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SSRQ ZH NF I/2/1 75-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, von Bettina Fürderer

Zitation: SSRQ ZH NF I/2/1 75-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Vereinbarung zwischen der Stadt Winterthur und den Geistlichen über deren Pflichten in Notsituationen

ca. 1443 – 1446.

Schultheiss und Rat von Winterthur treffen mit den einheimischen und auswärtigen Geistlichen, die sich derzeit in der Stadt aufhalten, folgende Vereinbarung: Sobald Feuer in der Stadt gemeldet wird, sollen sich die Geistlichen nach Kräften an der Brandbekämpfung beteiligen, für die eine Truppe unter der Leitung von Konrad Reinbolt und Stefan Altenburg aufgestellt worden ist (1). Wird ein feindlicher Angriff gemeldet, sollen sich die Geistlichen sofort in ihre Trinkstube, die Herrenstube, begeben und dort auf weitere Anweisungen warten. Ihre Einsätze beschränken sich auf das Gebiet innerhalb der Stadtmauern und des Burggrabens (2). Bei einer Belagerung der Stadt sollen sie sich auf der Herrenstube bereithalten. In Notlagen sollen sie zusammen mit den Bürgern Tag und Nacht Wachdienst leisten und tun, was erforderlich ist (3). Wenn sie bei dieser Gelegenheit, während der Versammlung oder der Wache Feuer bemerken, sollen sie sofort bei der Bekämpfung des Brands helfen (4).

  • Signatur: STAW URK 841
  • Originaldatierung: ca. 1443 – 1446 (Der Schreiber amtiert in diesem Zeitraum.)
  • Überlieferung: Aufzeichnung (Doppelblatt)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 22.0 × 31.0
  • Sprache: Deutsch

Nach kanonischem Recht waren Geistliche von weltlichen Steuern und Diensten befreit (privilegium immunitatis), daher bedurfte es einer besonderen Vereinbarung, um den Klerus zu Wachdiensten und zur Brandbekämpfung aufzubieten. Zu den Bemühungen der Städte, Bürgerpflichten auch auf die Geistlichen auszudehnen, vgl. Isenmann 2012, S. 152-153, 616-619; Gilomen 2002a, S. 160-163; Moeller 1972, S. 196, 200-202, 217-218.

Der Hand des Schreibers dieser Ordnung lassen sich Einträge im ältesten WinterthurerOrt: Ratsbuch (STAW B 2/1) aus den Jahren 1443 bis 1446 zuweisen. Damals war die Stadt in die Auseinandersetzungen zwischen ZürichOrt: , das von den HabsburgernOrganisation: unterstützt wurde, und SchwyzOrt: und anderen eidgenössischen OrtenOrganisation: involviert (HLS, Alter Zürichkrieg). Gegnerische Truppen zogen wiederholt bis in die Umgebung der Stadt, die WinterthurerOrganisation: erlitten bei Auszügen selbst Verluste. Zu den Ereignissen vgl. Niederhäuser 2006a.

Editionstext

Min herren, die hoptlu̍t, schultheisIn der Vorlage: schulths und raͤtOrganisation: , so denn jetzo in disen kriegen dazuͦ gegeben, geordnott und gesetztt, sint mit den erwirdigen herren der priesterschafftt, so denn jetzo ze WintterthurOrt: inne ligent, si syent froͤmd oder heymsch, einer ordnung in soͤlichen u̍nsern und iren anligenden noͤten und sachen u̍berkomen in masen, als her naͧch geschriben staͧt etcAbkürzung.

