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SSRQ ZH NF I/1/3 76-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 76-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Mandat der Stadt Zürich betreffend nächtliche Ruhestörung und Schliessung der Stadttore

ca. 1510 – 1520.

Bürgermeister sowie Kleiner und Grosser Rat der Stadt Zürich verbieten verschiedene Verstösse gegen die öffentliche Ordnung während der Nacht und kündigen an, Zuwiderhandelnde zu betrafen. Weiter ordnen sie angesichts der gegenwärtig unsicheren Zeit an, alle Stadttore sowie das Wassertor in der Limmat (Grendel) um neun Uhr abends zu schliessen und um vier Uhr morgens wieder zu öffnen. Die Inhaber von Torschlüsseln sollen während der Nacht ohne Bewilligung der dazu verordneten Ratsherren niemanden aus der Stadt lassen, wohl aber sind sie befugt, in dieser Zeit ein bis zwei Personen, die sie kennen, einzulassen.

  • Signatur: StAZH A 42.2.2, Nr. 5
  • Originaldatierung: ca. 1510 – 1520 (Datierung aufgrund der Schreiberhand)
  • Überlieferung: Aufzeichnung (Einzelblatt)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 22.0 × 33.0
  • Sprache: Deutsch

Die während des Spätmittelalters in ZürichOrt: erlassenen, die Nacht betreffenden Verordnungen standen im Zusammenhang mit Regelungen zur Organisation der Stadtwache sowie im Kontext feuerpolizeilicher Massnahmen (StAZH A 42.1.3, Nr. 1; Zürcher Stadtbücher, Bd. 2/2, S. 326-327, Nr. 123). Der vorliegende Erlass fällt demgegenüber in einen Zeitraum, welcher den Anfang einer gegenüber dem Spätmittelalter deutlich erhöhten Regulierungsdichte in Bezug auf die Nacht markiert, während dessen die Obrigkeit eine Vielzahl nächtlicher Verhaltensformen einzuschränken versuchte (vgl. Casanova 2007, S. 83; 125-129). Eine Ordnung aus der Zeit um 1500 untersagte Schreien und Singen als nächtliche Ruhestörung und schrieb ein solches Verhalten insbesondere (männlichen) Jugendlichen zu (StAZH A 42.2.1, Nr. 1). Spätere Mandate thematisierten verbotene nächtliche Handlungen im Kontext weiter gefasster Bestimmungen gegen einen als anstössig angesehen Lebenswandel, zu dem auch Kleiderluxus und Tanzen gezählt wurden (StAZH A 42.2.4, Nr. 20).

Die vorliegende Verordnung gehört überdies zu den frühesten ZürcherOrt: Rechtsquellen, die sich mit der nächtlichen Schliessung der Stadttore befassen und diesbezüglich genaue Uhrzeiten festlegt. Wichtiger als diese waren für das Betreten und Verlassen der Stadt jedoch bis weit ins 18. Jahrhundert hinein Auf- und Untergang der Sonne. Während bestimmter Übergangszeiten liessen sich die Tore gegen Entrichtung einer Abgabe (dem sogenannten Torschilling) auch unabhängig vom Tageslicht passieren (StAZH A 43.2, Nr. 2). Die in dem vorliegenden Erlass genannten Uhrzeiten dürften damit den Zeitpunkt der definitiven Schliessung (beziehungsweise Öffnung) der Tore markieren (vgl. Casanova 2007, S. 188). Die zahlreichen, vom Bedürfnis nach Kontrolle über die nächtliche Stadt geprägten Mandate des 16. und 17. Jahrhunderts scheinen von begrenzter Wirkung gewesen zu sein, wie Mitteilungen über unbesetzte, offene oder durch Unbefugte geöffnete Stadttore belegen (StAZH A 81.1, Nr. 23, vgl. Casanova 2007, S. 162-164).

Editionstext

Als yetz nachtsZeitspanne: nachts vil geschreygs, muͦtwillens, unzucht unnd
unweßens wirt gebrucht, darab unsere herren ein mercklich mißfallen habent, und beduret sy, das man nit me
zucht und bescheidenheit wil bruchen, und hand sich
uff das unsere herren, der burgermeister, reͣt und der
groß rat, die man nempt die zweyhundert, der statt
Zürich
Ort:
Organisation:
, erkent, das sy hyemit mengklichen wöllint
gewarnet haben, damit ein yeder nachtsZeitspanne: nachts sölich geschreyg
unruͦw, muͦtwillen, unzucht und unweßen underwegen
laß und sich darvor goüme, dann a–sy wöllentHinzufügung am linken Rand–a daruff lassen
acht haben und die, so ungehorsam erfunden werdent,
straffen und buͦssen, das sy wolltind, sy werint gehorsam geweßen.
Witer so habent die bemellten unser herren angesehen
und verordnet by disen sorgklichen und seltzsamen
loüffen, das man der statt thor und dürli deßglich
den GrendelOrt: 1 an den schwyren2 an dem abentZeitspanne: abends sol beschließen diser zit, so es nu̍niZeit: 21:00 schlecht und am
morgenZeitspanne: morgens die wider uff thuͦn, so es vieriZeit: 4:00 schlecht.
Und söllent ouch die, so die schlu̍ssel habent, niemans
ußlassen on erlouben und heissen deren, so unsere
herren uß irem ratOrganisation: darzuͦ hand verordnet, aber
wol mu̍gent sy einenMenge: 1 oder zwenMenge: 2 ungevarlich
sampt oder sonders inlassen, und doch die, so sy
inlassent, rechtvertigen, dz sy wu̍ssint, wer sy syent
und wo mit einer umbgang.
Sölichs verku̍ndent unser herren u̍ch allen, das ein
yedes sich darnach wu̍ß ze richten und inen
gehorsam ze sind.
[fol. v]Seitenumbruch

Anmerkungen

  1. Hinzufügung am linken Rand.
  1. Wassertor in der LimmatOrt: (KdS ZH NA I, S. 110-112; Idiotikon, Bd. 2, Sp. 757).
  2. Aus Pfählen bestehende Befestigung am Übergang vom ZürichseeOrt: zur LimmatOrt: ; wichtige städtische Zollstelle (KdS ZH NA I, S. 96).