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SSRQ ZH NF I/1/11 49-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, von Sandra Reisinger

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/11 49-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Ratsrednerordnung der Stadt Zürich

1731.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich erlassen eine erneuerte Ratsrednerordnung. Geregelt wird, dass die Ratsredner für Reisen unter zehn Tagen die Erlaubnis des Bürgermeisters und bei Reisen über zehn Tagen die Erlaubnis des Rats benötigen. Nicht erlaubt sind Reisen, falls die Mandanten in anderen Prozessen vor dem Kleinen Rat oder Stadtgericht involviert sind sowie Reisen für Mandanten, die keine Zürcher Angehörigen sind (1). Des Weiteren werden Ablauf und Inhalt der Reden geregelt sowie beleidigende Reden bei Strafe verboten (2). Danach folgt eine Auflistung der Besoldungen für diverse Dienstleistungen der Ratsredner, wobei auch die Geschenke thematisiert werden (3). Zuletzt wird der Eid aufgeführt, den die Ratsredner vor der Zürcher Obrigkeit schwören müssen (4).

Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts lässt sich für ZürichOrt: das bürgerliche Amt der Ratsredner nachweisen. Im Gegensatz zu den Fürsprechern, welche ordentliche Mitglieder des Stadtgerichts waren und nur in bestimmten Fällen als Wortführer Fälle übernahmen, handelte es sich bei den Ratsrednern um berufsmässige und besoldete Rechtsbeistände, die stellvertretend für ihre Mandanten auftraten. Die Ratsredner waren ausserdem keine Ratsmitglieder, sondern stammten aus dem Stadtbürgertum und übten einen nicht-zünftigen, freien Beruf aus. Ihre juristische Fachausbildung, Einkommen und soziale Stellung waren wohl eher gering. In der Anfangszeit traten die Ratsredner nur vor dem Rat auf, ab 1525 vor dem neu geschaffenen EhegerichtOrganisation: (vgl. SSRQ ZH NF I/1/11 1-1) und im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts dann vor dem StadtgerichtOrganisation: . Wer das Amt des Ratsredners ausüben wollte, musste zuerst vor dem Kleinen RatOrganisation: eine Redeprobe abgeben sowie eine einmonatige Lehre bei einem anderen Ratsredner absolvieren. Erst dann wurden die Ratsredner, von denen es in der Regel sechs gab, durch den Kleinen RatOrganisation: bestätigt.

Im Januar des Jahres 1730 stellten die Ratsmitglieder in einer Sitzung fest, dass die alte Ratsrednerordnung von 1634 überarbeitet werden müsse. Eine Ratskommission aus neun Ratsmitgliedern wurde beauftragt, innerhalb von zwei Monaten ein Gutachten bezüglich Besoldung, jährlichen Einkünften (Wartgelder) sowie einer künftigen Eidformel zu verfassen (StAZH B II 788, S. 21-22). Das Gutachten wurde im Februar bis März 1730 besprochen und die alte Ratsrednerordnung umfassend revidiert (StAZH B II 788, S. 89-91, 100-104 und 151). Insbesondere die gängige Praxis, dass geistliche und weltliche Herrschaftsvertreter, wie beispielsweise Klöster oder Städte, Ratsredner als ihre eigenen, ständigen Rechtsvertreter anstellten, gab Anlass zu Diskussionen. Es stellte sich nämlich die Frage, ob die bezahlten Wartgelder gegen die Bestimmungen des Pensionenbriefs von 1713 verstiessen. Am 12. Juni 1730 schlug die Ratskommission einen Passus für die revidierte Ordnung vor, worin stand, dass jegliche Art von Pensionengeldern, Wartgeldern oder Geschenken verboten sein sollen (StAZH A 68.2). Der Vorschlag wurde später in der gedruckten Ordnung wortgleich übernommen. Als der Revisionsprozess schliesslich am 24. Mai 1731 sein Ende fand, wurde die Ratskommission beauftragt, eine Eidformel für die Ratsredner zu entwerfen (StAZH B II 792, S. 137-138). Der Vorschlag für den Eid erfolgte am 4. Juni 1731 (StAZH A 68.2) und wurde am 21. Juni 1731 im Rat vorgelesen und einstimmig gutgeheissen. Am selben Tag verordneten die Ratsherren zudem, dass die revidierte Ratsrednerordnung und der Eid gedruckt und publiziert werden sollen (StAZH B II 792, S. 164-166).

Zu den Fürsprechern und Ratsrednern vgl. Pahud de Mortanges/Prêtre 1998, S. 9-47; Bauhofer 1943a, S. 107-110; Bauhofer 1927.

