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SSRQ ZH NF I/1/11 102-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, von Sandra Reisinger

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/11 102-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Verordnung der Stadt Zürich betreffend Einfuhr von fremdem Wein, Weinhandel und Verbot des Weinfürkaufs

1797 September 4.

Bürgermeister sowie Grosser und Kleiner Rat der Stadt Zürich erlassen aufgrund der gestiegenen Weinpreise eine Verordnung betreffend Kauf und Verkauf von Wein mit sechs Artikeln. Spekulative Käufe von Wein aus Trauben, die noch unreif an den Reben hängen, sind grundsätzlich verboten (1). Alle Bürger und Angehörige Zürichs dürfen wie bisher ein bestimmtes Mass an Wein für ihren Hausgebrauch einkaufen (2). Selbst produzierter Wein darf ausserhalb des zürcherischen Territoriums verkauft werden, sofern Bewilligungsscheine mit Angabe der Weinmenge und dem Datum von der entsprechenden Ratskommission vorliegen. Bewohner entfernter Landvogteien dürfen die Bewilligungsscheine bei den Landvogteiämtern verlangen (3). Der Weinfürkauf ist verboten und die Weinausfuhr unterliegt der Bewilligungspflicht (4). Fremde Personen, die Wein gekauft, aber noch nicht ausgeführt haben, erhalten eine zweimonatige Frist für die Ausfuhr. Die Käufe müssen der Ratskommission mitgeteilt werden (5). Es ist wie anhin verboten, fremden Wein auf den Zunftstuben und bei öffentlichen Mahlzeiten auszuschenken (6). Zuletzt wird darauf hingewiesen, dass die Handhabung der Verordnung bei einer vereinigten Ratskommission (Fürkauf- und Fremden-Wein-Kommission) liegt. Diese muss die Obrigkeit bei Verschlechterung oder Verbesserung der Zustände benachrichtigen. Bei Zuwiderhandlungen wird eine Busse von 100 Talern eingezogen, wobei ein Drittel an die anzeigende Person, ein Drittel an die Armenbehörde des Ortes, wo der Wein gekauft wurde, und ein Drittel an die Obrigkeit geht.

Die im vorliegenden Mandat formulierten Bestimmungen bezüglich Weinkäufe, Weinausschank, Weinhandel und Weinfürkauf entsprechen weitgehend denjenigen früherer Mandate (vgl. beispielsweise SSRQ ZH NF I/1/11 33-1). Neu hingegen ist die enge Verknüpfung der Bestimmungen an die Bewilligung einer Ratskommission. Die Einsetzung von Kommissionen durch den Grossen und Kleinen RatOrganisation: war eine gängige Regierungspraxis, um Geschäfte durch Ratsverordnete und teils Fachpersonen vorzubereiten. Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts wurden zahlreiche neue Kommissionen geschaffen, was mit der Intensivierung der Verwaltungstätigkeit und den stärker differenzierten obrigkeitlichen Aufgaben zusammenhängt. Die Ratskommissionen hatten unterschiedliche Funktionen, Amtsperioden und Besetzungen. Im vorliegenden Mandat handelt es sich um zwei vereinigte Ratskommissionen, die FürkaufkommissionOrganisation: und die sogenannte Fremden-Wein-KommissionOrganisation: . Letztere bestand aus sieben Mitgliedern sowie einem Sekretär und war für die Erteilung von Bewilligungen an Wirtshäuser und Privatleute, welche bereits verzollten, auswärtigen Wein ausschenken wollten, zuständig. Zu den Ratskommissionen vgl. Illi 2008, S. 16-19 und 461; Weibel 1996, S. 26-29 und 50.

