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SSRQ ZH NF I/1/3 139-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 139-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Verurteilung des Zürcher Täufers Felix Manz zum Tod durch Ertränken

1527 Januar 5.

Bürgermeister Diethelm Röist, Reichsvogt Matthias Wyss sowie Kleiner und Grosser Rat der Stadt Zürich verurteilen Felix Manz, den Anführer der Täufer, zum Tod durch Ertränken wegen Anstiftung zur Aufruhr und Zusammenrottung gegen die Obrigkeit, das christliche Regiment und die bürgerliche Einigkeit. Das Urteil wird dadurch begründet, dass die Lehre der Täufer durch die Pfarrer und Schriftgelehrten der Stadt widerlegt und durch ein Mandat verboten worden sei. Auch der Verurteilte selbst sei eindringlich aufgefordert worden, davon abzustehen, jedoch habe er nach Freilassung aus dem Gefängnis entgegen seiner geschworenen Urfehde innert zweier Wochen wieder damit angefangen, seine Anhänger zu versammeln, Erwachsene zu taufen, gegen die Rechtmässigkeit der Obrigkeit und deren Strafbefugnis zu predigen und seine Lehre durch die Erzählung angeblicher Visionen zu unterstreichen, wodurch er sich von der christlichen Gemeinde abgesondert habe. Das Vermögen des Täufers wird konfisziert.