[1] Des ersten, als dieselben hopttlu̍t, schultheisIn der Vorlage: schulths und raͤtOrganisation: , ettwevil knecht zuͦ dem fu̍r, ob jendertt fu̍r in der statt ufferstuͤndi, das gott durch sin gnaͧd allweg wend, geordnett und inen dazuͦ zuͦ hopttlu̍tten namlich Cuͦnratten ReynbolttPerson: und Steffan AltenburgPerson: gegeben, hant min herren obgenant angesechen, so bald das fu̍r vermeͣldett wirtt, es sye mit dem sturm oder mit geschrey,1 das denn dieselben herren von der pryesterschafftt alle ze stett zuͦ dem fu̍r aͧn alles mittell keren und da ir bestes und gantz vermugen mit samptt den obgeruͤrten erbern lu̍ten, so denn oͧch dazuͦ gegeben und geordnott sint, tuͦn sont, da mit soͤlicher schad und kumber verkomen werdi, jederman naͧch siner fromkeytt und eren und sinem besten vermugen, getru̍wlich und ungevarlich etcAbkürzung.

[S. 2]Seitenumbruch

[2] Von der vyent wegen, die u̍ns doch u̍nser vaͤttlich erb, u̍nser er, lib und guͦt wider goͤttliche und sust wider alle billiche und geliche recht understaͤndt ze nemmen und ze vertriben, hant aber min herren obgenant angesechen, wenn ein geschrey keͣme, es weri mit dem sturrmm, sust mit andern verku̍nndten oder bezeichnoten sachen oder mit einem geschrey, das denn die obgeschriben pryesterschaftt gantz von stunden an zuͦ sament in ir trinckstuben, namlich der herren stubenOrganisation: ,2 keren und sich nyemant sumen sol. Und sont also da bi eynandern beliben und erwartten, was man denn fu̍ro mit inen verschaffett oder wo hin man sie ordnett, sont si aber inwendig u̍nsern burggraben und muren gehorsam sin. Und sont da ir bestes tuͦn mit der wer und hilf, wes man si denn bescheydtt, jederman naͧch sinen statten und besten vermugen, getru̍wlich und ungevarlich etcAbkürzung.

[3] Waͤre oͧch, das man sich fu̍r u̍nser statt leͣgrotti mit einem besaͤs, so sont si allweg doch zuͦ ziten, naͧch dem und denn ir staͧt ein gestalt haͧt, ungevarlich, [S. 3]Seitenumbruch in der obgenantenIn der Vorlage: obgntn ir stuben vinden laͧssen. Es weri denn, das die nott als gros und als sorgsam weri, so wurdint si mit u̍ns und wir mit inen tagZeitspanne: tags und nachtZeitspanne: nachts gespannen staͧn wachen und lieb und leyd liden, naͧch dem und es sich denn je gepu̍ren oder eyschen wurdi. Und sol dar inne allweg nyemantz gefaͧrett werden etcAbkürzung.

[4] Doch allweg mit lutern fu̍rwortten her inne ussbescheiden, wenn fu̍r uffgaͧt und si des gewar werdent in maͧßen, als ob staͧt, si syent bi eynandern versamnott oder nit, oder ob si joch denn ze maͧl uff muren oder an wer geordnott waͤrint, so sont si ze stett von allen sachen laͧssen und zuͦ dem fu̍r keren, es sye tagsZeitspanne: tags oder nachtesZeitspanne: nachts, und da ir hilff tuͦn mit der begrifung, als ob geschriben statt, alles ungevarlich etcAbkürzung.

[S. 4]Seitenumbruch

[...]Editorisch irrelevant3

[Vermerk unterhalb der Zeile von Hand des 18. Jh.:] Ordonnanz für die priesterschafft alhier in den kriegsläufften, in circaIn der Vorlage: ca anno 1444Datum: 1444

Anmerkungen

    1. Zur Alarmierung bei Feuer und Krieg vgl. die Feuerordnung von 1550 (SSRQ ZH NF I/2/1 300-1).
    2. Die HerrenstubeOrganisation: war die Trinkstube, die dem Adel, dem Klerus und städtischen Honoratioren vorbehalten war, vgl. SSRQ ZH NF I/2/1 77-1.
    3. Es folgen Notizen über die Einziehung von Steuern und Bussgeldern von der Hand eines Schreibers, der seit 1447 in WinterthurOrt: tätig war.