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SSRQ ZH NF I/2/1 45-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, von Bettina Fürderer

Zitation: SSRQ ZH NF I/2/1 45-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Schiedsspruch im Konflikt zwischen der Gemeinde Winterthur und genannten Personen um die Aneignung von Ratsgewalt

1414 Juni 19. Winterthur

Die Räte des Herzogs von Österreich Hans von Tengen, Herr von Eglisau, Landvogt Burkhard von Mansberg und Henmann von Rinach sowie die Städteboten Hans Kron von Schaffhausen, Lienhard Meyer von Baden, Pantaleon Brunner, einst Schultheiss von Bremgarten, und Heinrich Zingg von Frauenfeld urteilen im Konflikt zwischen der Gemeinde von Winterthur und Rudolf Lochli, Heinrich Sirnacher sowie Hans Nudung von Winterthur, die gegen ihr verbrieftes Versprechen, sich nicht um einen Sitz im Rat zu bewerben, in Ratsgewalt eingesetzt worden waren, nachdem sich beide Seiten ihrem Urteil unterworfen hatten. Sie sprechen einhellig, dass sich Nudung, Lochli und Sirnacher künftig einem Rechtsentscheid der Räte und des Landvogts des Herzogs beugen sollen. Ihre verbrieften Zusagen sollen in Kraft bleiben und eingehalten werden (1). Die Gemeinde soll dem Schultheissen und Rat von Winterthur gehorsam sein und insbesondere keinen geheimen Rat aufstellen, der gegen die Herrschaft, den Schultheissen, die Ratsherren und die Stadt gerichtet ist. Sie sollen ihre Angelegenheiten nach altem Herkommen vor dem Rat oder dem Gericht austragen (2). Schultheiss und Rat sollen die Rechte der Gemeinde wahren und schirmen (3). Die innerhalb der Gemeinde eingerichteten Kassen und zunftähnlichen Zusammenkünfte sollen abgeschafft sein (4). Zuwiderhandelnde können von dem Landvogt und den Räten des Herzogs zur Rechenschaft gezogen werden (5). Diese sollen auch Differenzen infolge dieser Regelung und Unklarheiten bezüglich ihrer Auslegung klären (6). Alle sollen versöhnt sein (7). Es bleibt dem Herzog oder seinem Landvogt vorbehalten, gemeinsam mit den herzoglichen Räten auf Antrag der Stadt diese Bestimmungen zu verändern, die Winterthurer jedoch dürfen keine Änderungen vornehmen (8). Ein Exemplar dieser Regelung erhält die Stadt Winterthur, das andere die Herrschaft von Österreich. Es siegeln die Räte und der Landvogt sowie die Stadt Winterthur.

  • Signatur: StAZH C I, Nr. 3149
  • Originaldatierung: 1414 Juni 19
  • Überlieferung: Original (A 1)
  • Beschreibstoff: Pergament
  • Format B × H (cm): 50.5 × 31.5 (Plica: 7.5 cm)
  • 4 Siegel:
    1. Hans von TengenPerson: , Wachs in Schüssel, rund, angehängt an Pergamentstreifen, gut erhalten
    2. Burkhard von MansbergPerson: , Wachs in Schüssel, rund, angehängt an Pergamentstreifen, gut erhalten
    3. Henmann von RinachPerson: , Wachs in Schüssel, rund, angehängt an Pergamentstreifen, gut erhalten
    4. Stadt WinterthurOrganisation: , Wachs, rund, angehängt an Pergamentstreifen, beschädigt
  • Sprache: Deutsch
  • Regest

