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SSRQ ZH NF I/2/1 116-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, von Bettina Fürderer

Zitation: SSRQ ZH NF I/2/1 116-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Eid des Bordellbetreibers in Winterthur

1481 August 11.

Wilhelm Spiler von Königseggerberg wurde ins Bürgerrecht der Stadt Winterthur aufgenommen und hat den üblichen Eid geleistet. Daraufhin hat man ihm das Bordell (Frauenhaus) um 4 Pfund pro Jahr, zahlbar in vierteljährlichen Raten, verliehen. Er hat sich verpflichtet, in den Nächten nach Samstagen und bestimmten Feiertagen den Bordellbetrieb einzustellen. Er soll kein Falschspiel dulden noch selbst praktizieren. Er muss dieselben Wachdienste auf dem Turm oder bei Gefangenen leisten wie die Stadtknechte, wobei er sich vorbehalten hat, keine Folter anzuwenden. Er soll dem Rat dienstbar sein und melden, wenn in seinem Haus etwas Unrechtes geschieht. Er soll Kindern von Bürgern kein Geld leihen.

  • Signatur: STAW B 2/3, S. 467 (Eintrag 2)
  • Originaldatierung: 1481 August 11
  • Überlieferung: Eintrag
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 23.0 × 34.0
  • Sprache: Deutsch
  • Schreiber: Johannes Wügerli

Frauenwirte oder auch Frauenwirtinnen betrieben das als «frowen huß» bezeichnete städtische Bordell in WinterthurOrt: . Prostitution oder Kuppelei ausserhalb dieser Einrichtung wurde nicht geduldet. Frauen, die verdächtigt wurden, «unku̍schait» in ihren Häusern Vorschub zu leisten, drohte die Ausweisung aus der Stadt, wie ein Fall aus dem Jahr 1493 zeigt. Mehrere der involvierten Frauen waren verheiratet, die anderen offenbar ledig oder verwitwet (STAW B 2/5, S. 505c). Auch in anderen Städten wurde seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts private Prostitution zunehmend bekämpft (Schuster 1992, S. 156-168). Spätere Verordnungen, das WinterthurerOrt: Frauenhaus betreffend, weisen seuchenpolizeiliche Bestimmungen auf, so musste sich der Frauenwirt 1503 verpflichten, «kein unsuber frōwen von den blatren im hus nit ze halten» (STAW B 2/6, S. 175), vgl. hierzu Schuster 1995, S. 342-350; Schuster 1992, S. 186-187. Das Frauenhaus war ein Ort der Geselligkeit (Schuster 1995, S. 122-123; Schuster 1992, S. 66-69). Unter Aufsicht des Frauenwirts waren bestimmte Formen des Glücksspiels erlaubt, ihm stand ein Anteil am Gewinn zu (STAW B 2/5, S. 198, zu 1486).

Institutionalisierte Prostitution in städtischen Bordellen begegnet vor allem vor der Reformation, vgl. Schuster 1992, S. 31-42; Schuster 1991, S. 174-176. In den WinterthurerOrt: Ämterverzeichnissen der Jahre 1531 bis 1535 findet sich noch ein «vogtt uber das fruwen huß» (STAW B 2/7, S. 448, 456, 464, 472, 480) und auch in der Abschrift des von Stadtschreiber Gebhard HegnerPerson: angelegten und nicht mehr im Original erhaltenen Kopial- und Satzungsbuchs wird «ein pfleger über das fruwen huß» erwähnt, den der Kleine RatOrganisation: zu Beginn des Amtsjahrs aus den eigenen Reihen bestimmte (winbib Ms. Fol. 27, S. 498), bevor das Bordell aus den Quellen verschwindet. Es scheint geschlossen worden zu sein. Diese Entwicklung lässt sich auch andernorts beobachten (Landolt 2013, S. 127-131; Schuster 1995, S. 358-377; Schuster 1992, S. 189-194). Zum WinterthurerOrt: Bordell vgl. Niederhäuser 2014, S. 171-172; Guddal 2003; Gut 1995, S. 184.