Editionstext


Der Raths-Redneren
Ordnung und Eyd

Erneueret und publiciSchriftwechselret
Anno 1731Originaldatierung: 1.1.1731 – 31.12.1731.
[fol. 1v]Seitenumbruch [fol. 2r]Seitenumbruch


Der Raths-Redneren
Ordnung


Die Raths-Redner, so je zun Zeiten erwehlet werden / sollen an denen
Raths-Tagen / wann sie Partheyen haben / am MorgenZeitspanne: morgens zu rechter Zeit auf dem
Rath-HausOrt: sich einfinden / und von da
nicht weggehen / bis sie ihre Geschaͤffte
daselbst verrichtet; Auch / ohne eines Herren Amts-Burgermeisters Erlaubnuß / nicht von der Stadt sich weg
begeben auf eine Reise welche Zehen TagZeitspanne: 10 Tage Zeit erfordert
und wann es Sachen antrifft / so ein solcher Redner im
Nammen eines hiesigen Burgers / oder Land-Manns
oder eines Gemein-Herrschafftlichen Unterthanen wegen
eines von Loblichem SyndicatSchriftwechselOrganisation: herruͤhrenden Geschaͤffts
da und dorten in Loblicher EydgnoßschafftOrt: zuverrichten
haͤtte: Wann aber eine solche Reise mehr als Zehen TagZeitspanne: 10 Tage
waͤhrete / solle ein Redner dise Erlaubnuß / mit Vermeldung der Ursach / von Meinen Gnaͤdigen Herren dene
Kleinen Raͤthen selbsten ausbitten: Ein Herr Burgermeister aber / noch auch Hochgedacht Meine Gnaͤdig
Herren / einem Redner keine Erlaubnuß von der Stad[t]Auslassung, sinngemäss ergänzta [fol. 2v]Seitenumbruch
zureisen ertheilen / wann er allhier Partheyen hat / deren
Sachen vor Meinen Gnaͤdigen Herren oder auch in
Falliments-Sachen vor einem Frey-LoblLoblichen Stadt-GerichtOrganisation: anhaͤngig gemachet sind; und also ein Redner niemahlen in andern Geschaͤfften aus der Stadt sich wegbegeben / es seyind dann zuvor alle seine Partheyen allhier
voͤllig spediSchriftwechselrt: Froͤmde Geschaͤfft aber / so weder einen
hiesigen Burger / Land-Mann / noch Gemein-Herrschafftlichen Unterthanen / in von dem Loblichen SyndicatSchriftwechsel
harruͤhrenden Geschaͤfften / betreffen und aussert hiesiger
Stadt gefuͤhret werden muͤssen / sollen die Redner anzunemmen oder derenthalben von hier wegzureisen gar nicht
befuͤgt seyn.
Und alsdann eine Zeithar man hoͤren muͤssen / wie daß etliche Redner / vor gesessenem RathOrganisation: / StadtOrganisation: -
und Ehe-GerichtOrganisation: / wie auch vor denen Verordnungen /
die Sachen mit langen Umstaͤnden fuͤrtragen / hingegen
aber im Abtrucken ald zum Rechten setzen / der rechten
Gruͤnden zum Theil nicht gedenken / deßgleichen mit unnoͤhtigen Schaͤntzlen / Schmuͤtzen und Schmaͤhen auch
allerhand Speichworten die Partheyen tratzen und mehr
verhetzen dann Einigkeit anrichten; insbesonder auch / ob
sie schon zum Theil berichtet sind / daß zun Zeiten die Sachen faul und der Gegentheil uͤberlanget wird / nichts
desto minder sich unterstehen / dieselben mit allerley Verkleinerung des Gegentheils mit Gewalt hindurch zutruken / so aber wider die Billichkeit lauffet / und fuͤrterhin
nicht zuzulassen ist; so sollen hinkoͤnfftig die Redner ihre
habende ProcessSchriftwechsel anderst nicht als 1. durch einen Vortrag /
darinn die Gruͤnde / DocumentaSchriftwechsel, Kundschaften und was
zu des ActorisSchriftwechsel Behilff dienet / enthalten; 2. Durch eine
Gegen-Antwort des Antworters; 3. Durch die ReplicSchriftwechsel
des Klaͤgers und 4. die DuplicSchriftwechsel des Beklagten fuͤhren,
und darmit alles was zur Sach dienet anbringen / und
ihnen keine weitere Hin- noch Wider-Red gestattet / und [fol. 3r]Seitenumbruch
wofehrn sie solches unterfangen wollten / dasselbe jederweilen durch eines Herren Amts-Burgermeisters Befehl verhindert werden: Alle injurioseSchriftwechsel Schmaͤht- und
Stich-Reden aber, denen Redneren / bey unnachlaͤßlicher
Buß von ZweyWährung: 2 Mark Silber oder Drey Mark SilbersWährung: 3 Mark Silber oder je nach
Beschaffenheit des Fehlers bey fehrnerer Buß / verbotten seyn.

