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SSRQ ZH NF II/11 60-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft. Band 11: Die Obervogteien um die Stadt Zürich, von Ariane Huber Hernández und Michael Nadig

Zitation: SSRQ ZH NF II/11 60-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Entscheid von Bürgermeister und beiden Räten von Zürich über die Rechtsstellung der Einwohner innerhalb der Stadtkreuze

1538 Februar 20.

Bürgermeister und beide Räte von Zürich entscheiden in einem Konflikt zwischen mehreren Personen, die innerhalb der Stadtkreuze, jedoch auf dem Boden der Wachten Oberstrass, Fluntern und Hottingen wohnen, und den Anwälten der Wacht Oberstrass. Die Vertreter von Oberstrass sind der Meinung, dass die genannten Männer, die bei ihnen weidegenössig sind, auch in der Wacht die Steuern zu bezahlen und Wach- und Kriegsdienst zu leisten haben, wie dies ein älteres Urteil festhalte. Die Gegenpartei ist jedoch der Ansicht, dass sie nicht den Bewohnern in den Wachten ausserhalb der Kreuze gleichzusetzen, sondern wie Stadtbürger zu behandeln seien. So dürfen sie sich in eine Zunft einkaufen und in den Rat aufgenommen werden, weiter verwenden sie das städtische Mass und entrichten Steuern, weshalb sie ihren Pflichten innerhalb der Zünfte nachkommen dürfen. Bürgermeister und beide Räte von Zürich entscheiden zugunsten der Gegenpartei: Sind Bewohner innerhalb der Kreuze Bürger und gehören einer Zunft oder der Konstaffel an oder beabsichtigen, diese Erfordernisse bald zu erfüllen, sollen sie ihren steuerlichen und militärischen Pflichten innerhalb der Zünfte nachkommen und von Forderungen der Wachten unbehelligt bleiben. Die Aussteller siegeln mit dem Sekretsiegel.

  • Signatur: StArZH VI.OS.A.1.:1
  • Originaldatierung: 1538 Februar 20
  • Überlieferung: Original
  • Beschreibstoff: Pergament
  • Format B × H (cm): 40.5 × 26.0 (Plica: 7.0 cm)
  • 1 Siegel:
    1. Stadt ZürichPerson: , Wachs, rund, angehängt an Pergamentstreifen, abgeschliffen
  • Sprache: Deutsch

Die innerhalb der Kreuze wohnhaften Handwerker unterlagen dem Zunftzwang. Die Mitgliedschaft in einer Zunft war ausserdem Voraussetzung für den Erwerb des Bürgerrechts. Die Standorte der Stadtkreuze wurden von der Obrigkeit kontrolliert und im Verlaufe der Zeit nach aussen versetzt, womit der Zunftzwang auf die dort lebenden Handwerker ausgedehnt wurde. Mit den Stadtkreuzen wuchs das Stadtgebiet gewissermassen über die Stadtmauern hinaus auf das Gebiet der Ausgemeinden, was zu Konflikten führte (StAZH A 93.2, Nr. 1; Edition: QZZG, Bd. 1, Nr. 149; StAZH A 93.2, Nr. 2; Teiledition: QZZG, Bd. 1, Nr. 312; StAZH A 93.2, Nr. 3; Edition: QZZG, Bd. 1, Nr. 182; StAZH B VI 221, fol. 371r-373r; Brühlmeier/Frei 2005, Bd. 1, S. 132-133). Zum Standort der einzelnen Kreuze und dem zünftischen Einfluss auf dem Gebiet zwischen Stadtmauern und Stadtkreuzen vgl. Brühlmeier/Frei 2005, Bd. 1, S. 131-138.

Die Pflichten der Bewohner vor den Stadttoren waren auch schon früher reglementiert worden (SSRQ ZH NF II/11 18-1; SSRQ ZH NF II/11 41-1).

