check_box_outline_blank zoom_in zoom_out
SSRQ ZH NF I/1/3 157-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 157-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Ordnung der Stadt Zürich betreffend auswärtige Almosenempfänger

1533 Mai 21 – Juni 14.

Bezüglich der Klagen über Hintersassen und Fremde, die weder das Bürgerrecht noch das Zunftrecht innehaben und dennoch das Almosen beziehen, haben die Ratsverordneten und Almosenherren folgende Artikel beratschlagt: 1. Einteilung der Fremden in drei Gruppen, abhängig von ihrer Herkunft aus Schwaben, aus der Eidgenossenschaft und aus dem Zürcher Herrschaftsgebiet. Den Fremden aus Schwaben soll eine Frist von zwei Monaten gestellt werden, um Brief und Siegel über ihre Herkunft beizubringen und das Bürgerrecht zu kaufen. Dieselben Bedingungen gelten für Einwanderer aus der Eidgenossenschaft, jedoch erhalten sie nur einen Monat Zeit zum Beibringen der Dokumente. Untertanen aus dem Zürcher Herrschaftsgebiet haben Leumundszeugnisse aus ihrer Herkunftsgemeinde oder ein Zeugnis der Almosenherren beizubringen. 2. Beauftragung des Bettelvogts, innerhalb der sieben Wachten sowie ausserhalb der Stadt auf dem Gebiet der drei Kirchspiele fremde Personen zum Beibringen der notwendigen Bestätigungen aufzufordern und sie im Verweigerungsfall auszuweisen. Um diesen Massnahmen Nachachtung zu verschaffen, soll ein offener Kirchenruf ausgehen mit dem Gebot, Fremde und Hintersassen, die weder Zunftrecht noch Bürgerrecht innehaben, ohne Erlaubnis des Rates oder der Verordneten nicht länger als acht Tage zu beherbergen, bei Androhung der Busse von einer Mark Silber. Bezüglich der Frage, ob Kinder von in der Stadt verstorbenen Fremden wie bisher das Almosen erhalten sollen, überlassen die Verordneten den Entscheid den Herren von Zürich. Die Artikel werden durch Bürgermeister Diethelm Röist und beide Räte bestätigt und Bernhard von Cham und Zunftmeister Jakob Baur zu ihrer Vollstreckung verordnet, mit der Ergänzung, dass Fremde auch dann abgewiesen werden können, wenn sie alle geforderten Bestätigungen beibringen.

  • Signatur: StAZH A 61.1, Nr. 3, S. 18-24
  • Originaldatierung: 1533 Mai 21 – Juni 14 (Die Artikel wurden am 21. Mai 1533 durch die Verordneten beraten und am 14. Juni 1533 durch Bürgermeister und Rat bestätigt.)
  • Überlieferung: Eintrag
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 21.5 × 32.0
  • Sprache: Deutsch
  • Schreiber: Werner Beyel, Stadtschreiber von Zürich
  • Edition

Die vorliegenden Bestimmungen wurden als Ergänzung zur Almosenordnung der Stadt ZürichOrt: vom 15. Januar 1525 erlassen (SSRQ ZH NF I/1/3 125-1). Einen Tag nach ihrer Bestätigung durch Bürgermeister und RatOrganisation: wurden sie, wie von der vorberatenden Ratskommission empfohlen, durch einen allgemeinen Kirchenruf der Bevölkerung bekannt gemacht (StAZH A 42.1.2, Nr. 7; Edition: Zürcher Kirchenordnungen, Bd. 1, Nr. 60).