  • Signatur: STAW URK 491
  • Originaldatierung: 1414 Juni 19
  • Überlieferung: Original (A 2)
  • Beschreibstoff: Pergament
  • Format B × H (cm): 51.0 × 30.0 (Plica: 7.5 cm)
  • 4 Siegel:
    1. Hans von TengenPerson: , Wachs in Schüssel, rund, angehängt an Pergamentstreifen, gut erhalten
    2. Burkhard von MansbergPerson: , Wachs in Schüssel, rund, angehängt an Pergamentstreifen, gut erhalten
    3. Henmann von RinachPerson: , Wachs in Schüssel, rund, angehängt an Pergamentstreifen, gut erhalten
    4. Stadt WinterthurOrganisation: , Wachs, rund, angehängt an Pergamentstreifen, gut erhalten
  • Sprache: Deutsch
  • Signatur: StAZH B III 65, fol. 331r-332r
  • Originaldatierung: ca. 1545 – 1550 (Die Entstehungszeit ergibt sich aufgrund der Abschriften im Grundtext des Kopialbands, als Johannes Escher vom Luchs Stadtschreiber von Zürich war; mit Nachträgen des 16. und 17. Jahrhunderts.)
  • Überlieferung: Abschrift
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 23.5 × 32.5
  • Sprache: Deutsch

Der innerstädtische Konflikt reicht vermutlich zurück in die Zeit des Burgrechtsabkommens zwischen ZürichOrt: und WinterthurOrt: vom 2. September 1407 (SSRQ ZH NF I/2/1 40-1), das die WinterthurerOrganisation: auf Druck des herzoglichen Landvogts bereits am 24. März 1408 wieder aufkündigen mussten. Damals wurden Hans NudungPerson: , Heinrich SirnacherPerson: und Rudolf LochliPerson: aus dem RatOrganisation: , dem sie 1407 angehört hatten, ausgeschlossen und mussten versprechen, sich um keinen Ratssitz mehr zu bewerben. Der im Folgenden verhandelte Bruch dieser Zusage steht offenbar in Zusammenhang mit der Einsetzung eines geheimen Rats durch die Gemeinde in Opposition zu dem Schultheissen und dem Rat von WinterthurOrt: Organisation: und mit der Bildung korporativer Organisationsformen, die sich an Zünften orientierten. Zu den Hintergründen vgl. Niederhäuser 2004, S. 48-50; Ziegler 1919, S. 17-19.

