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SSRQ ZH NF I/1/11 18-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, von Sandra Reisinger

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/11 18-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Profosenordnung der Stadt Zürich

1636 Dezember 14.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich verordnen die rechtmässige Aufstellung und Besoldung der Profosen. Das Mandat richtet sich an die Landvögte und Obervögte, die für die Einsetzung der Profosen zuständig sind. Des Weiteren werden die Pflichten der Profosen bestimmt. Neben der Vertreibung der fremden Bettler, der täglichen und nächtlichen Patrouille sind die Profosen dafür verantwortlich, dass sich die einheimischen Armen ordnungsgemäss bei den jeweiligen Gemeinden melden, wo sie Unterstützung erhalten. Besonders um die armen Kinder, Waisenkinder und Kranken sollen sich die Profosen kümmern.

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts begann die ZürcherOrt: ObrigkeitOrganisation: ihre Massnahmen gegen Bettler und Vagierende zu verstärken. Seit 1558 standen den beiden städtischen Bettelvögten Pfründer aus dem SpitalOrganisation: zur Seite. Die Pfründer waren an den Stadttoren positioniert, um die ankommenden Bettler zu kontrollieren und sie gegebenenfalls wieder aus der Stadt zu schicken. Da diese Massnahme allerdings wenig Erfolg zeigte, wurden 1587 statt den Pfründern arme Bürger eingesetzt. Diese sogenannten Profosen erhielten einen geringen Lohn und ein eigenes Wachthäuschen. Auch auf der Landschaft wurden im selben Jahr bewaffnete und besoldete Profosen eingesetzt. Es handelte sich meist um ehemalige Söldner, die Tag und Nacht auf der Landschaft patrouillieren mussten. Die Landprofosen hatten die Pflicht, die fremden Bettler spätestens nach einer Übernachtung wieder an die Grenzen zu begleiten. Sogenannte würdige Arme aus dem ZürcherOrt: Gebiet sollten von den Profosen zum AlmosenamtOrganisation: begleitet werden.

Für die Anstellung der Landprofosen waren die jeweiligen Vögte zuständig. Im Dreissigjährigen Krieg wurden die Landprofosen von den Vogteien jedoch zunehmend nachlässig eingesetzt, was mit der grossen Zahl der Kriegsvertriebenen und den begrenzten Finanzverhältnissen der Gemeinden zusammenhing. Mit Anweisungen an die Vögte, wie im vorliegenden Mandat, versuchte die ZürcherOrt: ObrigkeitOrganisation: diesem Zustand Einhalt zu gebieten. Dass das ProfosenamtOrganisation: jedoch aufgrund der grossen Anzahl an mobilen und wiederkehrenden Bettlern nur begrenzt Erfolg hatte, zeigen verschärfte Bestimmungen in der ausführlichen Armenordnung von 1662 (SSRQ ZH NF I/1/11 27-1); vgl. Ebnöther 2013, S. 192-195; Wälchli 2008, S. 111-112; Denzler 1920, S. 193-197.

Editionstext


Wir Burgermeister und Rath der Statt ZürichOrt: Organisation: / Thuͦnd kundt offentlich hiemit. Demnach wir ussert unserer abgeordneten by hüt gehaltner Rathsversamlung / uns gethaner muͤndtlichen Relation und Bericht / sondern gefallens und mit lieb verstanden / was massen du / und dyne Nachgesetzten / unserem zuͦ versorgnuß der armen
krancknen / jungen und alten Personen / sonderlich aber so viler verlaßner / und glychsamb von Hunger und Bloͤsse verschmachteten im Land umbhin
schwebender Weyßlinen: Hingegen aber durch mittel anstellender Wercken / das uberlaͤstige landstrychende und muͤssiggehnde Baͤttelgsind / zuͦ vertryben / dir und ubrigen jüngster tagen by einanderen versamblet geweßten Ober- und Undervoͤgten eroffneten wolmeynlichen / und verhoffentlich dem Allerhoͤchsten beliebenden Vorhaben in allweg byfall gethan / und die anstellung der Provosen uff zuͦvor deßwegen gehaltne wytlaͤuffige ersprachung /
euch auch wol gefallen lassen habind: Und damit nun solch gefaßter Rahtschlag / und das jenige alles / dessen man sich mit einanderen einmuͤtig underredt und verglichen / fürderlich ins werck gerichtet / und eüwersyts nützid verabsumbt werde:
Ist haruff unsere Meynung und ernstlicher Befelch
an dich / du woͤllist verschaffen / daß die abgeredte / ald sonst ermanglende anzahl der Provosen fürderlich bestellt / und denselbigen abgeredter massen / ein solch ehrliche und erkleckliche Besoldung bestimbt und geordnet werde / daß sy sich deren / ohnbeschwert anderer Lüthen / settigen / und darmit erhalten moͤgind / fürnemblich aber diß ein mittel syge / daß soͤlliche Personen / so harzuͦ tugenlich / und sich rechter bscheidenheit zuͦ beflyssen wüssind / harynnen zebruchen / und anzuͦmelden veranlaßt werdind / und also uß mangel deren nit widerumb / wie etwann vor der zyt beschehen / solche
Lüth darzuͦ genommen werden muͤssind / dardurch alles wider umbgestossen / und dem gantzen Geschaͤfft allerhand verdrießliche ungelegenheit zuͦgestattet werde.