Editionstext

Wir Buͤrgermeister, Klein und Grosse Raͤthe, so man nennet die Zweyhundert der Stadt ZuͤrichOrt: Organisation: , entbieten allen Unsern getreuen liebenIn der Vorlage: G. L. Verburgerten und Angehoͤrigen zu Stadt und Land, Unsern gnaͤdigen, wolgeneigten Willen, und geben ihnen anmit zu vernemmen:

Demnach Wir mit Bedauern bemerken muͤssen, daß dermalen der freye Handel mit einheimischen Weinen sich auf eine ganz ungewohnte, und fuͤr den groͤssern Theil Unserer getreuen liebenIn der Vorlage: G. L. Verburgerten und Angehoͤrigen hoͤchst schaͤdliche Weise vermehrt hat, massen, theils durch die betraͤchtlichen Wein-Ankaͤufe Benachbarter und Fremder, aus solchen Gegenden, die sich gegenwaͤrtig von Wein ausserordentlich entbloͤßt befinden, theils auch durch die eigennuͤzige Gewinnsucht vieler Haͤndler und Fuͤrkaͤufler, die Wein-Preise unmaͤssig gestiegen sind, und daher wirklich zu besorgen steht, daß, ohne Unser landesvaͤterliches Einsehen, baldiger Mangel an diesem unentbehrlich gewordenen Beduͤrfniß entstehen wuͤrde: Als sehen wir Uns, nach reifer Berathung, aus tragender Sorgfalt fuͤr das Beste Unserer getreuen liebenIn der Vorlage: G. L. Angehoͤrigen zu Stadt und Land verpflichtet, durch nachfolgende umstaͤndliche Verordnung, dem bemerkten hoͤchst schaͤdlichen Mißbrauch, in Absicht auf den Weinhandel, mit moͤglichster Schonung Einhalt zu thun; in der angenehmen Hoffnung, daß dadurch der beabsichtete heilsame Zwek hinlaͤnglich werde erreicht, und Wir uns nicht in die Nothwendigkeit versezt sehen werden, durch mehrere Einschraͤnkungen dem eingerissenen Uebel und strafbaren Eigennuz zu steuern. Es gehet also Unsre landesvaͤterliche Verordnung und bestimmter Wille dahin:

1. Alle hin und wieder, ungeachtet dießfalls in Kraft bestehender Verbote, bereits ergangenen Kaͤufe von annoch an dem Weinstok unreif stehendem Wein sollen von Unsern respAbkürzung Ober- und Landvogteyaͤmtern, als allzufruͤhzeitig und in ihren Folgen gefaͤhrlich, obrigkeitlich aufgehebt werden, und auch in Zukunft bey Verantwortung und angemessener Strafe gaͤnzlich verboten verbleiben.

2. Jedem Buͤrger und Landmann, auch den Wirthen und Weinschenken zu Stadt und Land, solle wie bisher vergoͤnnt bleiben, das zu ihrem Hausgebrauch erforderliche Wein-Quantum, ohne besondere Erlaubniß, in allen Gegenden Unsers Landes frey einzukaufen.

3. Gleichmaͤßig solle, wie bißdahin, jedem Buͤrger und Angehoͤrigen bewilliget seyn, seinen auf eignem Boden gewachsenen Wein in die benachbarten GemeinherrschaftenOrt: , in Eidgenoͤßische StaͤndeOrganisation: oder auch ins Ausland zu verkaufen, nur unter folgender Bedingung: daß naͤmlich alle fremden Kaͤufer ohne Unterschied bey Unsrer verordneten Ehrenkommißion besondere Bewilligungsscheine verlangen muͤssen, in welchen das anzukaufen bewilligte Quantum zu bemerken ist, und welche sodann theils von dem Verkaͤufer mit Bemerkung des Datums eigenhaͤndig zu unterzeichnen, theils bey der Ausfuhre des gekauften Weins an denjenigen Stellen vorzuweisen sind, wo die dießfaͤllige Aufsicht wird veranstaltet werden. In guͤnstiger Betrachtung der Entfernung eines Theils der Grafschaft KyburgOrt: und der Herrschaften EglisauOrt: und AndelfingenOrt: von hiesiger Stadt, moͤgen die erwaͤhnten Bewilligungsscheine, in Absicht auf diese Landesgegenden, bey den dortigen Landvogteyaͤmtern verlangt werden; welche leztern aber Unsrer Ehrenkommißion von den ertheilten Bewilligungen monatlichWiederholte Zeitspanne: 1 Monat Bericht zu erstatten haben.

