls eine grössere Rolle spielte der
Amtsfähnrich, der nicht nur die Herrschaftsfahne trug, sondern auch gewisse
organisatorische Funktionen wahrnahm. Weil die Herrschaft Greifensee die für ein Fähnlein notwendige
Truppenstärke nicht aufbringen konnte, wurden zusätzlich noch weitere Gruppen –
sogenannte Rotten – aus Kyburg und
Grüningen aufgeboten.Peter
1907, S. 1-3, 13-15. Zum Hauptmann, zum Fähnrich und zu den
Offizieren vgl. HLS, Hauptmann; HLS, Fähnrich; HLS, Offiziere.
Etwas besser fassbar wird die militärische Ordnung erst im 17. Jahrhundert, als
Zürich im Zug des Dreissigjährigen
Kriegs seine Truppen neu organisierte.Peter
1907, S. 16-30; Weibel
1996, S. 350-363; HLS, Militärwesen. In diesem Zusammenhang erstellte
der bereits genannte Kartograph Hans Conrad
Gyger ab 1620 eine Reihe sehr detaillierter Pläne, auf denen die
Einzugsgebiete und Truppensammelplätze der sogenannten Militärquartiere
eingezeichnet sind. Demnach gehörte die Herrschaft Greifensee samt ihren Exklaven im Zürcher Oberland zum Einzugsgebiet des Küsnachter Quartiers am rechten Ufer des
Zürichsees.StAZH PLAN O 7, PLAN O 11. Im Fall eines Truppenaufgebots
hatten sich die Leute aus Maur,
Uessikon, Bachlen, Hell,
Wannwis, Heuberg, Scheuren,
Aesch, Ebmatingen, Stuhlen,
Benglen, Binz, Pfaffhausen und
Fällanden in Maur zu besammeln, jene aus Greifensee, Schwerzenbach, Gfenn,
Hegnau, Nänikon, Wildsberg,
Werrikon, Winikon, Freudwil,
Gschwader, Brunnen, Wil, Nossikon und Uster sowie aus den Exklaven in Irgenhausen, Oberwil,
Auslikon, Robenhausen, Robank,
Schalchen, Hutzikon und Neubrunn im
Städtchen Greifensee. In Maur rechnete man mit einem Aufgebot von 210
Mann und 22 Reitern, in Greifensee mit
480 Mann und 52 Reitern. Da sie keiner Aussengrenze ausgesetzt waren, sollten
diese Truppen im Bedarfsfall dem Grüninger Quartier zu Hilfe eilen und es an der Grenze zu
Rapperswil und Uznach verteidigen.Peter 1907, S. 149-150. In diesem Fall diente
ein Feld bei Hombrechtikon als
sogenannter Lärmenplatz, wo sich die gesamte Mannschaft des Quartiers
versammeln sollte.Peter
1907, S. 32.
Aus einem Streitfall jener Zeit geht hervor, wie die militärischen Dienstgrade im
Amt Greifensee vergeben wurden: Seit
jeher hätten die Herrschaftsleute am Hühnermahl der Offiziere und Untervögte in
geheimer Wahl beschlossen, wer in einen militärischen Rang befördert werden
sollte; nun aber habe ein Leutnant mit List und Tücke versucht, die Wahlen zu
umgehen und stattdessen seinen Sohn zu seinem Nachfolger zu ernennen.StAZH A 123.4, Nr. 132-133. Genauer geregelt wurde das Wahlverfahren
mit der sogenannten Herrschaftsordnung von Greifensee aus dem Jahr 1669: Demnach sollten der Amtshauptmann
und die übrigen Offiziere weiterhin durch die Herrschaftsleute gewählt werden,
jedoch ohne die bisherigen grossen Unkosten.Vgl. oben Anm.
160.
An die Stelle der Langspiesse und Hellebarden traten im Verlauf der Frühen
Neuzeit immer mehr Feuerwaffen, was sich unter anderem im ersten Schützenmandat
der Stadt Zürich von 1585 niederschlug:
Darin wurde festgehalten, dass sich die immer wichtiger werdenden Schützen im
Zielschiessen üben sollten.Peter
1907, S. 7-12. Dies hatte zur Folge, dass zu diesem
Zweck rund um die Stadt und auf der Landschaft Schiessplätze und Schützenhäuser
gebaut wurden. Beim Städtchen Greifensee
wurde 1608 ein Schützenhaus erstellt.StAZH A 123.4, Nr. 37. Am zweiten
Truppensammelplatz in Maur entstand ab
1642 ebenfalls ein entsprechendes Gebäude, das den Schützen von Maur, Aesch, Uessikon,
Ebmatingen, Binz und Fällanden gemeinsam dienen sollte, obwohl die Gemeinde Fällanden eine eigene Zielstätte errichten wollte,
was nachmals zu Konflikten führte.PGA Fällanden I A 11; ZGA Maur II A 19. Ein weiteres Schützenhaus
erstellten die Gemeinden Schwerzenbach,
Hegnau und Gfenn 1773 auf dem Musterungsplatz bei Schwerzenbach.PGA Schwerzenbach II A 28.
Gerichtsorganisation
Wie bereits erwähnt, war die Hoch- oder Blutgerichtsbarkeit über die Herrschaft
Greifensee zwischen Kyburg und Grüningen umstritten, bis sie 1498 direkt dem Zürcher Rat unterstellt wurde.Vgl. oben Anm. 32. Die niederen Gerichte mit Twing
und Bann waren demgegenüber an den Besitz der Burg Greifensee geknüpft und lagen somit zunächst bei den Grafen von
Rapperswil, ab 1300 bei den Herren von
Landenberg, ab 1369 bei den Grafen von
Toggenburg und ab 1402 bei der Stadt
Zürich, die sie von einem Vogt
verwalten liess. Wenn sich die Richter uneinig waren oder eine der Parteien
unzufrieden zeigte, wurden die Fälle an den Zürcher
Rat als oberste Instanz weitergeleitet. In den Akten der
vormodernen Landvogtei Greifensee machen
solche Weisungen und Appellationen einen Grossteil der Überlieferung aus.StAZH A 123. Vgl. Hürlimann
2000, S. 42-43, 55-60; allgemein zum Instanzenzug
mittels Weisungen und Appellationen vor den Zürcher
Rat auch Schmid
1969, S. 22-23.
Es gab mehrere Gerichtsstätten in der Herrschaft Greifensee, wo jeweils recht unterschiedliche Verhältnisse
herrschten. Das eigentliche Herrschaftsgericht fand an der Burghalde
beziehungsweise im Rosengarten des Schlosses Greifensee statt.URStAZH,
Bd. 3, Nr. 4283 (1400, Burghalde); Bd. 3, Nr. 5241 (1407,
Burghalde); SSRQ ZH NF II/3 23-1 (1431, Rosengarten). Der Rosengarten
befand sich an der äusseren Schlossmauer (KdS ZH
III, S. 494). Kläui
1958, S. 426, geht demgegenüber davon aus, dass die
Bezeichnung Rosengarten lediglich zum Ausdruck bringen sollte,
dass der Entscheid ausschliesslich Sache des Herrn und nicht
eines Gerichts war, aber öffentlich im Freien erfolgen
musste. Es behandelte die Fälle aus den umliegenden Dörfern
sowie aus den Exklaven im Oberland. Ausserdem konnte man von den anderen
Gerichten hierher appellieren. Das Gericht von Uster tagte unter der Dorflinde und war neben Kirchuster und Wil auch für jene Leute in Oberuster und Nossikon
zuständig, die nicht zum dortigen Freigericht gehörten. Weil es sich dabei
teilweise um Eigenleute der Herren von Bonstetten als Inhabern der Burg Uster handelte, führten die Burgherren und die Vögte von
Greifensee die hiesigen Gerichtstage
gemeinsam durch.Hürlimann
2000, S. 38-39; Kläui
1964, S. 69-76.Fällanden unterstand eigentlich der
Gerichtsbarkeit des Fraumünsters, deren
Ausübung jedoch dem Vogt von Greifensee
übertragen war.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 35. Vgl. Sablonier
1986, S. 20-25; Schmid
1963, S. 106. Während die Gerichte in Greifensee und Uster häufig tagten, sind von Fällanden nur sehr wenige Fälle überliefert, vgl.
Hürlimann 2000, S. 38. Ebenfalls dem Fraumünster unterstellt war Maur, wo sich im Gegensatz zu Fällanden die Inhaber des Meieramts noch fast
bis zum Untergang des Ancien Régime als relativ eigenständige Gerichtsherren
halten konnten. Ihr Gericht versammelte sich jeweils in der Burg Maur und betraf neben Maur auch einzelne Häuser in Ebmatingen, Aesch und
Guldenen.SSRQ ZH NF II/3 63-1; SSRQ ZH NF II/3 91-1. Vgl. Schmid
2004, S. 13; Aeppli
1979, S. 89-100; Schmid
1963, S. 59-63.
Daneben existierte das bereits erwähnte Gericht der Freien in Nossikon, dessen Leitung ebenfalls beim Inhaber
der Burg Greifensee lag. An dieser
Dingstatt wurden vor allem Gütertransaktionen der zugehörigen Höfe verhandelt,
die sich von Nossikon und Oberuster über Freudwil, Werrikon und
Nänikon bis Volketswil und Hegnau sowie auf der anderen Seite Richtung Pfäffikersee bis Robenhausen erstreckten.Aufschluss über
die zugehörigen Güter bietet ein Verzeichnis des Klosters Einsiedeln
aus dem Jahr 1373, dessen Niederschrift somit wohl veranlasst wurde, nachdem
die Grafen von Toggenburg die Herrschaft
Greifensee im Jahr 1369
übernommen hatten (KAE K.X.2). Vgl. Kläui
1964, S. 64; Kläui
1958, S. 429-433. Ein Teil der Bauern von Freudwil gehörte demgegenüber zum Freigericht
Brünggen und war demnach auf die
Grafschaft Kyburg ausgerichtet.Vgl. oben Anm. 23. Ausserdem gab es noch die
Gerichtsherrschaft der Herren von Bonstetten
in Wermatswil. Zwar appellierten die
Leute von Wermatswil im 15. Jahrhundert
noch nach Greifensee und liessen sich
ihre Offnung 1508 durch den dortigen Vogt bestätigen.StAZH C I, Nr. 2508 (1497); StAZH F II a 255, fol. 222r-224r (1508). Vgl.
