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SSRQ SG III/4 194-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, XIV. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons St. Gallen, Dritter Teil: Die Landschaften und Landstädte, Band 4: Die Rechtsquellen der Region Werdenberg: Grafschaft Werdenberg und Herrschaft Wartau, Freiherrschaft Sax-Forstegg und Herrschaft Hohensax-Gams, von Sibylle Malamud

Zitation: SSRQ SG III/4 194-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Erkenntnis von Glarus über vier Beschwerdepunkte der Einwohnerschaft von Werdenberg («Freiheitsbrief»)

1667 Januar 17 a. S.

Landammann und Rat von Glarus ergänzen die Rechtsordnung in Werdenberg, nachdem Landeshauptmann Mathias Forrer und Säckelmeister Christian Müntener mit Beistand der beiden Landvögte Johann Peter Elmer und Kaspar Iseli vor ihnen erschienen sind und sich beklagt hatten, dass künftig die Landvögte weder Pferde noch Vieh auf der Allmend weiden lassen und kein Holz aus dem Bannwald und den Rheinauen schlagen dürfen. Zuzüger aus Glarus haben bei der jeweiligen Gemeinde ein Gesuch um Aufnahme zu stellen. Wer solche Leute wider Erlaubnis der Gemeinde beherbergt, soll allenfalls für deren Schulden aufkommen. Bezüglich Festlegung von Atzungs- und anderen Nutzungsrechten soll jede Gemeinde freie Hand haben.

  • Signatur: LAGL AG III.2421:002
  • Originaldatierung: 1667 Januar 17 a. S.
  • Überlieferung: Original
  • Erhaltungszustand: kassiert
  • Beschreibstoff: Pergament
  • Format B × H (cm): 60.0 × 48.5 (Plica: 5.5 cm)
  • 1 Siegel:
    1. GlarusOrganisation: , angehängt an Pergamentstreifen, fehlt
  • Sprache: Deutsch
  • Schreiber: Johann Melchior MüllerPerson: , Landschreiber
  • Regesten

  • Signatur: StAZH A 247.8.1, Nr. 4
  • Originaldatierung: ca. 1719 – 1722
  • Überlieferung: Abschrift (2 Doppelblätter)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Sprache: Deutsch
  • Signatur: StASG AA 3 A 1b-11
  • Originaldatierung: 1888 Februar 28
  • Überlieferung: Abschrift (Doppelblatt)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Sprache: Deutsch
  • Schreiber: Ed. Schindler, Archivar von Glarus

Die Urkunde besitzt den gängigen Namen «FreiheitsbriefBegriff: » (so z. B. bei Senn, Chronik, S. 161 oder Beusch 1918, S. 28), der jedoch irreführend ist, da die GlarnerOrganisation: Erkenntnis durch die Regelung der Kompetenzen eines LandvogtsBegriff: in erster Linie die GemeindenBegriff: und Bewohner von WerdenbergOrganisation: vor Übergriffen der Landvögte schützt. Zudem werden Missstände, die sich durch den Zuzug von Glarnern für die Werdenberger Gemeinden ergeben haben, aufgehoben. Die Gemeinden erhalten nicht erst mit dieser Urkunde das Recht, eigene Ordnungen über ihre Allmenden, Alpen und gemeinen Nutzungen zu erstellen, wie dies in der Literatur suggeriert wird (Beusch 1918, S. 28 oder Winteler 1923, S. 51). So erneuert SevelenOrganisation: 1653Datum: 1653 ihren bereits früher erstellten LegibriefBegriff: selbstständig, doch mit Wissen des Landvogts (SSRQ SG III/4 184-1). Vielmehr reiht sich dieser «Freiheitsbrief» nahtlos in die weiteren Reformen der Glarner in WerdenbergOrt: zu jener Zeit ein, die versuchen, den diversen Missständen in der Verwaltung und den AmtsmissbräuchenBegriff: oder Einmischungen der Landvögte zugunsten der Einwohner entgegenzuwirken (SSRQ SG III/4 181-1; SSRQ SG III/4 185-1).

Die Urkunde spielt im Werdenberger LandhandelBegriff: zusammen mit anderen Dokumenten eine wichtige Rolle und wurde im Zuge dieser Auseinandersetzung kassiert (siehe dazu ausführlich SSRQ SG III/4 216-1).