4. Wer hingegen uͤberhaupt zu Stadt und Land sich mit Weinhandel abgiebt, soll sich sorgfaͤltig vor unmaͤßigem und schaͤdlichem Auf- und Fuͤrkauf, besonders der unentbehrlichsten Gattungen von Wein huͤten, und wenn er ausser hiesiges Land an fremde Kaͤufer Wein verhandeln will, hierzu von Unserer verordneten Ehrenkommißion eine besondere Bewilligung zu verlangen pflichtig seyn, welche ihme, jedoch nur in bescheidenem Maaß, wird ertheilt, hingegen alle und jede Uebertreter des in diesem Artikel enthaltenen Verbots, hauptsaͤchlich und unfehlbar, mit ernstlicher Strafe sollen angesehen werden.

5. Was den dermalen von Fremden bereits angekauften, aber noch nicht ausgefuͤhrten Wein betrift, so wird zur Abfuhre desselben eine zweimonatlicheZeitspanne: 2 Monate Frist, jedoch in der bestimmten Meynung vergoͤnnt, daß solche Kaͤufe Unsern Herren Verordneten unverweilt sollen angezeigt, auch seiner Zeit bey Ebendenselben die Gestattung der wirklichen Ausfuhre noch besonders solle verlangt werden.

6. In Ansehung der Einfuhre fremder Weine, und des gaͤnzlich verbotenen Gebrauchs derselben auf den Zuͤnften und bey oͤffentlichen Mahlzeiten; verbleibt es lediglich bey dem Inhalt Unsers vorjaͤhrigen Weinmandates.1

Wir stehen nun in der sichern Erwartung, es werden Unsre getreuen liebenIn der Vorlage: G. L. Verburgerten und Angehoͤrigen, in gaͤnzlicher Ueberzeugung, daß die gegenwaͤrtige Verordnung nur allein zu dem allgemeinen Besten abzweke, allen Bestimmungen derselben ein pflichtmaͤßiges Genuͤge zu leisten sich sorgfaͤltig befleissen. Die genaue Handhabe derselben haben Wir Unsrer vereinigten Fuͤrkauf-Organisation: und fremden Wein-KommißionOrganisation: mit dem bestimmten Auftrag uͤbergeben, Uns unverweilt zu benachrichtigen, wenn entweder unersaͤttliche Gewinnsucht und schaͤdlicher Eigennuz die Verschaͤrfung, oder aber guͤnstig veraͤnderte Zeitumstaͤnde die Wiederaufhebung dieser Maßregeln und Vorschriften erfordern. Uebrigens werden Ehrengedachte Herren Verordnete auf die puͤnktliche Befolgung der gegenwaͤrtigen Verordnung das sorgfaͤltigste Augenmerk richten, und in allfaͤhligen Uebertretungsfaͤllen die Fehlbaren nicht nur mit Confiscation des erkauften Weins, sondern auch mit einer Geldbusse von 100. ThalernWährung: 100 Taler unverschont belegen, wovon ein DrittheilMenge: 0.33 dem Leider, ein DrittheilMenge: 0.33 dem Armengut des Ortes, wo der Wein angekauft worden ist, zufallen, und ein DrittheilMenge: 0.33 zu obrigkeitlichen Handen bezogen werden soll; Wornach also maͤnniglich sich zu richten und vor Verantwortung und schwerer Strafe zu vergaumen wol wissen wird.

Geben, Montags den 4.ten Herbstmonat 1797Originaldatierung: 4.9.1797.

Canzley der Stadt ZuͤrichOrt: Organisation: .

[fol. v]Seitenumbruch

Anmerkungen

    1. Gemeint ist das Mandat von 1796 (StAZH III AAb 1.16, Nr. 60).