check_box_outline_blank zoom_in zoom_out
SSRQ ZH NF I/1/11 43-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, von Sandra Reisinger

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/11 43-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Mandat der Stadt Zürich betreffend das 200-Jahr-Jubiläum der Reformation

1718 November 2.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich erlassen ein Mandat betreffend die Feier anlässlich des 200-Jahr-Jubiläums der Zürcher Reformation. Die Reformationsfeier soll am 1. und 2. Januar 1719 stattfinden. Während dieser beiden Tage dürfen weder in Zünften, noch in Gesellschaften oder Gasthäusern Gastmähler oder Trinkgelage abgehalten werden. Unkostenbeiträge für den Unterhalt der Zunft- und Gesellschaftsstuben (Stubenhitzen) dürfen erst am Dienstag, 3. Januar 1719, eingenommen werden. Am 1. Januar sollen die Morgen, Mittags- und Abendpredigten, am 2. Januar die Morgen- und Abendpredigten besucht werden. Erinnert wird zudem, dass die Angehörigen des Zürcher Stadtstaates grundsätzlich dazu verpflichtet sind, sowohl die Dienstags- und Sonntagspredigten als auch die Abend- und Morgengebete zu besuchen. Hausväter und Hausmütter sollen ihren Kindern und Dienstboten dabei ein Vorbild sein. Mit dem vorliegenden Mandat sowie mit dem bereits erlassenen Bussmandat soll der Zorn Gottes abgewendet werden. Zuletzt werden die Obervögte und Landvögte dazu ermahnt, in ihren Verwaltungsbereichen die notwendigen Vorbereitungen durchzuführen.

Am 1. und 2. Januar 1719 wurde anlässlich des 200-Jahr-Jubiläums der Reformation in ZürichOrt: eine Gedächtnisfeier durchgeführt. Diese fand im ersten Amtsjahr des Antistes Johann Ludwig NüschelerPerson: , der als Vertreter der Spätorthodoxie gilt, statt (HLS, Nüscheler, Johann Ludwig). Vor Durchführung der Feier sollte aber zunächst an einem «vorbereithungs-sontag», am 18. Dezember 1718, das gedruckte Mandat von allen Kanzeln der Stadt und Landschaft verlesen werden (StAZH B II 742, S. 110). An den beiden Festtagen standen neben Gebeten Predigten und Reden auf dem Programm (vgl. Bericht von 1719: ZBZ 7.109: a,4).

Editionstext


Wir Burgermeister
und Rath der Stadt ZuͤrichOrt:
Organisation:

