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SSRQ ZH NF I/1/3 97-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 97-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Verordnung der Stadt Zürich betreffend die Bewohner des Quartiers im Kratz

ca. 1516 – 1518.

Das Spielen ist weder im Haus des Henkers noch an anderen Orten im Kratz erlaubt. Bettler dürfen sich nur vor Kirchen und Häusern aufstellen, das Betteln in Trinkstuben, Weinhäusern und im Kircheninnern ist verboten. Im Kratz darf kein Haus einem Bettler oder Landstreicher, der nicht Bürger ist, verkauft oder verliehen werden. Fremde Bettler dürfen nur kostenlos und nicht länger als zwei Nächte beherbergt werden. Den einheimischen Bettlern sollen Zeichen angehängt werden, um sie von den Fremden zu unterscheiden. Wer seine Kinder zum Bettel entsendet und sich selbst in Wirtshäusern aufhält, macht sich strafbar. Fremde Landstreicher und Bettler sollen einen Eid schwören, künftig nicht mehr in Stadt und Landschaft Zürich zu betteln. Ein aus dem Stadtsäckel mit 4 Pfund Jahreslohn entlohnter Bettelvogt wird eingesetzt, der auf diese Ordnung jährlich seinen Eid ablegen soll.

Als KratzOrt: wurde das südlich der FraumünsterabteiOrganisation: gegen die Stadtmauer hin gelegene Quartier bezeichnet. Nach den Steuerlisten des 15. Jahrhunderts war seine Bewohnerschaft durch eine besonders hohe Konzentration von Angehörigen der untersten Steuerkategorie gekennzeichnet. Im KratzOrt: befanden sich die Häuser des Henkers und des Totengräbers, zeitweise ist dort zudem ein Bordell nachweisbar (vgl. Gilomen 1995, S. 344).

Vereinzelte Bettlerordnungen sind in Zürich seit dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts überliefert. So untersagte der RatOrganisation: in der Verordnung vom 22. September 1429 das Betteln durch fremde Landstreicher (Zürcher Stadtbücher, Bd. 3/2, S. 123-124, Nr. 1). Die dort festgelegten Massnahmen zur Wegweisung von Landstreichern wurden auch in die vorliegende Ordnung übernommen. Diese dürfte zu Beginn des 16. Jahrhunderts entstanden sein. Sie entspricht einer allgemeinen Tendenz, wonach gegen Ende des 15. Jahrhunderts in den eidgenössischenOrt: Städten eine zunehmende Regulierungsdichte in Bezug auf den Bettel zu beobachten ist. Eine prominente Massnahme stellten stigmatisierende Kleidervorschriften dar, wie sie zuvor auch gegenüber Juden und Prostituierten getroffen worden waren. Dass Quartiere wie der KratzOrt: aufgrund der hohen Fluktuation ihrer zumeist armen Bevölkerung nur begrenzt zu kontrollieren waren, wurde durch die Obrigkeit zunehmend als Missstand wahrgenommen, wofür man mit Ordnungen wie der vorliegenden Abhilfe zu schaffen suchte (vgl. aus demselben Zeitraum auch StAZH A 42.1.2, Nr. 1; Edition: Zürcher Kirchenordnungen, Bd. 1, Nr. 1).

Mit der Einführung von Abzeichen zur Identifikation einheimischer Bettler und der Einsetzung eines Bettelvogts werden schon einzelne Elemente der Almosenordnung des Jahres 1525 vorweggenommen (SSRQ ZH NF I/1/3 125-1). Das in der Ordnung verbotene Spielen um Einsätze in Geld- und Sachwerten war zudem auch Gegenstand der Satzungen, welche alle Bürger anlässlich der jährlichen Eidleistungen zu beschwören hatten (SSRQ ZH NF I/1/3 168-1).