Kläui
1964, S. 439, Anm. 55 (mit falscher Signatur).
Nach der Übergabe der Gerichtsherrschaft an die Stadt Zürich wurde Wermatswil
1528 jedoch nicht in die Herrschaft Greifensee integriert, sondern zur Grafschaft Kyburg geschlagen.Vgl.
oben Anm. 20.
Die Konkurrenz um die verschiedenen genannten Gerichtsrechte führte immer wieder
zu Spannungen zwischen den örtlichen Gerichtsherren und der Zürcher Obrigkeit beziehungsweise ihren Vertretern
in der Herrschaft Greifensee. Wie
erwähnt, traten die Herren von Bonstetten
deshalb ihre Gerichtsherrschaft über das Dorf Wermatswil im Jahr 1528 mehr oder weniger freiwillig an die
Stadt Zürich ab. Die Gerichtsherrschaft
über Uster und Nossikon war zwischen den Inhabern der Burg Uster und der Herrschaft Greifensee geteilt, was wiederholt zu Konflikten
über die Teilung der Einnahmen führte, bis der Burgherr Hans Vogel seinen Anteil
im Jahr 1544 an Zürich verkaufte.SSRQ ZH NF II/3 53-1; SSRQ ZH NF II/3 61-1; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 65.
Auch sonst kam es zwischen den Vögten von Greifensee und den Inhabern der Burg Uster wiederholt zu Auseinandersetzungen,
die sogar vorübergehend zur Beschlagnahmung der Güter der Familie Bonstetten in der Herrschaft Greifensee führten (SSRQ ZH NF II/3, Nr. 30),
ansonsten aber vor allem das Fischen im Usterbach betrafen (SSRQ ZH NF II/3, Nr. 48;
SSRQ ZH NF II/3 50-1). Einzig in Maur konnten sich zunächst die Mitglieder der Familie Aeppli und sodann ihre verschiedenen Nachfolger
als Gerichtsherren halten, wenngleich sich die Konflikte mit der Stadt
Zürich ab dem 16. Jahrhundert mehrten
und die Kompetenzen der Gerichtsherren in Maur zunehmend eingeschränkt wurden.Vgl.
unten Anm. 199-200. Erst 1775 trat der letzte Gerichtsherr von
Maur, der berühmte Kupferstecher
David Herrliberger, seine Rechte an
Zürich ab, nachdem es in seinem
Gericht zu fast revolutionsartigen Auseinandersetzungen mit den Untertanen
gekommen war.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 110. Vgl. Aeppli
1979, S. 96-97; Schmid
1963, S. 260-278; zu David
HerrlibergerHLS,
David
Herrliberger. Ab diesem Zeitpunkt waren alle
Gerichtsrechte in der Hand der Stadt Zürich vereinigt, sodass die Landvogtei Greifensee fortan auch gerichtlich ein
geschlossenes Gebilde darstellte.
Das Herrschaftsgericht im Städtchen Greifensee sollte alle drei Wochen durchgeführt werden, ebenso
das Gericht in Uster.SSRQ ZH NF II/3 82-1. Vgl. Kläui
1964, S. 62. Die übrigen Gerichte fanden zweimal pro
Jahr statt, nämlich im Frühling und im Herbst. Sie wurden dementsprechend als
Maiengericht und Herbstgericht bezeichnet. Wenn jemand zwischen diesen Terminen
Bedarf für eine Versammlung anmeldete, konnte er das Gericht kaufen, das
heisst gegen eine Gebühr speziell einberufen lassen.SSRQ ZH NF II/3 82-1; SSRQ ZH NF II/3 94-1. Vgl. Hürlimann
2000, S. 37; Kläui
1964, S. 62. Verschiedentlich beklagten sich die
Leute über die hohen Kosten für die Gerichte.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 82;
ferner auch StAZH A 123.4, Nr. 99. Für Nossikon ist belegt, dass das Freigericht ab dem
16. Jahrhundert nur noch sporadisch durchgeführt wurde; dennoch wollte es die
Zürcher Obrigkeit nicht gänzlich
abschaffen, weil die Untertanen sonst zu Recht auch die damit verbundenen
Abgaben infrage gestellt hätten.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 51;
SSRQ ZH NF II/3 54-1. Vgl. Kläui
1964, S. 67-68; Kläui
1958, S. 436-438. In der Gerichtsordnung der Herrschaft
Greifensee aus dem 17.
Jahrhundert heisst es, das Gericht sei schon länger nicht mehr abgehalten
worden und kaum noch jemandem bekannt (SSRQ ZH NF II/3, Nr.
94).
Die Leitung der Gerichte lag beim Inhaber der Burg Greifensee und damit ab 1402 offiziell beim Landvogt als
Vertreter der Zürcher Obrigkeit. Den
Gerichtsstab führte indessen meist der jeweilige Untervogt. Eine hervorgehobene
Stellung nahm der Amtsuntervogt des Städtchens Greifensee ein, der quasi als Stellvertreter des Landvogts
fungierte.Kläui
1964, S. 62. In Uster, dessen Gerichtsbarkeit bis 1544 zwischen dem Vogt von
Greifensee und den Inhabern der Burg
Uster geteilt war, leitete der
örtliche Untervogt die Versammlungen im Namen beider Herren. Das Freigericht
Nossikon sollte eigentlich durch
einen Freien geleitet werden, doch sah die Offnung in Ermangelung von Freien
vor, dass der Vogt von Greifensee einen
anderen Richter stellen konnte.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 23;
SSRQ ZH NF II/3 79-1. Konkret war es auch hier meist der Landvogt
beziehungsweise der lokale Untervogt oder Weibel, welcher den Gerichtsstab
führte.URStAZH,
Bd. 3, Nr. 3710 und Nr. 4334 (Vogt Ulrich Ammann als Vertreter der Grafen von Toggenburg, 1393 und 1400); ERKGA Uster I A 1 (Weibel Ulrich Heiden von Greifensee, 1403); URStAZH,
Bd. 3, Nr. 5441 (Untervogt Hans
Keller von Greifensee,
1408); URStAZH, Bd. 4, Nr. 5930 (Vogt Rudolf Bitziner, 1414); URStAZH,
Bd. 5, Nr. 6684 (Vogt Jakob
Stucki, 1424). Für die Einberufung des Gerichts war
ein örtlicher Weibel zuständig, der dafür die Einkünfte der Weibelwiese nutzen
durfte. Gemäss Offnung sollte er freien Standes sein und als äusserliches
Zeichen dafür Schuhe ohne Blätzen tragen.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 23;
SSRQ ZH NF II/3 79-1. Vgl. Kläui
1964, S. 65; Kläui
1958, S. 425-426. In Maur sass der jeweilige Inhaber des Meieramts dem Gericht vor,
doch sollte auch der Landvogt oder sein Amtsuntervogt den Verhandlungen
beiwohnen und über jene Fälle richten, welche die Kompetenz des Gerichtsherrn
überstiegen. Während Twing und Bann beim Gerichtsherr lagen, waren gröbere
Frevel durch den Vogt oder seinen Vertreter zu ahnden.SSRQ ZH NF II/3 63-1; SSRQ ZH NF II/3 91-1. Vgl. Schmid
1963, S. 111-112, 130-140. In der Gerichtsordnung der
Herrschaft Greifensee aus dem 17.
Jahrhundert heisst es sogar schlicht, dass der Landvogt das Gericht in
Maur abhalte und der Untervogt
den Gerichtsstab führe (SSRQ ZH NF II/3 94-1). Auch das Behandeln von Geschäften
betreffend Vormundschaft und Mannrecht wurde den Gerichtsherren verboten.SSRQ ZH NF II/3 68-1; SSRQ ZH NF II/3 70-1.
Aus der Gerichtsordnung der Herrschaft Greifensee, die erst aus späterer Zeit überliefert ist,
inhaltlich aber wohl noch in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts zurückreicht,
geht hervor, dass neben dem Landvogt beziehungsweise seinem Stellvertreter noch
weitere Richter als Beisitzer oder Stuhlsässen fungierten. In Greifensee, Fällanden und Nossikon
waren es je sieben, in Uster acht
Richter.SSRQ ZH NF II/3 94-1. Auch die Offnung von Nossikon nennt sieben Stuhlsässen
(SSRQ ZH NF II/3 23-1), während sich die Offnungen von Fällanden (SSRQ ZH NF II/3, Nr. 35)
und Maur (SSRQ ZH NF II/3, Nr. 63)
über die Zahl der Richter ausschweigen. Beim Ausscheiden eines
Richters durfte der Landvogt einen Nachfolger bestimmen, der von den anderen
Richtern akzeptiert werden musste. Die Richter werden in den Akten kaum je
namentlich aufgeführt; wie bei den Untervögten und Weibeln dürfte es sich wohl
mehrheitlich um Angehörige der lokalen Oberschicht gehandelt haben.Hürlimann
2000, S. 32-33. Für das Freigericht in
Nossikon hält dessen Offnung
ausdrücklich fest, dass es sich bei den Richtern wie auch beim Weibel um Freie
handeln müsse, was immer wieder Anlass für Auseinandersetzungen bot, weil es
kaum mehr Leute gab, die ihre Freiheit zweifelsfrei nachweisen konnten.SSRQ ZH NF II/3 23-1; SSRQ ZH NF II/3 51-1; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 54;
SSRQ ZH NF II/3 79-1. Vgl. Kläui
1964, S. 64-68; Kläui
1958, S. 424-425, 436-438.
