SSRQ ZH NF II/11 119-1
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft. Band 11: Die Obervogteien um die Stadt Zürich, by Ariane Huber Hernández and Michael Nadig
Citation: SSRQ ZH NF II/11 119-1
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Klage wegen Einmischung des Stadtgerichts von Zürich in einem Konkurs in Wiedikon
1647 November 17.
Metadata
- Shelfmark: StAZH A 154, Nr. 52
- Date of origin: 1647 November 17 (Vor dem 17. November 1647 aufgrund des Nachtrags) Transmission: Entwurf (Doppelblatt)
- Substrate: Papier
- Format h × w (cm): 21.5 × 34.0
- Language: German
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Das StadtgerichtOrganisation: im engeren Sinn entwickelte sich aus dem Schultheissengericht und verdrängte mit der Zeit das Gericht des Reichvogts. Im Kern umfasste der Bezirk des StadtgerichtsOrganisation: die ummauerte Stadt, daneben aber unter anderem auch HottingenPlace: , OberstrassPlace: und UnterstrassPlace: , die vermutlich im Zusammenhang mit der Reichsvogtei an die Stadt kamen, sowie seit 1586 auch WipkingenPlace: (SSRQ ZH NF II/11 99-1). Nach der Reformation wurden die Gerichte des FraumünstersOrganisation: in SeebachPlace: und die Gerichte des GrossmünstersOrganisation: in SchwamendingenPlace: , FlunternPlace: und AlbisriedenPlace: dem StadtgerichtOrganisation: angegliedert (vgl. SSRQ ZH NF II/11 53-1). Nicht ausdrücklich erwähnt, aber vermutlich gleichzeitig mit dem StadtgerichtOrganisation: vereinigt wurden die Gerichte von OerlikonPlace: und OberhausenPlace: (Bauhofer 1943a, S. 84, 141-144).
Neben diesem StadtgerichtOrganisation: im engeren Sinn entstand ab der Mitte des 14. Jahrhunderts das VogteigerichtOrganisation: im neueren Sinn (im Gegensatz zum Gericht des Reichsvogts als Vogteigericht im älteren Sinn), das auch als Montag-, Vogt- oder Stangengericht bezeichnet wurde. Diesem gehörten vor allem die Obervogtei KüsnachtPlace: mit den Gemeinden KüsnachtPlace: , HerrlibergPlace: , ZollikonPlace: , HirslandenPlace: und RiesbachPlace: sowie die Obervogtei EngePlace: und WollishofenPlace: an. StadtgerichtOrganisation: und VogteigerichtOrganisation: unterschieden sich hauptsächlich durch den Vorsitz des Gerichts, der für das StadtgerichtOrganisation: beim Schultheissen, für das VogteigerichtOrganisation: jedoch bei den Obervögten der jeweiligen Vogtei lag (Bauhofer 1940, S. 31; Bauhofer 1943a, S. 72-77, 146-150). Ursprünglich hatte das StadtgerichtOrganisation: über Schuldsachen und Fahrhabe zu urteilen. Im 13. und 14. Jh. dehnte sich die sachliche Zuständigkeit unter Zurückdrängung des Reichsvogts auch auf Grundeigentum, Erbschaft und Freiheit aus, später verlor es einen Teil dieser Kompetenzen jedoch wieder an den ZürcherPlace: RatOrganisation: . Die Grenzen zwischen der Zuständigkeit des RatsOrganisation: und jener des StadtgerichtsOrganisation: blieben jedoch lange schwankend. In den zum Stadt- und VogteigerichtOrganisation: gehörenden Vogteien war die Zuständigkeit ebenfalls zwischen dem StadtgerichtOrganisation: und den jeweiligen Obervögten getrennt. Vor das StadtgerichtOrganisation: gehörten Schuld- und Konkurssachen sowie Prozesse um Fahrhabe. Über die meisten anderen Streitigkeiten hatten die Obervögte zu urteilen (Bauhofer 1940, S. 32; Bauhofer 1943a, S. 152-153, 178-179).