Editionstext


Allsdann Felix MantzPerson: 1 von ZurichOrt: , der da gegenwürtig statt,
unnd ander sin mit verwanten und annhänger wider christennlich
ordnung und bruch inn den widertouff begëben und ingelassenn,
den selbenn angenomen, ander volk gelert und sunderlich er ein
rechter houptsächer und anfänger der dingen gewessen ist, habend
unnser herren burgermeister, rat und der groß rat, so mann
nëmpt die zweyhundert der stat ZürichOrt:
Organisation:
, den genanten MantzenPerson:
und ander durch ire predicanten unnd der heiligen geschrifft
gelerten und verstänndigen mit der rechtenn, götlichen geschrifft,
alts und nu̍ws testaments, berichten lassen, das der widertouff
nach dem wort gotes nit bestan möge, sonnder verworfen unnd
gmeynem christennlichen ordnungen abbrüchig unnd verletzlich, und der kinder touff, so untzhar in gmeyner cristenheit gebuchtKorrigiert: gebruchta, gerecht unnd dem wort gotes gemaͤß sige. Darzuͦ
in unnd ander mit allem mu̍glichen fliß und ernst uß
warer, götlicher geschrifft und ewangelischer lere von sollicher
ir irthuͦmb und eigenkopfige abzuͦstand, ouch sich gmeynem
cristennlichem bruch zuͦverglichen, zum höchsten und brüderlich ermanen laßen.
Alls aber etlich inn irem verstopfennKorrigiert: verstopftennb
fu̍rnëmen für unnd für eigenwilennklich beharret unnd
sich ouch davon nit wellenn lassen abwißen, habent die gemelten unnser herren nach sollicher ir vilgehepten c
christennlicher ermanung, als weder guͦts noch bösses an
im gar nüdt hat wellenn helffenn, witer und mer ergernu̍s
und u̍bels, so daher volgen möchte, zuͦverkumen, ernstlich
gepot unnd mandaten in ir stat, lannd, gricht unnd gepietenn
allennthalbenn laßenn ußgan und offennlich verkündenn,
wellicher sich hinfür sollichs widertoufs underzüchen, geprüchen
und annhangen, ouch davon leren und nachfolgen wu̍rde,
das der oder die selbenn personen, es syen frowen oder
manen, jung oder alt, on alle gnad ertrenkett werdenn
solten.2
Und wie wol vermelter Felix MantzPerson: ,
wie da eben begriffen wirt, solliches widertoufs ein rechter
anfänger und houptsecher und groß unruͦw und ubells
durch in gestifft ist, jedoch habent gedacht unnser herren
in uff ein urfechd uß ir gefengknuͦs ledig gelaßen und
im darby heiter gesagt, das er hinfür nit mer toufen [fol. 40v]Seitenumbruch
noch jeman zuͦ dem widertouff einich ursach gebenn, besonnder sich unnserer herren willens flißen und halten
sölle, wellicher Felix MantzPerson: deßhalb einen eid, dem
nachkommen und zuͦ halten, geschworen.
Aber unangesechen hat er verjechen und ist bekanntlich,
das er in vierzechen tagenZeitspanne: 14 Tage, nachdem er und die andern
sine gebrüderen und anhenger uß der gefennknus
geprochen, als er gen EmbrachOrt: kommen, ein frowen
daselbs siner meynung underweißt, gelert und getoufft habe.
Witer ist er anred und verharret daruff, so ver einer oder eins hinfu̍r mer
zuͦ im komme und von im gelert und getoufft begerte
zuͦ werden, so welltKorrektur auf Zeilenhöhe, ersetzt: rde er sollicher person wilfaren
und es iro nit abschlachen.
Fürer bekent
er sich, gerett habenn, das er und ander, die sich
ChristyPerson: weltind annëmen und dem wort nach volgen,
ouch nach ChristoPerson: wandlen, zuͦ sammen welte suͦchen
unnd sich mit den selben durch den widerHinzufügung oberhalb der Zeileetouff vereynbaren und die andern irs geloubens plibenn laßen,
damit nuͦ er und sine anhenger sich von christenilherKorrigiert: christenlicherf
gmeynd gesundert und eigen selbs gewachßen sect,
reten und versamblungen under einem schin und
dekmantell einer christennlichen versamblung und
kilchen uff erweken und zuͦ rüsten wellen.
Der
egeseit Felix MantzPerson: hat sich ouch bekent und on alle fürwort, sündrung und underscheid, offenlich, wie er gewandlet, ußgëben, ouch für die warheit gelert unnd
gehalten, das dhein christ dhein oberer sin noch
den anderen mit dem schwert richten noch yemans
toden noch strafen solt oder möcht. Und zuͦ einner anzeigung und fu̍rbrechung siner irrigen, verfürten
meynung, damit im zuͦ sinem bëßen, schantlichenn
fu̍rnemen dest fürer und mer volg, gloubenn,
anhang und bistand beschechen möchte, hat er witer
verjëchen, das im einost oder zwuͤrent etlich sant
PaulsPerson: episteln im gfënknus, als er gefangen gelegen, [fol. 41r]Seitenumbruch
unnd sunst, geoffenbaret werint, der gstalt, als ob im die
nach der beschribung ougenschinlich zuͦ gegen gesin werint,
das er ouch, wie obstat, uß boßheit und ander der gestallt
eins guͦten hat furbracht und angezeigt.
Unnd
diewil dann des vilgeseiten Felix MantzenPerson: meynung und
haltung, ouch bruch und lere, des widertoufs und desselben
nachvolg, wider das wort gotes und darinn nit gegrünt ist,
ouch mit dem selben nit erhalten werden mag, darzuͦ
gmeynem, loblichen bruch, der durch alle christenheit untzher
eingewillenklich gehalten, gantz widrig, nachteylig unnd
verletzlich ist und zuͦ dem, wie offenlich am tag lit, byßher
daruß nüdt anders dann mengklich ergernus, emberung
und uffruͦren wider christenlich oberkeit, zerrütung gemensKorrigiert: gemeinsg christennlichs frids, brüderlicher lieb und bu̍rgerlicher einigkeit und entlichen alles u̍bels gefolg ist, welliches
der egeseit Felix MantzPerson: eigens verstopfs, irrigs willenns
und gemuͤts on berüfft und on ervordert offenlich vor
der mënge des volks und sunst heymlichen in winklen,
besondern hu̍ßern, orten und ënden nit allein gelert und
geprediget, sonnders mit der tat getoufft und sich dardurch von gmeyner, christenlicher versamblung uberKorrektur überschrieben, ersetzt: dh alles
warnen und veterlich strafen an inn gelegt und beschechen,
ouch uber obgemëlte schwëre uß gangne gepot gesundert
und, wie oblu̍ttet, ein besonndere sect, rott, versamblung
und zesammen komung, uKorrektur auf Zeilenhöhe, ersetzt: ainder der gestaltt eins guͦtenn
fu̍r und für sy gesuͦcht, ander christenlich personnen
und j einfaltig, arm lüt damit verfürt, von gehorsame irer oberen abgewysen und damit zuͦ
nam, todschlag und alles ubels ursach und weg furgenomen
unnd so vil an im geweßen ist, gesuͦcht, wie dann der genant Felix MantzPerson: des gichtig und anred, k offenlich
am tag litt und witer bewyßung nit bedarff.

