SSRQ ZH NF I/1/11 15-1
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die
Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11:
Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, von Sandra Reisinger
Zitation: SSRQ ZH NF I/1/11 15-1
Lizenz: CC BY-NC-SA
Mandat der Stadt Zürich betreffend Verbot des Täufertums
1612 Dezember 30.
Stückbeschreibung
- Signatur: StAZH III AAb 1.2, Nr. 8
- Originaldatierung: 1613 Überlieferung: Druckschrift, 8 Bl.
- Beschreibstoff: Papier
- Format B × H (cm): 20.0 × 30.5
- Sprache: Deutsch
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Edition
- Zürcher Kirchenordnungen, Bd. 1, Nr. 179
Nachweis
- Schott-Volm, Repertorium, S. 833-834, Nr. 633
- VD17 7:708341G
Kommentar
Die TäuferOrganisation: , welche sich als radikale Verfechter der Reformation seit den 1520er Jahren in ZürichOrt: formiert hatten, wurden seit ihrer Entstehung in unterschiedlich intensiven Wellen obrigkeitlich verfolgt (für die erstmalige Androhung der Todesstrafe vgl. das Mandat von 1526, SSRQ ZH NF I/1/3, Nr. 130). Der Grund dafür lag hauptsächlich darin, dass die TäuferOrganisation: den Militärdienst und den Untertaneneid verweigerten sowie eine Allianz zwischen Kirche und Obrigkeit ablehnten. Zentraler Bestandteil der täuferischen Vorstellungen war die Erwachsenentaufe, womit nur die wahren Gläubigen in die christliche TäufergemeindeOrganisation: aufgenommen werden würden. Des weiteren verfochten die TäuferOrganisation: die Ansicht, dass nur mit dem Gemeindeprinzip sowie der strikten Trennung zwischen Kirche und Obrigkeit die zeitgenössischen Missstände behoben werden würden.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stieg die Zahl der TäuferOrganisation: aufgrund der Verschärfung der sozialen Ungleichheit vor allem auf der ZürcherOrt: Landschaft an. Obrigkeit und Kirche versuchten mit Überzeugungsarbeit, Verhören und verschiedenen Sanktionen die TäuferOrganisation: von ihrem nonkonformistischen Verhalten abzubringen, was jedoch meist wenig Erfolg zeigte und eher zur religiösen und gesellschaftlichen Absonderung führte. Ausserdem wanderten zahlreiche TäuferOrganisation: aus, wobei insbesondere MährenOrt: als ideale Destination galt, da die TäuferOrganisation: dort ungehindert leben konnten. Um 1570 war die Auswanderung zwar prinzipiell gestattet, aber die Rückkehr wurde untersagt. 1581 beschloss der ZürcherOrt: RatOrganisation: , die zurückgelassenen Güter zu konfiszieren und diese den zurückkehrenden TäufernOrganisation: nur bei Abkehr vom Täufertum zu erstatten. Nach dem eidgenössischenOrganisation: Abschied von 1585 (EA, Bd. 4/2, Nr. 718a) wurde im selben Jahr ein gedrucktes Täufermandat erlassen (StAZH III AAb 1.1, Nr. 39), was zu einer grossen Verfolgungswelle führte. Trotz Verhaftungen, Verhören, Landesverweisungen und Güterkonfiskationen liessen sich die TäuferOrganisation: nicht von ihrem Glauben abbringen. Ausserdem führte die inkonsequente obrigkeitliche Verfolgungspolitik sowie die teilweise Unterstützung der TäuferOrganisation: durch Amtspersonen, Kirchenvertreter oder Einwohner zum Anstieg der Täuferzahlen. Erst als etwa ab 1600 die Geistlichkeit zunehmend Kritik an der zürcherischen Täuferpolitik äusserte, setzten ernsthafte Versuche, die TäufergemeindenOrganisation: aufzulösen, ein. Am 17. und 21. Dezember 1612 wurde in einem Ratschlag des ZürcherOrt: RatsOrganisation: der Neudruck des Täufermandats von 1585 beschlossen (StAZH E I 7.4, Nr. 26). Das vorliegende Mandat wurde am 30. Dezember 1612 zunächst als handschriftlicher Entwurf mit Korrekturen verfasst (StAZH E I 7.4, Nr. 27) und kurze Zeit später gedruckt.
