check_box_outline_blank zoom_in zoom_out
SSRQ ZH NF I/2/1 275-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, von Bettina Fürderer

Zitation: SSRQ ZH NF I/2/1 275-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Verfahren gegen Hans Hämler, Kaplan in Luzern, wegen Herabwürdigung des reformierten Glaubens in Winterthur

1536 September 11.

Hans Hämler von Pfullendorf, derzeit Kaplan in Luzern, war inhaftiert worden, da er den Winterthurern vorgeworfen hatte, einem falschen, ketzerischen Glauben anzuhängen, seine Äusserungen aber nicht durch die Heilige Schrift belegen konnte. Da er um Gnade gebeten hat, beschliessen der Grosse und der Kleine Rat, dass Hämler vor dem Rathaus seine Worte, der Glaube der Zürcher und Winterthurer sei falsch und ketzerisch, widerrufen, sich für zwei Stunden in das Halseisen stellen und anschliessend Urfehde schwören müsse.

  • Signatur: STAW URK 2305/8, S. 16
  • Originaldatierung: 1536 September 11
  • Überlieferung: Aufzeichnung, Heft (8 Blätter)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 22.0 × 32.0
  • Sprache: Deutsch

In WinterthurOrt: lässt sich Widerstand gegen die Einführung der Reformation nur vereinzelt beobachten. Einige Bürger verliessen die Stadt und liessen sich in katholischen Gebieten nieder, andere entschieden sich für das Klosterleben, vgl. Niederhäuser 2020, S. 133-141. Provokante Äusserungen gegen den reformierten Glauben, die den Frieden und die öffentliche Ordnung gefährden konnten, wurden von der Obrigkeit bestraft. Auch vor der Reformation waren religiöse Normverstösse verfolgt worden, vgl. SSRQ ZH NF I/2/1 159-1.

Im vorliegenden Fall hatten «ungeschickte reden und scheltwortt» und «laster und schmutz reden», die Hans HämlerPerson: , Kaplan in LuzernOrt: , im Wirtshaus Zum goldenen Kreuz in WinterthurOrt: geäussert hatte, einen anwesenden ZürcherOrt: Boten so brüskiert, dass er vom Tisch aufstand und den Raum verliess. Wie Schultheiss und Rat von WinterthurOrt: Organisation: gegenüber der Stadt LuzernOrt: darlegten, habe der Kaplan wiederholt öffentlich ihren Glauben als falsch und ketzerisch bezeichnet. Dies hätten sie «von oberkeitt waͤgen nitt koͤnen ungestrafft lasen für gan» und daher seine Verhaftung angeordnet. Zunächst habe der Kaplan freiwillig seine Verfehlungen zugegeben und auf Knien um Gnade gebeten, kurze Zeit später sein Geständnis jedoch widerrufen und auch unter Folter auf seiner Unschuld beharrt. Daher habe man Zeugen verhört, die unter Eid gegen ihn aussagten. Man habe ihm einen Gerichtsprozess ersparen wollen und ihn schliesslich zu dem öffentlichen Widerruf und einer Urfehdeerklärung bewegen können (STAW URK 2305/2). Über das Verfahren gegen den Kaplan wurde ein Libell angelegt, das mehrere Zeugenaussagen und den vorliegenden Urteilsspruch enthält (STAW URK 2305/8). Zum Fall HämlerPerson: vgl. Niederhäuser 2020, S. 142-143.

Zur städtischen Praxis, Delinquenten gegen einen Urfehdeeid, verbunden mit Ehrenstrafen oder Ausweisung, freizulassen statt sie vor Gericht zu stellen, vgl. SSRQ ZH NF I/2/1 73-1.

Editionstext


Erkanthnus beder ratenOrganisation: uber her Hansen
Haͤmlers
Person:
von PfullendorffOrt: , jetzund capplan
zuͦ LutzernOrt: , umb sin begangen schmach und
erverletzlichen worten, actum an mentag,
was santt FelixPerson: und RaͤglaPerson: Organisation: tag, anno 1536
Originaldatierung: 11.9.1536


Alls dan her Hanns HaͤmlerPerson: von PfullendorffOrt: , der hie gegenwirtig statt, in miner heren von WinterthurOrt: gefaͤngknus
komen ist, deßwaͤgen, das er unseren heligen, waren
christenlichen gluͦben geschnaͤchtAuffällige Schreibung und namlich gsagt hatt,
das wir ein valtschen, kaͤtzerischen gluͦben habind, und
soͤlichs nitt durch die helig goͤtlich gschrifft, das soͤlichs war
sig, woͤllen darbringen, besonder gnad und barmhertzikeit
begaͤrtt hatt, welich barmhertzikeitt im mine heren,
bed raͤttOrganisation: , bewisen und sich namlich erkentt haben, das
her Hans HaͤmlerPerson: dahin fur das rathusOrt: gestelltt, der
ouch alda unseren heren von ZürichOrt: und uns ein widerruͦff thuͦn soͤll, namlich mit denen worten, wie dan
er gerett und gsagt hab, das unser gluͦb valtsch und katzerisch sin soͤll, habe er minen heren von ZürichOrt: , ouch unns
unraͤcht than und uns anglogen. Zuͦ dem das er uff
soͤlichs zwo stundZeitspanne: 2 Stunden an das halissenAuffällige Schreibung gstelltt und demnach
ein verschriben urfecht uber a–sich sichKorrigiert: sich–a saͤlbs gaͤben und
darmitt gebu̍etzt soͤlle haben.1

Anmerkungen

  1. Korrigiert: sich.
  1. Am gleichen Tag schwor Hans HämlerPerson: Urfehde (STAW URK 2305/1).