entbieten allen und jeden Unseren Angehoͤrigen in Unseren
Staͤdten / Landen / Gerichten und
Gebiethen Unseren gnaͤdigen geneigten Willen
und alles Guts / auch darbey zuvernemmen / welcher massen auf naͤchst von Gottes Guͤte erwartenden Neujahrs-TagDatum: 1.1.1719 zweyhundert JahreZeitspanne: 200 Jahre werden verflossen seyn / da der grundguͤtige Gott aus
ohnaußsprechlicher Gnade und Barmherzigkeit den Anfang gemachet durch das heilsamme
Werk der hoͤchstselligen Reformation das Liecht
des HHeiligen Evangelii in Unseren Stadt und Landen
zu hellem Glanz und Schein wieder zubefoͤrderen /
und Sein allein selligmachendes Wort rein und
ohnverfaͤlschet wieder harzustellen / auch zu solchem
hernach sein Segen dergestalt miltiglich verleihen / [fol. 1v]Seitenumbruch
das Unsere Kirchen bey dem wahren Verstand
seines HHeiligen Worts und dem rechten Gebrauch der
Hochwuͤrdigen Sacramenten biß hieher geschuͤtzet
und erhalten worden:
Wann nun die Christliche
Schuldigkeit erforderet / diese unaußsprechliche
Wohlthat in bestaͤndig dankbare Erinnerung zuziehen / in offentlichen Gemeinden mit Freuden
hoch zuruͤhmen und zupreisen / und deren Gedaͤchtnuß auf die Nachkommende dankbar fortzupflanzen / auch die Goͤttliche Majestaͤt um den fehrneren
Lauff des HHeiligen Evangelii und desse Fortsetzung und
Erhaltung biß an das End der Welt von Herzen
einbruͤnstig anzuflehen;
als haben Wir nach dem
LoblLoblichen Exempel Unserer Seligen Stands-Vorfahren aus Christlicher Wolmeinung zu solchem
End angesehen / daß auf ermeldten bevorstehenden Neujahrs-TagDatum: 1.1.1719 und den darauf folgenden
Tag
Datum: 2.1.1719
in Stadt und Land / weder auf den Zuͤnften
Gesellschafften / Wirths- und Gesellen-Haͤuseren
noch anderstwo keine Zusammenkonften Mahl-
Zeiten noch Abend-Truͤnck gehalten / auch die so
genante Stubenhitzen1 auf den Zuͤnften und Gesellschafften in der Stadt allererst an dem DienstagDatum: 3.1.1719 [fol. 2r]Seitenumbruch
und zwahren nach bißheriger Uebung eingenohmen werden / sonderen ermeldte Zeit aller Orthen in Gottseliger Stille zugebracht werde / und
Jedermaͤnniglich an dem Neujahrs-TagDatum: 1.1.1719 MorgenZeitspanne: morgens MittagZeitspanne: mittags und AbendsZeitspanne: abends / gleichwie an den heiligen hohen Fest-Tagen beschihet / und des folgenden Tags in der Stadt auch MorgensZeitspanne: morgens und AbendsZeitspanne: abends / in die Predigen (die man in allen Pfarr-
Kirchen halten wird:) sich verfuͤge / und allda
bey andaͤchtiger Anhoͤrung des Goͤttlichen Worts
und eyfriger Verrichtung des gemeinen Gebaͤtts
Gott dem Herren fuͤr diese grosse Gutthat innigsten Lob und Dank sage / daß Er solcher Gestalt
aus sonderen Seinen Gnaden / die himmlische
Wahrheit zu vieler tausend Seelen Heil und
Trost wieder an den Tag gebracht / und diese reine Predig bis dahero so Vaͤtterlich unter Uns
zu Unserer Seligkeit erhalten hat / darbey eyfrigst
bitte und anruffe / daß Er fehrner solche Gnad
und Barmherzigkeit uͤber Uns und andere Christglaͤubige Leuth walten und die kostliche Evangelische Hinterlag Seines seligmachenden Worts
auch hinfuͤro wieder aller wiederwertiger Aufsaͤtze [fol. 2v]Seitenumbruch
und Gewalt fest und unverrukt erhalten / auch auf
Unsere Nachkommenden gnaͤdiglich fortpflanzen
wolle;
und weilen Wir zu Unserem Bedauren die
Zeithero sehen und vernehmen muͤssen / daß viele
Unserer Angehoͤrigen zu Stadt und Land solche
hohe Gnad nicht in so hohem Werth / als sie es
aber billich thun soltend / halten und solches durch
schlechte Besuchung der Kirchen thaͤtlich an den
Tag legen thuͤgend / als ist auch hierbey Unsere
Vaͤtterliche und alleinig zu dem Heyl Unserer Angehoͤrigen abzweckende Erinnerung / daß maͤnniglich nicht nur die SonntagsWiederholte Zeitspanne: 1 Woche und DienstagsWiederholte Zeitspanne: 3 Wochen Predigen / sonderen auch die zu Stadt und Land haltende AbendZeitspanne: abends- und MorgenZeitspanne: morgens Gebaͤtt fleissiger und
eyfriger / als bißhero geschehen / besuche / die Hauß-
Vaͤtter und Hauß-Muͤtter den Ihrigen hierinn
mit gutem Exempel vorgehen / und ihre Kind und
Dienst zu gleich schuldiger Pflicht getreulich anhalten / und also Jedermaͤnniglich unter Anruͤffung
Goͤttlicher Gnaden moͤglichst trachte mit geflissener Lesung und Anhoͤrung des Goͤttlichen Worts /
in der Erkantnuß Gottes und dem Handel des
Heyls zu seiner Seelen Seligkeit zu wachsen und [fol. 3r]Seitenumbruch
zuzunemmen / und hierbey auch die schuldigste Herzens-Dankbarkeit fuͤr solch Uns uͤber viel andere
Voͤlker auß ohnverdient erweisende Gnad und
Barmherzigkeit taͤglich abzulegen und zu bescheinen.

