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SSRQ ZH NF I/1/3 5-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 5-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Eid und Ordnung der Landvögte und Obervögte im Herrschaftsgebiet der Stadt Zürich

1465.

Bürgermeister, Kleiner Rat und Zunftmeister der Stadt Zürich legen den Eid fest, wie ihn jeder, der in eine Vogtei gewählt oder jährlich bestätigt wird, zu leisten hat. Der Eid umfasst folgende Punkte: Wahrung der Rechte und Gerichte der Stadt; Einzug von Steuern, Zinsen sowie Fall und Lass zuhanden der Säckelmeister beziehungsweise der Bussen zuhanden der Baumeister; Ausübung der gerichtlichen Funktionen einschliesslich Zeugeneinvernahmen und Verfolgung von Freveln auch ohne Anklage (Offizialdelikte); Durchführung der Steuerveranlagung in der Woche vor oder nach dem Martinstag und Einzug der Steuern zuhanden der Säckelmeister bis Weihnachten; Haftung für nicht erhobene und nicht eingezogene Steuern gegenüber Hans von Ägeri oder seinem Nachfolger als vereidigtem Versteigerer; Einzug eines Fasnachtshuhns pro Haushalt und gegebenenfalls auch von Herbsthühnern, namentlich von den Eigenleuten in den Vogteien Bülach und Greifensee, mit einer Sonderregelung für die vor der Stadt Ansässigen; Vergütung von Verpflegungskosten und Pferdeentschädigung aus den Bussgeldern.

  • Signatur: StAZH A 43.1.1, Nr. 17
  • Originaldatierung: 1465 (Datierung aufgrund der Schreiberhand und der Nennung des Hans von Ägeri)
  • Überlieferung: Aufzeichnung (Doppelblatt)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 22.5 × 32.0
  • Sprache: Deutsch
  • Schreiber: Konrad von Cham, Stadtschreiber von Zürich
  • Edition

Das Herrschaftsgebiet der Stadt ZürichOrt: war seit dem Spätmittelalter unterteilt in Obervogteien und Landvogteien. Während die nahe der Stadt gelegenen Obervogteien durch jeweils zwei jährlich alternierende Mitglieder des Kleinen RatesOrganisation: von ZürichOrt: aus verwaltet wurden, residierte in den Landvogteien ein Vogt als Vertreter der städtischen Herrschaft.

Die vorliegende Aufzeichnung stellt einen frühen Versuch der Stadt dar, für die gesamte Landschaft einheitliche Vorgaben hinsichtlich der Amtstätigkeit der Vögte zu definieren. Zuvor hatten Bestimmungen existiert, die spezifisch für einzelne Landvögte erlassen worden waren (SSRQ ZH NF II/3 13-1; SSRQ ZH NF II/3 16-1) sowie ein knapp gehaltener gemeinsamer Eid für die Landvögte von KyburgOrt: , GrüningenOrt: , RegensbergOrt: und GreifenseeOrt: (StAZH B II 4, Teil II, fol. 9v; Edition: Zürcher Stadtbücher, Bd. 3/2, S. 153-154, Nr. 44).

Die Aufzeichnung regelt den Eid, den die Obervögte und Landvögte gegenüber der Obrigkeit zu schwören hatten und enthält Bestimmungen zu deren Amtspflichten. Darin unterscheidet sie sich von den Eiden und Ordnungen des 16. Jahrhunderts, welche die beiden Arten von Vogteien separat behandelten (SSRQ ZH NF I/1/3 91-1). Weitere Abweichungen von der späteren Praxis bestehen in Bezug auf die Reglementierung von Spesen und Einkünften der Vögte: Wird hier ausdrücklich erlaubt, dass sich Vögte aus den eingenommenen Bussen selbst eine Aufwandsentschädigung zusprachen, untersagte der RatOrganisation: inskünftig dieses Vorgehen und legte exakte Tarife für die vorgesehenen Spesen fest, wobei dem Gremium der RechenherrenOrganisation: sowie den Säckelmeistern die Kontrolle über die Rechnungslegung der Vögte überantwortet wurde (SSRQ ZH NF I/1/3 98-1). Enthält die vorliegende Aufzeichnung bereits Angaben betreffend die Entrichtung von Fasnachtshühnern, wurde im 16. Jahrhundert für alle Teile der Landschaft die Anzahl der abzuliefernden Fasnachtshühner in einer eigenen Ordnung festgehalten (SSRQ ZH NF I/1/3 93-1). Auch zu Wahl und Amtsdauer der Vögte ergingen explizite Regelungen erst zu einem späteren Zeitpunkt, wobei bezüglich der Amtsdauer bis ins 17. Jahrhundert eine uneinheitliche Praxis herrschte (SSRQ ZH NF I/1/3 92-1; SSRQ ZH NF I/1/3 172-1). Die Stadt unternahm im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts Bemühungen zur effizienteren Gestaltung der Rechtsprechung in den Obervogteien (SSRQ ZH NF I/1/3 109-1), die Rechnungslegung der Landvögte wurde im Jahr 1553 neu geregelt (SSRQ ZH NF I/1/3 191-1).

