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SSRQ ZH NF I/1/11 50-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, von Sandra Reisinger

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/11 50-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Mandat der Stadt Zürich betreffend Auswanderung nach Carolina

1734 November 3.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich erlassen aufgrund der vielen Auswanderungen nach Amerika (Westindien) ein Mandat. Bis auf Weiteres darf niemand aus dem zürcherischen Gebiet ausreisen. Obervögten, Landvögten und anderen Amtleuten wird der Verkauf von fahrenden und liegenden Gütern von auswanderungswilligen Personen verboten und bereits getätigte Verkäufe sollen sie rückgängig machen. Des Weiteren sollen Volksaufwiegler und Verkäufer von Auswanderungsliteratur von einer entsprechenden Ratskommission festgenommen und bestraft werden. Im Falle, dass jemand heimlich wegzieht und danach wieder zurück ins zürcherische Gebiet ziehen will, soll diese Person mitsamt der gesamten Familie angezeigt und des Landes verwiesen werden.

Nachdem es bereits im 17. Jahrhundert verschiedene Auswanderungswellen gegeben hatte (vgl. SSRQ ZH NF I/1/11 25-1), richtete sich die ZürcherOrt: Auswanderung ab 1729 nach AmerikaOrt: . Gefördert wurde dieses Phänomen durch Erzählungen von zurückgekehrten Auswanderern, durch die Verbreitung von Auswanderungsschriften sowie durch Werbeagenten. Insbesondere gegen die Agenten, welche sich anhand der Organisation der Reise oder durch den Kauf von Liegenschaften und Gütern der Auswanderer Profit versprachen, war die Obrigkeit gewillt vorzugehen. Zurückkommende Auswanderer wurden streng überwacht und falls man sie bei Anwerbungen oder dem Verteilen von Auswanderungsliteratur ertappte, sollten sie der WerbungskommissionOrganisation: übergeben werden. Zeitungen erhielten die Weisung, nichts über Auswanderungen oder Auswanderungsschriften zu publizieren. Entgegen den Bestimmungen im vorliegenden Mandat, dass zurückgekehrte, verarmte Auswanderer angezeigt und des Landes verwiesen werden sollten, wurde den Rückkehrern meist erlaubt, in ihre Gemeinden oder in die Stadt ZürichOrt: zurückzukehren. Dort durften sie sich allerdings nur noch als Hintersassen aufhalten und wurden nicht wieder ins Bürgerrecht aufgenommen.

1733 machte der Neuenburger Jean Pierre PuryPerson: , welcher 1731 die Stadt PurysburgOrt: in CarolinaOrt: gegründet hatte, in der SchweizOrt: eine Werbereise und verteilte mehrere Schriften. Zahlreiche auswanderungswillige Personen, darunter auch solche aus dem Herrschaftsgebiet ZürichsOrt: , liessen sich überreden. Im September 1734 forderte eine Ratskommission die Publikation eines Mandates, um die rechtlichen Bestimmungen bezüglich der Auswanderung bekannter zu machen. Zunächst zögerte die ZürcherOrt: ObrigkeitOrganisation: noch. Erst als sich die Stadt BaselOrt: über die bettelnden ZürcherOrt: Auswanderer, welche in BaselOrt: auf ihre Pässe warteten, beschwerte (StAZH B II 806, S. 93), erliessen Bürgermeister und Rat der Stadt ZürichOrt: Organisation: am 3. November 1734 vorliegendes Mandat. In den Jahren 1735, 1736, 1739, 1741 und 1744 wurden weitere Mandate betreffend die Auswanderung nach AmerikaOrt: gedruckt, welche aber nur wenig Erfolg hatten (StAZH III AAb 1.10, Nr. 27; StAZH III AAb 1.10, Nr. 32; StAZH III AAb 1.10, Nr. 54; StAZH III AAb 1.11, Nr. 4; StAZH III AAb 1.11, Nr. 24).

Erst mit den zunehmend negativen Berichten von zurückgekehrten Auswanderern sowie dem Ausbruch des österreichischen Erbfolgekrieges und der damit verbunden schwierigen Ozeanüberfahrt nahm die Auswanderungswelle nach AmerikaOrt: ihr Ende. Während des Höhepunktes in den Jahren 1734-1744 liess der ZürcherOrt: RatOrganisation: von den einzelnen Gemeinden Verzeichnisse über die ausgewanderten Personen anfertigen (StAZH A 174.1). Gemäss den Berechnungen von Andreas Blocher, welcher die Zahlen mithilfe weiterer Quellen ergänzte, ergibt sich eine Zahl von rund 3300 ausgewanderten Personen, was etwa 2,5 Prozent der damaligen Zürcher Bevölkerung ausmacht. Zur Zürcher Auswanderung vgl. Ulrich 1996, S. 391-394; Pfister 1987, S. 132-169; Blocher 1976, S. 14-34; Zuber 1931, S. 33-66.

