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SSRQ ZH NF I/1/3 192-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 192-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Testamentarische Vergabung von Heinrich Bullinger und Anna Adlischwyler an das Siechenhaus an der Spanweid

1557 Juni 8.

Heinrich Bullinger, Münsterpfarrer der Stadt Zürich, und seine Ehefrau Anna Adlischwyler vermachen den Aussätzigen im Siechenhaus an der Spanweid eine Summe von 40 Pfund Zürcher Währung. Aus den Zinserträgen dieser Summe soll der Pfleger des Siechenhauses jeweils an vier Tagen im Jahr den Betrag von neun Schilling unter den Aussätzigen durch einen Prädikanten oder Knecht austeilen lassen, zur Beschaffung von Nahrung und sonstigen Gütern, welche die Kranken benötigen. Sofern keine Aussätzigen im Siechenhaus untergebracht sein sollten, hat der Pfleger die Zinserträge aufzusparen und umso reichlicher auszuteilen, sobald wieder Insassen vorhanden sind. Das Geld soll an folgenden vier Tagen im Jahr ausgegeben werden: 10. März, 13. Juni, 15. September, 25. Dezember.

Die vorliegende Aufzeichnung dokumentiert die erste von insgesamt vier wohltätigen Stiftungen, die Heinrich BullingerPerson: gegenüber dem Siechenhaus an der SpanweidOrt: tätigte (für die weiteren vgl. StAZH H I 609, S. 2-3). Den Gesamtbetrag von insgesamt 240 Pfund, mit dem er die dortigen Aussätzigen unterstützte, erwähnt BullingerPerson: auch in seinem privaten Testament (Henrich 2010, S. 35). Auch BullingersPerson: Patensohn, der nachmalige Theologieprofessor Josias SimlerPerson: , gehörte zu den Unterstützern des Siechenhauses (Hugener 2014, S. 94).

Der Eintrag findet sich in dem 1539 neu angelegten Jahrzeitbuch des Siechenhauses. Dieses enthält Abschriften von Stiftungen aus dem um das Jahr 1490 angelegten, vorreformatorischen Jahrzeitbuch (StAZH H I 608). Diese fungieren nun jedoch nicht mehr als Anweisungen zur Begehung von Jahrzeiten, sondern als Belege für die empfangenen Wohltätigkeiten. Zudem finden sich aber auch Vergabungen neueren Datums wie diejenige BullingersPerson: und seiner Ehefrau. Somit fand eine Anknüpfung an die spätmittelalterliche karitative Stiftungspraxis statt, die gleichzeitig unter den Vorzeichen reformatorischer Armenfürsorge transformiert wurde.

Zu den beiden Jahrzeitbüchern des Siechenhauses vgl. Hugener 2014, S. 94; Zimmermann 2007, S. 100; Hegi 1922, S. 193-197; zum nachreformatorischen Umgang mit Jahrzeitstiftungen vgl. SSRQ ZH NF I/1/3 131-1; zu den Lebensverhältnissen der Aussätzigen im vormodernen ZürichOrt: vgl. die Ordnung für deren Beschau (SSRQ ZH NF I/1/3 52-1) sowie die Ordnung für den Kaplan des Siechenhauses an der SpanweidOrt: (SSRQ ZH NF I/1/3 174-1).

Editionstext

Ordnung und gemaͤchtt den armen sondersiechen an der SpanweydOrt: , gethan von meister Heinrichen BullingerPerson: , zum MünsterOrt: predicanten der statt ZürichOrt: , und siner eelichen husfrowen, Anna AttlyschwilerinPerson:

Diewil und gott, der allmächtig, uns allenthalben yn sinem heligen wortt, den armen und türftigen diser wëltt guͦtz zethuͦn und mit hilff und rath forzestan bevolhen hatt und soͤlliches als das fürnemst werck der liebe uffnemmen und rëchnen und aber die ussezigen für alle andere lütt uss türfftig und arm, als die von der wëlt verschmechtt und den anderen mënschen abgesünderett, ouch ir libliche narung und uffenthalt selbs zegwünnen nit müglich oder nach gelassen, so hatt der ewirdyg, fromm und wolgelert meister Heinrich BullingerPerson: , Streichung durch Textlöschung/Rasur (1 Wort)a predicant und pfarrher der statt ZürichOrt: , sampt siner eelichen husfrow Anna AttlischwylerinPerson: zuͦ lob und eer gottes, ouch zuͦ trost, hilff und besserung der armen kinden und sondersiechen dess gotshuses an der SpanweydOrt: uss guͦtem, fryen willen, umb gottes wyllen mit zitlicher vorbetrachtung xl libAbkürzungWährung: 40 Zürcher Pfund gältz an gülth und barer werschafftt, guͦtter, unverruͦftter ZüricherOrt: werung verschafftt und nach rächtter testaments ordnung vermachett hand, uff den VIII tag brachats dess M D LVII jarsDatum: 8.6.1557.
Also und dergstaltt, das ein jeder pfläger, wer er je zur zitten sige, von söllicher obeschribnen summa gëlts jerlichen und ein jedes jarWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr besunder den gmeinen und verwontten zins inemmen und darnach uff die 4Menge: 4 nach geschribnen tag im jar ein jedes mal viiij Währung: 9 Schillinge an barem gëltt alein den armen krancken, wer sy je zur zitten sind, so in dem gmeinen siechenstübly gewan zeliggen und zepflägen sind, durch einen predicanten oder knächtt des forgesagten gotshuses an der SpanweydOrt: den armen lütten und sondersiechen in ire händ, so ver es gelangen mag, ussteillen lassen, darumb sy dän ir lybs noturfftt, speis und tranck oder anders, so sy gelusten und mangelhafftt sin wurdint, kouffen mögend. Und ob sach were, das keine krancken im voranzeigten siechenstüblin, als es aber sëlten beschichtt, werind, so sol ein pfläger sölliches zuͦ sinen handen nemmen und das sëlbig hernach, so krancke werdent, dester richlicher under sy usteillen.
Und ist das sälbig gemächt also angesächen, das sölliches gältt und zins von vorgnamsettem houptguͦt, fiermal im jarWiederholte Zeitspanne: 3 Monate uff diese nachvolgende [fol. 69v]Seitenumbruch tag ussteiltt sölle werden: erstlich uff den 10. tag mertzensDatum: 10. März, demnach uff den 13. tag brachatsDatum: 13. Juni, fürs tritt uff den 15. tag herbstmonatsDatum: 15. September und letstlich uff den 25. tag wolffmonatsDatum: 25. Dezember.

Actum den 8. tag brachmonats, was MedardiPerson: , gezeltt nach Christi geburtt M D LVII jarOriginaldatierung: 8.6.1557.

Anmerkungen

  1. Streichung durch Textlöschung/Rasur (1 Wort).