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SSRQ ZH NF I/2/1 207-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, von Bettina Fürderer

Zitation: SSRQ ZH NF I/2/1 207-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Statuten der Stubengesellschaft der Rebleute in Winterthur

1508 September 23.

Die Stubenmeister und Gesellen der Stubengesellschaft der Rebleute in Winterthur haben mit dem Einverständnis des Schultheissen und Rats folgende Ordnung erlassen: Wer unentschuldigt eine Versammlung versäumt, muss eine Busse zahlen. Wer preisgibt, was auf einer Versammlung besprochen wurde, wird ein Jahr aus der Stube ausgeschlossen (1). Die Wahl der Stubenmeister und Kerzenmeister erfolgt per Mehrheitsbeschluss, anschliessend werden sie vereidigt. Wer die Wahl nicht annimmt, wird ein Jahr aus der Stube ausgeschlossen (2). Der Kerzenmeister zieht das Kerzengeld ein. Er soll zu Ehren des heiligen Georg und des heiligen Urban an den entsprechenden Gedenktagen jeweils eine Messe lesen lassen und ihre Altäre mit Kerzen schmücken (3). Unangemessenes Verhalten auf der Stube wird mit Bussgeldern oder Ausschluss aus der Stube geahndet, gegebenenfalls bleiben dem Rat weitere Strafen vorbehalten. Dies gilt namentlich für Blasphemie (4), unflätiges Benehmen (5, 8, 9), Diffamierung eines anderen als Lügner (6), offene Spielschulden (7) und Spielen an Vorabenden von Feiertagen (14) oder beim Wetterläuten (15). Verursachte Schäden müssen erstattet werden (10). Wen die Stubenmeister oder der Stubenknecht zum Wirt bestimmen, darf sich nicht weigern (11). Wer der Stubengesellschaft Beiträge schuldet, soll von den Stubenmeistern vor den Rat geladen werden, der über die Bezahlung oder Pfändung entscheidet (12). Wer von anderen Stuben ausgeschlossen wird, darf nur mit Erlaubnis der Stubenmeister die Stube der Rebleute besuchen (13). Wer sich auf der Stube eines Vergehens schuldig macht, muss eine Verpflichtungserklärung abgeben, falls er innerhalb der Grafschaft Kyburg wohnt, andernfalls Bürgschaft stellen. Bei Körperverletzung und Totschlag auf der Stube sollen die Täter dem Schultheissen und Rat übergeben werden (16). Schultheiss und Rat haben zugestanden, dass alle in der Stadt, die Wein anbauen oder im Weinbau arbeiten und nicht in einer anderen Stube Mitglied sind, der Rebleutestube beitreten sollen (17). Schultheiss und Rat von Winterthur bestätigen diese Ordnung, behalten sich aber Änderungen vor.

  • Signatur: STAW URK 1923
  • Originaldatierung: 1508 September 23
  • Überlieferung: Aufzeichnung
  • Beschreibstoff: Pergament
  • Format B × H (cm): 29.5 × 54.0
  • Sprache: Deutsch
  • Schreiber: Konrad Landenberg

  • Signatur: winbib Ms. Fol. 27, S. 305-308
  • Originaldatierung: Mitte 18. Jh.
  • Überlieferung: Abschrift
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 24.0 × 35.5
  • Sprache: Deutsch

Eine frühere Übereinkunft der Gesellschaft der Rebleute in WinterthurOrt: Organisation: vom 24. Juni 1422 ist nur mehr kopial überliefert. Johann Jakob GoldschmidPerson: gibt in seinen Aufzeichnungen den Wortlaut einer Pergamenturkunde wieder, von der ihm auch eine gesiegelte Abschrift aus dem Jahr 1614 vorlag. Anlässlich des gemeinschaftlichen Erwerbs eines Hauses wurden die Besitzrechte, und damit die Mitgliedschaft in der Gesellschaft, geregelt. Ein Rebmann konnte sein Stubenrecht an Söhne und Schwiegersöhne vererben, die ihm in seinem Beruf nachfolgten. Heiratete seine Witwe einen Rebmann, war dieser ebenfalls zum Beitritt berechtigt. Die Mitglieder mussten Beitragsgebühren leisten und sich an den Kosten für die Stube und das Haus beteiligen (winbib Ms. Fol. 27, S. 302-304; Edition: Troll 1840-1850, Bd. 3, S. 116-118). Den Vorstand der Gesellschaft bildeten drei oder vier Meister, die jährlich gewählt wurden, und zwei Rechenherren, vgl. winbib Ms. Fol. 203, fol. 28r, 63v.

