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SSRQ ZH NF I/1/11 34-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, von Sandra Reisinger

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/11 34-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Mandat der Stadt Zürich betreffend Entrichtung des Zehnten und der Zehntpacht

1699 Juni 27.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich erlassen ein Mandat mit 12 Artikeln betreffend die Zehntpacht. Neben den abgabepflichtigen Produkten (1, 12), dem Aufstellen der Garben (2-4) sowie dem Weideverbot direkt nach der Ernte (5) werden Vorschriften für die Zehntpächter (7-9, 11) formuliert. So können nur rechtschaffene Männer, die zwei Bürgen stellen, Zehntpächter werden. Weiterhin werden Regeln für die Zehntversteigerungen (10) dargelegt. Zuletzt werden Rechenrat sowie sämtliche Amtleute aufgefordert, die Regelungen zu befolgen.

Im Gegensatz zum Zehntmandat von 1528 (SSRQ ZH NF I/1/11 4-1), in dem es um die grundsätzliche Frage der Zehntabgabe geht, werden im vorliegenden Mandat Vorschriften für die sogenannten Zehntenbesteher oder Zehntbesteher, das sind Zehntpächter, geregelt. Die Zehntpacht wurde häufig vor der Ernte an den Meistbietenden versteigert, wobei die öffentlichen Versteigerungen im Laufe des 17. Jahrhunderts zunahmen. Pächter stammten meist aus den dörflichen Oberschichten, wozu wohlhabende Bauern, Untervögte und Meier zählten. Dem Zehntherr musste zwei Mal jährlich eine pauschale und verbindliche Abgabe geleistet werden. Für den Zehntpächter stellte dies ein Risiko dar. Zwar konnte er durch geschicktes Wirtschaften Profit erreichen, aber Missernten bedrohten seine Rendite. In der Regel mussten mit der Zehntpacht Bürgen gestellt werden, welche bei Zahlungsunfähigkeit des Zehntpächters hafteten. Die Zehntpachtversteigerungen wurden seit Mitte des 16. Jahrhunderts vom ZürcherOrt: RechenratOrganisation: organisiert. Gleichzeitig hatten die RechenherrenOrganisation: Aufsicht über Neuverpfändungen sowie über die Aufstellung von Bürgen (Sigg 1971, S. 104-108, 139-143).

Zur Zehntpachtpraxis des FrauenmünstersOrganisation: in ZürichOrt: im 15. und 16. Jahrhundert vgl. Köppel 1991, S. 459-478.

Editionstext

Mandat Satz und Ordnungen Unserer Gnaͤdigen Herren Burgermeister und Raths der Statt ZuͤrichOrt: Organisation: / zu getreuer Aufstell- bedachtlicher Empfah- und gewuͤssenhaffter Liefferung / des Zehendens / in Truck verfertiget

Holzschnitt

Im Jahr / 1699Originaldatierung: 1.1.1699 – 31.12.1699.

[fol. 1v]Seitenumbruch [fol. 2r]Seitenumbruch

Wir Burgermeister und Rath der Statt ZuͤrichOrt: Organisation: / verkuͤndend offentlich hiemit / allen Unsern Angehoͤrigen zu Statt und Land / Unsern Gruß / guͤnstigen Willen / und darbey zuvernemmen: Demnach Wir vil Jahr hero zu Unserer Aembtern nicht geringem Nachtheil verspuͤhren und erfahren müssen / wie daß so wohl bey Stellung / deß durch Goͤttliche Angebung verordneten Zehendens / als auch in Empfah- und Liefferung desselben / vilerley Mißbruͤch und Unordnungen / unter denen sich darumb bewerbenden Zehendts-Besteheren und ihren Buͤrgen eingeschlichen / indemme vortheilhaft- und eigen nutzig Leuthe den Zehenden nicht in Treuen aufgestellet / noch die Zehendts Bestehere / die darfuͤr versprochene Fruͤchte pflichtmaͤs[fol. 2v]Seitenumbruchsig gelifferet habend: Damit aber hinfuͤro die Schuldigkeit geflißner und treulicher als bißhero geschehen / von Maͤnniglichem erstattet werde; So thund Wir hernach folgende Satz- und Ordnungen durch offnen Truck und Verkuͤndung zu eines jederen nachrichtlichem Verhalt einschoͤrpfen und wollend.

