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SSRQ ZH NF I/2/1 255-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, von Bettina Fürderer

Zitation: SSRQ ZH NF I/2/1 255-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Urteil im Streit um die Nutzung der Kaplaneipfründe von Neftenbach und die Finanzierung einer Prädikatur in Hettlingen

1530 März 3.

Bürgermeister und Rat von Zürich fällen ein Urteil im Konflikt zwischen der Gemeinde Neftenbach einerseits und der Äbtissin und dem Konvent des Klosters Paradies in Schaffhausen und Wolf von Breitenlandenberg andererseits infolge der Appellation der Vertreter der Gemeinde Neftenbach gegen ein vor dem Zürcher Ehegericht ergangenes Urteil im Konflikt mit der Gemeinde Hettlingen, dem Kloster und Wolf von Breitenlandenberg über die Einrichtung der Kompetenz eines Prädikanten von Hettlingen. Die Gemeinde Neftenbach hatte sich dagegen gewandt, dass die Kompetenz von den Einkünften ihrer Kaplaneipfründe finanziert werden sollte. Die Abgesandten des Klosters und Wolf von Breitenlandenberg als Patrone und Lehensherren der Kaplaneipfründe hatten argumentiert, dass die Einkünfte weiterhin für den Gottesdienst verwendet würden. Nach Anhörung beider Seiten und Anerkennung des Entscheids des Ehegerichts durch die Gemeinde Hettlingen weisen Bürgermeister und Rat die Appellation der Gemeinde Neftenbach ab. Die Richter des Zürcher Ehegerichts hatten den Antrag der Gemeinde Hettlingen, dass ihre neue Pfarrei mit fremden Mitteln ausgestattet werde, abgelehnt. Um einen Kaplan zu finanzieren, der dort an Sonntagen und Feiertagen und bei Bedarf auch an Wochentagen das Gotteswort verkündet, predigt und tauft, wurden die Anwälte des Klosters und Wolf von Breitenlandenberg gebeten, jährlich 6 Mütt Kernen von dem Zehnten von Hettlingen abzutreten, weitere 4 Mütt Kernen und 10 Gulden sollte die Gemeinde Hettlingen beisteuern. Bis das Lehen vakant würde und die Patrone einen geeigneten Kandidaten auswählen würden, sollten sich die Hettlinger mit Kaplan Jakob Zinzili zufrieden geben. Die Gemeinde Hettlingen erhält auf Antrag eine Ausfertigung des Urteils. Die Aussteller siegeln mit dem Sekretsiegel der Stadt Zürich.

  • Signatur: StAZH C II 16, Nr. 707
  • Originaldatierung: 1530 März 3
  • Überlieferung: Original
  • Beschreibstoff: Pergament
  • Format B × H (cm): 37.0 × 23.5 (Plica: 5.0 cm)
  • 1 Siegel:
    1. Stadt ZürichOrganisation: , Wachs, rund, angehängt an Pergamentstreifen, beschädigt
  • Sprache: Deutsch

  • Signatur: StAZH C II 16, Nr. 2253
  • Originaldatierung: 1530 März 3
  • Überlieferung: Original
  • Beschreibstoff: Pergament
  • Format B × H (cm): 50.0 × 20.0 (Plica: 7.5 cm)
  • 1 Siegel:
    1. Stadt ZürichOrganisation: , Wachs, rund, angehängt an Pergamentstreifen, in Leinensäckchen
  • Sprache: Deutsch
  • Signatur: StAZH E I 30.55, Nr. 1
  • Originaldatierung: 1530 März 3
  • Überlieferung: Entwurf, Heft (4 Blätter)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 22.0 × 32.5
  • Sprache: Deutsch

Bereits im Vergleich zwischen dem Kloster ParadiesOrganisation: und Wolf von BreitenlandenbergPerson: als Inhaber des Patronatsrechts der Pfarrkirche NeftenbachOrt: und der Gemeinde HettlingenOrt: vom 21. Februar 1522 wurde die Stiftung einer eigenen Pfarrpfründe in den Raum gestellt (SSRQ ZH NF I/2/1 226-1). Damals wurde im Dorf ein neues Kirchengebäude mit drei Altären errichtet (Kläui 1985, S. 127-128). Von 1470 bis zur Reformation lässt sich auf der ZürcherOrt: Landschaft eine Phase intensiver Kirchenbautätigkeit beobachten. Der repräsentative Bau in HettlingenOrt: spiegelt das wachsende Selbstbewusstsein der Gemeinde und den Wunsch nach einer Lösung der Filiale von der Mutterkirche wider, vgl. Jezler 1988, S. 12, 68-71, 75, 78-79.