Zur Sozialtopographie des spätmittelalterlichen ZürichOrt: vgl. Gilomen 1995, S. 342-343; Gisler 1992; zur Entwicklung der Armenversorgung vgl. Moser 2010; Denzler 1920; zur veränderten Wahrnehmung von Armut in der spätmittelalterlichen EidgenossenschaftOrt: vgl. Gilomen 1996.

Editionstext


Ordnung deren, die in die
vogty im KratzOrt: gehorrent

Wir habent unns erkennt, von der stirnen stoͤssel, gyler, gutzler unnd
bettler wegen, die in die vogty im KratzOrt: gehorrent, wie hernach volgt:
Nachdem der gmein man von den frombden bettlern mercklich
wirt beschwert unnd aber ettlich lu̍t sind im KratzOrt: und an andern
enden in der statt, deßglich ouch vor den thoren, die somlich frombd
bettler uffenthaltend umb gewin unnd von inen gelt, brott, fleisch
unnd anders nement, darumb sy die beherbergent, dardurch dann
annder arm lu̍t mercklich werdent beschediget, zuͦ dem das ir etlich
vil bubri tribent mit spil unnd sust. Damit dann solchs werde
verkomen, wollent wir, das weder umb win, gelt noch anders
kein spil im KratzOrt: , weder in des nachrichters huß noch an andern
enden unnd hußern, werde gethan. Unnd in welichs huß das
beschicht, der sol zwuͦ march silbersWährung: 2 Mark unnd der, so also spillt, ein march
silbers
Währung: 1 Mark
zuͦ buͦß geben.

Es sol ouch kein bettler uff trinckstuben unnd in die winhu̍ßer oder
in den kilchen umb gon, zuͦ guͦtzen oder bettlen, sonnder sich benu̍gen
lassen, vor den kilchen unnd biderbenluten thu̍ren.

Ouch sol keiner dhein huß im KratzOrt: verkouffen gegen einem bettler
oder stirnen stossel, der nit burger ist, noch im das huß nit lihen
umb zins noch sunst keins wegs.
[fol. 119v]Seitenumbruch

Es sol ouch niemas wirtschaft haben umb kein gellt, wyll aber einer
sy beherbergen, so sol das beschehen umb gots willen unnd doch nit mer
noch lenger dann ein nachtZeitspanne: 1 Tag oder zwoZeitspanne: 2 Tage, weder innert noch vor den
thoren. Unnd wolicher das ubersicht unnd nit hielt, der sol in gefencknus gelegt unnd nach unnser erkantnus gestraft werden.

Den heimschen bettlern sol zeichen angehengt werden, damit
man sy vor den frombden mu̍ge bekennen.

Und wolicher sine kind uff den bettell schickt unnd derselb in den
wirtz hu̍ßern oder uff den trinckstuben wirt gefunden ze zerren,
den wo̍llent wir ouch straffen.

Unnd wo die stirnen stoͤssel in unnser statt, dero gerichten unnd gebietten umbgond unnd mit iren worten gylen, gutzen und bettlen,
biderben lu̍ten das ir aberliegend unnd -triegend, die soͤl man lassen
schwerren, es syent frowen oder man, gelert eyd zuͦ got unnd den heligen,
in unnser statt unnd unnsern gerichten unnd gebietten nit mer zegylen,
zegutzen noch zebettlen keins wegs. Unnd ob einer das daru̍ber
te̍t unnd begriffen wu̍rd, den soͤllent wir straffen, das er es nit
me thuye, damit wir unnd unnser biderblu̍t in der statt unnd
uff dem land soͤlicher lu̍t entladen werdint.

Wir wollent unnd sollend ouch jerlichenWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr einen dartzuͦ ordnen
unnd setzen, der uber diß sach vogt syg unnd schwerre dise ordnung
unnd gesatzt zuͦ halten unnd zuͦ volstrecken. Darumb sol man im
all fronfastenWiederholte Zeitspanne: 3 Monate uß unnser statt seckel zelon geben j libAbkürzungWährung: 1 Pfund v Währung: 5 Schillinge .