Die soeben erwähnte Gerichtsordnung dokumentiert zugleich, wie in der Herrschaft
Greifensee konkret Recht gesprochen
wurde. Die Versammlung sollte jeweils vom Landvogt einberufen und sodann durch
den Untervogt verbannt, also offiziell eröffnet werden. Mit einer Umfrage
bei den Richtern wurde festgestellt, dass der Zeitpunkt und das Vorgehen korrekt
waren. Sodann konnten sich Leute melden, die eine Klage vorzubringen wünschten,
indem sie vom Untervogt einen Richter als Fürsprech verlangten. Nach
einer kurzen Absprache mit seinem Mandanten schilderte der Fürsprecher dem
Gericht sodann dessen Anliegen. Anschliessend erhielt der Fürsprecher der
Gegenseite die Gelegenheit, deren Sichtweise darzulegen. Sodann fasste der
Landvogt die Klage und Antwort sowie allfällige Zeugenaussagen oder Beweismittel
zusammen und fällte sein Urteil, worauf jeder Richter der Reihe nach
bekanntzugeben hatte, ob er mit dem Urteil einverstanden sei oder nicht. Wenn
sich nicht alle Richter einig waren, folgte man der Mehrheit, bei Gleichstand
kam es zum Stichentscheid durch den Landschreiber. Verkündet wurde das Urteil
durch den Fürsprecher. Wenn keine weiteren Fälle mehr zu behandeln waren,
schloss der Untervogt die Verhandlung mit den Worten zum Ersten, zum Zweiten
und zum Dritten und legte den Gerichtsstab nieder.
Behandelt wurden vor allem Gütertransaktionen, Erbangelegenheiten, Testamente,
Mannrechts- und Gantbriefe, Verstösse gegen die Holz- und Flurordnung sowie
kleinere Streitigkeiten und Ehrverletzungsklagen, während eigentliche
Kriminalfälle als sogenannte Malefizangelegenheiten direkt an den Zürcher Rat als Inhaber der Blutgerichtsbarkeit
geleitet wurden.HLS, Gerichtswesen. Besondere Aufmerksamkeit galt
dem Erbrecht, das gesondert geregelt war und 1691 an jenes der Herrschaft
Grüningen angeglichen wurde.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 52;
SSRQ ZH NF II/3 102-1. Ein reguläres Gericht kostete die beiden
Parteien je 3 Schilling, während man bei einem eigens einberufenen,
gekauften Gericht für sämtliche Kosten aufzukommen hatte. Bei den
Gerichten in Uster und Fällanden musste der Landvogt die
Wirtshausrechnung des Pfarrers, des Untervogts und des Landschreibers begleichen
und der Stadtkasse verrechnen. Ebenfalls aus der Stadtkasse erhielt jedes
Gericht jährlich 4 Pfund, die zusammen mit den Einnahmen unter den Richtern
verteilt wurden.
Wenn eine Partei mit dem Urteil nicht einverstanden war, bezahlte sie 10
Schilling und bekundete damit die Absicht, an den Zürcher Rat zu appellieren. Der Richter merkte dann lakonisch an:
Appellieren und bettlen ist jedermann erlaubt. Innerhalb von
zehn Tagen hatten sich sodann die beiden Fürsprecher mit dem Landschreiber zu
treffen, der das Urteil schriftlich ausstellte und dem Kläger übergab, der sich
damit an den Rat wenden konnte. Wenn es dem Landvogt und den Richtern zu
schwerfiel, einen Fall zu beurteilen, konnten sie ihn mit einer schriftlichen
Weisung ebenfalls an den Zürcher Rat
weiterreichen. Wie bereits erwähnt, sind die meisten Gerichtsfälle aus der
Landvogtei Greifensee in Form solcher
Appellationen oder Weisungen überliefert.Vgl. oben Anm.
180.
Kirchliche Verhältnisse und geistliche Institutionen
Älter als die herrschaftlichen Strukturen und davon teilweise stark abweichend
war die kirchliche Organisation. In kirchlicher Hinsicht gehörte die Herrschaft
Greifensee zum Bistum Konstanz und war grösstenteils dem Dekanat
Illnau beziehungsweise Wetzikon im Archidiakonat Zürichgau zugeteilt.Nüscheler 1864-1873, S. 279, 288-294, 323-325, 327-329,
335-336, 338-341, 345, 397; KdS ZH
III, S. 344; 372-375, 399-401, 475-476, 514-515, 532-533, 563-564,
609-610, 626. Anlässlich der grossen päpstlichen
Zehnterhebung des Jahres 1275 im sogenannten Liber decimationis wurden
die Pfarrkirchen von Maur und Uster sowie das Lazariterhaus im Gfenn
aufgeführt.Person-Weber, Liber Decimationis, S. 309, 328, 382.
Kläui
1964, S. 435, Anm. 9, geht davon aus, dass sich die
Nennung eines plebanus in Capella auf die im Liber
decimationis sonst nicht erwähnte Kirche Schwerzenbach bezieht. Ein ähnliches Verzeichnis aus
der Zeit um 1370 nennt ausserdem noch die Pfarrkirche von Schwerzenbach sowie die Kapelle in Greifensee. Letztere wurde wie die Kapelle in
Volketswil von der Mutterkirche in
Uster betreut. Nicht aufgeführt wurde
die Kirche Fällanden, weil diese direkt
dem Grossmünster unterstand und aus diesem
Grund als einzige Kirche in der Herrschaft Greifensee nicht zum Dekanat Illnau oder Wetzikon,
sondern zum Dekanat Rapperswil gehörte.
Daneben gab es noch weitere Kapellen in Aesch, Hegnau,
Nänikon und Niederuster, wo wohl nicht regelmässig
Gottesdienste stattfanden. Ebenfalls nur spärlich belegt ist das Bruderhaus auf
dem Wassberg oberhalb von Maur, wo Laienbrüder ein frommes Leben in
Abgeschiedenheit führen wollten und sich sonst wohl vor allem der Landwirtschaft
widmeten.SSRQ ZH NF II/3 15-1; SSRQ ZH NF II/3, Nr.
36.
Die einzige klosterartige Einrichtung im Gebiet der Herrschaft Greifensee war somit das Lazariterhaus im Gfenn, das vermutlich von den Grafen von Rapperswil im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts
beziehungsweise mit Sicherheit vor 1250 gegründet worden war.HS IV, Bd.
7, S. 887-907; Hugener
2004; HLS, Gfenn. Sein Besitz erstreckte sich über die nähere
Umgebung sowie ein paar wenige, weit verstreute Güter. Das Haus wurde zunächst
noch von Brüdern unter einem Komtur bewohnt, spätestens ab der zweiten Hälfte
des 14. Jahrhunderts lebten hier aber nur noch Schwestern unter einer
Meisterin.Niederhäuser
2014b; Hugener
2007. Ob hier jemals ein Spital betrieben wurde,
ist äusserst fraglich; es handelte sich wohl eher um eine Pfründenanstalt für
Leute aus der Umgebung. Im Rahmen der Reformation wurde diese Einrichtung
geschlossen, seine Güter dem Siechenhaus an der
Spanweid einverleibt
und die Gebäude 1527 an den damaligen Vogt von Greifensee, Heinrich
Escher, verkauft.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
59.
Für die Bevölkerung dienten vor allem die örtlichen Pfarrkirchen als Zentren der
Religiosität: Hier versammelte sich die Bevölkerung jeden Sonntag sowie an
kirchlichen Feiertagen, hier wurden die Leute getauft, verheiratet und beerdigt.
Alte Pfarrkirchen existierten in Maur,
Schwerzenbach und Uster, während Fällanden zunächst noch vom Leutpriester des Grossmünsters betreut wurde und Greifensee lediglich eine Filiale der Kirche
Uster darstellte, die erst im Zug der
Reformation den Status einer eigenständigen Pfarrei erhielt.Ziegler
2001, S. 74. Eine gewisse Bedeutung hatten
daneben wohl auch die Kapellen von Nänikon und Niederuster;
jedenfalls verfügten diese wie die genannten Kirchen über ein eigenes Vermögen,
über das vor dem Vogt von Greifensee
Rechnung abgelegt wurde.Vgl. oben Anm. 159.
Die älteste Kirche der Region ist diejenige von Maur, deren älteste Teile zusammen mit einem dort vorgefundenen
Gräberfeld noch ins urkundenarme Frühmittelalter zurückreichen.Aeppli
1979, S. 27-32. Der Kirchensatz von Maur gehörte der Fraumünsterabtei, ging jedoch im Rahmen der Reformation an den
Zürcher Rat über.Nüscheler 1864-1873, S. 288; KdS ZH
III, S. 626. Über die Gründung der Kirche Schwerzenbach kursierte im Mittelalter die
Legende, dass an dieser Stelle ein frommer Mann namens Einhard bestattet worden sei, der aufgrund seiner
Wundertätigkeit als Lokalheiliger verehrt wurde.Schmid
1983. Zusammen mit weiteren Gütern in Schwerzenbach gehörte der Kirchensatz dem
Kloster Einsiedeln, das auch nach der Reformation das
Recht behielt, den Pfarrer einzusetzen. Jedoch mischte sich der Zürcher Rat nach der Reformation immer stärker in
dessen Rechte ein, indem er nun jeweils einen neuen Pfarrer vorschlug und dem
Kloster wiederholt vorwarf, das Pfarrhaus nicht genügend in Stand zu
halten.Frei 2004,
S. 51-60; HLS, Schwerzenbach. Erst 1665 wurde dieser
Streitpunkt beigelegt, indem sich das Kloster von seiner Unterhaltspflicht
loskaufte, während sich die Gemeinde gleichzeitig von den Zehntabgaben
befreite.SSRQ ZH NF II/3 99-1.
Die Kirche in Fällanden war ursprünglich
eine Filiale des Grossmünsters und wurde
durch dessen Leutpriester versorgt.Leonhard
2002. Dies dürfte auch der Grund dafür sein,
warum Fällanden als eine der frühesten
Kirchen auf der Zürcher Landschaft einen
Ablass von mehreren Bischöfen erhielt, der mehrmals bestätigt und erweitert
wurde.SSRQ ZH NF II/3 2-1; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 3; SSRQ ZH NF II/3, Nr.
18. Wie andere religiöse Einrichtungen rund um den
Greifensee und im Zürcher Oberland wurde die Kirche Fällanden von den eidgenössischen Truppen während des Alten Zürichkriegs
heimgesucht und so stark beschädigt, dass noch 1455 Spenden für den Wiederaufbau
gesammelt werden mussten.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
31. Als eine der ersten Gemeinden im Zürcher Herrschaftsgebiet erhielt Fällanden im Jahr 1492 das Recht zur freien
Pfarrwahl, musste dieses Recht aus Geldmangel jedoch 1552 an die Stadt
Zürich abtreten.SSRQ ZH NF II/3 42-1; SSRQ ZH NF II/3 71-1.