Am 22. Dezember 1529 forderte die Gemeinde vor dem ZürcherOrt: EhegerichtOrganisation: nun auch finanzielle Unterstützung für die Einrichtung einer Pfarrstelle, wobei sie sich einerseits auf frühere Zustände berief, man glaubte Hinweise auf eine ehemals eigenständige Pfarrei gefunden zu haben, andererseits auf die Beschwerlichkeiten hinwies, die der Kirchgang nach NeftenbachOrt: Kranken und Gebrechlichen bereitete. Die Patrone der Pfarrkirche NeftenbachOrt: lehnten das Vorhaben ab. Die Eherichter schlugen vor, dass die Gemeinde einen jährlichen Zins von 4 Mütt Dinkel und 10 Gulden und das Kloster Paradies sowie Wolf von BreitenlandenbergPerson: 6 Mütt Dinkel von den Einkünften des Zehnten beisteuern sollten, um einen Kaplan zu finanzieren (StAZH E I 30.81, Nr. 5). In der Folgezeit wurde ein Prädikant in HettlingenOrt: eingesetzt, dessen Versorgung aber nicht gesichert war. Daher bestimmten Vertreter der Stadt SchaffhausenOrt: und des Klosters ParadiesOrganisation: sowie der Stadt ZürichOrt: , welche die Rechte Wolfs von BreitenlandenbergPerson: zwischenzeitlich erworben hatte, dass jährlich 49 Stuck vom Einkommen der NeftenbacherOrt: Kaplaneipfründe der Kirche in HettlingenOrt: zufliessen solle (SSRQ ZH NF I/2/1 292-1).

