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SSRQ ZH NF I/2/1 137-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, von Bettina Fürderer

Zitation: SSRQ ZH NF I/2/1 137-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Verbote und Beschränkungen betreffend Ausgang in der Nacht, Tanz, Fluchen, Geldspiel und Kleidung in Winterthur

1484 Januar 18.

Schultheiss und Rat von Winterthur verbieten den nächtlichen Besuch von Lichtstuben durch männliche Personen, Ruhestörung, Vermummung und Tanz sowie den Ausgang ohne Licht. Sie untersagen blasphemisches Fluchen, das Spielen um Geld ab einem gewissen Einsatz, den Betrieb von Gastwirtschaften in Lichtstuben und das Tragen kurzer Kleidung. Zuwiderhandelnde sind dem Schultheissen anzuzeigen. Wer diese Bestimmungen nicht einhält, soll nach dem Ermessen des Rats bestraft werden.

  • Signatur: STAW B 2/5, S. 68
  • Originaldatierung: 1484 Januar 18
  • Überlieferung: Eintrag
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 23.0 × 34.0
  • Sprache: Deutsch
  • Schreiber: Konrad Landenberg

Das Verhalten der Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner wurde von der Obrigkeit reglementiert (HLS, Unzucht; HLS, Sittenmandate; Isenmann 2012, S. 468-473; für ZürichOrt: : Casanova 2007, S. 67-140; Wehrli 1963, S. 5-19; für WinterthurOrt: : Leonhard 2014, S. 204-209). So verboten Schultheiss und Rat von WinterthurOrt: Organisation: im Jahr 1470, nach dem Läuten der Weinglocke ohne Licht auf die Strasse zu gehen. Wer tagsüber oder nachts in einem Haus oder im Freien «mit geschray und unzimlichem singen» Anstoss erregte, wurde bestraft (STAW B 2/2, fol. 20v; STAW B 2/3, S. 117). 1472 wurde ein Bussgeld von 1 Pfund Pfennigen für Verstösse festgelegt (STAW B 2/3, S. 155). Das Spielen auf den Trinkstuben nach Läuten der Weinglocke wurde einem Ratsbeschluss von 1471 zufolge mit 5 Pfund Pfennigen gebüsst (STAW B 2/3, S. 146). 1482 erliess der RatOrganisation: ein Tanzverbot, untersagte männlichen Personen bei Nacht den Besuch der Lichtstuben, verbot den Weinausschank nach dem Läuten der Weinglocke und die nächtliche Ruhestörung, erlaubte Geldspiele nur bis zu einem Höchsteinsatz von 1 Pfennig und stellte gotteslästerliches Fluchen unter Strafe (STAW B 2/3, S. 480). 1529 wurde das Verbot der Gotteslästerung, des Tanzens, des Besuchs von Lichtstuben durch Männer und des Weinausschanks nach 21 Uhr erneuert (STAW B 4/2, fol. 26v). Die nachts durch die Gassen patrouillierenden Scharwächter hatten Verstösse dem Schultheissen zu melden (STAW B 2/7, S. 45).

Als erzieherische Massnahme gegen einen «heyllossen, liederlichen, verthüegigen» Lebenswandel (exzessiver Alkoholkonsum, Verschwendung des Vermögens, Vernachlässigung der Erwerbstätigkeit, Misshandlung der Ehefrau und der Kinder) konnten Wirtshausverbote und nächtliche Ausgangssperren verhängt (STAW B 2/8, S. 370-372) oder das Weintrinken untersagt werden (STAW B 2/8, S. 281).

Editionstext

[Marginalie am linken Rand:] Verbott
Actum uff sontag nach
HilariiPerson: , anno etcAbkürzung lxxxiiijo
Originaldatierung: 18.1.1484