Der Kirchensatz von Uster gehörte zum
dortigen Laubishof und wurde bei der
Verpfändung von Greifensee durch
Elisabeth von Rapperswil an die Herren
von Landenberg im Jahr 1300 explizit als Teil
ihrer Herrschaft erwähnt.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
1. Als sich die Landenberger 1369 ihrerseits gezwungen sahen, die Herrschaft
Greifensee an die Grafen von Toggenburg zu verkaufen, nahmen sie den
Kirchensatz indessen ausdrücklich vom Verkauf aus.SSRQ ZH NF II/3 4-1. Stattdessen gelangte der Kirchensatz mit dem
Laubishof zwischenzeitlich an die
Herren von Bonstetten als Inhaber der Burg
Uster, die ihn aber bereits 1371
wieder an die Landenberger
zurückverkauften.StAZH C II 10, Nr. 132. Für diese hatte die
Kirche Uster als
generationenübergreifende Grablege zweifellos einen hohen Wert. Erst 1438
beziehungsweise 1441 verkaufte Hans Rudolf von
Landenberg die Kollatur mit allen Einkünften dem Kloster Rüti, von dem sie im Rahmen der Reformation 1525 an
die Stadt Zürich überging.SSRQ ZH NF II/3 26-1. Vgl. Kläui
1964, S. 84-88.
Unter landenbergischer Herrschaft entstand um
1340 auch die Kirche in Greifensee als
Filiale von Uster.Diethelm/d’Andrea 1991, S. 12-17; Kläui
1964, S. 84. Sie gilt aufgrund ihrer dreieckigen
Form entlang der Stadtmauer als einzigartiges architektonisches
Kunstdenkmal.KdS ZH
III, S. 475-476. Ebenfalls speziell sind die
zahlreichen Darstellungen der Landenberger
Wappen in ihrem Innern, die sicher auch der Herrschaftsrepräsentation vor Ort
dienten: Wenn sich die gesamte Bevölkerung in der Kirche versammelte,
vermittelten ihnen die Wappen an der Decke unmissverständlich, wer oben war und
wer unten.Hugener
2014, S. 83; Hugener
2008, S. 232-233. Auf dem nachmals als
Bluetmatt bezeichneten Feld bei
Nänikon, wo die Besatzung von
Greifensee nach mehrwöchiger
Belagerung durch eidgenössische Truppen im
Jahr 1444 hingerichtet worden war, entstand eine Kapelle, wo wöchentlich eine
Messe für die Getöteten gehalten werden sollte.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
32. Die hölzerne Kapelle war jedoch bereits zu Beginn
des 16. Jahrhunderts so zerfallen, dass der Chronist Gerold Edlibach, der damals als Vogt von Greifensee amtierte, sie um 1506 neu in Stein
errichten liess.Edlibach,
Chronik, S. 52. Zum weiteren Schicksal der Kapelle auf
der Bluetmatt und zum heute dort
stehenden Denkmal vgl. Sieber
2007b; Diethelm/d’Andrea 1996, S. 14; Diethelm/d’Andrea 1991, S. 5; Kläui
1964, S. 61, 99-100; Bühler
1922, S. 36; KdS ZH
III, S. 401.
Vor und während der Reformation kam es auch in der Herrschaft Greifensee zu Kritik an den Praktiken der
Geistlichkeit. Besonders heftig kritisiert wurde der Kaplan von Greifensee, Burkhard
Kochenrüblin, dem 1508 von den Kirchgängern vorgeworfen wurde,
seine seelsorgerischen Pflichten zu vernachlässigen, mit ungewaschenen Händen an
den Altar zu treten und mit seiner Tochter ein inzestuöses Verhältnis zu
unterhalten.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 49. Angestachelt wurde die
Kritik durch reformorientierte Geistliche wie Wilhelm
Reublin, der in der Kirche Schwerzenbach nicht nur gegen die anwesenden Klosterfrauen von
Gfenn, sondern auch gegen den
Bürgermeister und den Vogt predigte.Frei 2004,
S. 47-49; Leonhard
2002, S. 70.
Im Jahr 1525 fassten die Amtsleute aus der Herrschaft Greifensee ihre Unzufriedenheit in 29 Punkten, den sogenannten
Beschwerdeartikeln, zusammen.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
58. Wie andere Untertanen aus dem Zürcher Herrschaftsgebiet forderten sie unter
Berufung auf die Bibel die Aufhebung von Zehntabgaben sowie anderer Feudallasten
und Frondienste. Der Zürcher Rat nahm diese
Forderungen zwar entgegen, setzte aber praktisch nichts davon in die Tat um. Die
Reformation bedeutete auch keineswegs die Aufhebung der Leibeigenschaft, wie es
in der Literatur oftmals heisst.Kamber
2010, S. 395-396; Scott
2010, S. 51-52; Weibel
1996, S. 31; HLS, Leibeigenschaft. Gerade aus den Quellen der
Landvogtei Greifensee geht
verschiedentlich hervor, dass auch die nunmehr reformierte Obrigkeit auf den
entsprechenden Abgaben beharrte und Massnahmen ergriff, dass die leibeigenen
Leute des Schlosses Greifensee sich nicht
ihren Pflichten entziehen konnten.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 66;
SSRQ ZH NF II/3 88-1. Bestehen blieben ausserdem die
Besitzansprüche auswärtiger Herrschaften wie der Klöster St. Gallen und St.
Johann an Eigenleuten in der Herrschaft Greifensee.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 78.
Zu den Leibeigenen des Klosters Einsiedeln im Zürcher Herrschaftsgebiet vgl. Leibacher
2009.
Zugleich nutzte die weltliche Obrigkeit die Reformation dazu, ihre Kontrolle über
die kirchlichen Instanzen zu erhöhen. Zusammen mit weiteren geistlichen
Institutionen im Zürcher
Herrschaftsgebiet wurde das Lazariterhaus im Gfenn wie
erwähnt 1525 aufgehoben und sein Besitz dem Siechenhaus
an der Spanweid
einverleibt, während die Klostergebäude und die zugehörigen Güter 1527 an
Heinrich Escher verkauft wurden, der
damals als Vogt von Greifensee
amtierte.SSRQ ZH NF II/3 59-1. Auch in das geistliche Leben
in den Gemeinden wurde direkt eingegriffen, indem der Rat nunmehr die Pfarrer
ernannte, die quasi zum Sprachrohr der Obrigkeit wurden, indem sie deren Mandate
von der Kanzel verkündeten. So übernahm der Rat beispielsweise die Kirche
Greifensee, setzte dort einen ihm
genehmen Prädikanten ein und erliess 1552 ein Regelwerk über dessen Einkünfte
und Pflichten.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 76.
Zusammen mit dem Pfarrer wachte der sogenannte Stillstand über die Sittlichkeit
der Bevölkerung. Dieses Gremium bestand aus dem Pfarrer, den Dorfbeamteten und
weiteren ehrbaren Männer, die sich jeweils nach dem Gottesdienst trafen. In den
Protokollen dieser Behörde widerspiegeln sich die vielfältigen Aufgaben, die der
Stillstand wahrnahm: Er war zugleich Kirchen-, Schul-, Armen- und
Vormundschaftsbehörde, aber auch Sittengericht, das einzelne fehlbare Personen
zur Besserung ermahnte.ERKGA Greifensee IV A 1 a; ERKGA Schwerzenbach IV A 1; ERKGA Fällanden IV A 1. Die vorhandenen
Stillstandsprotokolle des 17. Jahrhunderts liegen ediert vor bei Frei, Zürcher Stillstandsprotokolle 17. Jahrhundert.
Zur Organisation und den Aufgaben des Stillstands vgl. Kunz 1948,
S. 59-67; Weibel
1996, S. 45-46. Wie private Auseinandersetzungen
zu öffentlich verhandelten Angelegenheiten werden und eine gefährliche
Eigendynamik annehmen konnten, beleuchtet der Fall von drei Frauen aus
Uster aus dem Jahr 1573. War es in
dem Konflikt ursprünglich um den Verkauf von Tuch gegangen, so stand plötzlich
der Vorwurf der Hexerei im Raum, der die Betroffenen das Leben hätte kosten
können. In diesem Fall wurden die beschuldigten Frauen freigesprochen, während
jene Männer, die den Vorwurf erhoben hatten, gerügt wurden für magische Rituale,
mit denen sie die Schuld der Frauen hatten beweisen wollen.SSRQ ZH NF II/3 85-1. Weniger glimpflich ging die Obrigkeit mit
Elsbetha Bünzli aus Nossikon um, die 1656 als einzige Frau aus der
Herrschaft Greifensee wegen Hexerei zum
Tod verurteilt, enthauptet und verbrannt wurde.Sigg,
Hexenmorde, S. 155-189; Sigg,
Hexenprozesse, S. 9, 12, 186-190, 255.
Wirtschaftswesen
In zeitgenössischen Quellen wird Greifensee oft als Städtchen beziehungsweise
Stettli bezeichnet. Bereits bei der Verpfändung im Jahr 1300 war von
der Burg und der Stadt Greifensee die
Rede,SSRQ ZH NF II/3 1-1. ebenso in den Nachträgen zur
Einung der Fischer sowie im Einzugsbrief aus dem Jahr 1531.SSRQ ZH NF II/3 21-1; SSRQ ZH NF II/3 22-1; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 60. Dem Charakter als
Landstädtchen entsprach die Befestigung mit einer Ringmauer, wenngleich diese
lediglich ein paar Dutzend Häuser umfasste. Die Bewohner des Städtchens waren
mit gewissen Sonderrechten ausgestattet, indem sie beispielsweise keine
Vogtgarben zu bezahlen hatten.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
67. In diesem Zusammenhang ist wohl auch der
eigentümliche Umstand zu sehen, dass sich die Leute aus der Herrschaft
Greifensee selbstbewusst als Bürger
der Stadt Zürich verstanden und generell
mit den Leuten aus den besonders privilegierten Gemeinden am Zürichsee gleichgestellt sein wollten.SSRQ ZH NF II/3 38-1; SSRQ ZH NF II/3 44-1. Vermutlich stützte sich dieses
Selbstverständnis auf den Umstand, dass jene Leute von der Landschaft, die
1440 für die Stadt Zürich gekämpft
hatten, in einem kollektiven Akt eingebürgert worden waren (Koch 2002,
S. 270-271, 290, 308; Largiadèr
1922, S. 23-24).
