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SSRQ ZH NF I/2/1 299-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, von Bettina Fürderer

Zitation: SSRQ ZH NF I/2/1 299-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Regelung der Strafkompetenz des Landvogts von Kyburg bei Delikten von Winterthurer Bürgern ausserhalb des Friedkreises

1549 Dezember 30.

Der Landvogt von Kyburg hat einen Bürger von Winterthur, der ausserhalb des städtischen Bezirks in der Grafschaft Kyburg einem anderen Bürger Rebstöcke gestohlen hat und von den Winterthurern bestraft wurde, vor das Grafschaftsgericht geladen. Dagegen haben die Winterthurer protestiert und auf das Herkommen und die bisher übliche Praxis verwiesen, dass die Landvögte ihnen die Bestrafung ihrer Leute überlassen haben. Hierbei stützen sie sich auf einen im Wortlaut zitierten Artikel ihrer Rechtsaufzeichnung, nach dem Ansprüche an Marktrechtsgüter nur vor den beiden Gerichtsversammlungen an Weihnachten und Ostern in Winterthur geltend gemacht werden können, wobei der Kläger dem Schultheissen und Rat sowie dem Beklagten jeweils 3 Pfund verbürgen müsse für den Fall, dass seine Forderungen abgewiesen würden. Verfahren vor anderen geistlichen oder weltlichen Gerichten seien nicht zulässig. Nur wer selbst Marktrechtsgüter besitzt, dürfe darüber richten. Die Verordneten von Zürich beziehen diese Bestimmung nur auf Fälle, die sich innerhalb des städtischen Rechtsbezirks ereignen, zumal die ehemaligen Landvögte von Kyburg zurückweisen, jemals den Winterthurern erlaubt zu haben, ausserhalb dieses Bezirks durch Bürger verübte Vergehen zu bestrafen. Da die Winterthurer keine ausreichenden Beweise vorbringen, können die Zürcher ihnen nicht gestatten, busswürdige Taten zu ahnden, die in der Grafschaft Kyburg von ihren Bürgern oder anderen begangen werden. Diese Kompetenz steht kraft Obrigkeit dem Landvogt von Kyburg zu. Den Bürgern von Winterthur und den Zürcher Untertanen bleibt vorbehalten, Güterstreitigkeiten untereinander gütlich beizulegen. Entstehen daraus aber Rechtstreitigkeiten, sollen diese vor den ordentlichen Gerichten, in deren Bezirk die Güter liegen, ausgetragen werden.

  • Signatur: StAZH C I, Nr. 3165, Beilage 17
  • Originaldatierung: 1549 Dezember 30 (Undatiert, Datierung aufgrund des Zusammenhangs mit StAZH C I, Nr. 3165, Beilage 18)
  • Überlieferung: Aufzeichnung (Doppelblatt)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 22.5 × 33.0
  • Sprache: Deutsch

Die städtische Obrigkeit beanspruchte die Strafgewalt gegenüber ihren Bürgern, die durch den Bürgereid zu Gehorsam verpflichtet waren. Gleichzeitig setzte sie sich dafür ein, beklagten Bürgern Ladungen vor auswärtige Gerichte zu ersparen. Als Legitimationsgrundlage für die Strafverfolgung durch den Winterthurer Ort: RatOrganisation: dienten das kodifizierte Stadtrecht (SSRQ ZH NF I/2/1 5-1; SSRQ ZH NF I/2/1 7-1; SSRQ ZH NF I/2/1 170-1; SSRQ ZH NF I/2/1 260-1) und königliche Privilegien (SSRQ ZH NF I/2/1 29-1; SSRQ ZH NF I/2/1 51-1). Auf diese beriefen sich Schultheiss und RatOrganisation: in ihrem Schreiben vom 22. März 1521, als sie die Verweigerung der Appellation an ZürichOrt: gegen das Urteil in einem Strafverfahren rechtfertigten (StAZH A 155.1, Nr. 69). Die Kompetenzabgrenzung zwischen Inhabern von Gerichtsrechten war nicht selten strittig. Eine Verordnung von 1324 legte ein Bussgeld für Totschlag fest, den ein Winterthurer Ort: Bürger an einem Mitbürger ausserhalb des städtischen Friedkreises beging (SSRQ ZH NF I/2/1 12-1). In Konflikten um hoheitliche Rechte ging es oft auch um fiskalische Interessen.