verbiettend mine herren, das fu̍rohin kein mans person, weder
jung noch alt, nachtzZeitspanne: nachts inkein liechstuben1 gān, ouch niemand uff
der gassen kein ungewonlich gesang noch geschrey noch
einicherley ander unfuͦr mit keinen dingen nicht tuͦn noch haben,
ouch nachtzZeitspanne: nachts niemand inbutzen oder ander verdeckterwise nit gān
unnd nach der bettglocken a–
b keinerley
pfiffen noch boͤcken
nit bruchen, c
ouch niemand
Hinzufügung am linken Rand mit Einfügungszeichen
–a nit tantzen sol. Es ensol ouch
niemand nach der winglocken2 ōn ein offenn bru̍nnend liecht
uff der gassen gān.
Me sol niemand by gottes noch ander
siner lieben hailgen liden unnd gemeinlich keinerley ungewōnlich
swēren nicht tuͦn. Dann woͤlcher das von dem hoͤrte, der sol
das by sinem gesworen eide einem schulthaiß eroffnen unnd
dieselben gotzlesterer ruͤgen.3
Me sol fu̍rohin niemand mit
dem andern einicherley spil, weder mit wu̍rfflen noch karten,
nit anders dann umb ein hallerWährung: 1 Haller oder pfennigWährung: 1 Pfennig machen also,
das keiner tagZeitspanne: tags unnd nachtZeitspanne: nachts u̍ber x  ħWährung: 10 Schillinge weder gewu̍nen
noch verlieren sol. Unnd woͤlcher also d–mit demKorrektur oberhalb der Zeile, ersetzt: mitten–d andern spilte,
der sol das nit anders dann in gemelter wise mit barem gelt
unnd weder uff kriden, bu̍rgen noch uff pfande tuͦn noch
machen. Unnd gebietend daruff allen stubenknechten, ouch
allen andern in deren hu̍sere soͤlch spil beschaͤhend, wie das
anders, dann obstaut, gehalten wurde, das sy die selben
ungehorsamen by iren gesworen eiden ruͤgen unnd einem
schulthaiß eroffnen soͤllen.4
Unnd woͤlcher obgemelte verbott eins
oder mer in der meinung, wie obstaut, nicht hieltend, die selben
u̍bertretter woͤllen mine herren by der pen nach erkantnuß
strauffen, die selben pen inen darnach unablaͤslich zuͦ bezalen.
e–
Item es sol niemandmer in liechtstuben keinerley u̍rten noch
wirtschaft nit haben.
Hinzufügung unterhalb der Zeile
–e
f–
Item der kurtzen cleider halb verbietend mine herren, das fu̍rohin
niemands, jung noch alt, keine kurtzeHinzufügung oberhalb der Zeileg cleider tragen sol dann zimlich und
erberlich also, das einen hinden und vornen wol verdecken.
Hinzufügung unterhalb der Zeile
–f

Anmerkungen

  1. Hinzufügung am linken Rand mit Einfügungszeichen.
  2. Streichung: noch.
  3. Streichung: soͤllen.
  4. Korrektur oberhalb der Zeile, ersetzt: mitten.
  5. Hinzufügung unterhalb der Zeile.
  6. Hinzufügung unterhalb der Zeile.
  7. Hinzufügung oberhalb der Zeile.
  1. Unter Lichtstuben sind gesellige Zusammenkünfte in Privathäusern zu verstehen, vgl. Casanova 2007, S. 93-96; Hürlimann 2000, S. 264-266. Besonders beargwöhnt wurden nächtliche Treffen unverheirateter Männer und Frauen (für ZürichOrt: : Spillmann-Weber 1997, S. 181-182; Lutz 1957, S. 18-20). Bereits 1472 gestatteten Schultheiss und Rat von WinterthurOrt: Organisation: lediglich den drei nächsten Nachbarn den nächtlichen Besuch von Lichtstuben, andernfalls drohte eine Busse von 10 Schilling (STAW B 2/3, S. 171).
  2. Um 21 Uhr, wie aus einem Ratsbeschluss von 1529 hervorgeht, dass man «dheinen win nach den nu̍nZeit: 21:00 hollen oder geben soͤlle» (STAW B 4/2, fol. 26v).
  3. Zur Bandbreite dieser anstössigen Schwüre vgl. Schwerhoff 2005, S. 200-206.
  4. Am folgenden Tag erliessen Schultheiss und Rat von WinterthurOrt: Organisation: ein entsprechendes Verbot von Geldspielen mit Einsätzen von über 1 Haller oder 1 Pfennig und verkündeten es auf den Trinkstuben (STAW B 2/5, S. 64). Als Busse setzte man 1492 10 Schilling fest (STAW B 2/5, S. 491).