Editionstext


Wir Burgermeister und Rath der Stadt ZuͤrichOrt: Organisation:
Entbieten allen und jeden Unseren Angehoͤrigen auf Unserer Landschafft
unseren gnaͤdigen Gruß, und darbey zuvernemmen: Demnach wir zu Unserem nicht geringen Bedauren und
Mißfallen sehen und erfahren muͤssen, wie daß einerseiths die Zeithero eint und andere, Uns zum Theil bekannte Persohnen sich understanden, hin und
wider auf Unserer Landschafft viel von Unseren Angehoͤrigen, unter allerhand, meistens gantz und gar unwahrhafft, nichtig- und boßhafft-ersonnenen Außstreuͤw- und Vorgebungen zu uͤberreden, und zuvermoͤgen, daß sie wuͤrcklich in die viel Hundert Meilen weit von hier in West-IndienOrt: gelegene, theils der Bottmaͤssigkeit Ihro Koͤniglichen Majestaͤt von Groß-BrittannienOrt: , theils aber dem unsicheren Gewalt allerhand wilder und unchristlicher Nationen unterworffene Landschafft CarolinamOrt: abgereiset; anderseiths aber, daß vil-ermeldt-Unserer Angehoͤriger sich durch allerhand verfuͤhrische Buͤchlein, und ihren Eigensinn so starck einnemmen lassen, daß selbige weder denen auf Unseren Befehl von Oberkeitlichen, noch denen von
privatSchriftwechsel-Persohnen gegen ihnen auß aufrichtiger Wolmeynung geschehenen Abmahnungen Gehoͤr geben wollen, dieselbe unwuͤssend- und unbesinnter
Weise verachten, und gaͤntzlich in den Wind schlagen, ja gar einiche, als wann man ihnen an ihrem Wohlstand verhinderlich seyn wollte, sich leichtsinniger Dingen einbilden doͤrffen;
Als haben Wir auß Lands-Vaͤtterlicher, fuͤr den Wohlstand der lieben Unserigen, aufrichtig tragender
Vorsorg und außhabender Uberzeugung, nicht allein was grosser Muͤhe, Koͤsten und Gefahr die Reise, sonderlich fuͤr kleine Kinder, in ein solch- entfehrntes Land unterworffen, sonder auch mit wie vielem Ungemach und allerdings unuͤbersteiglichen Schwirrigkeiten ein neue Einrichtung in diesem
Land unaußweichlich begleitet, und annoch, ob die wuͤrcklich Abgereiseten in dieses Land uͤbergefuͤhrt, oder zuruck gewisen werden, gantz ungewuͤß
seye, Unsere Oberkeitliche Pflicht und Schuldigkeit zu seyn ermessen, durch offentliche Verkuͤndigung dieseres Unsers best-gemeynten Mandats, jedermaͤnniglichen mit Vorstellung vor außgefuͤhrter der Sachen wahrer Beschaffenheit von solch leichtsinnig, unbegruͤndtem und sehr grossen Gefahren
begleitetem Vornemmen treuhertzig abzumahnen und zu verwahrnen, und hingegen, wie hiermit geschihet, alles Ernsts fuͤr dißmahl zugebiethen, daß
biß auf Unsere weitere Verordnung niemand weder Mann, Weib noch Kinder auß dem Land gehen, sondern in demselben verbleiben, und mittlest des
Allerhoͤchsten mitwuͤrckenden und verheissenen Segens durch fleissig und ehrliche Arbeit, sich und die seinigen redlich zu ernehren trachten thuͤe,
und
wollen dahero, daß Unsere Ober- und Land-Voͤgt, und dero nachgesetzte Beamtete, dergleichen Leuthen ligend- oder fahrend-Gut zu verkauffen keineswegs mehr gestatten, die wuͤrcklich beschehene Kaͤuff und Verkaͤuff auf Verlangen der Verkaͤufferen, wann sie den Kauff-Schilling wider erstatten
koͤnnen, wider aufheben, auf die Außstreuer dergleichen verfuͤhrischer Buͤchlenen und die Aufwigler zu Statt und Land geflissene Achtung gegeben,
selbige auf Betretten gefaͤnglich anhero geschickt, und von der hierzu verordneten Commission exemplarSchriftwechselisch abgestrafft; und wann uͤber all dise Unsere, so wohl- und Vaͤtterlich-gemeynte Verwahrnungen und Gebott, dannoch der eint oder andere sich erfrechen, und heimlich darvon ziehen thaͤte,
dem ald denenselben nicht allein das hiesige Land-Recht außhingegeben, sondern auch, wann ein solcher auß Armuth getrieben, darinnen er sich auf
dise Weise muthwillig gestuͤrtzet, wider in sein Heymath kaͤme, von denen Beamteten Unseren Ober- oder Land-Voͤgten angezeiget, mit Weib und
Kinderen, so er deren haͤtte, die sich seines Ungehorsams theilhafftig gemachet, von Stadt und Land verwisen, und zu keinen Zeiten mehr darinnen
geduldet werden solle. Wornach sich jedermaͤnniglich zurichten, und vor Straff und Ungnad zuverhuͤten wohl wuͤssen soll und wird.
Geben, den dritten Tag Wintermonats, nach Christi unsers lieben Herren und Heylands Geburth gezellet, Ein Tausend, siben Hundert, Dreyssig und
Vier Jahr
Originaldatierung: 3.11.1734
.
Cantzley der Stadt ZuͤrichOrt: Organisation: .
[fol. v]Seitenumbruch
[Vermerk auf der Rückseite unten rechts:]
Abmahnung wider das
wegziezen in CarolinamOrt: ,
3. novnovember 1734Datum: 3.11.1744.