Trotz dieses Selbstverständnisses verfügte Greifensee nie über ein Stadtrecht mit Marktrecht und anderen
städtischen Privilegien, sodass nicht von einer Stadt im rechtlichen Sinn
ausgegangen werden kann.Gruhner
2013, S. 328. Auch baulich blieb Greifensee bis zum Untergang des Ancien Régime
ein kümmerliches Vorburg-Städtchen,Schneider 1995, S. 242. das kaum je mehr als
100 Einwohnerinnen und Einwohner beherbergte. Einiges grösser war dagegen
Uster, das im 17. Jahrhundert
immerhin 655 Personen zählte.Gruhner
2013, S. 328. Im Gegensatz zu Greifensee verfügte Uster bereits im Mittelalter über einen bedeutenden Jahrmarkt
für Waren und Vieh, der jeweils im Anschluss an die Kirchweihe am Tag des
Apostels Andreas (30. November) abgehalten wurde, weit über die Region hinaus
ausstrahlte und heute noch im jährlichen Ustermarkt fortlebt.Kläui
1964, S. 163-166; Zangger
1995, S. 421.
Landwirtschaft und Forstwirtschaft
Die meisten Bewohner der Zürcher
Landschaft waren zweifellos in der Landwirtschaft tätig.Zangger
1995, S. 391-399. Neben Ackerbau und Viehzucht
spielte dabei auch der Wald eine entscheidende Rolle: Holz benötigte man nicht
nur für den Bau von Häusern, Zäunen, Wasserleitungen, Fahrzeugen und Geräten,
sondern auch als Brennmaterial für Öfen und Kochherde; zugleich mästete man mit
Eicheln die Schweine.Weisz et al.
1983; speziell zur Landvogtei GreifenseeHürlimann
2008. Dementsprechend häufig sind Konflikte über
die Nutzung von Weiden und Wäldern in den Gerichtsquellen der Landvogtei
Greifensee überliefert.SSRQ ZH NF II/3 45-1; SSRQ ZH NF II/3 64-1; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 87;
SSRQ ZH NF II/3 89-1. Vgl. Hürlimann
2000, S. 72-84; Zangger
1995, Bd. 1, S. 399. Ebenfalls häufig kam es zu
Konflikten über die Abgaben, Zinsen und Zehnten, welche die Untertanen als
landwirtschaftliche Produzenten ihren Obrigkeiten – neben der Stadt Zürich beziehungsweise ihrem Vogt auch weiteren
Herrschaftsträgern wie dem Grossmünster – zu
leisten hatten.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 42; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 57;
SSRQ ZH NF II/3 58-1; SSRQ ZH NF II/3 66-1; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 67; SSRQ ZH NF II/3, Nr.
73. Nachdem die Klagen über die Belastung durch solche
Abgaben in der Reformationszeit weitgehend unerhört geblieben waren, unternahmen
Gemeinden und Einzelpersonen ab dem 17. Jahrhundert vermehrt Anstrengungen, sich
davon durch Loskauf zu befreien.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 88;
SSRQ ZH NF II/3 90-1; SSRQ ZH NF II/3 99-1.
Auch beim normativen Schriftgut überwiegen Regelungen der landwirtschaftlichen
und forstwirtschaftlichen Nutzung, zu den daraus erwachsenden Abgaben, zur
Beaufsichtigung durch Bannwarte, Hirten und Förster sowie zur Beilegung von
Konflikten und zur Bestrafung entsprechender Vergehen; hiervon zeugen
beispielsweise die Offnungen von Nossikon, Fällanden und
Maur,SSRQ ZH NF II/3, Nr. 23;
SSRQ ZH NF II/3 35-1; SSRQ ZH NF II/3 63-1. aber auch die Holzordnungen von
Nänikon und Aesch, die Gemeindeordnungen von Greifensee und Schwerzenbach sowie die allgemeine Herrschaftsordnung von
Greifensee.SSRQ ZH NF II/3 77-1; SSRQ ZH NF II/3 81-1; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 100; SSRQ ZH NF II/3, Nr.
108. Die Gemeindeordnung von Greifensee aus dem Jahr 1734 ist in modernisierter Fassung
und ohne Angabe des Archivstandorts ediert in Pretto
1986. Vor diesem Hintergrund überrascht es
nicht, dass einige der ältesten Aufzeichnungen zur Herrschaft Greifensee die beanspruchten Güter und Rechte
sowie die daraus erwachsenden Einkünfte detailliert beschreiben. Dies gilt
bereits für die Verpfändungsurkunde von 1300 und die Verkaufsurkunde von 1369,
bevor im frühen 15. Jahrhundert ein erstes Urbar erstellt wurde, das die
herrschaftlichen Ansprüche umfassend dokumentierte.SSRQ ZH NF II/3 1-1; SSRQ ZH NF II/3 4-1; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 11. Daneben verfügte das Schloss
Greifensee über weitere
Einkünfte, die erst 1515 vollständig verzeichnet wurden (SSRQ ZH NF II/3, Nr.
69).
In den genannten Schriftstücken manifestiert sich zugleich eine Verschiebung von
genossenschaftlichen Organisationsformen hin zu herrschaftlich dominierten
Normierungsprozessen, bei der Regelungen nur noch von oben erlassen statt
gemeinschaftlich ausgehandelt wurden. Diese Verschiebung wird nicht nur
inhaltlich deutlich, sondern allein schon anhand der Bezeichnung der
entsprechenden Dokumente: An die Stelle der älteren Offnungen, die jeweils nur
eine einzelne Gemeinde beziehungsweise die dort ansässige Nutzungsgemeinschaft
betrafen, trat die Herrschaftsordnung, die nunmehr die Verhältnisse in der
gesamten Landvogtei Greifensee
flächendeckend regelte. Gleichzeitig wurde den Gemeinden von der Obrigkeit nun
genau vorgeschrieben, wie sie ihr Gemeindegut zu verwalten und darüber
Rechenschaft abzulegen hatten.Vgl. oben Anm.
160.
Mit dem frühneuzeitlichen Bevölkerungswachstum drohten die Ressourcen knapper zu
werden, was weitere Konfliktfelder eröffnete. Einerseits kam es vermehrt zu
Auseinandersetzungen zwischen Gemeinden über bis anhin gemeinsam genutztes
Weideland. Andererseits versuchten die örtlichen Grossbauern zunehmend, die
sogenannten Tauner, die nur über wenig Land und keinen Pflug verfügten, von der
gemeinsamen Nutzung von Weide und Wald auszugrenzen.Kunz
1948, S. 6; HLS, Tauner. Gut dokumentiert sind entsprechende
Konflikte in Nänikon,Schuler/Hürlimann 2001, S. 208-210. aber auch
aus der Exklave Auslikon am Pfäffikersee.SSRQ ZH AF
I/1, XIV Nr. 6. Damit verbunden war ausserdem die
Tendenz, dass sich die Gemeinden mit hohen Gebühren – dem sogenannten
Einzugsgeld – gegen Neuzuzüger wehrten, die ebenfalls Anspruch auf einen Anteil
an den gemeinsamen Nutzungsräumen auf der Allmend und im Wald erhoben.Ziegler
2001.Uster und Greifensee waren die ersten Gemeinden in der Landvogtei
Greifensee, die 1529 beziehungsweise
1531 einen entsprechenden Einzugsbrief erhielten, gefolgt von Fällanden (1539), Maur (1546), Nänikon
(1571), Irgenhausen (1584), Auslikon (1586), Schwerzenbach (1586), Hegnau (1589) und Hutzikon (1592).SSRQ ZH NF II/3, Nr.
60. Parallel dazu bemühten sich Gemeinden und
Einzelpersonen darum, sich von Feudallasten wie Zehntabgaben, aber auch von
Zöllen zu befreien.Vgl. oben Anm. 256-257 und unten Anm.
323.
Fischerei
Neben der Land- und Forstwirtschaft hatte für die Herrschaft Greifensee auch der zugehörige See eine
beachtliche wirtschaftliche Bedeutung.Amacher
1996; speziell zum GreifenseeZimmermann
1990. Kläui
1964, S. 177-178, und ihm folgend Frei 2006,
S. 36-37, bezeichnen die Fischerei als Nebenerwerb, was der
Bedeutung der berufsmässigen Fischer auf dem Greifensee nicht gerecht wird. Ein hoher Anteil der
überlieferten Dokumente aus Greifensee
betrifft die Fischerei, was sich auch in der vorliegenden Edition niederschlägt:
Über 20 der hier edierten 116 Stücke behandeln ausschliesslich oder
hauptsächlich dieses Thema. Wie Allmenden, Felder und Wälder war auch der See
als Nutzungsraum konfliktanfällig und daher regelungsbedürftig, was die erhöhte
Schriftgutproduktion zu diesem Thema erklärt. Während man bei den ländlichen
Nutzungsordnungen meist von Offnungen oder Weistümern spricht, bezeichnete man
die frühen Regelungen betreffend Fischerei als Einung, was auf deren
genossenschaftlichen Charakter hindeutet (die gleiche Bezeichnung gab man auch
der Busse, die jemand bei Verstössen gegen diese Bestimmungen zu bezahlen
hatte). Für den Greifensee wurden diese
Regeln 1428 erstmals schriftlich festgehalten und sodann sporadisch erneuert
sowie um weitere Artikel ergänzt.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 17;
SSRQ ZH NF II/3 19-1; SSRQ ZH NF II/3 20-1; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 21; SSRQ ZH NF II/3, Nr. 22;
SSRQ ZH NF II/3 56-1; SSRQ ZH NF II/3 86-1.
Auch in diesem Bereich setzte sich die Zürcher
Obrigkeit im Lauf der Zeit zunehmend als Oberaufsicht durch.
Bereits die Verschriftlichung der Einung im Jahr 1428 erfolgte wohl auf
Veranlassung des Rats, der auch später immer wieder neue Regelungen erliess und
den Vogt mit deren Durchsetzung beauftragte. Beispielsweise regelte der Rat, zu
welchen Zeiten welche Fischarten geschont werden mussten, wie die gefangenen
Fische frisch gehalten werden sollten und vor allem, dass sämtliche Fische auf
den städtischen Markt nach Zürich
gebracht werden mussten, und zwar mehrmals täglich.SSRQ ZH NF II/3 19-1; SSRQ ZH NF II/3 20-1. Weiter verstärkt wurde die
obrigkeitliche Kontrolle durch die Einsetzung eines Seeknechts im Jahr
1650.Vgl. oben Anm. 142-148. 1738 wurde die
ursprünglich genossenschaftlich organisierte Einung schliesslich totalrevidiert
und dabei vollends in eine obrigkeitlich sanktionierte Ordnung umgestaltet, die
nicht mehr von den Fischern selbst ausgehandelt, sondern vom Rat diktiert
wurde.SSRQ ZH NF II/3 107-1.