Editionstext


Wir, der burgermeyster und rat der statt ZürichOrt: Organisation: , thuͦnd khundt mengklichem mit disem brieff, das sich a–irtung, speͣnn und widerwertig meynungenTextvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: irtung und speͣnn–a
erhebt und zuͦgetragen habend zwüschend unsern lieben und getru̍wen, einer gmeynd zuͦ NefftenbachOrt: Organisation: , eins- und den wu̍rdigen und ersamen frowen, aͤbtissin
und gmeynem convent im Barendis
Organisation:
by SchaffhussenOrt: gelegen, deßglich dem edlen, vesten Wolffen von der Breiten LandenbergPerson: , des andern teyls,1 deßweͣgenn,
das der genanten von NeͣfftenbachOrt: machtbotten sich der urteil zwüschend den unsern von HetlingenOrt: , frowen im BarendisOrganisation: und Wolffen von LandenbergPerson: von
wegen der geschöpfften competentz eins predicanten zuͦ HetlingenOrt: , b–vor den erichtern der eesachen inn unser statt ZürichOrt: ergangen und gesprochenTextvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: ergangen vor den eerichtern inn unser statt ZürichOrt: –b,2 beruͤfft, die
für unns, die reͣcht ordenlich oberhand, geappolliert und uss allerley fürgewendten ursachen, und sonderlich das die capplony pfruͦnd zuͦ NefftenbachOrt: denen
von HettlingenOrt: erschiessen sölt, ouch sy unnd ir vordern die mererteyls gestifft, vermeynt hand beschwaͤrt zuͦ sind und gentzlich verhofft, das die selb
widerumb an sy, eyn gantze gmeynd, under inen und sunst niendert anderschwo hin c–nach unser erkhantnus zuͦ trost der arman dienenn und gefallen
sölte
Textvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: gefallen sölte nach unser erkhantnus zuͦ trost der armen
–c.3
Dargegen vermeynten der frowen im BarendisOrganisation: ersam bottschafft und Wolff von LandenbeͣrgPerson: , wir wu̍rdint es by der ergangnen urteil blyben
lassen und witer niemans beschweͣren, dann sy sich guͤtlich begeben und nachgelassen hetten, das die capplonipfruͦnd zuͦ NefftenbachOrt: (dero sy pathronen
und lechen herren weͣrind) hinfür an rechten, waren und nutzen gotzdientst verwendt weͣrdenn sölt, alleyn das lechen, so dikh das zuͦ val keͣme, inen
und iren nachkomen vorbehalten.
Unnd als wir sy inn sollichen iren speͣnenn, clegt und antwurten, red und widerreden mit sambt dem ingelegten
proces und d–grichts handelTextvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: und dem, so am egricht verhandlot,–d mit den und vil mer worten, von unnödten zuͦ melden, gnuͦgsamklich der noturfft nach gehört und verstanden, habent
wir uns daruff uff beschechnen reͣchtsatz, und nach dem die von HetlingenOrt: sich unserer erichtern gegebnen erkhantnus vernuͤgen lassen, zuͦ reͣcht eͣrkent,
das an unnser statt egrichtOrganisation: inn diser sach wolgesprochen und davon ubel geappolliert sig, also, das die parthyen by nachvolgender der erichtern erkhantnus geͣntzlich blybenn, e–dero gestrax geleben, nachkommen und gnugthuͦnAuslassung in StAZH C II 16, Nr. 2253–e.
Und wyßt die selb urteil also, das die erichter gstalt unnd geleͣgenheit ermessen
und sonderlich, das nit geschikt sin welle allenthalb, als die von HetlingenOrt: inn disem val begert, nu̍w pfarren uss anderer lu̍ten erkoufft und ererbten guͤtern uff zuͦrichten, wiewol sy den biderben lüthen zuͦ HettlingenOrt: gern weltind zehilff khommen, und hetten sy, die erichter, die sach also für hand
genommen, des ersten der frowenn im BarendisOrganisation: anwalten und Wolffen von LandenbergPerson: erbetten, dass sy jerlichWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr sechs mu̍tt kernenVolumenmass: 6 Mütt Dinkel gült denen von
HettlingenOrt: von dem zehenden daselbs zuͦ geben zuͦ gsagt, doch mit dem geding, das sy hinfür unangestrengt, unbekümbert und an ir obgemelten besitzung ruwig blyben sollind.
Haruf und hier zuͦ hetten sy sich witer erkhendt unnd gesprochen, das hinfür die capploni pfruͦnd zuͦ NefftenbachOrt:
mit aller gült und nutzung, wie sy gestifftot ist unnd jetz hat, nu̍dtzit uß genommen, dem pfarrer und den underthanen zuͦ NefftenbachOrt: beholffen
und verpflicht sin sölle ewigklich imKorrigiert: inf recht christenlichen dientsten. Und insonders all sontagWiederholte Zeitspanne: 1 Woche und firtag, so die kilch inn unser statt ZürichOrt: haltet,
sol ein capplon g–zuͦ HetlingenOrt: das gotzwortTextvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: das gotzwort zuͦ HetlingenOrt: –g zuͦ gwonlicher und kumlicher zit, ouch etwa inn der wuchen einistWiederholte Zeitspanne: 1 Woche, wann er gebetten wirt, nach inhalt
götlich und biblischer geschrifft getru̍wlich verkhu̍nden und predigen, touffen und anders, das christenliche noturfft erfordert, thuͦn etcAbkürzung. Unnd
darumb söllent im ouch zuͦ obgemeͣlter gült jerlichWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr vier mu̍tt kernenVolumenmass: 4 Mütt Dinkel und zehen guldinWährung: 10 Gulden , so die von HettlingenOrt: zuͦ geben sich erbotten, von den selben
von HettlingenOrt: unverzogenlich und guͤtlich weͣrdenn, und dikh es zuͦ fal kombt, das lechen den obgenanten patronen vorbehalten sin, eynen
h–gelerten, frommen und geschiktenTextvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: geschikten und gelerten fromen–h man, der söllich obberürt ambt wol kon und mög versechen, zeerwellen. Aber zuͦ diser zit sollen die von HetlingenOrt: verguͦtt haben und sich mit dem capplonen her Jacoben ZinziliPerson: , der sich flyssen und uͤben will, mit gottes hilff söllich ambt getru̍wlichen
und nach sinem bestenAuslassung in StAZH C II 16, Nr. 2253i vermogen zuverwalten. Und also wellen wir dis harinn begriffenn der erichtern urteil mit unserm rechtlichen
spruch gentzlich bechrefftigot, bevestnot und bestaͤt haben.
j–Diser unser rechtlichen erkhantnus begerten die unsern von HettlingenOrt: eins brieffs.4
Den habent wir inen zuͦgeben erkheͣndt und daran des zuͦ urkhu̍ndt
Textvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: Und des zuͦ urkhündt haben wir
–j unser statt Zu̍richOrt: secret insigel offenlich lassen henken Textvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: an disen brieffk, der geͣbenn
ist donstags vor Textvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: dem sontagl invocavit, nach der geburt Christi gezalt fu̍nfftzehenhundert und drissig jarOriginaldatierung: 3.3.1530.
[fol. v]Seitenumbruch
[Vermerk auf der Rückseite von Hand des 16. Jh.:]
Miner gngnedigen herren bestëtung der urtel, so die eerichter
inn der statt ZürichOrt: von wegen des predicanten zu HettlingenOrt: uß der caplony pfrund NefftenbachOrt: geschöpfften
competentz gesprochen, donstags vor invocavit, anno etcAbkürzung 1530Datum: 3.3.1530

