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SSRQ ZH NF II/3 102-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft. Band 3: Die Landvogtei Greifensee, von Rainer Hugener

Zitation: SSRQ ZH NF II/3 102-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Erbrecht der Herrschaft Greifensee

1691 August 19.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich beurkunden, dass der Untervogt Hans Konrad Denzler und der Amtshauptmann Hans Heinrich Pfister als Vertreter der Herrschaft Greifensee vor ihnen erschienen sind, um für ihr Gebiet das gleiche Erbrecht für Ehegatten zu erlangen, wie es 1669 für die Herrschaft Grüningen erlassen worden war. Das Erbrecht wird nach einer Abschrift des Landschreibers Marx Kambli wiedergegeben. Es regelt, dass ein Mann von seiner verstorbenen Frau Kleider, Hausrat und Betten erben und von ihrem liegenden und fahrenden Gut einen Drittel als Leibgeding erhalten soll. Das Leibgeding darf aber nur im Notfall angegriffen werden. Eine Frau soll beim Tod ihres Mannes ihr in die Ehe gebrachtes liegendes und fahrendes Gut samt der Morgengabe erhalten. Solange sie nicht wieder heiratet, kann sie sein Gut zusammen mit den gemeinsamen Kindern nutzen. Wenn die Kinder eine Teilung verlangen oder sie wieder heiratet, erhält sie einen Drittel seines fahrenden Guts. Sie muss aber auch einen Drittel der Schulden übernehmen. Wenn eine Frau von ihrem verstorbenen Mann schwanger ist, darf sie vorläufig nicht wieder heiraten. Der Rat bestätigt, dass dieses Erbrecht auch für die Angehörigen der Herrschaft Greifensee gelten soll, allerdings nur für künftig geschlossene Ehen und unter Berücksichtigung der üblichen Abzugsregelungen. Die Aussteller siegeln mit dem Sekretsiegel.

  • Signatur: StAZH C III 8, Nr. 142
  • Originaldatierung: 1691 August 19
  • Überlieferung: Original
  • Beschreibstoff: Pergament
  • Format B × H (cm): 54.0 × 28.0 (Plica: 5.5 cm)
  • 1 Siegel:
    1. Stadt ZürichPerson: , Wachs, rund, angehängt an Pergamentstreifen, gut erhalten
  • Sprache: Deutsch
  • Edition

Bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts war die Frage nach einem Erbrecht für Eheleute in der Herrschaft GreifenseeOrt: aufgekommen; damals stützten sich die Vögte auf mündliche Aussagen, wonach in GreifenseeOrt: das gleiche Recht gelte wie in der Stadt ZürichOrt: (SSRQ ZH NF II/3 52-1). Diese vage Formulierung reichte den Herrschaftsangehörigen im 17. Jahrhundert nicht mehr aus, weswegen sie am 7. August 1691 an den Rat gelangten mit der Bitte, ihr Erbrecht möge verbessert und demjenigen der Grafschaft KyburgOrt: und der Herrschaft GrüningenOrt: gleichgestellt werden (StAZH A 123.6, Nr. 163). Dieser Bitte wurde mit der vorliegenden Urkunde entsprochen. Anders als in GrüningenOrt: wurde für GreifenseeOrt: allerdings nur das Vererben zwischen Eheleuten geregelt, nicht auch für weitere Verwandte.

