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SSRQ ZH NF I/2/1 287-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, von Bettina Fürderer

Zitation: SSRQ ZH NF I/2/1 287-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Urteil im Konflikt zwischen der Stubengesellschaft der Schuhmacher in Winterthur und ihrem im Spital verpfründeten Mitglied Jakob Bilgeri

1543 März 12 – April 27.

Schultheiss und Rat von Winterthur sitzen zu Gericht im Konflikt zwischen der Stubengesellschaft der Schuhmacher, vertreten durch die Bürger Wernli Sulzer und Apollonaris Graf, als Klägerin und Jakob Bilgeri, ebenfalls Bürger von Winterthur, Beklagter. Die Vertreter der Stubengesellschaft der Schuhmacher kritisieren, dass Bilgeri weiterhin sein Handwerk betreibe, obwohl er sich mit seiner Frau im Spital verpfründet habe. Dadurch stelle er nicht nur eine Konkurrenz für Handwerker dar, die den Lebensunterhalt ihrer Familie verdienen müssen, sondern verstosse gegen die Praxis, dass Pfrundinhaber nicht mehr dem Gericht oder dem Rat angehören und nicht mehr erwerbstätig sein sollen. Bilgeri argumentiert, dass er bis jetzt wie andere Bürger Steuern bezahlt und Beiträge für die Stubengesellschaft, der er weiterhin angehöre, geleistet habe. Schultheiss und Rat urteilen, dass Bilgeri weiterhin sein Handwerk betreiben darf, solange er keinen Knecht anstellt und seiner Arbeit nur in der Stadt nachgeht. Auf Antrag der Vertreter der Stubengesellschaft wird das Urteil verbrieft. Sie appellieren dagegen an den Grossen Rat. Die Aussteller siegeln mit dem Sekretsiegel der Stadt Winterthur. Rückseitig ist vermerkt, dass die Appellation abgewiesen wurde.

  • Signatur: STAW AH 98/7/1 Schu
  • Originaldatierung: 1543 März 12 – April 27 (Das erste Urteil datiert vom 12. März 1543, die Appellation vom 27. April 1543.)
  • Überlieferung: Original (Einzelblatt)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 39.5 × 33.0
  • 1 Siegel:
    1. Stadt WinterthurOrganisation: , Papierwachssiegel, rund, aufgedrückt, gut erhalten
  • Sprache: Deutsch
  • Schreiber: Christoph Hegner

Die in Stubengesellschaften organisierten «handwerke» von WinterthurOrt: vertraten kollektive berufsständische Interessen nach innen und nach aussen. In Konflikten untereinander oder mit einzelnen Mitgliedern fungierten Schultheiss und RatOrganisation: als richterliche Instanz, vgl. SSRQ ZH NF I/2/1 220-1; SSRQ ZH NF I/2/1 227-1; SSRQ ZH NF I/2/1 279-1. Im vorliegenden Fall hatte ein Schuhmacher eine seinen Lebensunterhalt sichernde Pfrund im städtischen SpitalOrganisation: erworben (vgl. hierzu den Kommentar zu SSRQ ZH NF I/2/1 221-1), ohne seinen Beruf aufgeben zu wollen. Da er seine Pflichten als Bürger und Stubengeselle erfüllte und Steuern und Mitgliedsbeiträge zahlte, liess die Obrigkeit ihn gewähren und schränkte lediglich seine Verdienstmöglichkeiten zugunsten der übrigen Schuhmacher ein.

