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SSRQ ZH NF I/1/11 4-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, by Sandra Reisinger

Citation: SSRQ ZH NF I/1/11 4-1

License: CC BY-NC-SA

Mandat der Stadt Zürich betreffend Entrichtung des Zehnten

1528 May 26.

Bürgermeister sowie Grosser und Kleiner Rat der Stadt Zürich wiederholen frühere Mandate und verordnen die Entrichtung des Kleinen und Grossen Zehnten. Auch von Getreidegarben muss der zehnte Teil abgegeben werden. Falls ein Acker in einem Jahr mehrmals bestellt wird, muss der Zehnt aber nur einmal entrichtet werden. Bei Nichteinhaltung dieser Regelungen soll die schuldige Person bestraft werden. Die Aussteller siegeln mit dem Sekretsiegel der Stadt.

Die Abgabe des zehnten Teils von landwirtschaftlichen Erträgen und Einkünften war ein wesentlicher Bestandteil des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Steuerwesens. Es existierte eine Vielzahl an Zehnttypen, die je nach Gebiet unterschiedliche Bezeichnungen hatten. Oft wurde zwischen Fruchtzehnt (Erzeugnisse des Acker- und Gartenbaus) und Blutzehnt (tierische Produkte) unterschieden. Der Fruchtzehnt wurde wiederum in den Grossen Zehnt (Weizen, Roggen, Gerste, Dinkel, Hafer, Wein etc.) und den Kleinen Zehnt (Obst, Nüsse, Bohnen, Erbsen etc.) unterteilt. Zehntrechte waren im Mittelalter eng an kirchliche und weltliche Grundherrschaft geknüpft. Pfründen waren meist mit Zehntrechten ausgestattet, wobei die Übernahme eines solchen Amtes mit der Ausübung seelsorgerischer Aufgaben verknüpft war. Obwohl gemäss dem mittelalterlichen Corpus iuris canonici Zehntrechte nicht von Laien besessen oder verkauft werden durften, kam es im Laufe des Spätmittelalters zu einem regelrechten Handel mit Zehntrechten unter Kirchhören (Kirchgemeinden), Klöstern, weltlicher Obrigkeit und Grundbesitzern. Huldrych ZwingliPerson: lehnte zwar die biblische Begründung der Zehntabgabe ab, aber bestehende Zehntverträge sollten nicht ohne weiteres aufgelöst werden dürfen (menschliche Gerechtigkeit). Langfristig forderte ZwingliPerson: , dass die Abgabe und Verwendung des Zehnten wieder seiner ursprünglichen Bestimmung, also Finanzierung der Seelsorge und des Armenwesens in den Gemeinden, zugeführt werden solle (HLS, Zehnt; Pribnow 1996, S. 35-38, 95-98).

Die missbräuchliche Verwendung des Zehnten führte im Jahr 1523 zu mehreren Zehntverweigerungen durch Bauern sowie zu Beschwerden verschiedener Gemeinden der Landschaft vor dem RatOrganisation: . Die ZürcherPlace: ObrigkeitOrganisation: , die seit Aufhebung vieler Klöster zu Zehntrechten gekommen war, hielt aber an der Zehntpflicht fest und erliess verschiedene Mandate (beispielsweise SSRQ ZH NF I/1/3 116-1). Im März 1525 kam es dann unter Einfluss des deutschen Bauernkrieges von Seiten der ZürcherPlace: Bauern zu Aufruhr und der Forderung nach der Abschaffung des Kleinen Zehnten sowie die Verwendung des Grossen Zehnten für das Armenwesen, Jahrzeitstiftungen und Kaplaneipfründen (Kamber 2010, S. 102-107; Stucki 1996, S. 200-204).

Als Reaktion auf die bäuerlichen Unruhen verordneten Bürgermeister sowie Grosser und Kleiner Rat der Stadt ZürichPlace: Organisation: im Mandat vom 14. August 1525, dass zwar der Grosse und Kleine Zehnt weiterhin zu entrichten sei, aber der Zehnt auf die sogenannte zweite Frucht nicht abgegeben werden müsse (SSRQ ZH NF I/1/3 128-1). Das bedeutete, dass bei Mehrfachbepflanzung eines Ackers jeweils nur das erste Mal die Zehntabgabe fällig war. Diese Bestimmungen finden sich erneut im Mandat vom 1. Juni 1527 (Edition: Egli, Actensammlung, Nr. 1197), welches im vorliegenden Mandat wiederholt und überarbeitet wurde. In den Zehntmandaten der darauf folgenden Jahre kam es zu keinen grundlegenden Neuerungen (zum Beispiel StAZH III AAb 1.1, Nr. 12 und StAZH III AAb 1.1, Nr. 20).