Editionstext

Wir, dise nachbenempten Hanns von TengenPerson: , fry, herre ze EglisowOrt: , Burkchart von MannspergPerson: , lantvogt, Hannman von RynachPerson: , ritter, reͣte unser gnedigen herschaft von OͤsterrichOrganisation: , Hanns KronPerson: von SchaffhusenOrt: , Lienhart MeyerPerson: von BadenOrt: , Bentlin BrunnerPerson: , wylent schultheisz ze BremmgartenOrt: , und Heinrich ZinkchPerson: von FrowenfeldOrt: , derselben stetten botten, verjehen und tuͤn kunt meniclich mit disem brief:
Von der stoͤss, speͣnn, irrung, zweyung und zuͤspru̍ch wegen, so bis uff disen hu̍ttigen tag gewesen sint eins teils der gemeind ze WinterturOrt: Organisation: und des andern teils Ruͦdolffs LochlinsPerson: , Heinriches SyernachersPerson: und Hannsen NuͦdungsPerson: von WinterturOrt: ,1 die stoͤß darruͦrent, als sy wider an reͣte, gewalt und gericht gesetzt waren wider ettlicher brief sag, so sy u̍ber sich selber geben hatten, nyemermer an gewalt noch an ratOrganisation: ze kommen, darnach nicht ze stellen noch ze werben noch nyemer von iren wegen, in dhein wise, und oͧch von vil ander sach, red und stukch wegen, wie die bis her under inen uffgeloffen und ufferstanden sint, nichts ussgenommen, sol meniclich wissen, daz schulthaisse und reͣteOrganisation: , die gemeind gemeinlich rich und arm ze WinterturOrt: Organisation: und oͧch NuͦdungPerson: , LochlinPerson: und SyernacherPerson: all liplich eyde offenlich zuͤ den heiligen gesworen haben, umbezwungenlich, irs fryen muͦtes wolbedacht, gesunder sinnenIn der Vorlage: sinn, und hand uns vorgenantenIn der Vorlage: vorgen personen allen irer sachen getruwt und sint der hin uff uns kommen, wie wir sy voneinander wisen und was wir in den sachen sprechent, luter, gantz und warlich daby ze beliben by denselben iren eyden, nu und harnach ewiclich. Also haben wir uns der sachen angenommenIn der Vorlage: angenom durch nuͤtz, eer und oͧch fru̍ntschaft willen under inen ze machen umb des willen, daz unser vorgenanteIn der Vorlage: vorgen herschafft, der stat ze WinterturOrt: noch inen nicht ergers von den sachen uffstuͦnd.
[1] Und sprechen des ersten einheͣlliclich, daz die vorgenantenIn der Vorlage: vorgen NuͦdungPerson: , LochlinPerson: und SyernacherPerson: zuͦm rechten kommenIn der Vorlage: kom sollen fu̍r der egenantenIn der Vorlage: egen unser herschaft reͣte und einen lantvogt, wer der ist, wenn in darumb tag gesetzKorrigiert aus: gesetzta und verku̍ndet wirdt. Und wes sich u̍ber sy daselbs vor den allen oder dem mererteil under inen erkant wirdt, dem su̍llent sy genuͤg sin by den egenantenIn der Vorlage: egen iren eiden fu̍r all schirmung, und davon weder mit libe noch mit guͦte nicht tretten, in dhein wise. Doch daz die brief, so sy alle u̍ber sich geben hant, by iren krefften beliben su̍llen und die hinfu̍r halten.
[2] Item wir sprechent oͧch, daz hinfu̍r ein gemeind ze WinterthurOrt: Organisation: einem yeglichen schultheissen und rateOrganisation: , gegenwu̍rtigen und ku̍nftigen, daselbs su̍llen gehorsam sin und geweͣrttig, an alle uffseͣtze. Und besunder so sol die gemeindOrganisation: gemeinlich noch sunderlich hinnenfu̍r dhainen heimlichen rat nicht haben noch schaffen gehebt werden, in dhein wise, das wider unser herschaft, wider schulthaissen und reͣte und gemein stat ze WinterturOrt: Organisation: sye. Sy su̍llen ir sachen mit nammen ustragen mit recht vor einem rateOrganisation: oder gerichte, als das pillich und oͧch von alter her kommen ist. Und su̍llen oͧch daran ein benuͤgen han fu̍r all ander beku̍mbernu̍ß, ane geverde, by denselben eiden.
[3] Es su̍llen oͧch schulthaissen und reͣt ze WinterturOrt: Organisation: , wer die ye denn sint, oͧch ein gemeindeOrganisation: by recht hanthaben und schirmen, als verr sy tuͤn su̍llen und recht ist, an alle argelist.
[4] So denn als ettlich der gemeindOrganisation: ettwas bu̍chsen gehebt hant und oͧch enander zesammen vertagt und gebotten hant, als ob sy zu̍nften haben, solich nuͤw harkommenIn der Vorlage: harkom gewonheitten sprechen wir hin und ab also, daz das hinfu̍r nicht mer geschehen sol, an alle fu̍rwort.
[5] Wer oͧch, daz ein lantvogt, wer der weͣr, und oͧch unser herschaft reͣte fu̍rbaß von den sachen ichtz verneͣmen, daz einer oder mer unredlich in den sachen gefaren hetten, dem oder denen mag ein lantvogt fu̍r in und derselben miner herschaft rete fu̍rtagen, da su̍llent sy oͧch zuͦm rechten hinkommen und by recht daselbs oͧch beliben by iren eiden, ane widerrede, doch allzit unser herschaft von OͤsterrichOrganisation: an allen iren rechten unschedlich.
[6] Wir sprechen oͧch, ob hinnanhin, da vor got sye, stoͤß under inen u̍ber dise richtunge ufferstuͤnden oder ob sy gelichlich dheinen artikel nicht verstuͤnden, derselben stoͤß und sachen su̍llen sy kommen fu̍r einen lantvogt und unser herschaft rete, wer die denn sint, die su̍llent sy denn entscheiden und die stukch lu̍tern. Und wie das gelu̍tert wirdt von inen oder dem merer tail, daby sol es luterlichIn der Vorlage: luterl bestan. Erfu̍nde sich aber u̍ber kurtz oder lang, daz yeman dise sach, richtung und artikel, so dirr brief vor und nach wiset, nicht hielt und dawider getan hett, derselb pru̍chig sol der obgenantenIn der Vorlage: obgen unser herschaft lyb und guͤt verfallen sin ane genad ze geben, oder ein lantvogt, wer der ist, mag das selber nemen ane weren und vorsin meͣnliches.
[7] Und su̍llent oͧch all von WinterthurOrt: geneinander daruff verrichtet, verslichtet und anander guͤt fru̍nt sin, ane alle argelist, und anander gantz vollenkomenlich purgerlich tru̍w ze halten by den egenantenIn der Vorlage: egen iren eyden in aller wise, als ob sich nye stoͤß zwu̍schen in erhebt hetten.
[8] Wir sprechent oͧch wissentlich und bedunket uns pesser getan denn vermitten, weͣre, daz unser gnedig herschaft von OͤsterrichOrganisation: und ir reͣte oder ein lantvogt und unser herschaft reͣte hinnenfu̍r yemer bedu̍chte, daz diser brief an einem stukch oder an mer ze endern oder ze pessern weͣr, mer darin oder daruß ze tuͤn, ob des gemein stat WinterturOrt: beͣgerte yemer etcAbkürzung, dieselben su̍llen wol gewalt haben, das nach unser herschaft nuͤtz und oͧch nach gemeiner statt nuͤtz und eere ze mindern und ze meren, aber von den von WinterthurOrt: sol es ye nicht geeͣndert werden by iren vorgeschriben eyden.
Und des alles zuͤ einem waren, steͣtten, offenn urku̍nde geben wir, die obgenantenIn der Vorlage: obgen unser herschaft von OsterrichOrganisation: reͣte, der lantvogt und oͧch die botten von den stetten, diser richtungbrief zwenMenge: 2 gelich von wort ze wort geschriben denen von WinterturOrt: einen2 und den andern zuͦ unser egenantenIn der Vorlage: egen herschaft von OͤsterrichOrganisation: handen3, versigelt mit unser, der vorgenantenIn der Vorlage: vorgen reten und des lantvogts, anhangenden insigeln, ze einer zu̍gnu̍ß aller vorgeschribener dinge, doch uns und unsern erben ane schaden. Dartzuͦ haben wir oͧch gesprochen, daz die obgenantenIn der Vorlage: obgen von WinterturOrt: irer gemeiner statt insigel zuͦ den unsern oͧch offenlich gehenket hant an disen brief, sich selber ze u̍bersagen aller vorgeschribener sach. Die geben sint ze WinterthurAusstellungsort: , uff zinstag nechst vor sant JohannsPerson: tag ze su̍ngichten des jares, da man zalte von gots gepu̍rde vyertzehenhundert jar und darnach in dem viertzehenden jareOriginaldatierung: 19.6.1414.

