check_box_outline_blank zoom_in zoom_out
SSRQ ZH NF I/2/1 34-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, von Bettina Fürderer

Zitation: SSRQ ZH NF I/2/1 34-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Wahl des Götz Schultheiss unterm Schopf zum Schultheissen der Stadt Winterthur

1405 Juni 28 – 29.

Die Bürger der Stadt Winterthur haben Götz Schultheiss unterm Schopf zum Schultheissen gewählt. Am 24. Juni 1406 soll er sein Amt niederlegen, es sei denn die Bürger wählen ihn wieder mehrheitlich zum Schultheissen. Er hat den üblichen Amtseid geleistet. Tags darauf hat ihn der Herzog von Österreich im Amt bestätigt und ihm den Bann verliehen.

  • Signatur: STAW B 2/1, fol. 4v (Eintrag 3)
  • Originaldatierung: 1405 Juni 28 – 29 (Die Wahl erfolgte am 28. Juni 1405, die Bestätigung im Amt am 29. Juni 1405.)
  • Überlieferung: Eintrag
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 22.5 × 31.0
  • Sprache: Deutsch

Die Wahl des Schultheissen durch die Bürger und ihre Bestätigung durch den Stadtherrn wird bereits in der WinterthurerOrt: Rechtsaufzeichnung von 1297 erwähnt (SSRQ ZH NF I/2/1 7-1, Teil I, Artikel 3). Innerstädtische Unruhen führten im Jahr 1342 dazu, dass ihnen dieses Recht vorübergehend entzogen wurde (SSRQ ZH NF I/2/1 15-1, Artikel 2). Ob die Bürger mit der Wahl von Götz SchultheissPerson: die Schwäche der habsburgischenOrganisation: Herrschaft im Zuge der Appenzellerkriege ausnutzten, um den stadtherrlichen Einfluss auf die Besetzung dieses Amts zurückzudrängen, wie es in RapperswilOrt: zu beobachten ist (SSRQ SG II/2/1, Nr. 43), oder ob sie das Wahlrecht schon zu einem früheren Zeitpunkt wieder ausüben konnten, lässt sich nicht mehr klären. Zu den Auswirkungen der Appenzellerkriege auf die Stadt WinterthurOrt: vgl. Niederhäuser 2004. In der Folgezeit erliessen Schultheiss und RatOrganisation: mehrere Verfügungen über die Ämterbesetzung. So ordneten sie 1406 an, dass jeder, der unentschuldigt der Wahl fernblieb, 5 Pfund Pfennige Busse zahlen sollte (STAW B 2/1, fol. 10v), setzten im Jahr darauf das Annuitätsprinzip bei gleichzeitigem Verbot der Ämterkumulation für bestimmte Ämter fest (SSRQ ZH NF I/2/1 39-1) und zogen 1408 Vertreter der Handwerke zur Rechnungsprüfung heran (SSRQ ZH NF I/2/1 41-1). Auch in anderen habsburgischenOrganisation: Landstädten setzte sich allmählich die Wahl des Schultheissen durch die Gemeinde durch, wobei sich die Amtsträger oft durch enge Bindungen zur Herrschaft auszeichneten, vgl. Stercken 2006, S. 169-174; Meyer 1933, S. 208-213.

Das nicht mehr im Original erhaltene Kopial- und Satzungsbuch, das von Stadtschreiber Gebhard HegnerPerson: angelegt und von dessen Nachfolgern fortgesetzt wurde, enthielt Angaben zur Ämterbesetzung, angefangen mit der Wahl des Schultheissen (winbib Ms. Fol. 27, S. 492-493). Anhand Johann Jakob GoldschmidsPerson: Abschrift aus dem 18. Jahrhundert ist eine Datierung aufgrund der Schrift nicht mehr möglich, so dass sich die Jahresangabe 1510 bei Troll 1840-1850, Bd. 5, S. 90-91, nicht verifizieren lässt. Dieser Aufzeichnung zufolge wurde zunächst der Amtsinhaber vor den versammelten Bürgern am 21. Juni, dem Albanstag, in der grossen Stube des RathausesOrt: von seinem Eid entbunden und entliess seinerseits beide RäteOrganisation: und die GemeindeOrganisation: aus ihren Eiden. Der oberste Stadtknecht fragte nacheinander den alt Schultheissen, die Mitglieder des Kleinen Organisation: und des Grossen RatsOrganisation: sowie die Bürger nach Vorschlägen für die Nachfolge. Die öffentliche Wahl fand in Abwesenheit der Kandidaten und ihrer Verwandten statt. Danach leistete die GemeindeOrganisation: dem neuen Schultheissen den obligatorischen Eid und die drei Stadtknechte übergaben ihm das Amtsinsigne, den Gerichtsstab. Zuletzt begleiteten ihn die Mitglieder des Kleinen RatsOrganisation: , die Stadtknechte, die Trompeter, die Wächter und der Stadtbote nach Hause und wurden dort bewirtet. Dieser Ablauf war vermutlich schon 1543 gängige Praxis, als Ausgaben für die Erneuerung der Ordnung der Schultheissenwahl abgerechnet wurden, da das alte Dokument unleserlich geworden war (STAW Se 27.21, S. 16), vgl. auch die Schilderung der Schultheissenwahl bei Bosshart, Chronik, S. 306. Ein Verzeichnis der Schultheissen von WinterthurOrt: ist zusammengestellt bei Ziegler 1919, S. 84-98.