Umb3 sollich sin, des genanten Felix MantzenPerson: , ufrürig
wëßen, zesamen rotungen wider ein oberkeit, ouch
guͦten christenlichen regiment und burgerlicher einigkeit, [fol. 41v]Seitenumbruch
u̍bel unnd myßthuͦn, ist zuͦ im also gricht, das er
dem nachrichter befolchen werden, der im sin haͤnnd binden,
in ein schiff setzen, zuͦ dem Nideren HütlyOrt: füren und uff
daͤm hütly die händ gebunden uber die knüw abstreyfen
und ein knebel zwüschent den arman und schenklen
durhin stoßen unnd in also gebunnden inn das waßerKorrektur überschrieben, ersetzt: werl
werfen und in dem wasser sterben und verderben laßen.
Und er damit dem gricht und recht buͤßt habenn solle.

Unnd ob yemans, wer der were, der sollichen sinen tod andote
oder äfrete, mit worten ald werken, oder das schüfe gethann
werden, heimlich oder offennlich, das der und die selben
inn den schulden und banden stan und sin sollennt,
darinn bemelter Felix MantzPerson: gegenwurtig statt.
m–
Was guͦtt er hat, ist minen herren uf ir gnad heim gefalen.4
Hinzufügung unterhalb der Zeile
–m

Actum sambstag vor der heiligen dryger küngen tag anno etcAbkürzung
xxvij
Originaldatierung: 5.1.1527
, vor her Mathis WyßennPerson: , vogt des richs, und
her Diethelm RoistenPerson: , burgermeister, ouch reten unnd
burgern
Organisation:
, ouch uf her RoistenPerson: erfondenen brief und
sigel erkent.

Anmerkungen

  1. Korrigiert: gebrucht.
  2. Korrigiert: verstopftenn.
  3. Streichung: muͤg und.
  4. Korrektur auf Zeilenhöhe, ersetzt: r.
  5. Hinzufügung oberhalb der Zeile.
  6. Korrigiert: christenlicher.
  7. Korrigiert: gemeins.
  8. Korrektur überschrieben, ersetzt: d.
  9. Korrektur auf Zeilenhöhe, ersetzt: a.
  10. Streichung: ander.
  11. Streichung: ouͦch.
  12. Korrektur überschrieben, ersetzt: wer.
  13. Hinzufügung unterhalb der Zeile.
  1. Zu Felix ManzPerson: vgl. Stucki 1996, S. 198-200. Eine Beschreibung der Hinrichtung findet sich in Heinrich Bullingers Reformationsgeschichte (Bullinger, Reformationsgeschichte, Bd. 1, S. 381-382). In der Abschrift des Heinrich ThomannPerson: wird die Beschreibung durch eine Illustration ergänzt (ZBZ Ms B 316, fol. 284v; für eine Reproduktion vgl. Baumann 2018, S. 116; Leu 2007). Allgemein zum ZürcherOrt: Täufertum vgl. die obrigkeitlichen Mandate der Jahre 1526 und 1613 (SSRQ ZH NF I/1/3 130-1; SSRQ ZH NF I/1/11 15-1).
  2. Dabei handelt es sich um das Mandat vom 6. März 1526 (SSRQ ZH NF I/1/3 130-1).
  3. Die folgenden beiden Abschnitte entsprechen dem Urteilsformular für die Hinrichtung durch Ertränken, wie es im 2. Teil der Blutgerichtsordnung der Stadt ZürichOrt: vorgegeben war (SSRQ ZH NF I/1/3 100-1). Vgl. ebd. für Angaben zum sogenannten Niederen HüttliOrt: oder FischerhüttliOrt: , von wo aus die Ertränkungen vollstreckt wurden.
  4. Für die Klausel betreffend Konfiskation des Vermögens des Verurteilten vgl. die Blutgerichtsordnung der Stadt ZürichOrt: (SSRQ ZH NF I/1/3 99-1).