Editionstext


Wir, burgermeister und rath der statt ZürichOrt: Organisation: , urkundend hiemit offentlich,
daß uff den heütigen tag in völliger unserer raths versammlung erschinnen unsere besonders getreüwe, liebe undervogt Hanß Conradt
Dentzler
Person:
und ampts hauptman Hanß Heinrich PfisterPerson: inammen und als anwält unßerer angehörigen der herrschafft GreiffenseeOrt: mit underthenigem begehren, weilen unßere auch getreüwe, liebe angehörige der herrschafft GrünningenOrt: crafft des in anno 1669Datum: 16691 erneüwerten ampt rechtens wegen deße,
waß ein mann von seinem weib und hingegen ein frauw von ihrem ehemann zu erben habe, mit einer gnädigen erlütherung begaabet worden seygen, eine
herrschafft GriffenseeOrt: aber dißfahls kein verschribenes recht habe, wir sie in gleichmeßige oberkeitliche gnad mit gedachter herrschafft einschließen wolten, alles mit
mehrerem. Wann nun wir dißeres begehren in reiffe betrachtung gezogen, und zugleich daß GrüningischeOrt: eerbrecht in dergleichen fählen auß einer von unßerem
getreüwen, lieben landtschriber Marx KambliPerson: vidimiert eingelegten abschrifft2 abläsend angehört, so ist dasselbe von wort zu wort uff hernoch folgendem begriff
bestanden, benantlich:
Was ein mann von seinem weyb erben solle.Schriftwechsel Wann ein frauw von ihrem ehemann abstirbt, so soll ein mann von ihro erben:
Erstlich ihr gwand, hußrath und bether, und waß dergleichen verhanden ist, für eigen. Demnach alles ihres ligenden und fahrenden guts den driten theil in lybdingwyß sein lebenlang besitzen, dasselbige aber soll nit schwynen. Jedoch wann der mann kein gut hete, so daß er hungersnoth lyden müßte, soll er alle tag zu verbruchen gwalt haben
sechs schillingWährung: 6 Schillinge , jedoch ohne gefahr und mit vorwüßen auch unßers jeweiligen vogts, sy habind kinder bey ein anderen oder nit. Sonsten soll einer frauwen gut weder schwynen
nach wachßen.
Was ein frauw von ihrem eheman erben solle, wann er vor ihro absturbe.Schriftwechsel Eine frauw soll uff erlebten todfahl ihres ehemans nemmen
ihr verschrotten gwand und ihr zugebrachtes, es seye ligends oder fahrendts, wenig oder vil, samt der morgengaab, so ihro verheißen worden. Hete man aber ihro
keine versprochen, soll sy zechen pfundWährung: 10 Pfund nemmen, so vehr diß alles verhanden und sy das bey ihren weiblichen treüwen erscheinen und mit ehrlichen leüthen kundtbahr
machen kan, so soll sy auch des mans gut zu besitzen und mit den kinderen zu nutzen haben, so lang sy unverenderet und bey den kinderen bleibt. Wurde sy
sich aber enderen oder die kinder eine theilung vornemmen wöllen, so soll ihro von des mans gut gehören der drite theil von dem fahrenden, sy darbey aber auch
den driten theil der lauffenden schulden zu bezahlen haben. Wolte aber die frauw die fahrende haab nit, soll sy auch nit zu bezahlen schuldig syn, sy hete dann
die ein ald andere schuld mit ihrem vogt zu bezahlen versprochen.
Und wann ein mann oder weib, es seyend witling oder witfrauwen, sich widerum
verehlichen woltend, daß mag von jeder persohn wohl geschehen noch ihrem lust und willen, und soll sy an der zeit nüt verhinderen, es were dann
sach, daß die frauw von ihrem abgestorbnen eheman schwanger were.
DamitSchriftwechsel nun mehrbemelte unßere angehörige der herrschafft
GriffenseeOrt: unßeren gnädigen willen gegen ihnen in der that erfahren thügen, so habend wir obbeschribenes erbrecht in völligem seinem begriff dergestalten
bestettiget, daß sy desselben uff weiß und form wie die herrschafft GrünningenOrt: bey denen ußert dem GriffenseerOrt: herrschafft bezirck und sonsten beziehenden heürathen dergestalten genießen, daß ein herrschafft mann von seiner verstorbenen frauwen verlaßenschafft den driten theil leybdings
weis, noch obigem innhalt, ohnnöthig solliches nochmahlen zu specificieren, für sein lebenlang genießen solle.
Bey wellichem wir aber unß heiter vorbehalten, daß der von dergleichen weiber gut uff allen fahl gebührende abzug unßerem jeweiligen landtvogt ohnverweilt und schuldpflichtig in treüwen
abgestattet, selbiger auch nochgehndts uff des herrschafft mans absterben den erben wie billich abgezogen, und wo wider beßeres verhoffen bey einem sollichen
besitzer des driten theils die wenigiste gfahr des verlursts sich ereügte, uff der erben begehren darumb gnugsamm und habhaffte versicherung geleistet. Endtlich dißere herrschafft freyheit nur allein uff die von gegenwürtigem dato an sich begebende fähl und ehen gemeint und verstanden
werden, die vorgehndere aber darvon außgeschloßen sein sollen.
Deße zu mehrer bekrefftigung habend wir unßer statt ZürichOrt: Organisation: secret
insigel offentlich hier an hencken laßen, mitwuchs, den neünzehendten tag augstmonat, von der gnadenreichen geburt Christi, unßers
lieben herren und heilandts, gezelt ein taußend sechs hundert neüntzig und ein jahr
Originaldatierung: 19.8.1691 ()
.
[fol. v]Seitenumbruch
[Vermerk auf der Rückseite von Hand des 17. Jh.:]
GreifenseeOrt: -erbrecht des mans gegen seinem weib
und des weibs gegen dem mann, 1691Originaldatierung: 1.1.1691 – 31.12.1691
[Vermerk auf der Rückseite von Hand des 18. Jh.:]
GreiffenseeOrt:

Anmerkungen

    1. Gemeint ist wohl das sogenannte Amtsrecht von GrüningenOrt: aus dem Jahr 1668 (StAZH B III 70; Edition: Pestalozzi, Sammlung, Bd. 1, S. 57-103, Nr. 6). Das Erbrecht wird dort in den Artikeln 7 bis 10 geregelt. Die nachfolgend referierten Bestimmungen stimmen wörtlich mit Artikel 8 und 9 des Amtsrechts von GrüningenOrt: überein. Zum Grüninger Erbrecht vgl. Weibel 1987.
    2. Die Abschrift befindet sich heute in StAZH A 123.6, Nr. 164.