Anmerkungen

  1. Textvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: irtung und speͣnn.
  2. Textvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: ergangen vor den eerichtern inn unser statt ZürichOrt: .
  3. Textvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: gefallen sölte nach unser erkhantnus zuͦ trost der armen.
  4. Textvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: und dem, so am egricht verhandlot,.
  5. Auslassung in StAZH C II 16, Nr. 2253.
  6. Korrigiert: in.
  7. Textvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: das gotzwort zuͦ HetlingenOrt: .
  8. Textvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: geschikten und gelerten fromen.
  9. Auslassung in StAZH C II 16, Nr. 2253.
  10. Textvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: Und des zuͦ urkhündt haben wir.
  11. Textvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: an disen brieff.
  12. Textvariante in StAZH C II 16, Nr. 2253: dem sontag.
  1. Der Entwurf des Urteils nennt zunächst als Parteien 1. die Gemeinde NeftenbachOrt: Organisation: , 2. die Gemeinde HettlingenOrt: Organisation: und 3. die Äbtissin und den Konvent des Klosters ParadiesOrganisation: und Wolf von BreitenlandenbergPerson: (StAZH E I 30.55, Nr. 1).
  2. Es ist nur das Urteil des EhegerichtsOrganisation: überliefert, das am 22. Dezember 1529 zwischen der Gemeinde HettlingenOrt: einerseits und dem Kloster ParadiesOrganisation: und Wolf von BreitenlandenbergPerson: andererseits gefällt und nach Appellation am 3. März 1530 durch Bürgermeister und Rat von ZürichOrt: Organisation: bestätigt wurde (StAZH E I 30.81, Nr. 5). Das im Zuge der Reformation eingerichtete ZürcherOrt: EhegerichtOrganisation: war auch für die Rechtsprechung über kirchliche Pfründen zuständig (Köhler 1932, S. 176-184).
  3. Der Entwurf berücksichtigt noch den später gestrichenen Vortrag der Bevollmächtigten der Gemeinde HettlingenOrt: Organisation: : «Dargegen der unsern von HetlingenOrt: volmechtig anwelt by der urteil, wie dis vor unser statt eerichtern ergangen, vermeint zuͦ bliben, guͦter hoffnung, diewil sy bißhar ein kilchgang, der schwanger, krank, jung und altenn luten zuͦ schwer, wit, hert und uber legen gewesen, zuͦ den unsern von NefftenbachOrt: gehebt, ouch inn dem kilchhoff und der cappell by inen sovil wort zeychen, das wol zuͦ achten, das vor ziten och ein pfarr daselbs zuͦ HetlingenOrt: gesin, gefunden worden weren, so solt uns die ouch recht und billich bedunkenn.» (StAZH E I 30.55, Nr. 1).
  4. Gemäss Entwurf beantragten auch die Anwälte des Klosters ParadiesOrganisation: und Wolf von BreitenlandenbergPerson: für sich die Beurkundung des Urteils (StAZH E I 30.55, Nr. 1).