Der Redneren Besoldungen betreffende sollen selbige
hinfuͤro bestaͤndig seyn und beobachtet werden / wie hernachfolget.1

a. Von einem Vortrag / der keinen Gegentheil oder
Widerstand hat / Zehen SchillingWährung: 10 Schillinge . Doch / so sie armen
Leuthen etwas anzubringen haͤtten / sollen sie denen gar
nichts abnemmen / sondern umsonst reden.

b. Von einer Weisung oder AppellationSchriftwechsel, auch von
Haͤndlen so Erb- und Eigen- oder sonsten Nammhafft-
und Ehehaffte / Hoͤf und Guͤter beruͤhren, Zwey und
Dreysig Schilling
Währung: 32 Schillinge
.

Muͤßte aber einer in gleicher Sach mehr als einmahl
vor Raht oder Verordnung reden / gehoͤren ihme fuͤr jedes
mahl Sechszehen SchillingWährung: 16 Schillinge .

c. Aber von gemeinen taͤglichenZeitspanne: schlechten Sachen / es
seyen um Frefel / Bussen / oder andere kleine Ding / ob er
schon einen Gegentheil hat und die Widerparth zahlen
muß / mehr nicht als Sechszehen SchillingWährung: 16 Schillinge .

d. Item / auf das Land in Untergaͤngen / oder Augenscheinen / oder anderen Geschaͤfften / darzu ein Redner
erforderet wird / solle einer haben jeden TagZeitspanne: Ein GuldenWährung: 1 Gulden /
darzu Futher und Mahl / samt dem Roß-Lohn / Beschlag- und Sattel-Gelt / so er desse bedoͤrffen und etwas
ausgeben wurde / darzu des Tags so er heimkomt / vor
das Nacht-Mahl Fuͤnf SchillingWährung: 5 Schillinge .
[fol. 3v]Seitenumbruch

e. Weiters / als die obbestimmt / sollen die Redner
nicht fordern moͤgen / auch bey allen vorkommenden Obrigkeitlichen und offentlichen Rechnungen / einiche Redner-
Loͤhne gutgeheissen werden / als was diserer Tax vermag.

Mit denen Verehrungen aber / welche zu groͤssester
Beschwerd bisdahin so gar uͤbergroß gemachet worden /
und darmit man die eint- und andern Redner kaum vernuͤgen moͤgen / soll es koͤnfftighin also gehalten werden; daß ihnen zwahr wohl / aus gutem freyen Willen / eine Verehrung / aber nicht mehr als von EinerWährung: 1 Dukat - bis hoͤchstens
Zehen DucatenWährung: 10 Dukaten / und zwahr disere nicht anderst dann von
denen wichtigst- und weitlaͤuffigst- lang gedaurten ProcessSchriftwechselen / fuͤr alle ihre darbey gehabte Muͤhe und Arbeit
und was darvon immer abhangen moͤchte / auch erst nach
geendetem voͤlligem ProcessSchriftwechsel, sollen moͤgen gegeben werden: Wofehrn aber diese Summa uͤbertretten wurde /
solle nicht nur das / was die zehen DucatenWährung: 10 Dukaten uͤbersteiget /
confisciSchriftwechselret / sondern auch so gar der Geber und Empfanger um Einhundert ThalerWährung: 100 Taler gebuͤßt und je nach Beschaffenheit der Sach der Redner annoch eintweders auf eine
Zeit lang von seinem Dienst suspenSchriftwechseldiret oder desselben gar
entsetzet; Demjenigen aber / der ein solches / es geschehe
uͤber kurz oder lang / laͤidete / der Vierte TheilMenge: 0.25 der confiscirSchriftwechselten Verehrung zugestellet; Wurde aber der Geber oder
Empfanger selbsten es anzeigen / er der ConfiscationSchriftwechsel und
Buß enthebt werden. Wofehrn aber auch ein Redner
mehrers forderte / als ihme seine Parthey freyen Willens
gegeben / es mag wenig oder vil seyn / und sich dessen nicht
benuͤgte / auch deßwegen scheinbahrer Raach und Feindschafft gegen selbiger ausuͤben wurde / und dieselbe es bey
koͤnfftigen Anlaͤsen entgelten liesse / der solle auf ein solch
einlangende Klag um Zehen Marck SilbersWährung: 10 Mark Silber unnachlaͤßlich gebuͤßt werden.
[fol. 4r]Seitenumbruch

f. Solle auch vorausgefuͤhrte des Redner-Lohns
halber errichtete Ordnung / auf alle diejenige Personen /
Froͤmde oder Heimsch / so vor hiesiger Stadt- oder Landschaffts-TribunaliSchriftwechselen zuthun haben und Redner gebrauchen / sich erstrecken.