Die Klage über die Frequentierung des Almosens durch auswärtige Bedürftige deckt sich inhaltlich mit den zahlreichen Mandaten, die im Verlaufe des 16. Jahrhunderts gegen fremde Bettler erlassen wurden (exemplarisch: StAZH A 42.1.2, Nr. 4). Die vorliegende Ordnung verknüpft jedoch darüber hinaus die Almosenthematik mit derjenigen des Bürgerrechts: Eine Zwischenstellung nahmen diesbezüglich die Hintersassen ein, die zwar oftmals dauerhaft niedergelassen waren und am wirtschaftlichen Leben der Stadt partizipierten, jedoch als Nichtbürger vom politischen Leben ausgeschlossen waren. Ihre Fürsorgeberechtigung war offenbar in der ersten Phase nach Einrichtung des Almosenamtes umstritten. Ein klar konturiertes Hintersassenrecht hatte sich in ZürichOrt: ohnehin erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts herausgebildet (vgl. Koch 2002, S. 78). Vor diesem Hintergrund zielen die vorliegenden Bestimmungen darauf, die Auswärtigen unter den Almosenbezügern entweder in den Bürgerverband zu integrieren (wobei aber die zu entrichtende Gebühr ein wesentliches Hindernis dargestellt haben dürfte) oder aber aus der Stadt wegzuweisen. Die im darauffolgenden Jahr erlassene Wiederholung und Einschärfung der vorliegenden Ordnung verweist jedoch darauf, dass bei der Umsetzung Schwierigkeiten bestanden. Zu deren Behebung sollten unter anderem die Kompetenzen zwischen den Verordneten zum Almosen und dem Kleinen RatOrganisation: genauer abgegrenzt werden (StAZH A 42.1.2, Nr. 8; Edition: Zürcher Kirchenordnungen, Bd. 1, Nr. 67 und 68). Die vorliegende Ordnung behandelt die fremden Bedürftigen aus den Gebieten nördlich des RheinsOrt: und aus der EidgenossenschaftOrt: gleich. Dies entspricht auch der allgemeinen Tendenz in der Vergabe des ZürcherOrt: Bürgerrechts, welches Auswärtige aus der EidgenossenschaftOrt: nur in Bezug auf die Höhe der zu entrichtenden Gebühr bevorzugt behandelte (vgl. Sieber 2001, S. 28).

Allgemein zum ZürcherOrt: Almosenwesen vgl. Moser 2010; Denzler 1920.

Editionstext


Verbesserung der maͤnglen by dem
almuͦsennOrganisation: der froͤmbden halb
Rubriziert
1