Im Vergleich zum Mandat von 1585 enthält das vorliegende Mandat die zusätzliche Bestrafung an Leib und Leben, eine präzisere Begründung der Güterkonfiskation sowie die stärkere Einbindung der Einwohner und Einwohnerinnen bei der Gefangennahme der TäuferOrganisation: . Im Mandat von 1612 sind ausserdem am Ende drei weitere Teile beigefügt, in welchen es um die Verbesserung der Verhaltensweisen der kirchlichen Vertreter, die für die TäuferOrganisation: als Vorbilder fungieren sollten, sowie um die Übertragung der Ausführungsbestimmungen an das EhegerichtOrganisation: geht.
Zu Beginn des Jahres 1613 kam es zu verschiedenen Disputationen zwischen einzelnen TäufernOrganisation: sowie der Obrigkeit und Kirche, an denen das vorliegende Mandat vorgelesen wurde. Nach der aufsehenerregenden Hinrichtung des Täufers Hans LandisPerson: im Jahre 1614, mit welcher die Obrigkeit vergeblich ein Exempel statuieren wollte, nahm die Verfolgung der TäuferOrganisation: etwas ab. Zwar wurde 1615 eine Kommission zur systematischen Bekämpfung der TäuferOrganisation: einberufen, aber die folgenden Jahre waren durch uneinheitliche Behandlungsweisen je nach Vogtei sowie durch eine grundsätzlich pragmatische Duldung der TäuferOrganisation: gekennzeichnet. Hinzu kam, dass aufgrund des Dreissigjährigen Krieges das Täuferthema stärker in den Hintergrund trat. Eine intensive Täuferverfolgung kam erst wieder zwischen 1635 und 1645 auf, was zur Auswanderung vieler TäuferOrganisation: sowie deren beträchtlicher Dezimierung auf der ZürcherOrt: Landschaft führte.
Zur Geschichte der ZürcherOrt: TäuferOrganisation: vgl. HLS, Täufer; Bötschi-Mauz 2007, S. 165-202; Pfister 2007, S. 247-260; Zuber 1931, S. 3-9 und Bergmann 1916, S. 1-104.
Editionstext
Mandat: Der Statt ZürychOrt: / der WidertaͤuffernOrganisation: halber ußgangen
Holzschnitt
M. DC. XIII.Datum: 1613 ()
[fol. 1v]Seitenumbruch [fol. 2r]Seitenumbruch
[2] Welliche aber / es sygind mann ald wyb / jung oder alt / über das alles inn irer halßstarrige fürfuͤrend / und sich nit berichten lassen welten. Der unnd dieselben soͤllent zuͦ unseren als der hohen Oberkeit / handen genommen / und in gefangenschafft gelegt werden. Und da man gegen soͤllichen widerspennigen lüthen mit vernerem fründtlichen underrichten und abwysen vom Irrthumb / auch nüdt schaffen khoͤndte. So wellend wir als dann uß Oberkeitlichem gewalt / den unnd dieselben von unser Statt und Landtschafft verwysen. Und so sy darüber wyter darinne ohne vorgehnde begebung der gehorsame / und abstand vom Irrthumb / betraͤtten wurdint / sy widerumb in gefengknuß leggen / und mit muͦß und brot spysen lassen / unnd da sy sich uß Goͤttlichem wort nochmaln nit zum abstandt underrichten lassen welten / den und dieselben noch ein mal von unser Statt und Land verwysen.
Were dann einer so straͤffen und widersetzig / das er / über das er zum andern mal verwisen worden / sich abermaln widerumb ohn erlaubtnuß ins Land liesse: Oder / das einer sich uß dem Landt wysen [fol. 4r]Seitenumbruch lassen / sonders mit gwalt darinnen belyben welte. Wie dann etliche TaͤufferOrganisation: so vermessen sind / das sy inen ein solliches fürnemmen / und der Oberkeit sich auch in dem widersetzen doͤrffend. Gegen soͤllichen halßstarrigen menschen / an denen alles nüdt helffen will / werdent wir mehrern ernst anwaͤnden / und dieselben als meineyde ufruͤrische lüth / und die sich allem Oberkeitlichen rechtmessigen gwalt trutzlich widersetzend / an irem lyb / oder auch am leben / nach gstaltsamme der sachen / straffen.
Anmerkungen
- Hier wird auf das Täufermandat von 1585 verwiesen (StAZH III AAb 1.1, Nr. 39).↩
- Im Täufermandat von 1585 fehlen die restlichen drei Teile des Mandats.↩
- Gemeint ist das Grosse Mandat für die Landschaft von 1611 (StAZH III AAb 1.2, Nr. 7).↩
Regest