Als einzige der direkt an die Stadt angrenzenden Gemeinden war WiedikonPlace: nicht dem Stadtgericht unterstellt, sondern verfügte – wie HönggPlace: oder bis 1586 WipkingenPlace: – über ein eigenes Gericht (vgl. Etter 1987, S. 174; SSRQ ZH NF II/11 39-1; zu HönggPlace: vgl. SSRQ ZH NF II/11 64-1; SSRQ ZH NF II/11, Nr. 87; Stutz, Meiergerichtsurteile). Als Hans ZurlindenPerson: , dem die Forderung nach Schadenersatz für die aufgewendete Arbeit, das Saatgut und den Dünger vom Gericht von WiedikonPlace: abgeschlagen worden war, sich an das StadtgerichtOrganisation: wandte, beklagte sich das Wiedikoner Gericht mit dem vorliegenden Schreiben beim RatOrganisation: und erklärte, dass allein der RatOrganisation: Appellationsinstanz des Gerichts von WiedikonPlace: sei. Das StadtgerichtOrganisation: hingegen rechtfertigte sich damit, dass die beklagte Frau MeierPerson: eine Stadtbürgerin sei, zudem handle es sich bei diesem Fall nicht um einen gewöhnlichen Konkursfall, da ZurlindenPerson: nicht durch eigenes Verschulden, sondern durch die betrügerische mehrfache Belastung und Verpfändung des Guts durch Bartholomäus WeberPerson: in diese Lage geraten sei. Auch das StadtgerichtOrganisation: bat den RatOrganisation: um den Schutz seiner Rechte (StAZH A 154, Nr. 56). Der RatOrganisation: entschied am 17. November 1647, die Schadenersatzforderung des ZurlindenPerson: vor das Gericht von WiedikonPlace: zu weisen und bestätigte, dass er selbst die Appellationsinstanz dieses Gerichts sei (StAZH B II 460, S. 72-73; StArZH VI.WD.A.3.:12). Am 6. Dezember 1647 entschied er, dass die Sache appellationsweise vor den RatOrganisation: kommen solle (StAZH B II 460, S. 79-80) und am 8. Dezember wurde entschieden, dass, weil ZurlindenPerson: und die MeierinPerson: beide betrogen worden seien, es aber nicht gerecht wäre, dass ZurlindenPerson: die Saat, die er anderweitig brauchen oder verpfänden hätte können, und den Mist einfach verliert (zumal der künftige Besitzer davon auch profitiert), er die Frucht und Streu von diesem Jahr erhalten solle, dazu drei Gulden. Ausserdem wurde der Sohn der MeierinPerson: mit 15 Pfund gebüsst, weil er ZurlindensPerson: Ehefrau bedroht hatte (StAZH B II 460, S. 81-82).
1739 musste der RatOrganisation: erneut über eine Jurisdiktionsstreitigkeit zwischen den Obervögten von WiedikonPlace: und dem StadtgerichtOrganisation: befinden (SSRQ ZH NF II/11, Nr. 155). Zum StadtgerichtOrganisation: vgl. Bauhofer 1940; Bauhofer 1943a.
Edition Text
Herr burgermeister.
Hochgeachte, woledel, gestreng, from-vest, fürsichtig, ehrsam und wol wyße, insonders hochehrende gnedige lieb herren und oberen.
Wann nun er, Hanß zur LindenPerson: , vorbemelten und, wieAddition above the linec man achtet, nach gebürenden gwonlichen uffals rechten geschechnen ußspruchs sich zuͦbeschweren zehaben vermeinen wollen, ist ihme frey gestanden, die sach gebürender massen [p. 3]Page break appellations wyß für üch, unser gnedig, hochehrend, lieb herren und oberen, zezüchen. Daß er aber die sach ohnbefuͤgter wyß für ein ehrsam stattgrichtOrganisation: und hiemit widerumb für ein ander gricht gezogen, das stattgricht auch sich dessen ohnbefuͤgtt angemasset, da man aber verhofft, dasselbe die sach der gebür und rechten nach widerumb an das orth gewißen hette, allwo sy angehebt geweßen und dahin sy gehört, thuͦt unß dasselbe hiemit zum höchsten beschweren und die ohnumbgängliche ursach geben, üch, unßeren gnedigen, hochehrenden, lieben herren und oberen, solchesAddition on the left margind inn underthänigkeit fürzetragen und darby gantz underthenigen, deemüttigen und höchsten flysses ze pitten, glych, wie sy biß anhero ihre gethrüwen angehörigen by ihren alten hargebrachten und bestettigten rechten und freyheitten jederwylen gnedig geschirmbt, sy also ein gmeind und gricht WiettickenPlace: Organisation: (welliches niemalen kein andere appellation gehabt als an üch, unßer gnedig herren und oberen) by solch alt hargebrachten rechten und freyheitten auch fehrner gnedig zuͦerhalten und zeschirmen, gnedig geruͦhen; und nit zuͦgeben noch gestatten wellind, daß, was an dißerm gricht geweßen und dahin gehört, an ein ander gricht als an üch, hochermelt, unßer gnedig herren und oberen, möge gezogen werden, wie wir ohnzwyffenlichen verhoffens sind, gnedig beschechen werde, wirt ein solches unß ein trib geben, unßere schuldigkeiten gegen üwer gnadenIn the original: g, glych wie bißhar verhoffenlich zuͦ dero gnedigem gefallen und benuͤgen beschechen, umb sovil frölicher zuͦ allen und jeden zythen und occasionenFont change mit unßeren müglichsten diensten unß gantz underthänigen und höchsten flysses willigist bereitet zehalten und zuͦerstatten.
Den allmächtigen gott und höchsten regenten aller dingen darby gantz ynbrünstig pittende, daß er üch, unßer gnedig, hochehrend, lieb herren und oberen, inn beständiger glücklicher regierung und aller lybs und der seelen wolfahrt gnediglichen erhalten wolle. Zuͦ dero gnaden und gunsten wir unß damit underthänigist befelchen thuͦnd.
Üwer unßerer gnedigen, hochehrenden, lieben herren und oberen gantz underthänige
obervogt,
undervogt und gantzes gricht zuͦ WiettickenPlace:
Regest