Editionstext


Wir, landtamman unnd gantz gesessner ratth zuo GlarußOrganisation: , urkhunden
unnd bekhennend hiemitt dißren brieff, daß auff hütt zuo endtgesetzten dattums vor unß kommen und erschinnen die frommen, ehrenevesten landtshauptmanBegriff: Mathias ForerPerson: , so danne seckhellmeisterBegriff: Christen MündtenerPerson: alß ußgeschoßne von unnßeren lieben unnd gethreüwen der graffschafft WerdenbergOrganisation: unnd mit bystandt
herren landtvogt Johann Peter EllmerPerson: unnd herren landtvogt Caspar IßelisPerson: in unnderthänigkheit mit bezimmendem respect nachvolgende vier puncten anbringen laßen:
Erstlich, daß
jetz bey etwelchen jahren haro ervolgt unnd geschächen, daß unnßer zue WerdenbergOrt: regierende landtvögt roßBegriff: unnd anderß vichBegriff: etcAbkürzung uff die gemein trattenBegriff: getriben.
Zum anderen
haben sey auch zuo zeiten ohngefragt unnd erlaubt der gmeinden holtzBegriff: inn ban welderenBegriff: unnd in den auwenBegriff: hauwen unndt hinweg nemmen laßen.
Drittens ziechen mithin leüth
uß unnßerem landt inn die graffschafft WerdenbergOrt: , laßen sich ohnbegrüöst unnd begönstigett der gmeinden haußhäblichBegriff: nider. Ja, dan auch den inzugBegriff: oder daß sitzgeltBegriff:
unnd inn andere weeg eineß hindersäßenBegriff: schuldigkheit zue erstatten sich widersezen, mit vermelden, weill sey, von GlarußOrt: , sey befuogsamme haben, ohnbefragt sich daselbsten hinzuosezen
unnd habe man ihnen nichtBeschädigung durch Faltas zuozuomuothen. Item eß sige auch diße beschwärlikheit mit erloffen, daß vor demme ein oder die andere inn der gemeinden persohnen, welche ohnne gesuochte
unnd gehabte erlaubnuß inn ein gemeindtBegriff: gezogen, beherbergetBegriff: , die dan schuldenBegriff: gemacht, so volgendts abzuostatten etwan uff die gmeinden gewachßen. Haben alßo inn angelegenlichen nachdenckhen nothwendig befunden, daß geordnet werde, daß, wan inen daß künfftig der gestalten einem oder dem anderen inn den gmeinden unnderschlauffBegriff: gegeben werde unnd solche ehrliche leüth
ansetzen theten, die, so seye beherberget, solche schulden ohne zuo thuon der gmeinden abstatten solten. Unnd sithomahllen dißere ding den gmeinden hoch beschwarlich, altem harkhommen, ihrenn
freyheiten unnd rächtsammenen entgegen, ja, ihnen schädlich unnd nachtheillig, seye nit umbgehen können unnd deßen nit allein inn unnderthänigkheit berichten, sonderen auch inn höchster angelegenheit pitten zuo laßen, wie hiemit beschäche, hierein hoch oberkheitliche remedierungBegriff: zuothuon, solche ingerißne beschwärlikheiten abzuoschaffen unnd zuomahlln sey bey altem harkhommen, freyheiten unnd rächtsammenen vätterlich zuo manutenierenBegriff: unnd zuo schirmen.
Viertenß, dan beschäche auch, daß wan die ein oder andere gmeindtBegriff: der gmeinen atzungenBegriff: oder
anderer sachen halb guot unnd nutzliche unnd zuo mahllen billiche ordnungenBegriff: unnder einem landtvogtBegriff: machen, selbige doch nit lenger bestandt haben, alß biß selbiger landtvogt abreyte unnd ein anderer khomme. Dan allwegen alß dan leüth den neüwen landtvögten nach lauffen unnd nit nachlaßen, biß sey ein zerrüttung zue wegen bringen, dardurch sye in ohnnordnung unnd cösten gestürzt werden. Hie mit auch ihr unnderthänige pitt seige, wyr wollen die könfftig vorsechung thuon, daß, wan fürohin ein oder die andere gmeindt ihrer nutzbarkheiten halber ordnungen stellen unnd machen, bey denen sey sich wohll befinden, selbige beharlichen bstandt haben unnd sey ein landtvogt nit zur verenderung richten, sonderen
einfaltig den gmeinden überlaßen solle, solche zuobehalten unnd ihrem guotbedunckhen nach zuo disponieren.