In den Stubenordnungen nahmen Bestimmungen, die das Sozialverhalten der Mitglieder regelten, grossen Raum ein. Provokantes Benehmen, Fluchen, rüde Tischmanieren und Umgangsformen, Sachbeschädigung, Verleumdung oder Streit beim Kartenspiel, zog Strafen nach sich bis hin zum temporären Ausschluss; weitere Beispiele bei Kälble 2003, S. 47-52.

Zu den Stubengesellschaften der Handwerksverbände in der Stadt WinterthurOrt: und ihren gewerblichen, sozialen und religiösen Funktionen vgl. die Kommentare zu SSRQ ZH NF I/2/1 107-1 und SSRQ ZH NF I/2/1 162-1. Zu den Organisationsformen dieser Korporationen vgl. den Kommentar zu SSRQ ZH NF I/2/1 77-1.

Editionstext


Ze wu̍ssen sige mengklichem, was wir, die stubenmeister unnd stubengesellen alle
gemeinlich der reblu̍ten stuben unnd geselschafft zuͦ WinterthurOrt: Organisation: , umb u̍nnser gemeiner geselschafft nutz unnd ere unnd insonder umb fridlich einikeit mit gunst unnd willen
der ersamen, wisen schultheis unnd raͤte zuͦ WinterthurOrt: Organisation: , u̍nnser gnedigen, lieben herren,
dise nachgemelten ordnung unnd satzung under u̍nns ze halten geordnet und angesaͤhen haben, wie her nach volget.

Des ersten haben wir geordnet, woͤlchem zuͦ einem gemeinen bott, so wir von gmeiner unnser
stuben oder u̍nser herren wegen ansaͤhend, ze hus oder under ougen von u̍nserm stuben knecht
geseit wirt und nit kompt oder von einem stubenmeister urlob nimpt und also ungehorsam
ist, der sol ze buͦß geben ein vierling wachßGewicht: 1 Vierling Wachs. Und soͤllen dieselben meister mit sampt u̍nserm
kertzenmeister soͤlchs buͦß ōn verzug inzu̍hen und niemands darinne nu̍tzet u̍bersaͤhen.1 Doch
wann soͤlch bott von eins rautzOrganisation: bevelch beschaͤhe, so sol soͤlch buͦß der ungehorsami einem raͧteOrganisation: ze
strauff vorbehalten sin. Und woͤlcher uß einem bott seit, das im nit bevolhen ist, dem sol u̍nnser
stuben ein gantz jaͤrZeitspanne: 1 Jahr verbotten werden.

Woͤlcher zuͦ stubenmeister oder kertzenmeister von merteil u̍nser geselschaft erwelt wirt,
der sol das gehorsam ōn widerrede annēmen und sich des keins wēgs widren. Und woͤlcher darwider taͤtte und nit gehorsam sin woͤlte, der sol u̍nser stuben ein gantz jarZeitspanne: 1 Jahr miden. Und soͤllend
ouch allwēgen die selben erwelten meister by guten tru̍wen geloben, gemeinerBeschädigung durch verblasste Tinte, unsichere Lesunga geselschaft
nutz unnd ere ze fu̍rdern unnd schaden ze wenden nach irem besten vermu̍gen, getru̍wlich
unnd ungevaͤrlich.

