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SSRQ ZH NF I/1/11 25-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, von Sandra Reisinger

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/11 25-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Mandat der Stadt Zürich betreffend Auswanderungsverbot in katholische Orte

1657 März 11.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich erlassen ein erneuertes Mandat betreffend Auswanderung. Es ist nicht erlaubt, ohne die Amtleute zu informieren, aus dem Zürcher Herrschaftsgebiet zu ziehen. Falls jemand in einen reformierten Ort auswandern möchte, muss neben der obrigkeitlichen Bewilligung auch ein Schein (Mannrechtsbrief) des entsprechenden Ortes vorliegen. Gänzlich verboten ist es, an einen katholischen Ort zu ziehen. Zuletzt wird festgehalten, dass Personen, die Andere zum Auswandern anstiften, festgenommen und bestraft werden sollen.

Auswanderungsbewegungen lassen sich für die Stadt und Landschaft ZürichOrt: in grösserem Stil seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nachweisen. Bis etwa in die Mitte des 17. Jahrhunderts spielten hauptsächlich religiöse Gründe eine ausschlaggebende Rolle, weswegen meist verfolgte TäuferOrganisation: auswanderten. Obwohl die Auswanderung zunächst noch von der ZürcherOrt: ObrigkeitOrganisation: geduldet wurde, war die Rückkehr grundsätzlich verboten und die zurückgelassenen Güter wurden konfisziert (vgl. das erneuerte Täufermandat von 1612, SSRQ ZH NF I/1/11 15-1).

Gegen Mitte des 17. Jahrhunderts verlor die Auswanderung ihren fast ausschliesslich religiösen Charakter und es kamen weitere Ursachen wie Missernten, Teuerungsjahre, Hungersnöte, Armut und Pestwellen hinzu. Insbesondere nach dem Dreissigjährigen Krieg, als es zu Geldentwertung, höherer Verschuldung und Unzufriedenheit vieler Bauern kam, wanderten vermehrt Zürcher und ZürcherinnenOrganisation: in die KurpfalzOrt: , ins ElsassOrt: , nach WürttembergOrt: und nach BadenOrt: aus. Während der Rat bis etwa 1650 weitgehend untätig war, befürchteten die kirchlichen Vertreter zunehmend den Glaubensabfall von Personen, die in nicht reformierte Gebiete auswanderten. Deshalb versandte der Antistes Johann Jakob UlrichPerson: am 2. Januar 1650 ein Zirkularschreiben an alle Pfarrer, worin festgehalten war, dass alle Pfarrer die ausgewanderten Personen ihrer Gemeinde in einem Verzeichnis aufführen sollten (StAZH A 103.5). Ausserdem wurden die Pfarrer aufgefordert, die auswanderungswilligen Personen von ihrem Vorhaben abzuhalten oder sie zumindest schwören zu lassen, nicht an katholischen Gottesdiensten teilzunehmen. Da das Vorgehen aber wenig Erfolg zeigte, trat am 10. April 1651 ein Ratsausschuss zusammen, um ein Gutachten zu erstellen. In diesem war die Auswanderung grundsätzlich erlaubt, allerdings nur in protestantische Gebiete, wobei ein Bestätigungsschein des entsprechenden Gebietes vorgewiesen werden musste. Des Weiteren durften Familien mit mehr als 400 Gulden Vermögen nur mit obrigkeitlicher Bewilligung auswandern und mussten zudem eine Abzugssteuer von 10 Prozent bezahlen. Arme Personen durften ohne Bezahlung der Abzugsteuer auswandern. Das Gutachten wurde am 2. August 1652 in einem ersten Mandat publiziert (StAZH III AAb 1.4, Nr. 29). Im Jahr 1657 wiederholte der RatOrganisation: den Inhalt fast wortwörtlich im vorliegenden Mandat, legte allerdings mehr Nachdruck auf das Verbot der Auswanderung in katholische Gebiete.

Zwischen 1650 und 1680 wanderten ungefähr zwischen 4000 bis 5000 Personen aus dem zürcherischen Herrschaftsgebiet aus, wobei der Höhepunkt in den 1650er Jahren auszumachen ist und die Zahl ab 1660 zunehmend sank. In den 1690er Jahren kam eine erneute Auswanderungswelle auf, welche sich vor allem ins Kurfürstentum BrandenburgOrt: richtete. Nachdem ab etwa 1710 erste Schweizer nach AmerikaOrt: auswanderten, um Städte und Kolonien zu gründen, lässt sich in ZürichOrt: ab 1729 bis etwa 1750 eine Auswanderungswelle nach AmerikaOrt: nachweisen (vgl. SSRQ ZH NF I/1/11 50-1). Zur Zürcher Auswanderung vgl. Ulrich 1996, S. 391-394; Pfister 1987, S. 25-131; Blocher 1976, S. 9-14; Zuber 1931, S. 1-32.