[fol. v]Seitenumbruch
[Vermerk auf der Rückseite von Hand des 16. Jh.:] 1414Datum: 1414, Vertrag zwuschent denen von WinterthurOrt: , irs regiments halb
[Vermerk auf der Rückseite von Hand des 18. Jh.:] Ingroßiert

Anmerkungen

  1. Korrigiert aus: gesetzt.
  1. Der Anlassbrief vom 18. Oktober 1413 führt neben LochliPerson: , NudungPerson: und SirnacherPerson: noch Hans BalberPerson: auf (Thommen, Urkunden, Bd. 3, Nr. 39). Ein undatierter Entwurf des Anlassbriefs nennt als Vertragspartner den Schultheissen und Rat von WinterthurOrganisation: einerseits und die GemeindeOrganisation: sowie SirnacherPerson: , NudungPerson: , LochliPerson: , BalberPerson: und Hans von SalPerson: andererseits, wobei als Parteien Schultheiss und RatOrganisation: gegenüber der GemeindeOrganisation: , die GemeindeOrganisation: gegenüber den vier (verbessert aus: drei) zuvor genannten Personen, SirnacherPerson: , NudungPerson: , LochliPerson: und BalberPerson: , sowie Hans von SalPerson: gegenüber Hans BalberPerson: auftreten (STAW URK 484).
  2. Die Ausfertigung der Stadt WinterthurOrt: ist von anderer Hand geschrieben und weist geringfügige, vorwiegend syntaktische Abweichungen auf (STAW URK 491).
  3. Die Ausfertigung für den Herzog von ÖsterreichPerson: gelangte in den Besitz der Stadt ZürichOrt: .