Die Fischerei wurde hauptsächlich durch eine Gruppe von Berufsfischern ausgeübt,
welche über eine obrigkeitliche Konzession in Form einer Fischenz verfügten, die
man auf dem Greifensee auch als Gewerbe
oder Fach bezeichnete. Die Einung von 1428 nennt elf Fischer, nämlich zwei aus
Greifensee, einen aus Fällanden, zwei aus Maur, drei aus Uessikon
und drei aus Riedikon, das trotz seiner
Lage am See nicht zur Herrschaft Greifensee, sondern zu Grüningen gehörte.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
17. Normalerweise wurden die Fischenzen innerhalb der
Familie weitervererbt; häufig stellten die Fischer noch weitere Knechte an, oder
sie liessen sich durch ihre Ehefrauen beim Fischfang unterstützen, weswegen
ausdrücklich auch die Knechte und Frauen die Einung beschwören mussten. Allen
anderen Personen war das Fischen eigentlich untersagt – was nicht bedeutet, dass
sie es nicht taten: Wie aus einem Urteil von 1569 hervorgeht, erstellten mehrere
Seeanrainer auf ihren Grundstücken Gräben, um darin Fische zu fangen.SSRQ ZH NF II/3 83-1. Ein weiteres Urteil aus dem Jahr 1749
betraf einige Bauern, die bei Überschwemmungen auf ihren Feldern fischten,
wogegen sich die Berufsfischer wehrten.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
109.
Die Fischer waren hierarchisch in zwei Gruppen gegliedert: Die höchsten Erträge
hatten die sogenannten Garner, die Zuggarne beziehungsweise Schleppnetze
benutzen durften. Ihnen nachgestellt waren die Berer, die mit sogenannten Beren
– also reusenartigen Körben – fischten. Daneben gab es noch die Netzer, die
nicht mit Korbreusen, sondern mit Netzreusen fischten und daher den Berern
gleichgestellt waren.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 55.
Weitere Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Gruppen von Fischern
beziehungsweise Weidleuten sind dokumentiert in StAZH A 85, Nr. 11-12, Nr. 14. Beide Gruppen mussten einen Teil ihrer
Fänge an den Vogt von Greifensee
abliefern, wobei die Abgaben der Garner viermal höher ausfielen als jene der
Berer und Netzer. Das Verhältnis entsprach somit genau demjenigen von Huben und
Schupposen in der Landwirtschaft.Amacher
1996, S. 158. Die Garne waren rechtlich an ein
bestimmtes Gebiet gebunden: Eines existierte in Maur, die beiden anderen im Städtchen Greifensee. Allerdings blieb eines davon nach
den Verheerungen des Alten Zürichkriegs unbesetzt, weswegen es nach Uessikon sowie später nach Riedikon verlegt wurde, bis es die Fischer von
Greifensee im 16. Jahrhundert
zurückverlangten.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 21, Art.
29; Kommentar zu SSRQ ZH NF II/3 55-1.
Speziell geregelt war die Fischerei im Usterbach: Wie die Gerichtseinnahmen aus Uster waren auch die Fische und Krebse aus
diesem Gewässer zwischen dem Inhaber der Burg Uster und dem Vogt von Greifensee zu teilen, was immer wieder Anlass zu
Auseinandersetzungen bot. Um 1491 wurde festgelegt, dass die Fischenz im Bach
zwar dem Burgherrn von Uster gehörte,
dieser den Vogt aber an vier Tagen im Jahr darin fischen lassen sollte.SSRQ ZH NF II/3 41-1. Trotz dieser Regelung kam es 1507 erneut
zu einem Streit, bei dem der sonst vor allem als Chronist bekannte Vogt
Gerold Edlibach ausführlich
dokumentierte, wie er von seinem einstigen Freund, dem Burgherrn Batt von Bonstetten, gedemütigt worden sei.SSRQ ZH NF II/3 48-1; SSRQ ZH NF II/3 50-1.
Handwerk und Gewerbe
Für die Weiterverarbeitung der land- und forstwirtschaftlichen Produkte sowie zur
Abdeckung des Bedarfs der lokalen Bevölkerung waren Gewerbebetriebe wie Mühlen
notwendig, die als ehaftes Recht mit obrigkeitlicher Konzession betrieben
wurden. Bereits in der Verkaufsurkunde von 1369 werden die Mühlen in Greifensee, Volketswil und Niederuster erwähnt.Vgl. oben Anm.
27. Eine weitere Mühle wurde Mitte des 16. Jahrhunderts in Fällanden gebaut, deren Inbetriebnahme jedoch
vom Zürcher Rat untersagt wurde, weil es in
der Gegend bereits genügend Mühlen gebe.StAZH A 123.2, Nr. 106. Mit den Mühlen
verbunden war oft eine Öltrotte, wo Nüsse zu Öl verarbeitet wurden. Dies war
beispielsweise der Fall bei den Mühlen in Volketswil und Niederuster.Kläui
1964, S. 176.
Die herrschaftliche Mühle in Greifensee
wurde 1435 mit allen zugehörigen Rechten an die Familie von Stegen übertragen, die dafür einen jährlichen Zins
zahlen musste, während der Vogt für den Zufluss des Wassers und die Reinigung
der Gräben bis zu den Mühlrädern zu sorgen hatte. Gemäss diesem Vertrag mussten
die Leute aus Schwerzenbach, Hegnau, Nänikon und Werrikon ihr
Korn zwingend in dieser Mühle weiterverarbeiten lassen (die man aus diesem Grund
auch als Zwingmühle bezeichnete).SSRQ ZH NF II/3, Nr. 24;
SSRQ ZH NF II/3 28-1. Über diese Bestimmungen kam es immer wieder
zu Konflikten zwischen dem jeweiligen Müller und den Bauern aus den umliegenden
Ortschaften. 1507 legte der Zürcher Rat fest,
dass die Leute von Schwerzenbach,
Hegnau, Nänikon und Werrikon das
Bauholz für die Mühle in Greifensee zur
Verfügung stellen müssen.StAZH B II 40, S. 16. Auf die Klage der
betroffenen Leute hin bestimmte der Rat wenig später, dass das Holz aus den zum
Schloss gehörenden Wäldern verwendet werden dürfe, dass die Leute aber weiterhin
für den Transport des Holzes verantwortlich seien.StAZH B II 40, S. 20-21. Erneut vor den
Zürcher Rat gelangten die beiden Parteien
1528, weil die Gemeinden nicht an die Mühle in Greifensee gebunden sein wollten; in diesem Zusammenhang wurde
der Vertrag mit dem Müller neu ausgehandelt.StAZH B III 65, fol. 78r-v. Von der
Verpflichtung, der Mühle das nötige Holz zu liefern, kauften sich die
betroffenen Gemeinden sukzessive los.Kommentar zu
SSRQ ZH NF II/3 24-1; Weisz et al.
1983, S. 147; Kläui
1964, S. 167-168.
Für die ländliche Gesellschaft ebenfalls unentbehrlich waren Schmiede, die
Hufeisen, Nägel, Waffen und Werkzeuge herstellten. Dieses Gewerbe war ebenfalls
an eine obrigkeitliche Gerechtigkeit gebunden. Schmiedebetriebe gab es in
Uster, Nänikon und Maur.Kläui
1964, S. 170-171. Erst im frühen 18. Jahrhundert
erhielt Uster ausserdem eine Ziegelhütte,
wofür es ebenfalls einer Bewilligung der Obrigkeit bedurfte. Da Holz zu dieser
Zeit bereits knapp zu werden drohte, durfte diese Ziegelhütte allerdings nur mit
Torf befeuert werden.StAZH C III 8, Nr. 144. Vgl. Kläui
1964, S. 172-174. Ihr Standort am See zwischen
Niederuster und Riedikon sorgte fortan verschiedentlich für
Konfliktstoff, weil unklar war, ob die Ziegelhütte zur Landvogtei Greifensee oder zur Landvogtei Grüningen gehörte.StAZH C III 8, Nr. 61-65.
Zwar schlachteten die Bauern ihr Vieh für den Hausgebrauch meist selber, doch
führte die Bevölkerungszunahme ab dem 16. Jahrhundert dazu, dass die bäuerliche
Selbstversorgung mit Fleisch nicht mehr ausreichte, sodass man auch in den
Dörfern auf der Landschaft zunehmend Metzgereien benötigte. Auch solche
Schlachtbetriebe durften nur mit einer obrigkeitlichen Konzession betrieben
werden; häufig waren sie mit einer Gastwirtschaft verbunden, die sichere
Abnehmer von Fleisch waren.HLS, Metzgerei. 1604 gestattete der Zürcher Rat dem Untervogt Heinrich Hottinger die Eröffnung einer Metzgerei
in Maur, weil es in der Gegend noch keine
gebe und die Leute ihr Fleisch anderswo kaufen müssen oder überhaupt keines
erhalten.StAZH A 123.4, Nr. 22. In Uster wurde 1617 eine Metzgerei eröffnet, eine
weitere Metzgergerechtigkeit besass das Gasthaus Kreuz.Kläui
1964, S. 168-169. Als letztere 1675 Konkurs ging,
wurden die beiden Ustermer
Metzgergerechtigkeiten zusammengelegt, was die Bevölkerung anfänglich noch
begrüsste.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 101. Mittelfristig kam es
aber immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen der Gemeinde und ihrem
Metzger, weil die Bauern ihr Vieh für den Hausgebrauch weiterhin selber
schlachten durften, das Fleisch bisweilen aber wohl auch im grossen Stil
verkauften.StAZH B II 713, S. 28-30. Ein weiterer
Streitpunkt ergab sich aus der Konkurrenz der beiden Metzgereien in Uster und Maur, indem letztere zunehmend auch Fleisch nach Greifensee lieferte. Aus diesem Grund legte der
Zürcher Rat fest, dass jeder Metzger sein
Fleisch nur in der Umgebung seines Dorfs, nicht aber über den See verkaufen
durfte; einzig der Landvogt im Schloss Greifensee durfte sein Fleisch beziehen, wo er wollte.Kläui
1964, S. 169.