[1] Erstlichen / daß wo Jemand einen Acker zu schneiden anfahet / Er denselbigen gleich nach einanderen voͤllig abschneiden / und ehe Er darmit fehrtig ist / keinen anderen zuschneiden anheben / vilweniger einige Garben mit sich heimb nemmen moͤgen solle; biß der Zehenden vom gantzen Acker wuͤrcklich aufgestellt und abgestattet seyn wird.

[2] Zum Anderen / sol allwegen die zehende Garb sie seye groß oder klein / wie es sich der Ordnung und dem Zellen nach fuͤeget / zum Zehenden aufgestellt / und nit etwann auf Gefahr hin / das was unter den Baͤumen oder bey den Zaͤuhnen wachst / darfuͤr entrichtet / gestalten zu Vermindung alles vortheilhaftigen Gesuͤchs und Betrugs / die Zellung der Garben zu End des Ackers angehebt / und je die Zehende aufgestellt werden soll.

[fol. 3r]Seitenumbruch

[3] Wann dann Drittens in einem Acker einige Garben uͤberbleiben / soll in dem folgendem Acker auf der uͤbergeblibenen Zahl fortgezellet / und wo in dem letsten Acker auch einige Garben vorschiessen wurden / dannzumahl darvon auch der gehoͤrige Zehenden / mit einer halbenMenge: 0.5 Garb / oder so viel es bringen mag / erstattet werden: immassen sich Niemand einbilden soll / daß wann es nit voͤllig zehenMenge: 10 Garben außgebe / mann des Zehendens alsdann frey und ledig seye.

[4] Viertens hat man gewahret / daß die Zeit und Jahr hero / Erbsen / Linssen / Wickhen und andre kurtze Frucht / nit in Garben gebunden / sonder an ohngleiche Haͤuffen gestellet / und darmit vortheilhaftiges Gesuͤech getriben worden / dahero Unsere Meinung ist / daß solche Früchte hinfuͤhro aller Orten in Garben zusammen gebunden / und der Zehenden darvon in Treuen aufgestellt werden solle.

[5] Und weilen dann Fuͤnftens / von den Zehendts-Besteheren vilfaͤltige Klaͤgten gefuͤhret worden / daß das Viehe allzu fruͤhezeithig und ehe die Felder gelaͤhret sind / in die Zelgen [fol. 3v]Seitenumbruch getriben / und dardurch den Zehend Garben nit geringer Schaden zugefuͤgt werde; als gebiethend Wir daß das Viehe wenigst drey TagZeitspanne: nachdeme ein Zelg voͤllig abgeschniten und eingeerndet ist / auf die Stoffel-Weid gelassen werden moͤge.

[6] Damit aber Sechstens / so wohl die Zehend als uͤbrige Garben auf dem Feld sicher seyen / so wollen Wir die Aehren-Rupfer hinkoͤnftig mit Ernst empfindlicherer Straf / als bißhero beschehen / ansehen und buͤssen lassen.

[7] Zum Sibenden ist der Zehend-Besteheren halber Unsere Meynung / daß solche alle ehrliche und unverluͤmdete Maͤnner seyn / und keinem unter ihnen / der bey vorbestandenem Zehenden / die versprochene Summa nit abgestattet / oder unsauber- und unwahrschafte Frucht gelifferet / und also die Schuldigkeit nit geleistet / einiger Zehenden geliehen werden solle.

[8] Wann dann Achtens der Zehendts- Buͤrgschaften halber zu verschiedenen mahlen sich zutragen / daß der Eint- und Ander / einen abwesenden zu einem Buͤrgen angegeben und einschreiben lassen / welches aber bey außgeblibner [fol. 4r]Seitenumbruch Bezahlung verdrießliche Weitlaͤuffigkeiten verursachet; als wollen Wir daß hinfuͤro / Niemandem der nit zweenMenge: 2 ehrliche / habhafte und der Burgschaft bekantliche Maͤnner eintweders persoͤnlich zu Buͤrgen darstellen / oder aber von denenselben Unterschribne gnugsame BuͤrgschaftsSchyn inliferen kan / der Zehenden geliehen werde.

[9] Gleichwie aber zum Nuͤnten / dise Buͤrgschaft nit auf einerley Weise / und von Einigen nur dahin verstanden werden wollen / als wann mann vordrist den Zehendts-Besteher verauffahlen / und dann erst auf den Buͤrgen greiffen muͤsse; als wird anbey Jedermaͤnniglich bekant gemacht / daß es mit den Zehendts-Burgschaften / ein andere Bewandtnuß / als mit anderen gemeinen Burgschaften haben thuͤge: Gestalten wer fuͤr einen Zehenden Burg wird / zugleich auf Saumnuß des Zehendbestehers / die Bezahlung des verbuͤrgten Zehendens auf sich nimt / dannenhero der Zehendherr / ohne des haubtschuldners Vertreibung / den Buͤrgen anzulangen hat / diser auch / wegen seiner geleisteten Burgschaft ihme ohne Verzug / einen Willen zu schaffen schuldig ist.