g. Denen Raths-Redneren soll zwahren so vil moͤglich / mit Voͤgtlichen Geschaͤfften verschohnet werden; So
sie aber deren bekaͤmen / sollen sie verpflichtet seyn die
Schirm-Ordnung und Tax getreulich zuhalten.

h. Wann auch eine Parthey in die Koͤsten verfaͤllet
wurde / sollen derselben fuͤr Redner-Lohn mehrers nicht
als die gemachte Ordnung vermag / aufgerechnet werden /
uͤbrigens auch die Redner auf niemanden nuͤtzid zehren.

i. Wann auch einer einen Redner anspraͤche / vor
ihne zureden / so solle dann der Redner nicht dem / so ihne
erst hernach ansprichet / sondern dem / der ihne zuerst angesprochen / reden.

Es solle ins koͤnfftig keiner der hiesigen Raths-Redneren / von einichen Fuͤrsten oder Herren / Staͤdten / Kloͤstern / geistlichen und weltlichen Staͤnden / auch sonsten
von niemandem uͤberall / zu ihrem eigenen und bestaͤndigen
ProcuratorSchriftwechselen sich bestellen zulassen / und von denenselben
einiche Bestallung / Warth-Dienst- und Neujohr-Gelt /
oder wie solches immer genennet werden moͤchte / es seye
an Gelt oder Gelts werth / trockenen oder nassen Fruͤchten / etcAbkürzung zubeziehen / befuͤgt seyn; Allermassen / im Fahl
dasselbe von dem eint- oder anderen / uͤber kurtz oder lang /
an Tag kaͤme / ein solcher als ein Ubertretter des Pensionen-Brieffs2 / je nach Beschaffenheit seines Fehlers / an
Leib / Ehr und Guth / ohne verschohnen abgestraffet werden solle.
[fol. 4v]Seitenumbruch


Der Raths-Redneren Eyd


Ihr die Raths-Redner sollet schweeren / Unseren
Gnaͤdigen Herren / Burgermeister / Klein- und
Grossen Raͤthen der Stadt ZuͤrichOrt:
Organisation:
/ getreu / gewaͤrthig
und gehorsam zusein / Dero Nuzen und Frommen / best
euers Vermoͤgens / zufoͤrderen / und Ihren Schaden zuwahrnen und zuwenden; In Sachen und Handlungen /
so wider unsers Stands Saz- und Ordnungen lauffen
und offenbahr unrecht waͤren / euch keineswegs gebrauchen zulassen; Denen Partheyen / so euerer Hilff-
und Beystand vonnoͤthen haben / sie seyind Froͤmd
oder Heimsch / Reich oder Arm / in der Stadt / auf dem
Land / oder denen TagsazungenOrganisation: / euch gleich getreulich
und mit allem Fleiß anzunemmen; Ihre Sachen nach
bestem euerem Verstand und Vermoͤgen fuͤrzubringen /
und darinn wuͤssentlich keinerley Falschheit / Unwarheit oder Unrecht zugebrauchen / oder gefaͤhrliche Aufschuͤb / zu Verlaͤngerung der Sachen und Schaden euerer Parthey / zusuchen; Auch mit eurem Gegentheil /
in dem Handel / darum es allwegen zuthun seyn wird /
keine Gemeinsame / weder schrifft- noch mundlich / zupflegen / demselbigen ohne Vorwuͤssen und Befehl / euerer Partheyen / weder Schrifften zuzustellen / oder
Heimlichkeiten zuoffenbahren; Endlich auch von niemandem einiche Mieth / Gaaben oder Schenckungen /
es seye an Gelt oder Gelts werth zunemmen oder jemandem derley zugeben oder zuverheissen.
Alles getreulich und ohne Gefahr!

Anmerkungen

  1. Auslassung, sinngemäss ergänzt.
  1. In der Gerichtsordnung von 1716 sind die Besoldungsansätze für die Ratsredner teilweise halb so hoch: SSRQ ZH NF I/1/11 42-1.
  2. Gemeint ist der Pensionenbrief von 1713 (StAZH B III 8, fol. 18r-17v).