Der Vorfall, der die Auseinandersetzung zwischen der Stadt WinterthurOrt: und dem Landvogt von KyburgOrt: auslöste, ereignete sich im Jahr 1549. Am 4. Dezember erstatteten Abgeordnete des WinterthurerOrt: RatsOrganisation: in ZürichOrt: Bericht und baten um die Beibehaltung der bisherigen Rechtspraxis (StAZH B IV 17, fol. 110r). Die ZürcherOrganisation: beharrten auf der Zuständigkeit des Gerichts, in dessen Bezirk die umstrittenen Güter lagen und der Schaden verursacht worden war. Wie aus ihrem Schreiben vom 30. Dezember 1549 hervorgeht, hatten die WinterthurerOrganisation: die richterliche Zuständigkeit des Landvogts anerkannt, daher kamen die ZürcherOrganisation: ihrer Bitte nach und wiesen den Landvogt an, den Beschuldigten bei der ihm durch die WinterthurerOrganisation: auferlegten Strafe zu belassen (StAZH C I, Nr. 3165, Beilage 18).

Editionstext


Als die von WinterthurOrt: eynen iren burger, so ußerthalb irem
gezirck inn der graffschafft KyburgOrt: eynem anderen irem
burger die reben hinderrucks uß dem sinen gegraben und
inn sine reben ingelegt unnd gepflantzet, an eer, gwer und
gelt gestraft, unnd aber her vogt von KyburgOrt: demselben
für der graffschafft gericht verkünden laßen und understanden, sollichen freffel, diewyl der inn der graffschafft
hochen unnd nideren gerichten beschehen were, zuͦ beclagen
unnd zuͦ straffen, des sich die von WinterthurOrt: zuͦ beschwerd
angenomen unnd vermeynt, das die vorigen vögt zuͦ
KyburgOrt: (dero ettlich nach inn leben) inen die iren also
zuͦ strafen zuͦgelaßen, ouch ir alt harkomen were, und
gepetten, sy darbi fürer pliben zuͦ laßen.

Ließen uß irem brief umb den frydkreiß und marckrechten
irer statt ein artigkel also luthend leßen:

Wer ouch dem anderen sin eigen, das marckts recht hatt,
anspricht, er sige burger oder nit, der muß eynem
schultheißen unnd rathOrganisation: verbürgen drü pfundWährung: 3 Pfund und
dem, so er das eigen anspricht, ouch drü pfundWährung: 3 Pfund . Und mag
er das eygen nit behalten, so muß er geben die sechs
pfund
Währung: 6 Pfund
, die er verbürget hat, wie obstat. Umb dieselben
eigen soll ouch niemans richten wann zuͦ den zweyenMenge: 2
gedingten eegrichten zuͦ wienachtDatum: 25. Dezember (Kirchenfest als Termin/Frist) unnd zuͦ osterrennDatum: beweglicher Feiertag als Termin/Frist.
Unnd soll ouch niemans umb dieselben eigen clagen
an geystlich noch weltlichen gerichten wann vor eynem schultheiß unnd rath zuͦ WinterthurOrt: Organisation: . Es soll ouch
niemans uber unser eigen urteil sprechen, wann der
ouch eigen hat, das unser statt marckts recht hatt.1

Disen artigkel wellen die geordnetten nit anders, dann
was sich inn dero von WinterthurOrt: march erlouffe, verstan,
und das er inen zuͦ jetziger irer ansprach dhein behelf sin
möge. Zudem wellen die alten vögt zuͦ KyburgOrt: nit
bekantlich sin, denen von WinterthurOrt: inn ire strafen
ußerthalb iren marchen bewillget zuͦ haben, sonders [S. 2]Seitenumbruch
ob jemands gestraft were, sollichs on ir, der vögten, wüßen
und willen beschehen. Deßhalb die von WinterthurOrt:
inen haruß kein recht noch gerechtigkeit machen mögent.

Diewyl dann die von WinterthurOrt: irs fürnemens
dheinen gnugsamen schin darzuͦlegen haben,

so könen min herren inen nit gestattnen, das sy die
frefel unnd buͦßwirdigen sachen, so ußerthalb irem
gezirck inn der graffschafft KyburgOrt: von iren burgern
oder andern verlouffend, strafind, sonnders
das sollichs uß krafft habender oberkeit eynem vogt zuͦ
KyburgOrt: zuͦ rechtfertigen und zuͦ büßen zuͦstan sölle.
Ob aber ire burger oder die unnseren umb die spen,
ire gütter belangende, mit eynandern güttlich undergeng hielten und eins würden, das soll inen wie
von alter har unabgeschlagen sin. Wo aber dieselben
spenn zuͦ rechtfertigung wachsen, söllen die vor ordenlichen gerichten, da die gütter gelegen, berechtiget
werden nach gmeynem bruch und rechten.

Anmerkungen

    1. Es handelt sich um Teil III, Artikel 4 der Aufzeichnung städtischer Rechtsgewohnheiten von 1497 (SSRQ ZH NF I/2/1 170-1), welcher in der Fassung von 1531 übernommen wurde (SSRQ ZH NF I/2/1 260-1, Teil III, Artikel 3). Diese Bestimmung geht zurück auf Teil III, Artikel 5 der Rechtsaufzeichnung von 1297 (SSRQ ZH NF I/2/1 7-1).