Allgemein zu Verwaltung und Aufbau der Zürcher Landschaft vgl. Weibel 1996, S. 30-56; Largiadèr 1932; zu den Aufgaben der Landvögte, ihrer sozialen Herkunft und der wirtschaftlichen Bedeutung der Landvogteien für die Stadt vgl. Dütsch 1994; für die Untersuchung des Zusammenspiels zwischen dörflicher Soziabilität und städtischer Rechtssetzung in den Landvogteien KyburgOrt: und GreifenseeOrt: vgl. Hürlimann 2000.

Editionstext


Der eide, so die swerenn soͤllent, die wir jerlichenWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr
in unsern vogtyen zuͦ unßern voͤgten
erkiesent und nement


Unßers, des burgermeisters, der raͤtten und zunftmeistern
der statt ZuͤrichOrt:
Organisation:
, erkantnusse ist also, welicher wir
hinfuͤr zuͦ unßern voͤgten in unßern vogtyen
erkiesent und jerlichenWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr nement, das die alle
und ir jeklicher swerren soͤllent, gelertt eide
zuͦ gott und den heiligen, ir jeklicher an dem
ende und in den gerichten, da hinn er zuͦ
einnem vogt von uns genomen ist, der
statt rechtung und gerichte ze behebent
und ze behaltent, als verr er kan und mag,
die stuͤren, zinse, vaͤlle, a gelaͤsse und buͦssen,
so die statt daselbs hat und under ime, die wile
er vogt ist, vallent, inzeziechent, und die
stuͤren, zinse, vaͤlle und gelaͤsse unßer statt
secklern und die buͦssen unßer statt bumeistern
unverzogenlich, so erst er dz ingeziechen
mag, als er och dz, so es valt, fuͤrderlichen
tuͦn soll, zuͦ unßer statt handen und nutze
ze antwurtent.
Und an den enden, da dz
notdurftig ist, ze richtend, welcher da
vogt wirt, ein glicher gemeiner richter
ze sinde, dem armen b als dem richen
und dem richen als dem armen, nieman ze
lieb noch ze leid und in allen sachen dz best
und wegest ze tuͦnde, an geverde.
Und an den
enden, da sy in geschrift ir klagen nach unßer
statt recht setzent, die zu̍gen, so darzuͦ
gestelt werdent, fuͤrderlichen ze hoͤrent c–und [S. 2]Seitenumbruch
und
Korrigiert: und
–c die klagen denn fu̍r uns ze legent,
die ze richtent. Und ob jemant freffel
nit klagen woͤlte, den freffeln, wie inen
die fuͤrkoment, nachzegande und denn
die nachgan ze richtend fuͤr uns zuͦ
legent. Und das ir jeklicher die
buͦssen, so under im vallent oder gevallen
sint, inzezuchent und inzemenent
zuͦ unßer gemeinen statt handen und die
unser statt bumeister, als ob stat, ze
antwurten, so verr er kan ald mag,
ungefarlich und ir dehein dz uff den
ku̍nftigen vogte, der nach im wirdet,
ze sparent oder ze verzichent.
Und
wo unßer statt jerlichWiederholte Zeitspanne: 1 JahrHinzufügung oberhalb der Zeile mit Einfügungszeichend stuͤren hat, die jerlichWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr
angelegt werden soͤllent, e die, so
an dem ende voͤgt sint, die zuͦ sant
MartisPerson: tage
Datum: 11. November (Kirchenfest)
oder acht tageZeitspanne: 8 Tage vor oder
nach ungevarlich anzelegent und denn
die zuͦ unßer statt handen inzeziechent
und ingezogen ze haben, dar nach uff
die nechsten wiennechtenDatum: 25. Dezember (Kirchenfest), dz die in dem
zitte unßer statt secklern geantwurt
worden syent. Und ob dz von deheinem
vogte in dem zitte also nit bescheche,
das denn dar nach jeklicher vogt, so dz
nit getan hette, fu̍r dz guͦt, so er nit
ingezogen hat und under im unbezalt
usstat, unser statt guͦtte varende pfand,
dero fuͤr dz gnuͦg sye, ze geben und die
selbs Hannsen von EgrePerson: 1 oder welicher je
zuͦ zitten unßer gesworner f veiltrager
ist, ze antworten, die denn uff der
BruggOrt: in unßer statt ze verkoͧffent [S. 3]Seitenumbruch
und das, so er dar ab loͤset, unßern statt secklern
ze gebent, so vil und lang, bis unßer statt
soͤlich usstend stuͤren oder zinse bezalt
werdent, ane abgang.
Und als wir unß
vor ettwz zittes erkennt hand, dz alle die,
so in unßer statt vogtyen, gerichten und
gebietten gesessen sint und sitzent und dar
inne ir husroͤikinen hand, unßern voͤgten
von jeklicher husroͤicky des jaresZeitspanne: 1 Jahr einMenge: 1
vaßnachtDatum: beweglicher Feiertag huͦn geben soͤllent und wo och
herpsthuͤner geben syent, dz och die geben
da werden soͤllint. Und weliche unßer
statt eigen syent, es sye von Bu̍llachOrt: ,
GriffenseOrt: 2 oder ander endenHinzufügung oberhalb der Zeile mit Einfügungszeicheng wegen, dz der selben
personen jekliche, die zuͦ iren tagen
komen ist, sy diene oder habe hus, unßern
voͤgten, in die vogtye sy gehoͤrt, des jarsZeitspanne: 1 Jahr
einMenge: 1 vasnachtDatum: beweglicher Feiertag huͦn geben sol, sy sitze, sye
oder diene in unßer statt oder andern enden,
das h–oͧch vonHinzufügung oberhalb der Zeile mit Einfügungszeichen–h unßern voͤgten soͤliche huͤner ingezogen
werden sollent, dar inne ussgelassen,
weliche vorKorrektur oberhalb der Zeile, ersetzt: ini unßernKorrigiert: unsererj k–statt in unsernHinzufügung oberhalb der Zeile–k gerichten gesessen, die
zu̍nftig und nit eigen unßer statt sint
und die mit ir zu̍nften dienent, dz sy
von den selben, die vaßnachtDatum: beweglicher Feiertag huͤner nit
nemen soͤllent.3
l–Und dz die voͤgt ir zerungen
uss den buͦssen, so da vallent, ussrichten und
weder zerungen noch rosslon von den secklern
nemen soͤllent, es viele denn under einem
vogt nit so vil buͦssen an, soͤlichs da von
ussgericht werden moͤcht, dem naͧch denn die seckler
das, so gebristet, geben soͤllent und dehein zerung
fu̍r dz jaͧrZeitspanne: 1 Jahr ussgeslagen werden.
Hinzufügung unterhalb der Zeile mit anderer Tinte
–l
[S. 4]Seitenumbruch