Wan dann wyr dißere articull unnd die gantze bewantnuß reyfflich erdauret unnd erwogen, wyr befunden, gesagt der unnßeren der graffschafft WerdenbergOrganisation: pitten unnd begehren nit wider die billigkheit. Inn ansehung, auch in dem oberkheitlichen urberBegriff:
ordenlich von stuckh zuo stuckh specificiert, waß unnßeren landtvögtenBegriff: zuo WerdenbergOrt: zuo genießen stande, aber nit darinnen begriffen, daß sye befuogsamme haben, sich der gmeinen trattenBegriff: einicher gestalten weder mit roßenBegriff: noch anderem vichBegriff: genoß zuo machen oder bränHinzufügung oberhalb der ZeilebholtzBegriff: inn banwelderenBegriff: unnd auwenBegriff: hauwen unnd hinweg nemmen zuo laßenn.
Deßetwegen wir unnßer erkhantnuß dahin gerichtet unnd wolle geredte, unnßer angehörige der graffschafft WerdenbergOrt: bey ihren rächtsammenen unnd freyheiten hoch oberkheitlich
schirmen.
Inn mäßen zuo künfftigen zeiten unnßere landtvögtBegriff: daselbsten weder roßBegriff: , rinderBegriff: noch schmahllvichBegriff: uff die gmeinen trattenBegriff: nit zuotreiben, auch einicher gattung holtzBegriff: inn
denn banwelderenBegriff: unnd auwenBegriff: zuo hauwen unnd hinweg zuo nemmen sich unnderfanBeschädigung durch Faltcgen, sondern die unnderthonen deß orthß ohne beschwertBeschädigung durch Faltd laßen sollen.
Drittenß, die jenige betreffend,
so uß unnßerem landt inn die graffschafft WerdenbergOrt: ziechen unnd daselbsten wohnen wolten, solle einiche person uß unnßerem landt deßen e–einigeßKorrektur überschrieben, ersetzt: ewigerßfTextvariante in StAZH A 247.8.1, Nr. 4: eigenes–e gewaltß befüögt sein,
inn betrachtung, eß dem harkhommen unnd die befuogsamme zuowider. Sonderen wan jemandt begehrte unnd lust haben thete, in ein oder die anndere gemeindt daselbsten zuozüchen,
selbige ein gmeindtBegriff: darumb begrüößen unnd anhalten sollen, da dan bey der gmeindt belieben, willkhur unnd erkhantnuß stohn solle, einen anzuonemmen oder abzuowyßen.
Unnd waß seye deß orths erkhennen, darbey soll eß gentzlicheß verbleiben haben. Demnach, wan leüth inn ein oder der anderen gmeindt zuochin ziechenden personen, denen ein gemeindt
den bey oder hindersitzBegriff: nit erlaubt, beherbergen thete unnd selbige ehrliche leüth ansezen unnd nit zallen wurden, alß dan die jenigen, so ihnen unnderschlauffBegriff: gegeben, ohne zuothuon der gmeinden
selbige schuldenBegriff: abzuostatten unnd zuebezallen sollen verpflichtet unnd schuldig sein.
Anbelangende den letsten puncten, solle jeder gmeindt heim geben sein, ihrer atzungenBegriff: unnd gmeine nutzungenBegriff:
halber ordnungenBegriff: mit einanderen zuostellen unnd anzuonemmen, wie sey finden, eß billich unnd im nutzlichist besten seye unnd so lang solche zuobehalten, alß es ihnen gefallen wirt unnd sey sich
wohll darbey befinden. Unnd sollen unnßere landtvögt ihnen einichen anlaß oder antrib zur zerreütung unnd verenderung nit thuon, sonderen hierein den gemeinden die dispositionn
gentzlichen überlaßen.1
Inn krafft unnd zuo wahrem urkhunndt deßen, haben wyr unnßers landt secret insigell, doch unnß ann unnßeren hochheit, rächten unnd gerächtigkheiten inn allweg ohne nachtheill unnd schaden, mit der heiteren erleüterung, so lang daß sey, dißere unnßere gnadt nit miß brauchen, offentlich henckhen laßen ann dißeren brieff, der geben donstags, den 17. tag januarii anno 1667Originaldatierung: 17.1.1667 ().
[Kanzleivermerk unter der Plica:]
Johann Melchior MüllerPerson: ,
landtschriber daßelbsten

Anmerkungen

  1. Beschädigung durch Falt.
  2. Hinzufügung oberhalb der Zeile.
  3. Beschädigung durch Falt.
  4. Beschädigung durch Falt.
  5. Textvariante in StAZH A 247.8.1, Nr. 4: eigenes.
  6. Korrektur überschrieben, ersetzt: ewigerß.
  1. In der RemedurBegriff: von 1725Datum: 1725 wird dieses Recht der Gemeinden deutlich eingeschränkt, vgl. SSRQ SG III/4 216-1, Art.  5.