Editionstext

Actum an sampstag nach sannt LaurentzenPerson: tag, anno im lxxxKorrektur überschrieben, ersetzt: jaOriginaldatierung: 11.8.14811
[...]Editorisch irrelevant2

Wilhelm SpilerPerson: vom Ku̍ngseggerbergOrt: haut das burggrecht geschornKorrigiert: geschwornb
als ein ander burger, unnsern herren von Zu̍richOrt: , deßglichen einem schultheißen
unnd raut zuͦ WinterthurOrt:
Organisation:
tru̍w unnd warheit, ir nutz zuͦ fu̍rderen
unnd schaden zuͦ wenden unnd zuͦ warnen, das schaffen gethan werden,
unnd in kein reiß noch u̍ber niemans zuͦ reisen ǒn eins schultheißen
unnd rautz
Organisation:
erloben, wissen unnd willen.3
Und deß selben tags so haben
im mine herren das gemein frowen huß uf dem GrabenOrt: gelihen, so lang
er unnser burger ist, eins jeglichen jarsWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr umb vier pfundKorrektur auf Zeilenhöhe, ersetzt: guldincWährung: 4 Pfund , gebu̍rt all
fronvastenDatum: beweglicher Feiertag als Termin/Frist ein pfundWährung: 1 Pfund zuͦ geben. Er haut ouch in den selben eid genomen, den
er darumb liplich zuͦ got unnd den heilgen mit ufgehepten vingern geschworn
haut, das er alle sampstagZeitspanne: Samstag zuͦ nachtZeitspanne: nachts, an aller unnser lieben frowen abent ze
nacht
Zeitspanne: nachts
noch an dheinen zwoͤlffbotten abentDatum: Kirchenfest ze nachtZeitspanne: nachts, und man der glich fest
halten ist, an dheinen vier hohzit abent ze nachtZeitspanne: nachts Streichung mit Textverlust (1 Buchstabe)d noch an der uffartDatum: beweglicher Feiertag noch
uff u̍nnsers herren fronlichams abentDatum: beweglicher Feiertag ze nachtZeitspanne: nachts suber unnd on alle unluterkeit der
unkunscheitAuffällige Schreibung e–
zuͦ unnd beschlossen
Hinzufügung am linken Rand mit Einfügungszeichen
–e zuͦ halten noch u̍tzitHinzufügung oberhalb der Zeilef lausen zuͦ gon,4 es sige dann, das ein ander frowenwirt mit siner eignen frowen koͤm, derAuffällige Schreibung mag er zuͦ sinem wip lausen ligen und sust nit.

Unnd sol dhein valsch spil noch valsch wu̍rffel legen noch bruchen, das nit gestatten schaffen gethon werden. Unnd alles das schuldig sin zetuͦnd, das denn
unnser statt knecht pflichtig unnd tuͤnd, es sige uf dem turn, zuͦ den gefangen
oder sust, wo hin man vonn einer statt schickt oder man heist werben, das
tuͤn. Doch haut er vorbehalten, nieman zuͦ pingen, noͤtten noch kestigen an der wǎg
in dem turn, wann er soͤllichs umb gotz willen gelopt hab, wol zuͦ tuͦnd, darby zu
sind.5
Und zuͦ aller zit des rautzOrganisation: warten unnd sagen, was unfuͦg in sinem huß begangen werd, unnd dheinem unser burger kinden gelt hHinzufügung oberhalb der Zeileg lichen, weder uff
pfender noch sust.

Anmerkungen

  1. Korrektur überschrieben, ersetzt: j.
  2. Korrigiert: geschworn.
  3. Korrektur auf Zeilenhöhe, ersetzt: guldin.
  4. Streichung mit Textverlust (1 Buchstabe).
  5. Hinzufügung am linken Rand mit Einfügungszeichen.
  6. Hinzufügung oberhalb der Zeile.
  7. Hinzufügung oberhalb der Zeile.
  8. Streichung, unsichere Lesung: geld.
  1. Der Schreiber hat die irrtümliche Jahresangabe «lxxj» zu «lxxx» korrigiert statt zu «lxxxj». Die Einträge der vorigen und der folgenden Seite datieren von 1481.
  2. Es folgt ein Eintrag zu einem Testament.
  3. Am 18. Oktober gab Wilhelm SpilerPerson: das Bürgerrecht bereits wieder auf (STAW B 2/3, S. 473).
  4. Zur Reglementierung der Öffnungszeiten des städtischen Bordells vgl. Schuster 1995, S. 131-133; Schuster 1992, S. 61-64.
  5. Auch in anderen Städten wurden den Bordellbetreibern weitere Aufgaben übertragen (Schuster 1995, S. 108-110, 114, 116; Schuster 1992, S. 105).