Uff welch end hin dann wir den jenigen / so harzuͦ bestellt und angenommen werden moͤchten / damit sy umb so vil besser wüssen moͤgind / was
ihr eygentlicher Befelch und Dienst syge / auch wessen sy sich uff den ein ald anderen fall gegen diserem armen Volck zuͦ verhalten / hernach geschribne
Ordonantz und Ordnung uffsetzen lassen / und dich haruff nochmahlen hoͤchsten ernsts vermahnet / und dir hiemit anbefohlen haben woͤllend / denselbigen by ihren Eyden zuͦ gebieten / und ihnen anzuͦzeigen / daß ein jeder derselben (so du ihnen zuͦ ihrer nachrichtung zuͦ handen stellen solt) an dem
orth oder Gmeind / von deren er besoldet / ald wo ihme sonsten zewachen anbefohlen werden wird / von stund an taͤglichWiederholte Zeitspanne: 1 Tag / durch die gantze Wuchen
uß aller orthen selbigen Gezircks / staͤtigs umbhin gahn / und jetzt zum anfang alle die jenigen Armen / junge oder alte / krancke und gesunde / den ubrigen bestellten Provosen der nechsten Gmeinden hiehar werts / ubergeben / welche ihme dieselbigen also bald ohnverweigerlich abnemmen / und verschaffen soͤllind / daß sy eintweders in den Schiffen / ald sonsten nach jedes orths gelegenheit / mit guͦter ordnung allhar gefuͤhrt und versorget werdind: Fahls aber darunder solche Personen / welche in der EydgnoschafftOrt: / und den gemeinen HerrschafftenOrt: daheimen: Benandtlichen auch die / so
in unseren Grichten und Gebieten erbohren weren / ald andere / die sonsten widerumb in ihr Vatterland begehrten / und Kranckheit halber gewandlen
moͤchten / sy dieselbigen durch mittel der ubrigen Provosen an syn gehoͤriges orth / ald biß an die Paͤß und Grentzen / (welche jüngster Abred gemeß
nach notturfft versorget werden soͤllend / und wir ubriger nechstumbligender orthen allenthalben allbereith glyche verordnung gethan habend /) begleiten / und nach und nach uß dem Land verschaffen: Hieby aber sy derselbigen Nammen und Beschaffenheit zuͦglych in geflissene obacht nemmen soͤllind / damit wo der eine ald ander uber zuͦ voriges verwahrnen wider kommen / den ehrlichen Landlüthen uberlaͤgen / und mit gewalt im Land syn
und baͤtlen wolte / der und dieselben alsdann an syn bestimbt orth allhar gefuͤhrt / und gegen ihnen umb so vil mehrer ernst mit allerhand harter Arbeit fürgenommen werden koͤnne / doch daß sy Provosen der Personen halber einen vernünfftigen underscheid halten / sonderlich aber ihnen arme Kind
und Weißlin (die uns Gott sonderbar befohlen) sampt den Krancknen fuͤruß getrüwlich anglegen syn lassen / und sich mit rauwen unzimmenden
Worten ald Wercken gegen ihnen nit vergryffen / ald sy beleydigen / sondern sich aller müglichisten sanfftmuͦt und bescheidenheit beflyssen: deßglychen
auch dir und ubrigen nachgesetzten Beambteten jedes orths / in deme was ihnen in unserem Nammen ufferlegt / und je nach fürfallenheit der sach / wyters anbefohlen werden wird / in allweg gevoͤlgig und gewertig syn soͤllind / Alles by unserer hoͤchsten ungnad / und darüber unußblybenlich ervolgender ernstlicher straff.

Glych wie nun solches alles von uns ernstlich und in trüwen gemeynt / also seyen wir haruff deß ohnzwyffenlich guͦten versehens / dafern deme allersyths statt gethan / und diß Werck mit rechtem unuffhoͤrlichem yfer und ernst aller orthen samptlich fortgetriben: bynebends aber auch jedes
orths ynheimsche eygne Armen / luth und vermoͤg der Allmosensordnung1 / und dißmahlen gegen vorgehoͤrtem unseren Abgeordneten darüber ervolgten glychmessigen versprechen gemeß / (darby wir es hiemit einfaltig verblyben lassend / und dieselbigen by solch verringertem last diß froͤmbden
Volcks / umb so vil rychlicher betrachtet werden soͤllend /) mit dem gewohnten zuͦsammen stüren / und sonsten versorget syn werdend / der gnaͤdige
Gott gwüßlich synen heiligen Segen darzuͦ verlyhen / und uns fürbaß in unserem geliebten Vatterland / in so vil laͤngerem fridlichem ruͦhwesen zuͦ erhalten / ihme gefallen lassen werde.
Geben Mittwochs / den vierzehenden tag Christmonats / von der Geburt Christi unsers lieben Herren gezellt / Ein
thusend sechshundert dryssig und sechs Jahre
Originaldatierung: 14.12.1636 ()
.
[fol. v]Seitenumbruch
[Vermerk auf der Rückseite von Hand des 17. Jh.:]
Mandat umb
die armen frömbd und heimbsch anno 1636Originaldatierung: ()

Anmerkungen

    1. Wahrscheinlich wird hier auf das Mandat vom 6. September 1630Datum: 6.9.1630 () verwiesen (SSRQ ZH NF I/1/11 16-1).