Editionstext


Wir, schultheis und raͧtt zuͦ WinterthurOrt: Organisation: , bekennend offennlich und thuͦnd
kund allermengklichem mit disem brieffe, das in offen ratOrganisation: für uns zem raͤchten komen sind die
ersamen Wernly SultzerPerson: unnd Appolonaris GraffPerson: , bed unser burger, als innamen, von wegen und uss
sonderem geheyß einer gantzen gselschafft der schuͦmacher stubennOrganisation: , claͤger, eins-, unnd
liesend dawyder Jacobenn BilgeryPerson: , ouch unseren burger, anntwurter, andertheils, zuͦ raͤcht fürwaͤnnden,
demnach er kurtzer zit sich mit sampt siner husfrowenn in unserem spitallOrganisation: verpfruͤndt. Diewyll er bishaͤr
in niessung soͤlicher pfruͦnd gwessenn, sin handtwerch glich als vor, oͤb er sich mit verpfruͤndung ingeflickth,
understat ze trybenn, das aber sy achtend zuͦ d[em]Beschädigung durch Loch, sinngemäss ergänzta, das dem gmeinen armen handtwerchs man, so vil kleiner kinden
hab, sin bekomung etlichs theils darmit gehinderet und, als man spricht, das brot vor dem mund abgeschniten werd,
nie im bruch gwessenn, sonder welicher sich verpfruͤndt, weder zuͦ gricht und raͧtOrganisation: me gnomen, ouch nützet handtieren
noch waͤrben lassenn. Derhalbenn sy guͦter hoffnung innamen einer gantzen gsellschafft sigend, wir ine
der maͧssen darzuͦ halten und vermoͤgen, das er sins handtwerchs, soͤlichs fürer ze tryben, still stannd, das nit mer
tryb und gebruche und ein anderen armen gsell darmit ungehindert lasse.
Darwyder obgenanter
Jacob BilgeryPerson: redenn liess, denn anzuͦg ine zem hoͤchsten befroͤmbdte, das sy ime das, so in got beraten, ja das
er ein pfruͦnd koufft, vergoͤnind, darmit achtind er sins handtwerchs beroupt und fürer nit mer ze tryben zuͦgelasen
soͤlle werden. Was sy, das er ein pfruͦnd koufft, angang, sige ouch des trosts dardurch nüt desterminder sin handtwerch,
und wes er getrüw zuͦ geniessen, ze tryben und werben, dann er sich noch bitzhaͤr mit stür und müntz, ouch der stuben
wie ein anderer burger verdient, darzuͦ die stuben noch nie uffgeben und alles das, so ein stuben im bruch ghept, glich
als wol als ein anderer geleyst, des guͦten zuͦversechens, er sin handtwerch fürer, ungespert iren, trybenn
und bruchen soͤlle.
Unnd als wir sy in soͤlicher irer clegt und antwurth in den und vill meren
worten, unnoͤtig das alles gschrifftlicher wyse zuͦ begriffenn, zem raͤchten der noturfft nach gnuͦgsam verstandenn,
uff das habent wir, nach dem der handel zuͦ unser raͤchtlichenn erkanthnus gsetzt ward, hierine zuͦ raͤcht erkennth,
dwyll obernempter Jacob BilgeryPerson: sich bitzhar wie ein anderer burger mit stür und müntz, ouch der stuben
verdienth, so moͤge er sin handtwerch ouch [w]Beschädigung durch Loch, sinngemäss ergänztboll fürer tryben und bruchen, doch allein mit siner person und keinen
dienstknecht noch junger nit anstellen, deßgl[iche]Beschädigung durch Loch, sinngemäss ergänztcnn sich arbeit allein in der stat behelffenn und kein stoͤr, weder
in noch usserthalb der stat, nit ze thuͦn.
Disser unser raͤchtlichen erkanthnus begaͤrten dickgesagte Wernly SultzerPerson:
und Appolonaris GraffPerson: von wegen gantzer gselschafft eins brieffs, den wir inen ze geben bewilget. Und des zuͦ
urkund haben wir, nach dem sy sich soͤlicher urtall beschwaͤrdt und die für unseren grossen raͧtOrganisation: geappeliert, unser
stat secret insigel offenlich lassen trucken in disenn brieffe, der gebenn ist an mentag nach sontag
judica in der vastenn, vonn Cristy gepurt gezalt fünffzaͤchenhundert viertzig und drüy jar
Originaldatierung: 12.3.1543
.
[fol. v]Seitenumbruch
d–
Zwischennd einer ganntzen gselschafft der
schuͦmacher stuben
Organisation:
eins und Jacobenn
Bilgery
Person:
andertheils ist erkennth,
woll gesprochenn und übel gappelierth. Actum
fritag vor PhilipPerson: unnd JacobyPerson: Organisation: , anno etcAbkürzung 1543Originaldatierung: 27.4.1543.
Hinzufügung auf der Rückseite
–d
[Vermerk auf der Rückseite von Hand des 18. Jh.:]
Sontag nach judicaDatum: 12.3.1543,
betreffend die fürderung
des handwerks wahrend
der verpfründung

Anmerkungen

  1. Beschädigung durch Loch, sinngemäss ergänzt.
  2. Beschädigung durch Loch, sinngemäss ergänzt.
  3. Beschädigung durch Loch, sinngemäss ergänzt.
  4. Hinzufügung auf der Rückseite.