Als dann bißhar minen herrenn vylerley
klëgtenn von wëgen der hinder saͤssenn unnd
froͤmbden lannd zu̍glingen, die weder zunfft
noch burgrecht hand, fu̍r kommen, das sich die
taͤglich merind, dem allmuͦßen nach zu̍chind
und also gemeine burgerschafft, ouch das almuͦsenOrganisation:
da durch traͤffennlich u̍ber setzt, beladen unnd
der maß beschwert, das es kein lenge erhalten
noch erlittenn werdenn moͤge, deßhalb mine
herrenn ettlich uß iren raͤtenOrganisation: mit sampt
den herren vom almuͦsenOrganisation: u̍ber den hanndel [S. 19]Seitenumbruch
gesetzt, weg unnd fuͦg ze suͦchen, damit guͦte ordnung
erhaltenn und soͤlich beschwerdenn fuͦgklicher gstalt
ab gestelt werdenn moͤchten, die nun allen handel
mit ernst erwaͤgen und sich ju̍ngst nach volgender
meynung unnd articklenn uff miner herren
witter gefallenn beratschlaget habennd.
Erstlich, weg ze suͦchenn, wie man die froͤmbdling,
so schon herin unnd doch weder burger noch zunfftig
sind, mit fuͦgen abwysenn, darzuͦ fu̍rer versaͤchenn,
das keine mer so liederlich herin kommen moͤchten,
wirt von noͤten sin ein unnderscheid uß dryerley
volcks ze machenn.
Die erstenn sind die, so aͤnnet RynßOrt: uß dem Schwaben
Lannd
Ort:
herin sind.
Die anderen sind uß der EydgnoschafftOrt: .
Unnd die dryttenn uß miner herrenn gerichten
unnd gebietten.
Da ist fu̍r guͦt angesëchenn, das vogt AnnderesPerson:
abermalen herumb ziechen, die froͤmbd unnd
in zu̍gling inn den sibenMenge: 7 wachtenn2 uf zeichnen,
die dryerley geschlecht eigenntlich uß einander [S. 20]Seitenumbruch
zu̍chen unnd su̍nderen und deren aller nammen
fu̍r mine herenn geleyt werdenn, die soͤllend
dann zwen Menge: 2 herrenn uß irem ratOrganisation: ordnen, ouch
inen gwalt und bevelch gebenn, erstlich die,
so uß dem Schwaben LanndOrt: und ennet dem
RinOrt: har sind, zuͦ beschickenn und inen ein zil
zwen manotZeitspanne: 2 Monate zuͦ setzenn, brieff und sigel zebringen,
wer unnd wannen, ouch wie sy von heymen
gescheydenn sygind, deßglichenn, wenn sy solich
brieff bracht hannd, das sy dann unverzogenlich
das burgrecht kouffind, welicher das nit tuͦn
moͤchte ald welte, das sy dann macht habind,
an rucks von hinnen, da her er komen ist,
ze wißenn.
Der glichenn soͤllennd sy ouch mit den froͤmbden
unnd in zu̍glingen hanndlen, so uß der EydgnoschafftOrt: sind, das sy ouch brieff unnd abscheyd in
eim manotZeitspanne: 1 Monat bringind unnd demnach das
burgrecht erkouffind oder aber von hinnen
zu̍chind.
Die, so uß miner herren statt und lantschafft
unnd uß den wachten sind, soͤllennd sy wysenn,
brieff unnd urkund ze bringen von einer
gantzen gemeind, des dorffs oder der wacht, [S. 21]Seitenumbruch
dar inn sy wonnhafft gsin unnd gesessen sind, wie
sy sich ir tag gehaltenn und was sy fu̍r ein wandel
gefuͤrt habind, ob sy ouch des almuͦsen vehig ald
notturfftig ald was der mangel syge oder wie
ir sach stannde. Unnd welicher soͤlich urkund
nit bringen mag oder wil, ouch kein brieflin
von den herrenn verordnetenn an die almuͦser
hat, der soll weder jetz noch hienach imm almuͦsennOrganisation:
gelitten, imm ouch darvon nu̍tzit gebenn werden.
Nun zuͦ vera huͤtenn, das die froͤmbdenn nit mer
also hierin hußind unnd ein gemeynd beschwaͤrind,
so soͤllennd die zwenMenge: 2 verordneten herenn gwalt
habenn, vogt AnndereßenPerson: ernnstlich ob zuͦ liggenn,
flissig unnd guͦt acht unnd uf sechenn uff soͤlich
in zu̍gling zehabenn und so erst er eynsin innen
wirt, es sye in den sybenMenge: 7 wachten oder usserthalb
den Kru̍tzenOrt: , so inn die dryMenge: 3 pfarren gehoͤrennd,
den on verzug fu̍r sych zuͦ bescheidenn unnd
sins thuͦn und lassens, wannen und wer er
sige zuͦ erkonnen. Und wo er kein abscheid
oder urkund von einer gmeind dar zuͦ leggen
hat unnd das burgrecht nit koufft noch kouffen
wyl, den selben, wie obstat, von hinnen, da her er
kommen ist, ze wisen.
[S. 22]Seitenumbruch
Unnd damit solich an saͤchen unnd ordnung dest stiffer
vollzogen werdenn unnd by waͤsenn beliben moͤge,
so soll deßhalb ein offner kilchen ruͦff von einer
oberkeit uß gan unnd inn dem selben mengklichem
verku̍nt unnd by einer marck silberWährung: 1 Mark rechter
buͦß zum ernstlichen und hoͤchstenn verbottenn
werdenn, das niemand soͤlich froͤmbdling, inzu̍gling unnd hinder saͤssen, so nit burger noch
zu̍nfftig sind, mer uf ennthalte, bhuse, bherberge
oder inen herberg, behusung, underschlouff,
tach noch gemach u̍ber acht tagZeitspanne: 8 Tage nit gebe, sy
habind dann von minen herrenn eim ersammen
ratOrganisation: oder den verordnetenn ein glouplich
urkund, das sy sich mit inen vertragenn
unnd hie nider ze lassenn ald witter ze wonen
von inen sunder gunst unnd erlouptnuß
habind. Unnd ob yemandts darwider thaͤte,
das dem on gnad die buͦß ab genommen unnd
daran niemands verschont werde.