Wir soͤllend ouch ein kertzenmeister erwoͤllen, der insonder das kertzengelt inzu̍hen und das in
kein anderwēg dienen sol dann zuͦ den kertzen. Und sol ouch der selb kertzenmeister jerlichsWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr an sant
JoͤrgenPerson: abend
Datum: 22. April
und morndes an sinem tag zum ampt u̍nser nu̍w kertzen uffstecken und zwoMenge: 2 kertzen
uff sin altar und ein meß von sant JoͤrgenPerson: ze lesen verschaffen. Desglichen sol er jerlichsWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr an
sant UrbanusPerson: abendDatum: 24. Mai unnd tagDatum: 25. Mai den altar mit den kertzen zuͦru̍sten und am tag ein gesungen
ampt ze haben versaͤhen durch einen schuͦlmeister unnd sine schu̍ler.

Wir haben ouch dem allmechtigen got zuͦ lieb und ere ernstlich angesaͤhen, das alle gotzlestrung
unnd ungewōnlich schwēren uff u̍nser stuben von mengklichem vermitten werden sol.
Unnd woͤlche das u̍bersaͤhend, dem oder den selben sol u̍nser stuben verbotten sin als lang,
bitz er sich bessert und soͤlchs schwēres gentzlich abtuͦt, und sol darumb ferer strauff
einem raͧteOrganisation: gewaͤrtig sin.

Woͤlcher ouch uff unnser stuben in offenn u̍rten oder sunst mit koppen, furtzen oder spis
erbrechung unzucht begienge, der sol, so dick das beschaͤhe, j Währung: 1 Schilling ze buͦß geben, und ob er darvon
nit staͧn woͤlte und soͤlch unzucht vermiden, der sol umb ferer strauff vor einem raͧtOrganisation: verclagt werden.

Unnd woͤlcher den andern mit ernst hiesi lu̍gen oder nit waͧr sagen, der sol in die gemeinen bu̍chß, so dick das beschicht, j Währung: 1 Schilling ze buͦß geben und einem raͧtOrganisation: ferer strauff vorbehalten.

Woͤlcher ouch dem andern mit spilen, karten oder keglen gelt angewunne, so sol der verluͦstig dem gewu̍ner das gelt, es sige wänig oder vil, bezalen oder u̍nser stuben miden
als lang, biß er soͤlch gelt dem cleger bezalt.

Woͤlcher ouch in u̍rten oder maln sich uff den trincktisch leit, gibt ze buͦß viij ħWährung: 8 Haller , so dick
das beschicht.

Unnd woͤlcher ouch uff unnser stuben kartet und das spil zerzert und nit under sich, da er
sitzt, wirfft, sunder u̍ber den tisch oder zum venster us werffen tuͦt, der gibt j Währung: 1 Schilling ze buͦß
in die gemeinen bu̍chß, so dick das beschicht.

Woͤlcher ouch pfenster, schu̍sslen, teller oder anders, was das wēre, zerbreche, der sol das
ōn verzug wider machen laͧssen oder darumb ferer straufgelt gewaͤrtig sin.

Woͤlchem ouch die stubenmeister oder unnser knecht einem husgesellen die taflen geben,
das er wirt sige, und das nit taͤtte, der gibt ze buͦß vj ħWährung: 6 Haller .

Woͤlcher ouch zergelt oder ander stu̍rgelt und stubenzins gemeiner stuben schuldig ist,
demselben soͤllend die stubenmeister fu̍r rautOrganisation: verku̍nden laussen, alda erkanntBeschädigung durch verblasste Tinteb werden sol
bezalung oder pfand uff die naͤchsten gandt.

Wir haben ouchBeschädigung durch verblasste Tintec angesaͤhen, woͤlcher uff ander stuben verbotten wirt, us wasBeschädigung durch verblasste Tinted ursach das
beschaͤhe, der selbe sol uff u̍nnser stuben ouch nit gaͧn, es werde im dannBeschädigung durch verblasste Tintee insonder
von u̍nsern stubenmeister erloubt.