Editionstext


Wir, burgermeyster unnd rath unnd der groß rath, so man nempt die zweyhundert, der statt ZurichOrt: Organisation: , thund kundt mengklichem mit disem
brief, das für unns zuͦ recht kommen sind der unnseren ab der Oberen StraaßOrt: vor unnserem thor vollmachtig anwalt unnd machtbotten eyns, sodenn
die unnseren Hanns von WylPerson: , Jacob SprüngliPerson: , Jacob ZymmermanPerson: , Hensi SeeholtzerPerson: , Marx SprüngliPerson: , [Uͦli]Beschädigung durch verblasste Tinte, ergänzt nach StArZH VI.EN.LB.A.4.:22a SprüngliPerson: , Wilhelm KeyserPerson: , Hanns HollenwegPerson: ,
Conradt FletschlerPerson: , Hanns TälligkenPerson: , Mathys KramerPerson: , Ruͦdolff SeeholtzerPerson: , Niclaus [...]Beschädigung durch Wasserfleck (2 cm)bßerPerson: 1, Heyri FrangkPerson: , Felix GugeltzPerson: , Felix BapstPerson: unnd Heynrich RellstabPerson: , ouch vor unnserem thor inn den wachten gesëßen, von ir unnd aller dëren willen, so inn den drygen wachten OberstraaßOrt: , FluͦnterenOrt: unnd HottingenOrt: innert den crützen gesëßen unnd hie innen zünfftig sind, anndersteyls, deßwegen das die obberuͤrten anwält vermeyntend,
diewyl die ersternempten Hanns von WylPerson: , Jacob SprüngliPerson: , Jacob ZymmermanPerson: samt iren mitthafften sich unnder inen inn gemelten wachten
mit hußhäblicher wonung enndhieltind, ouch wunn unnd weyd mit inen nuͤßind, sollind sy ouch billicher wyß zuͦ inen dienen mit stüren,
brüchen, reysen, gebotten, verbotten unnd allen annderen dingen. Unnd nemlich sich inn lieb unnd leyd wie annder wachtgnoßen nit von inen
absündern, wie sy dann sölliche vornacher mit urteyl vor unns erlangt hetten, das alle, so inn den wachten gesëßen werind, ouch wunn
unnd weyd da nuͤßind unnd bruchtind, mit inen stüren unnd brüchen, auch inn lieb unnd leyd zuͦ inen dienen unnd die zunfft, so sy hieinnen
hettind, darvor nit schirmen sölti, alles luth un[n]Beschädigung durch verblasste Tinte, sinngemäss ergänztcd besagt unnser brief unnd siglen, so sy darumb vor unns darleyttend,2 inn hoffnung
darby geschirmpt zewerden.
Dargegen aber die genannten Hanns von WyllPerson: , Jacob SprüngliPerson: unnd Jacob ZymmermanPerson: sampt anderen
iren mitthafften vorernempt vermeyntend, das wir der zyt, da wir gemelte urteyl der zünffteren halb, die inn den wachten geseßen sind, nit
recht berichtet gewesen, dann unnder denen, so inn den wachten, doch innert den crützen wonhafft, unnd denen, so ußert den crützen geseßen,
allweg eyn unnderscheyd gewesen, also das die, so innert den crützen gesëßen, von alterhär die zünfft wol kouffen unnd haben unnd sich deren behälffen mögen. Dann sy mit dem mäß, mit dem unngelt, mit wärchen der hanndtwärchslüthen unnd allen annderen dingen ye unnd allweg gehalten, ouch unnder räth und burgerOrganisation: brucht worden, wie annderi, die inn unnser statt innert den muren gesëßen. Also were
es ouch von altem unnd yewälten härkommen, das eyn yeder, der innert den crützen gesëßen, sich wol zun zünfften, welliche einer gewellen thuͦn,
unnd darin dienen mögen, darin man nye keym nützit geredt noch tragen hette, wäder wenig noch vyl. Inn hoffnung, wir sy vor söllichem
irem altem bruch unnd rechte nit trängen, sunder gnedigclich darby schützen unnd schirmen, unnd das sy den wachten nüdt [schu]Beschädigung durch verblasste Tinte, ergänzt nach StArZH VI.EN.LB.A.4.:22dldig noch
pflichtig sygind, sunder by den zünfften wol belyben, unnd darin wie von alterhär dienen mögind, mit urteyl erkennen wurden.3
Unnd
als wir sy also zuͦbeyden teylen inn sollichen unnd wyteren iren clagdten, anndtwurten ald widerred, ingelegten gewaarsammey unnd allenn
wyterem darthuͦn eygentlich der notturfft nach gehört unnd verstanden unnd unns gnugsamlich erinnert, das es zwischen denen, so innert
den crützen, deßglychen denen, so ußert den cützen gesëßen, allwëg ein zweyets ald geteylts gewesen, unnd das man nemlich denen, so innert
den crützen wonhafft sind, die zünfft nye verseyt noch abgeschlagen hat,4 so habend wir unns jüngst uff bescheehenen rechtsatz mit urteyl zuͦ
recht erkennth unnd gsprochen, das die vylgemelten Hanns von WylPerson: , Jacob SprüngliPerson: , Jacob ZymmermanPerson: , Hannsi SeeholtzerPerson: unnd alle
anndere ire mitthafften, davor benempt, deß sovil genyeßen, das sy der wachten halb ungehindert by irer fryheyt unnd altem harkommen belyben
unnd nemmlich, diewyl sy innert den crützen gesëßen, ouch burgere unnd inn constofel ald die zünfft gehörig sind oder fürer burger unnd
zünfftig werden wellend, sich derselben constafel oder irer zünfften, darinn sy sind ald kommend (darin sy auch mit lyb unnd guͦt dienen söllend),
befröwen unnd behälffen, by deren belyben unnd den wachten, darinn sy oder ir yeder gesëßen, nüdt schuldig noch pflichtig, sunnder deren
emprosten unnd ledig sin söllent, der wachten fürwenden unangesëchen, doch unns unnd gemeyner unnser statt an annderen unnseren fryheyten, rechten, oberkeyten, diensten, gewonheyten, zuͦgehörungen unnd altem harkommen sunst unabbrüchlich unnd inn allwëg on schadenn.5