Wann dann auch der Uns also gnaͤdig geoffenbahrete Willen Gottes uns vermahnet ein
der Evangelischen Lehr gemaͤsses / das ist Gottselig und Bußwuͤrkendes Leben und Wandel zufuͤhren / auch bey desse bißherig suͤndlicher Ermanglung der Liebe Gott Uns neben anderen schweren
Straffen die Zeit her und auch eben dieß Jahrs /
durch uͤbergrosse Ueberschwemmungen Hagel-
und Ungewitter nochmehr hierzu aufgemunteret / auch zu Anstellung eines solch recht Christgeziemend bußfertigen Lebens das in Truck außgegangene und in allen Kirchen offentlich letsthin verkuͤndete grosse Buß-Mandat2 allein abziehlet / als
thun Wir auch bey solchem Anlaas Jedermaͤnniglich wiederhollet mit allem Ernst hiemit vermahnen / daß man solch Christlich-bestgemeinten Mandat und Ordnungen in allweg und in allen und [fol. 3v]Seitenumbruch
jeden Puncten gehorsamlich nachgange und insonderheit auch sich aller Unmaͤssigkeit und Ueberfluß in Speiß / Trank / und Kleideren muͤssige und
enthalte / und sich dargegen aller Zucht und Ehrbarkeit und eines nuͤchteren Gott gefaͤllligen Lebens und Wandels befleissen thuͤge / als Wir auch
neuen Befehl ertheilt haben / auf die Uebertrettere
geflissene Obsicht zuhalten / und die betrettend Ungehorsamme zu ernstlicher Buß und Straff zuziehen.

Damit nun aber dieserem Unserem so Christlich und wolgemeinten Ansehen desto gefliessener
nachgekommen werde / so wollen Wir hiemit allen
Unseren Ober- und Landvoͤgten befelchlich aufgetragen haben / daß Sie in Ihren Amts-Verwaltungen / gleich es hier in der Stadt auch beschehen /
darzu alle nothwendige Anordnung verschaffen
thuͤgend / und versehen Uns uͤbrigens zu Jedermaͤnniglich / daß Er auß eignem Christlichem Trib und
Eyfer demselben gebuͤhrende Folg zuleisten / und insonderheit sein Leben und Wandel dergestalt zu
besseren und gegen Gott anzustellen sich angelegen [fol. 4r]Seitenumbruch
seyn lassen werde / damit Unser geliebtes Vatterland und Jeder absonderlich Seinen gerechten
Straffen entgehen / und bey der seligmachenden
Lehr des HeilHeiligen Evangelii und in Seinen HeilHeiligen
Gnaden Obschirm weiter erhalten werden moͤge.

Geben Mittwochs den Anderen Tag Wintermonat / von der Gnadenreichen Geburth Christi / Unsers einigen Heilands
gezellt Eintausent / Sibenhundert und
Achtzehen Jahr
Originaldatierung: 2.11.1719
.

Cantzley der Stadt ZuͤrichOrt: Organisation: .
[fol. 4v]Seitenumbruch

Anmerkungen

    1. Bei den «Stubenhitzen» handelte es sich um Unkostenbeiträge, die am Neujahrstag oder Berchtoldstag in ZürichOrt: von Kindern der Zunftsmitglieder den Zunftstuben übergeben wurden. Ursprünglich waren die Beiträge für die Heizung der Stube bestimmt (Idiotikon, Bd. 2, Sp. 1833-1834).
    2. Gemeint ist entweder das Bettagsmandat vom 18. Juli 1718 (StAZH III AAb 1.8, Nr. 75) oder das Grosse Mandat, das jedoch erst am 14. November 1718 erlassen wurde (StAZH III AAb 1.8, Nr. 79).