Wir haben ouch got zuͦ lob geordnet, das niemand uff unnser stuben an dheinem
firabet, da der tag ze firen gebotten ist, nach der vesperZeitspanne: abends weder spilen noch karten sol,
wēnig noch vil, by strauff j Währung: 1 Schilling , ouch an den selben hailgen virabend und tagen,
insonder nachtzZeitspanne: nachts, kein unfuͦr, weder mit schryen, singen noch dhainerley ander
dingen, nit bruchen sol. Und woͤlche das u̍bersaͤhend, die sol unnser stubenknecht
schuldig sin, by sinem eid den stubenmeister ze leiden, die sy dann um soͤlch unzucht strauffen soͤllen, mit vorbehaltung eins rautzOrganisation: ferer strauffung.2

Item wann man fu̍r das wetter lu̍t, alsdann sol niemand spilen, karten noch
keglen by strauff j Währung: 1 Schilling hallers.

Unnd woͤ zwu̍schen yemands fraͤffel beschaͤhe, grōß oder clein, so soͤllen die fraͤffler, so in der
grauffschaft KiburgOrt: sesshafftig sind, umb soͤlchen fraͤffel zuͦ der gelu̍pt, und die, so usserhalb der graufschaft wonhaftig sind, zuͦ der trostung gehandhabet werden.
Es wēre dann, das soͤlcher fraͤffel den todschlag oder ander mercklich verletzung
beruͤrte, von wēm das beschaͤhe, uff unnser stuben, so soͤllen die taͤtter gefaͤncklich
zuͦ eins schultheiß unnd rautzOrganisation: handen angenommen werden.

Es haben ouch u̍nnser herren schultheis unnd raͤteOrganisation: us geneigter, guͦter meinung
u̍nns insonder zuͦgelaussen, das alle, die in u̍nnser statt, so winreben buwend
oder an taͧgwan gond unnd sunst ander stuben nit haben, uff unnser stuben
sich verdienen soͤllen. Doch das ouch die selben, so also winreben buwend und an
tagwan gond, sich desselben allein ernerend und sunst in dhein ander stuben
gehoͤrend.3

Wir, schultheis unnd raͤte zuͦ WinterthurOrt: Organisation: , bekennent ouch hiemit wu̍ssenklich, das
die obgenannten stubenmeister und gemein stubengesellen obgeruͤrte ordnung
und satzung alle mit unnserm gunst unnd willen angesaͤhen und geordnet
haben unnd bestaͤttigend ouch inen die in craft ditz rodels. Doch also das wir u̍ns und
allen u̍nsern nachkommen unnser oberkait gentzlich hierinne vorbehalten haben, soͤlch
obgeruͤrte ordnung und satzung gemeinlich oder sonderlich ze mindren, ze meren
oder gantz abzetuͦnd nach dem und ye zuͦ ziten u̍nns soͤlchs fu̍r unnsern
gemeinen nutz guͦt unnd noturftig sin bedunckt.
Ditz ist beschaͤhen uff
samstag vor sant MichelsPerson: tag, nach Cristi gepu̍rt fu̍nffzehenhundert
unnd acht jaͧre
Originaldatierung: 23.9.1508
.
[Vermerk unterhalb der Zeile von Hand des 18. Jh.:]
Anno 1508Datum: 1508

Anmerkungen

  1. Beschädigung durch verblasste Tinte, unsichere Lesung.
  2. Beschädigung durch verblasste Tinte.
  3. Beschädigung durch verblasste Tinte.
  4. Beschädigung durch verblasste Tinte.
  5. Beschädigung durch verblasste Tinte.
  1. Kerzenmeister verwalteten die Wachskassen, die zur Finanzierung der Kerzen dienten. Hierzu und zur Bedeutung der Kerzen für bruderschaftliche Organisationen vgl. Henkelmann 2018, S. 331-332.
  2. Am 3. November 1484 hatte sich die Gesellschaft der RebleuteOrganisation: verpflichtet, nachts auf ihrer Stube weder Spiel noch «unzucht» zu dulden (STAW B 2/5, S. 100).
  3. Der entsprechende Ratsbeschluss datiert vom 7. Februar 1508 (STAW B 2/6, S. 281).