Inn crafft diß briefs, den wir den zünffteren uff ir beger geben, unnd zuͦ urkund unnser statt secret insigel daran hengken laßen haben,
deß nächsten mittwuchs vor sanct MathysPerson: tag nach Cristi, unnsers lieben herren, geburt gezelt tusent fünffhundert unnd darnach
im achtunddryßigesten jare
Originaldatierung: 20.2.1538
.
[fol. v]Seitenumbruch

Anmerkungen

  1. Beschädigung durch verblasste Tinte, ergänzt nach StArZH VI.EN.LB.A.4.:22.
  2. Beschädigung durch Wasserfleck (2 cm).
  3. Beschädigung durch verblasste Tinte, sinngemäss ergänzt.
  4. Beschädigung durch verblasste Tinte, ergänzt nach StArZH VI.EN.LB.A.4.:22.
  1. Die Abschriften des 18. Jahrhunderts weisen an dieser Stelle eine Lücke auf, folglich muss der Wasserschaden älter sein. StArZH VI.FL.A.2.:6b liest als Anfagsbuchstabe «K», StArZH VI.HO.A.1.:1 liest «B».
  2. Womöglich StAZH B V 16, fol. 113r-114r; Teiledition: QZZG, Bd. 1, Nr. 313.
  3. Den Zunftbriefen vom 11. Dezember 1490Datum: 11.12.1490 ist zu entnehmen, dass Bürgermeister und beide Räte von ZürichOrt: Organisation: es den ZünftenOrganisation: auf ihre Bitte hin überliessen, einen vor der Stadt, jedoch ausserhalb der Stadtkreuze Anässigen bei sich aufzunehmen oder nicht. Die Aufnahme von Leuten innerhalb der Kreuze war dagegen Pflicht (SSRQ ZH NF I/1/3 44-1); dieser Unterschied wird im vorliegenden Entscheid auch von Ratsseite betont.
  4. Vgl. obige Anm.
  5. Im Jahr 1490Datum: 1490 war festgehalten worden, dass Angehörige in ihrer Zunft Wehrdienst leisten mussten. Ausgenommen davon waren jedoch jene Zünfter, die in einer der Wachten vor der Stadt weidgenössig waren (StAZH A 43.1.2, Nr. 5 A, S. 80; Brühlmeier/Frei 2005, Bd. 2, S. 52). 1536Datum: 1536 besagte ein Urteil von Bürgermeister und beiden Räten von ZürichOrt: Organisation: etwas deutlicher, die Zunftzugehörigkeit entbinde nicht von den Pflichten gegenüber der Wacht, wenn jemand dort weidgenössig sei: «[...] doch das er beyden, nemmlich der zunfft unnd der waacht thuͤge unnd die burde trage, so er inen von irer recht unnd gewonheytt wegen schuldig unnd verbunden ist.» (StAZH B V 16, fol. 113r-114r; Teiledition: QZZG, Bd. 1, Nr. 313; KdS ZH NA V, S. 60).