[fol. 4v]Seitenumbruch

[10] Zum Zehenden / hat sich sonderlich in dem verwichenem JahrDatum: 1698 herfuͤr gethan / daß einige auß Ohnfuͤrsichtigkeit / andere aber auß Begird ihren Nebendmenschen von dem Zehenden zuvertreiben / sich mit Biethen immassen verstigen / daß sie das Versprochne nit lifferen koͤnnen / und dahero Uns mit Gutzlen und Anhalten umb Nachlaß hoͤchstbeschwerlich gefallen: So daß zu eines jeden Verhalt Wir unumbgaͤnglich verursachet werden / hiemit auch anzumelden / daß gleichwie Wir / ein Mehrers nicht als was die Billichkeit mitgibt auß unseren Zehenden zuloͤsen / verlangend; also Jeglicher vor so uͤbermaͤssigem Uberbiethen sich huͤten / und was Er fuͤr den Zehenden verspricht wohl erwegen und betrachten solle; Massen von der versprechenden Anzahl Fruͤchten / Wir hinfuͤro Keinem das geringste mehr nachsehen / sonder die Zehendtsbestehere / oder deroselben Bürgen zu vollkommner Liffer- und Entrichtung des anerbothnen Belauffs mit allem Ernst anhalten werden.

[11] Elfftens bezeuget die Erfahrung / daß einige mit unerlaubtem Gesuͤech und Eigennutz umgehende Zehendts-Bestehere / die Fruͤcht eint[fol. 5r]Seitenumbruchweders nit zu rechter Zeit / noch an sauber und waͤhrschaffter Haab entrichtet / sondern einen Theil deß besten Korns unverantwortlicher Weise zuhinderhalten gesucht / und dann vorgegeben / daß sie an dem Zehenden zukurtz kommen seyen; wormit sie Unsere Nachgesetzte bewegen wollen / Ihnen zubewilligen daß Sie / den manglenden Rest in geringem Preiß mit Gelt bezahlen moͤgind; welches Wir aber fuͤr das koͤnftig nicht mehr geschehen lassen / sondern Unsern Voͤgt / und Ambtleuthen hiemit Alles Ernsts anbefohlen haben wollend / alle und jede Zehenden zu rechter Zeit an guter wohlbereiteter Frucht einzuziehen und das Gelt nit mehr darfuͤr anzunemmen: Immassen es mit den Grundzinsen ein gleiche Meinung haben / und solche an Fruͤchten wie es die Natur erforderet / gelifferet und bezogen werden sollen.1

[12] Auf daß aber die Frucht Gefaͤlle desto mehr in gebuͤhrender Werthschaft geliefferet / und der vor Augen stehende reiche Seegen Gottes mit besserem Nutzen genossen werden moͤge; als ist Endlich und zum Zwoͤlfften / Unsere Landts vaͤtterliche Wohlmeinung / daß mann die lieben [fol. 5v]Seitenumbruch Fruͤchte auch zu ihrer Zeitigung kommen lassen und solche ehender nit als Sie reiff sind / einernden solle.

Allermassen Wir Uns gegen Maͤnniglichem der Unseren gehorsamer Folgeleistung versehend / und Unserem verordneten RechenrathOrganisation: / wie nit weniger auch den nachgesetzten Voͤgt und Ambtleuthen die ernstliche Handhab aller obgesetzten Puncten und Artiklen / bey aufhabenden Ambts-Pflichten anbefehlen thund: Mit hertzlichem Wunsch / daß der Seegenreiche Gott zu Allem Sein Heiliges Gedeyen gnaͤdigists mittheilen wolle.

Geben Zinstags den Sieben und Zwantzigsten Brachmonats von der Gnadenreichen Geburt Unsers Lieben Herren und Heillands Jesu Christi gezellt / Eintausent / Sechshundert / Neunzig und Neun JahreOriginaldatierung: 27.6.1699 ().

CantzleyOrganisation: der Stadt ZürichOrt: .

Anmerkungen

    1. Die stereotype Forderung der Zahlung der Grundzinsen blieb bis zum Ende des 17. Jahrhunderts Bestandteil vieler Ordnungen (Sigg 1971, S. 143-145).