Gasthäuser, Tavernen und Winkelwirtschaften
Wie die Metzgereien waren auch Gasthäuser in der Frühen Neuzeit an eine
obrigkeitliche Konzession gebunden. Die Wirte erhielten das Tavernenrecht gegen
eine einmalige Gebühr sowie einen jährlichen Zins verliehen und waren dazu
verpflichtet, Gäste mit Speise und Trank zu versorgen.HLS, Ehaften; HLS, Gasthäuser. Davon unterschieden sich die
Weinschenken oder Zapfenwirtschaften, die geringere Mengen von Wein ausschenken,
jedoch keine Gäste verpflegen oder beherbergen durften. Wie die Metzger sahen
sich auch die Gastwirte mit der Konkurrenz durch Bauern konfrontiert, die in
sogenannten Winkelwirtschaften ihren eigenen Wein ausschenkten, ohne über eine
Konzession zu verfügen, was der Obrigkeit sicher nicht nur aus sittlichen,
sondern auch aus fiskalischen Gründen ein Dorn im Auge war, weil so die
steuerlichen Abgaben auf Wein und andere alkoholische Getränke – das sogenannte
Umgeld oder Ungeld – umgangen wurde.HLS, Ungeld.
Im Gefolge der Reformation versuchte der Zürcher
Rat das Wirtshauswesen stärker zu reglementieren. Mit dem Grossen
Mandat von 1530 sowie weiteren, flankierenden Bestimmungen wurde festgelegt,
dass es pro Gemeinde nur noch ein einziges Gasthaus mit Ehafte geben dürfe,
während alle übrigen Winkelwirtschaften geschlossen werden sollten.SSRQ ZH NF I/1/11 8-1; Zürcher
Kirchenordnungen, Bd. 1, Nr. 81. Wie aus einem
Verzeichnis jener Zeit hervorgeht, gab es in der Herrschaft Greifensee damals sechs Gasthäuser, nämlich zwei
in Uster und je eines in Greifensee, Maur, Fällanden und
Gfenn sowie eine aus Sicht der
Obrigkeit unnötige Winkelwirtschaft in Greifensee.Escher
1906, S. 244. Vgl. Kläui
1964, S. 159-163. Kurz darauf wurden die Leute von
Nänikon beim Rat vorstellig und baten
darum, im Dorf ein Gasthaus eröffnen zu dürfen, was ihnen gewährt wurde.StAZH A 123.1, Nr. 115. Die Eröffnung eines
zweiten Wirtshauses in Greifensee wurde
1603 hingegen verweigert.Billeter 1928, S. 122. Ebenso untersagt blieb
1640 das Eröffnen einer Gastwirtschaft in Hegnau, obwohl die Hegnauer argumentiert hatten, dass sie den
Wein neben der Verpflegung von Reisenden auch für die Versorgung von Kranken und
Kindbetterinnen benötigen würden.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
95.
Im gleichen Jahr wurde dem Hof im Rohr bei
Fällanden, wo eine Fähre für
Überfahrten über den See betrieben wurde, zwar gestattet, den müden Reisenden
Speise und Trank aufzutischen; das Wirten und Weinausschenken blieb den
Betreibern jedoch untersagt.Wüthrich
1997, S. 7-9; Sablonier
1986, S. 74. 1688 ersuchte auch die Gemeinde Schalchen darum, im Dorf eine Zapfenwirtschaft
betreiben zu dürfen, was ihr wohl angesichts der abgelegenen Lage gestattet
wurde.StAZH B II 620, S. 32; StAZH A 123.6, Nr. 78-79. Im Jahr 1708 unternahm der Zürcher Rat erneut einen Versuch, sämtliche
Winkelwirtschaften in der Landvogtei Greifensee zu schliessen, nachdem es gemäss den Schilderungen
des Vogts fast zu Totschlag gekommen wäre, als er den Weinausschank unter Strafe
stellen wollte.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 105.
Handel und Verkehr
Für den Austausch von Personen und Waren unerlässlich war ein Verkehrsnetz von
Strassen und Wegen.HLS, Verkehr; HLS, Verkehrswege; HLS, Strassen. Die zeitgenössischen Karten des
Zürcher Herrschaftsgebiets zeigen ein
dünnes Netz mit den hauptsächlichen Verkehrsachsen.Vgl.
oben Anm. 40. Der wichtigste Verkehrsknotenpunkt war zweifellos die
Stadt Zürich; von ihr gingen Strassen in
alle Richtungen aus. In die Herrschaft Greifensee führte einerseits die Strasse über den Adlisberg nach Dübendorf, Fällanden,
Schwerzenbach, Greifensee und Uster, von wo aus man nach Mönchaltorf, Pfäffikon,
Irgenhausen und Oberwil oder auf der sogenannten Purpelgass über Aathal in die Exklaven Robank, Robenhausen und Auslikon
reisen konnte. Der andere Weg führte von Zürich über Witikon, wo
sich die Strasse verzweigte: Entweder ging man von hier über Pfaffhausen nach Fällanden und über die Glattbrücke nach Schwerzenbach oder über Binz und Ebmatingen nach Maur,
Uessikon, Rällikon und Mönchaltorf.Erläuterungen zum Strassen-
und Wegnetz rund um den Greifensee
finden sich in einem Verzeichnis von Landvogt Hans
Georg Bürkli aus dem Jahr 1761 (StAZH C III 8, Nr. 133).
Für den Unterhalt dieser Verkehrswege waren die anliegenden Gemeinden zuständig,
was häufig zu Konflikten führte. So legte 1442 ein Schiedsgericht fest, dass die
beiden Strassen von Witikon nach
Fällanden sowie nach Binz, Ebmatingen und Maur je
zur Hälfte von den Leuten der betroffenen Gemeinden unterhalten werden mussten,
wofür sie jedoch Holz aus den Witikoner Wäldern verwenden durften.SSRQ ZH NF II/3 27-1. Bei kleineren Wegen wurden derweil die
Besitzer der anstossenden Güter verpflichtet, diese mit Zäunen und Gräben zu
unterhalten.PGA Fällanden I A 6. Umgekehrt kam es vor, dass
Gemeinden jenen Leuten, die nicht zum Unterhalt beitrugen, die Benutzung ihrer
Wege untersagten. Dies mussten beispielsweise die Besitzer des Hofs im
Rohr bei Fällanden erfahren, die ausserhalb des Dorfetters wohnten und
daher von entsprechenden Abgaben ausgenommen waren, aber eben auch nicht als
vollwertige Gemeindegenossen akzeptiert wurden: Ihnen wurde wiederholt die
Durchfahrt zu ihren Gütern in Stuhlen –
auf der anderen Seite von Fällanden –
verweigert.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 45. Vgl. Wüthrich
1997, S. 6-7; Sablonier
1986, S. 71-76.
Ähnliche Regeln wie für den Strassenunterhalt galten für den Bau von Brücken und
Stegen. Für die Herrschaft Greifensee von
grösster Bedeutung war insbesondere der Übergang über die Glatt zwischen Fällanden und Schwerzenbach. Hierbei handelte es sich ursprünglich um einen
Holzsteg, für dessen Unterhalt allein die Gemeinde
Fällanden zuständig
war.PGA Schwerzenbach I A 1. Weil der Steg aber
immer wieder erneuert werden musste, gab der Zürcher
Rat 1603 den Bau einer Steinbrücke in Auftrag, an deren Kosten
sich alle umliegenden Gemeinden zu beteiligen hatten, weil sie gemäss Rat alle
davon profitierten.StAZH A 123.4, Nr. 9-10; StAZH B III 117 a, fol. 110v. Doch auch diese
steinerne Brücke musste alle paar Jahre renoviert werden, weil die Brückenbogen
sich absenkten und einzustürzen drohten. Aus einer Abrechnung aus dem Jahr 1661
geht hervor, dass sich neben den umliegenden Gemeinden auch die Exklaven im
Oberamt, in Irgenhausen, Oberwil, Auslikon,
Robenhausen und Robank, an den Kosten beteiligten, während jene
im Hinteramt nichts dazu
beisteuerten.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 98.
Neben Strassen waren auch Gewässer wie Seen und Flüsse als Verkehrswege von
Bedeutung.HLS, Wasserwege. Und wie bei der Nutzung des Sees für
die Fischerei war auch der Schiffsbetrieb regelungsbedürftig. Kaum zufällig
wurden der ältesten Fischereinung um die Mitte des 15. Jahrhunderts noch weitere
Bestimmungen hinzugefügt, welche die Schifffahrt betrafen. Konkret bestimmte der
Zürcher Rat, dass Ruedi Meier aus Fällanden ausserhalb des Dorfs auf dem Hof im Rohr wohnen durfte, dass er dafür aber ein
Schiff für 30 Personen bauen und betreiben musste, mit dem er den Vogt und seine
Leute kostenlos über den See führen sollte, während er von anderen Passagieren
einen angemessenen Lohn verlangen durfte.SSRQ ZH NF II/3, Nr.
29. Die gleichen Bedingungen galten für die Familie
Aeppli, die den Hof im Rohr im 16. Jahrhundert besass. Ihr wurde von
der örtlichen Bevölkerung wiederholt vorgeworfen, ihre Fahrpflicht zu
vernachlässigen, worauf der Zürcher Rat
bestimmte, dass sie weiterhin die Fähre betreiben oder aus dem Rohr wegziehen müsse.SSRQ ZH NF II/3 46-1; SSRQ ZH NF II/3 47-1. Wie bereits erwähnt, versorgte der
Hof im Rohr die Reisenden auch mit Speise
und Trank, was wiederum zu Konflikten mit den ehaften Wirten führte.Vgl. oben Anm. 305.