Edition Text


Wir der Burgermeister Radt und der groß
Radt / so man nempt die Zweyhundert der Statt ZürichPlace:
Organisation:
/ Embieten allen und yeden unsern underthanen / zuͦgehoͤrigen und verwandten in unsern Oberkeyten / Herlikeyten / landen / gerichten und gebieten gesessen / unnd wonhafft / unsern günstlichen willen unnd
gruͦß zuͦvor / Und thuͦnd üch hiemit zuͦvernemmen. Wiewol wir vergangner jaren / an üch ernstliche Mandat und gebott / der Zaͤhenden halb ußgan lassen / Also / das ir mencklichem klein und
groß Zaͤhenden soͤltind ußrichten und geben wie von alterhar / So ist uns doch sidhar / und in mitler zyt / gloublich angelangt / und habend es zum offtermal an denen / so wir des Zaͤhenden halb gestrafft befunden / das allerley gfarligkeyt
darinn gebrucht und fürgenommen / und von etlichen fraͤfenlich und boͤßlich / wider obernempt vorig unser erkantnussen
gehandlet / also / das biderben lüten das jhenig / so inen von Recht und billigkeit zuͦgestanden / nit hab moͤgen verlangen. Wellich vermelt fraͤfel und ungehorsame uns von üch als den unseren / so daran schuld habend / zuͦ sonderm grossen mißval kompt. Und diewyl uns als rechter ordenlichen oberhand / ussz erhoͤischung der billigkeit gebürt und zuͦstadt / hierinn ein stattlichs und notturfftigs ynsechen zethuͦnd.
So ist an üch all sampt und sonders / unser ernstlich geheyß / will / und meinung / das ir allen denen / sy syend geystlich oder weltlich / so in unsern Graffschafften / Herschafften /
Vogtyen / Gerichten und Gebieten / guͤter habend / sy sygind darinn saͤßhafft oder nit / von allen früchten unnd dingen /
klein und groß Zaͤhenden gebind / wie von alter har / und darinn kein gfar / boͤse arglistigkeit / noch ander valsch betrüg
nit bruchind. Unnd namlich der Garben halb / so man anhept zuͦ zellen / allweg die zaͤhend Garb / sy sye klein oder groß /
wie es sich der ordnung und zellen nach / ungefarlich fuͤgt / für und für nacheinandern zuͦ Zaͤhenden gebind / und altem
bruch nach uffstellind. Hieby wellend wir ouch gelütert haben / Was früchten man zum jar einest in das vaͤld unnd
aͤcker saͤyet / davon sol der Zaͤhend einest geben werden / Unnd wo im selben jar wyter in das vaͤld gesaͤyet wirt / die selb
frucht dannenthin Zaͤhend fryg sin.
Deßhalb well ein yeder die sachen eygenlich bedencken / unnd im selbs vor wyterem
kumber und schaden sin: dann wir gegen üch den ungehorsamen / und diß unsers Mandats übertrettenden / dermassen
mit straff wellend handlen / das mencklich unsern grossen mißval der dingen halb / ougenschynlich befinden muͦß / Und
einer moͤchte sich so argwoͤnig und dückisch halten / wir wurdind in gefencklich annemmen / und an lyb / eer / oder guͦt / nach
dem einer beschuldt hette / hertenklich straffen / unnd niemants in soͤlichem verschonen / Darnach wüß sich mengklich in
die sachen zeschicken.
Zuͦ urkund habend wir unser statt ZürichPlace: Secret ynsigel offenlich lassen Trucken in disen brieff1 /
der geben ist / am XXVI. tag Meyens. Nach Christus geburt gezalt fünffzehenhundert / zwentzig und acht jarDate of origin: 26.5.1528.
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Notes

    1. Im Gegensatz zum Mandat betreffend halbjährliche Synoden von 1528Date: 1528 ist kein Siegelabdruck vorhanden (SSRQ ZH NF I/1/11 2-1).