Unnd als aber vil der froͤmbdlingen unnd
lannd zu̍glingen biß har abgestorbenn unnd
vil kinder b hinder inen verlassenn, die
alle im allmuͦsen ligend und aber ein zwifel
ist, ob sy des almuͦsenns vehig sygind oder ob
man sy darinn haben muͤsse oder nit, [S. 23]Seitenumbruch
die selbenn lu̍tterung mogenn mine herrenn selbs
gebenn, was inen hierinn gefallenn welle oder
wie es hiemit gehalten werdenn soͤlle, dann die
verordneten inen soͤlichs der kinden halb, so jetz
vor handen sind, heim gesetzt habenn wellind,
doch liessind sy inen ires teyls gefallenn, ob
jemands hinfu̍r kind verlassenn, der nit
zu̍nfftig noch burger gewëßenn were unnd
kein urkund noch erlouptnuß von den herrenn
verordneten gehan hette, das man den selben
kindenn das allmuͦsen mit ze teylen nit schuldig
sin soͤlte, doch was minen herrenn hier inn
gefallenn wil, lassennd sy beschechenn.

Actum uff den uffart abennd anno etcAbkürzung
xvc xxxiiio
Originaldatierung: 21.5.1533
, pntibuspresentibus mmeister HabPerson: , mmeister
WingartnerPerson: , mmeister Petter MeygerPerson: , jjuncker Bernhart von ChamPerson: , mmeister BachofenPerson: , mmeister
SetzstabPerson: , jjuncker Lu̍polt GrebelPerson: , her probst3
zur probstieOrganisation: , unnd AnderesPerson: , der
bëttel vogt.
[S. 24]Seitenumbruch
Dis obbeschribne ordnung ist bestaͤttet
unnd angenommen des nechstenn sambstags
nach unnsers herrenn fronlichnams tag
anno etcAbkürzung xvc xxxiii
Originaldatierung: 14.6.1533
unnd sind jjuncker Bernhart
von Cham
Person:
unnd mmeister PurPerson: zuͦ volstrekung
diser ordnung verordnet, pntpresentibus her
RoͤistPerson: , raͤt unnd burgerOrganisation: .
Das edict, dar von der artickel da
obenn meldung tuͦt, ist publiciert
wordenn sonntags ipsa die VitiPerson: anno
quo supra.
Originaldatierung: 15.6.1533
Stat schriber Zu̍richOrt:
Es ist ouch hier inn vorbehaltenn, ob einer schon
urkund, brief unnd sigel brechte, er moͤchte darnach
ein man sin, der minen herenn nit gefellig noch
an muͦttig und der stat nit ze liden were, das inenn
ir hand dar inn offen sin unnd sy in destminder nit
ab zuͦ wysenn wol macht habenn sollend.

Anmerkungen

  1. Streichung durch einfache Durchstreichung: huͤrenn.
  2. Streichung durch einfache Durchstreichung: in.
  1. Die Ordnung schliesst direkt an die ebenfalls von der Hand Stadtschreiber Werner BeyelsPerson: stammende Almosenordnung der Stadt ZürichOrt: an (SSRQ ZH NF I/1/3 125-1).
  2. Zur Einteilung der Stadt in sieben Wachten vgl. SSRQ ZH NF I/1/3 146-1. Dieselbe Einteilung findet sich auch in den Almosenordnungen von 1525 und 1544 (vgl. SSRQ ZH NF I/1/3 125-1; StAZH A 61.1, Nr. 24). Ursprünglich war die Wacht KornhausOrt: zur Wacht MünsterhofOrt: gerechnet worden (Gilomen 1995, S. 341).
  3. Gemeint ist Felix FryPerson: , der von 1518 bis 1555 Propst des GrossmünsterstiftsOrganisation: und zwischen 1528 und 1537 Obmann des AlmosenamtesOrganisation: war (HLS, Fry, Felix).