Der Schultheiss galt gemäss der Ämterbeschreibung des Hans ErnstPerson: von 1692 als Oberhaupt der Stadt (winbib Ms. Fol. 264, S. 131), war aber an die Mehrheitsbeschlüsse des RatsOrganisation: gebunden (SSRQ ZH NF I/2/1 129-1). Er sass dem städtischen Gericht vor und siegelte die Urteile mit dem Gerichtssiegel (SSRQ ZH NF I/2/1 132-1). Ihm verlieh der Ratsälteste anstelle des Königs den Blutbann (SSRQ ZH NF I/2/1 101-1). War der Schultheiss abwesend, vertrat ihn sein Statthalter, ein Mitglied des Kleinen RatsOrganisation: (winbib Ms. Fol. 264, S. 132; winbib Ms. Fol. 27, S. 703). Bis in die 1430er Jahre war es üblich, dass die Bürger dem Schultheissen an Weihnachten mit Geschenken aufwarteten, während dieser an Ostern eine Fleischspeise, das sogenannte «gehaͤk», ausgab und an Feiertagen die Ratsknechte und andere Personen bewirtete. Danach wurde dieser Brauch abgeschafft und dem Schultheissen ein jährliches Gehalt aus der Stadtkasse zugewiesen (SSRQ ZH NF I/2/1 63-1). Zu den Kompetenzen des WinterthurerOrt: Schultheissen vgl. Niederhäuser 2014, S. 129-130, 139; Windler 2014, S. 63-64; Ganz 1960, S. 244-247.

Editionstext

Anno mo cccco quintoOriginaldatierung: 1.1.1405 – 31.12.1405Unterstrichen
[...]Editorisch irrelevant1

An dem naͤhsten sunnentag vor sant PetersPerson: und sant PaulsPerson: Organisation: tagOriginaldatierung: 28.6.1405
do hant die burger gemainlich ze WinterthurOrt: Organisation: Goͤtzen Schultheissen
underm Schopff
Person:
ze einem hopt und schultheissen erwelt also, daz er uff
den naͤchstku̍nftigen sant JohansPerson: tag ze sunnwendiDatum: 24.6.1406 den stab und den
gewalt uffgeben sol und daz er noch nieman ander von sinen wegen uber
dasselb schultheissen ampt in dehein wis nit fu̍ro stellen noch werben
sol, es sye denn, daz er von den burgern gemeinlichOrganisation: oder von dem merteil
der burger fu̍ro dar zuͦ erwelt werdi, alz er ôch jetz erwelt ist.2
Und
hett ôch do zestett den eid getân, den ein schultheis gewonlich
swert.3
Und enmornend an sant PetersPerson: tagDatum: 29.6.1405 do hett in min herr
von OͤsterrichOrt: ze schultheissen bestaͤtigot und hett im den ban ze
WinterthurOrt: verlihen.
[Marginalie am linken Rand von Hand des 19. Jh.:]
Schultheiß
GötzPerson:
[Marginalie am linken Rand von Hand des 19. Jh.:]
ÖsterreichischeOrganisation:
Bestätigung
& Verleihung
des Banns

Anmerkungen

    1. Es folgen zwei Einträge über die Vereinbarung mit einem Bürger betreffend Weinsteuer und über die Einsetzung eines Wächters.
    2. Götz Schultheiss unterm SchopfPerson: war der Nachfolger von Laurenz von SalPerson: , der in der Schlacht am StossOrt: zwischen den Truppen Herzog Friedrichs von ÖsterreichPerson: und den aufständischen AppenzellernOrganisation: am 17. Juni 1405 umgekommen war. GötzPerson: absolvierte zwei Amtsjahre, danach scheint er bei der Herrschaft in Ungnade gefallen zu sein und wurde angeblich ertränkt. Zu den Hintergründen vgl. Niederhäuser 2004, S. 46-48.
    3. Die Formel des Schultheisseneids ist erstmals im ältesten Eidbuch der Stadt aus den 1620er Jahren überliefert und lautet folgendermassen: «Der schultheiß soll schweren einem burgermeister und rath und dem großen rath, genant die zweyhundert, der statt ZürichOrt: Organisation: thrüw und warheit. Ouch einem schultheißen und ratheOrganisation: alhie ghorsam zesind, sin stür und umbgelt zegeͣben uff zill und tag, wie daß je im bruch ist, und kein großen rathOrganisation: haben, er sige dann zuͦvor von dem cleinen rathOrganisation: zehaben angesëhen. Deßglichen ouch keinen brieff mit der statt secret besiglen, sige dann zuͦvor von einem ersamen rathOrganisation: zuͦbesiglen erkent. Ouch die pfruͦnden und den wald beschirmen und gmeiner statt nutz fürderen und iren schaden wenden nach sinem besten vermögen.» (winbib Ms. Fol. 241, fol. 1r; wörtlich gleichlautend: STAW B 3a/10, S. 1).