Editionstext


Wir der Burgermeister und Rahte der Statt ZürichOrt: Organisation: /
Thuͦnd kundt offentlich hiemit: Demnach Wir mit beduren den schrift- und mundtlichen bericht empfangen / was gestalten über und wider Unser hiebevor im Augstmonat des verschinnen eintausent / sechshundert / zwey und fünfzigisten JahrsDatum: August 1652 () / durch ein offentlich verkündtes Mandat uß Oberkeit- und Vaͤtterlich wolmeinender
sorgfalt beschehens ernstliches verwahrnen und verbott1 / gleichwolen jetzt etwas zyts haro etliche von Unseren Underthanen / jungen und alten / wyb- und mannspersonen / ledigen und verehelichten / sich nit geschohen / uß Unseren Landen
hinweg / und theils auch gar an Papistische ort zuzühen / umb nit allein daselbst sich ein zytlang dienstswyse ufzuhalten /
sonder auch gar ihren hußhablichen sitz zusuͦchen und zunemmen; Und nun bekant und offenbar / daß dardurch mancher /
wegen der enden all zu grosser freyheit in Kilbinen / Feyrtagen / Markten und Hochzyten / von Christlicher zucht / ehrbarkeit und gottseligem wandel / zu allem muͦhtwillen / üppigkeiten / tantzen / spilen und anderen lasteren veranlaaset / und
endlich gar zum leidigen abfahl gebracht wird;
Daß Wir in behertzigung dessen / und zuverhuͤtung erzelter und anderer
besorglich hieruß erwachsender ungelegenheiten / hierinn von newem gebührendes ynsehen zutuͦhn / bewogen worden.
Und ist derowegen hiemit an alle und jede Unsere Underthanen / Unser widerholleter ernstlicher Befelch / Will und Meinung / daß fürbashin niemand mehr / ohne Unser ald Unserer nachgesetzten Voͤgten und Amtlühten vorwüssen und bewilligung / uß Unseren Landen hinweg zühen / und in anderen / sonderlich aber solchen Gerichten und Gebieten / wo das
Papsttumb sich befindt / weder dienstswyse ohne noht sich ufhalten / noch niderlassen und setzen solle. Mit dem heiteren
und ußtruckenlichen anhang / wer sich eines solchen über diß Unser so ernstliches vermahnen wyters gelusten lassen / und
ohne Unser ald Unserer nachgesetzten Voͤgten und Amtlühten vorwüssen und bewilligung uß dem Land hinweg begeben /
und an anderen / sonderlich unserer Religion nit zuͦgethanen orten / ufhalten wurde / daß der und dieselben ungehorsammen hierdurch ihr Vatterland / und alle Unsere Oberkeitliche huld und gnad verwürckt haben soͤllind.
Wann aber je
einer ald der ander eintweders uß hochtringender noht / oder sonsten in hoffnung / anderstwo seine gelegenheit besser zufinden / und synen nutzen mehrers zuschaffen / uß dem Vatterland hinweg / an andere / unserer waaren / Christenlichen / allein seligmachenden Religion zugetahne ort zuzühen / willens wurde / sollen der und dieselben solch ihr vorhaben ihrem ordenlichen Obervogt / auch Pfarrern eroͤffnen / und zuglych einen authentischen Schyn / wie es an dem ort / dahin er zilet / der
Religion fürnemlich / und auch anderer sachen halber beschaffen seye / mitbringen und zeigen: worüber dann gedachte Unsere nachgesetzte Voͤgt / Amtlüht und Pfarrer / nach anleitung ihres hierumb habenden befelchs und gewalts / je nach der
sach befindenden beschaffenheit / jedem hierinn mit hilff und raht zubegegnen / wol wüssen werdend.
Wann auch wyters /
wie etwan beschehen / jemand wer der were / betretten wurde / der die Unserigen uß dem Land zuzühen ufzuwiglen understuͦhnde / sollen der oder dieselben alsobald gefaͤnglich angenommen / Unseren Obervoͤgten und Amtlühten / oder Uns selbsten zugefuͤhrt / und je nach befindtnuß ihrer fehleren darumb ernstlich gehandhabet und gestraafft werden: Und wir
wollend Uns hieruf gegen maͤnnigklichem gehorsamer beobachtung diß Unsers wolmeinlichen Ansehens gaͤntzlich versehen.
Geben Mitwochs den eilften tag Mertzens / von der heilsamen geburt Christi unsers lieben Herren und Heilands gezelt / eintusent / sechshundert / fünftzig und siben JahreOriginaldatierung: 11.3.1657 ().
Cantzley ZürichOrt: Organisation: .
[fol. v]Seitenumbruch
[Vermerk auf der Rückseite von Hand des 17. Jh.:]
Dißes usschryben sind 200Menge: 200 exemplaria
gethrukt, und davon an alle ober-
und undervögt nach gewohnlichem bruch
verschickt worden, wie byligende
verzeichnuß vermag.
Im martio 1657Datum: März 1657 ()
[Vermerk auf der Rückseite von Hand des 18. Jh.:]
Wider das hinweg
ziechen an papistische
orth.
Anno 1657Datum: 1657.

Anmerkungen

    1. Hier wird auf das Mandat betreffend Auswanderung von 1652 Bezug genommen (StAZH III AAb 1.4, Nr. 29).