In der Reformationszeit erhöhte die Stadt Zürich die Kontrolle über den Warenverkehr auf der Landschaft,
was unter anderem mit der Einführung neuer Zölle einherging. Im Zürcher Oberland wurden in den Jahren nach 1525
gleich drei neue Zollstellen eingerichtet, um den Güterverkehr von Rapperswil durch das Glatttal und Kempttal
nach Winterthur und Schaffhausen zu kontrollieren, nämlich in
Fehraltorf, Wetzikon und Uster.Kläui
1964, S. 164-165; Schnyder
1938, S. 156-157, 185, Nr. 24. Die Einkünfte der
Zollstellen auf der Landschaft finden sich verzeichnet in den Rechnungen des
Säckelamts (StAZH F III 32). Da über diese drei Zollstellen
immer wieder Klagen eingingen, stellten die Rechenherren im November 1555 – kaum
zufällig kurz vor dem Ustermer Jahrmarkt
– eine neue Zollordnung in Form eines Pergamentrodels auf, die einzig in der
Fassung von Uster überliefert ist.
Geregelt werden darin unter anderem die Zolltarife für Salz, Tuch, Stahl, Reis,
Butter, Stoff, einheimische und fremde Weine, Getreide, Käse, Dörrobst und
Hausrat.SSRQ ZH NF II/3 75-1. Trotzdem wehrten sich die
Bewohner der Zürcher Landschaft auch
weiterhin gegen die Erhebung von Zöllen, die sie auch an den Toren der Stadt
Zürich zu entrichten hatten: Während
die Gemeinde Fällanden 1581 beanspruchte, seit jeher vom Zoll
befreit gewesen zu sein, konnten die Gemeinden Maur, Ebmatingen,
Binz und Aesch dieses Recht für sich 1601 durchsetzen und vom Rat eine
offizielle Zollbefreiung erwirken.SSRQ ZH NF II/3, Nr. 87;
SSRQ ZH NF II/3 89-1.
Quellenlage und editorische Auswahl
Die wichtigsten Urkunden zur Landvogtei Greifensee wurden bereits ab dem Mittelalter im obrigkeitlichen
Archiv in der Sakristei des Grossmünsters
gesammelt und kamen auf diesem Weg ins Staatsarchiv des Kantons Zürich.StAZH C I, Nr. 2465-2563. Für die historische
Forschung nicht minder interessant ist die Sammlung der Akten betreffend
Greifensee, die im frühen 15.
Jahrhundert einsetzt und bis 1798 rund 2500 Dokumente umfasst, insbesondere
gerichtliche Aufzeichnungen wie Weisungen, Appellationen und Kundschaften, aber
auch Wahlvorschläge, Mannrechtsbriefe, Empfehlungsschreiben, Berichte und
Briefe.StAZH A 123. Eine eigene kleine Sammlung bilden
die Dokumente zu den Gewässern Greifensee
und Glatt.StAZH A 85. Die für den täglichen Gebrauch vor
Ort einst so wichtigen Kopialbücher und Güterverzeichnisse oder Urbare der
ehemaligen Landvogtei Greifensee sind
heute grösstenteils eingeordnet in den Bestand des Finanzarchivs.StAZH F II a 175-180. Verschiedene Fassungen von Urbaren finden sich
ausserdem im Anhang an die Aktensammlung von Greifensee (StAZH A 123.11). Von den Kopialbüchern wurden bei den
nachfolgend edierten Quellenstücken lediglich die ältesten Abschriften bis
ins 17. Jahrhundert nachgewiesen (neben den bereits genannten aus dem
Finanzarchiv vor allem StAZH B III 65 und StArZH III.B.1.), während die jüngeren Reihen des 18.
Jahrhunderts nur noch Abschriften der vorigen Kopialbände darstellen und
daher nicht berücksichtigt wurden (StAZH B I 273; StArZH III.B.2.-8.). Das einstige Archiv des
Landvogts auf Schloss Greifensee kam 1803
an den Rechenrat, in dessen Bestand es sich heute befindet.StAZH C III 8. Ein zeitgenössisches Archivverzeichnis
des Landvogts findet sich ediert in SSRQ ZH NF II/3, Nr.
104. Das Eidbuch von Greifensee findet sich heute unter der Signatur StAZH B III 37, das Gerichtsbuch unter StAZH B III 70 a. In der Kanzlei aufbewahrt
wurden demgegenüber die Grundprotokolle, die für Greifensee im Jahr 1662 einsetzen.StAZH B XI 10. Als weitere wichtige Reihen
kamen 1729 die Urteilsbücher sowie 1769 die Verwaltungsprotokolle und die
Missivenbücher hinzu.StAZH B VII 14.
Neben den Beständen des Staatsarchivs wurden auch die Archive der politischen
Gemeinden und der Kirchgemeinden sowie der im Untersuchungsgebiet einstmals
begüterten geistlichen Institutionen durchforstet. Während das Archiv des
Grossmünsters vollumfänglich ins
Staatsarchiv integriert wurde, finden sich die Bestände des Fraumünsters heute im Stadtarchiv Zürich. Von
Bedeutung für die Landvogtei Greifensee
ist neben einzelnen Stücken zum Fraumünsterbesitz in Maur und Fällanden vor
allem das sogenannte Häringsche Urbar, das unter anderem die älteste erhaltene
Fassung der Offnung von Fällanden
enthält.StArZH III.B.1. Die einstigen Besitztümer in
Schwerzenbach sind im Klosterarchiv
Einsiedeln dokumentiert. Die Urkunden
zu den Verpfändungen beziehungsweise Verkäufen der Herrschaft Greifensee in den Jahren 1300 und 1369 gelangten
von den Grafen von Toggenburg an das
Stiftsarchiv des Klosters St. Gallen und sind daher im Chartularium
Sangallense mustergültig ediert.ChSG, Bd.
1-13
Die Urkunden der Stadt und Landschaft Zürich liegen von den Anfängen bis zur sogenannten
Zunftrevolution im Jahr 1336 vollständig ediert vor.UBZH, Bd. 1-13. Die weiteren Urkundenbestände
des Staatsarchivs bis zum Jahr 1460 sind zumindest als Regesten
aufbereitet.URStAZH,
Bd. 1-7. Für das Untersuchungsgebiet ebenfalls wichtig ist
die Edition der Zürcher Stadtbücher aus dem 14. und 15. Jahrhundert.Zürcher
Stadtbücher, Bd. 1-3. Ausgewählte Stücke wurden
zudem im Rahmen der Quellen zur Zürcher Wirtschaftsgeschichte und der
Quellen zur Zürcher Zunftgeschichte gesammelt und ediert.QZWG, Bd.
1-2; QZZG, Bd.
1-2. Die Zeit von Bürgermeister Hans Waldmann ist durch die Quellensammlungen von Ernst
Gagliardi und Louis Forrer gut abgedeckt.Gagliardi,
Waldmann; Forrer,
Waldmannsche Spruchbriefe. Für die
Gerichtsordnung von Greifensee musste man
bis anhin auf die Edition von Joseph Schauberg zurückgreifen,Schauberg,
Gerichtsbuch. für die Offnungen aus diesem
Gebiet auf die Sammlung von Jakob Grimm.Grimm,
Weisthümer. Die Offnung von Fällanden ist ausserdem ediert bei Sablonier
1986, S. 78-84, jedoch nicht nach der ältesten
erhaltenen Fassung im Häringschen Urbar, die der vorliegenden Edition
zugrunde gelegt wurde, vgl. oben Anm. 331. Einzelne zentrale Stücke
zur Geschichte der Zürcher Landschaft
wurden bereits in den Jahren 1910 und 1915 im Rahmen der Sammlung
Schweizerischer Rechtsquellen publiziert, wobei dieses alphabetisch nach
Gemeindenamen sortierte Werk nach dem Buchstaben D abgebrochen wurde.SSRQ ZH AF
I/1; SSRQ ZH AF
I/2. In verschiedener Hinsicht stellt die
vorliegende Sammlung eine Fortführung des damals begonnenen Unterfangens dar,
wobei die neuerliche Edition nicht mehr arbiträr dem Alphabet folgt, sondern wie
alle jüngeren Rechtsquellenbände nach den ehemaligen Verwaltungseinheiten
gegliedert ist.
Die hier ausgewählten Quellenstücke bieten einen Überblick über Rechtsnormen und
Rechtspraktiken, die in der Landvogtei Greifensee, in den darin liegenden Gemeinden sowie für die dort
ansässigen Personen und Personengruppen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit
zur Anwendung kamen. Sie beginnen bei den frühesten schriftlichen Aufzeichnungen
betreffend Greifensee im 13. Jahrhundert
und reichen bis zum Untergang des Ancien Régime im Jahr 1798. Die Auswahl der
Stücke reflektiert die Zunahme an Archivgut in diesem Zeitraum, legt zugleich
aber einen Schwerpunkt auf das 15. und 16. Jahrhundert, als viele Rechtsnormen
nach dem Übergang an die Stadt Zürich
erstmals schriftlich festgehalten wurden. Ausgewählt wurden normative
Rechtsaufzeichnungen (Offnungen, Einungen, Ordnungen, Urbare, Eidformeln) ebenso
wie Anordnungen zu deren Umsetzung (Einzugsbriefe, Mandate, Missiven) sowie
Beispiele aus der praktischen Anwendung (Urteile, Schiedssprüche, Weisungen,
Appellationen, Kundschaften). Ausserdem sind nicht nur obrigkeitliche
Regelungsversuche vertreten, sondern auch Bittschreiben oder Forderungen seitens
der Untertanen, beispielsweise im Zusammenhang mit dem sogenannten
Waldmannhandel (1489), mit der Reformation (1524/1525) oder mit der Helvetischen
Revolution (1798).
Die Transkription der Stücke folgt den bewährten Editionsgrundsätzen der
Rechtsquellenstiftung.Die Transkriptionsrichtlinien
sind online dokumentiert im SSRQ-Wiki. Alle edierten Texte basieren auf der jeweils
besten Überlieferung, also auf dem Original beziehungsweise auf der
ältesten erhaltenen Fassung. In bestimmten Fällen wurde eigens jene Fassung
ausgewählt, die bereits von den Zeitgenossen am häufigsten verwendet wurde, also
besonders wirkmächtig oder autoritativ war. Bei mehrfach überlieferten Stücken
werden Abweichungen als Varianten im Apparat aufgeführt, wenn sie eine
alternative Lesung ergeben, die inhaltlich signifikant ist. Dies gilt für
Mehrfachausfertigungen wie auch für Entwürfe oder Abschriften.Zur Auswahl der verwendeten Kopialbücher vgl. oben Anm.
327.