Anmerkungen

  1. Streichung durch einfache Durchstreichung: und.
  2. Streichung durch einfache Durchstreichung: als armen.
  3. Korrigiert: und.
  4. Hinzufügung oberhalb der Zeile mit Einfügungszeichen.
  5. Streichung durch einfache Durchstreichung: das.
  6. Streichung durch einfache Durchstreichung: under.
  7. Hinzufügung oberhalb der Zeile mit Einfügungszeichen.
  8. Hinzufügung oberhalb der Zeile mit Einfügungszeichen.
  9. Korrektur oberhalb der Zeile, ersetzt: in.
  10. Korrigiert: unserer.
  11. Hinzufügung oberhalb der Zeile.
  12. Hinzufügung unterhalb der Zeile mit anderer Tinte.
  1. Ein Feilträger mit dem Namen Hans von ÄgeriPerson: ist 1461, 1462 und 1465 mehrmals in den Rats- und Richtbüchern genannt, vgl. StAZH B VI 222, fol. 180v; 229r; 298r; StAZH B VI 224, fol. 303r.
  2. Im Jahr 1545 entschieden Bürgermeister und RatOrganisation: aufgrund einer Klage, dass Leibeigene in der Landvogtei GreifenseeOrt: Leibsteuer und Fasnachtshühner zu entrichten hätten, sofern sie bereits in den Steurrödeln von 1537, 1540 und 1543 als steuerpflichtig verzeichnet gewesen waren, vgl. SSRQ ZH NF II/3 66-1.
  3. Bezüglich der Verpflichtung zur Entrichtung von Fasnachtshühnern liess die Obrigkeit ungefähr zeitgleich mit der Entstehung der vorliegenden Ordnung in der Obervogtei Vier WachtenOrt: Kundschaften einholen, vgl. StAZH A 149.1, Nr. 3.