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SSRQ ZH NF I/1/11 71-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, von Sandra Reisinger

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/11 71-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Bekanntgabe des Mandats der Stadt Bern vom 14. August 1772 betreffend Viehausfuhr für die Angehörigen des Zürcher Stadtstaats

1772 September 2.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich publizieren das Berner Viehmandat vom 14. August 1772, damit alle Zürcher Angehörigen, die auf Berner Gebiet mit Vieh handeln, von den entsprechenden Bestimmungen Kenntnis haben. Zunächst erlässt die Berner Obrigkeit Bestimmungen betreffend das Mastvieh. Grundsätzlich gilt, dass Mastvieh nur auf den öffentlichen Jahrmärkten und Wochenmärkten gekauft werden darf. Die Ausfuhr von Mastvieh ist verboten. Fremde und eidgenössische Metzgermeister müssen das gekaufte Vieh sofort wegführen, dürfen es aber nicht wiederverkaufen. Hingegen müssen Berner Händler das gekaufte Mastvieh vier Wochen lang füttern, bevor sie es weiterverkaufen können. Berner Metzgermeister haben das Vorkaufsrecht (Zugrecht) bei Kauftransaktionen von fremden, nichteidgenössischen Händlern (I). Milchkühe und Kälber dürfen ebenfalls nur an den Märkten gekauft und nicht ausgeführt werden. Fremden Personen ist es untersagt, Abmachungen miteinander zu treffen, um so den Fürkauf des Viehs zu begünstigen (II). Des Weiteren wird die Haltung und Ausfuhr von magerem Zugvieh sowie jungen und alten Stieren erlaubt (III). Bei Kälbern und Schafen ist sowohl die Ausfuhr als auch der Verkauf an Eidgenossen und Fremde an Märkten verboten. Lediglich Metzgermeister der eidgenössischen Stände dürfen für ihr Gewerbe Kälber und Schafe an Märkten kaufen. Das Vorkaufsrecht der Berner Metzgermeister gilt zwar bei solchen Käufen ebenfalls, jedoch muss das gesamte Tier gekauft und in bar bezahlt werden. Zuwiderhandlungen werden mit Konfiskation und einer Busse von 40 Pfund bei einem grossen Tier beziehungsweise 5 Pfund bei einem Kalb oder Schaf geahndet. Die Busssumme geht dabei zu einem Drittel an die Berner Obrigkeit, zu einem Drittel an den Amtsmann des Ortes und zu einem Drittel an die anzeigende Person, deren Name jedoch geheim bleibt (IV).

Zum Phänomen der durch die Stadt ZürichOrt: nachgedruckten Mandate anderer eidgenössischerOrt: Orte vgl. das ZugerOrt: Münzmandat von 1768: SSRQ ZH NF I/1/11 62-1

Editionstext


Wir Burgermeister und Rath der Stadt ZuͤrichOrt: Organisation: ,
thun kund offentlich hiermit, daß, weilen Uns von Unseren V L A EVertrauten Lieben Alten Eidgenossen
LoblLoblichen Standes BernOrt: , ein in betreff der Aufhebung des vormahls angesehenen Vieh-Ausfuhr-Verbots uͤberhaubt,
insbesonders aber wegen der Melch-Kuͤhen und Kalbeten, fuͤr Ihre Bottmaͤßigkeit neuerrichtete und in dortigen Landen publicirte
Verordnung ist communiciret worden,1 welche also lautet:
Wir Schultheiß, Klein und Große Raͤthe der Stadt und Respublik BernOrt: Organisation: , entbieten hiemit allen und jeden Unsern
Angehoͤrigen zu Stadt und Land, Unsern gnaͤdigen und wohlgeneigten Willen, und fuͤgen anbey zu vernemmen:
Demnach Wir in staͤter Landesvaͤterlicher Beherzigung des Wohlseyns Unserer lieben und getreuen Angehoͤrigen, nach der denenselben unterm 17ten JennerDatum: 17.1.1772
dieß Jahrs gegebenen troͤstlichen Versicherung abermalen,2 uͤber die Beschaffenheit und den gegenwaͤrtigen Zustand der Viehzucht in Unsern Landen, und in wie weit
vornemlich auch in Ansehen der Melchkuͤhen und Kalbeten die Freyheit der Handlung wieder herzustellen seyn wolle; die naͤheren Berichten einziehen, und solche
Uns vorlegen lassen. Haben Wir (in so fern ein gleiches von LoblLoblichen EidgnoͤßischenOrt: Orten gegen den Unsrigen wird verordnet und beobachtet werden) Unsere ehvorige
der Viehhandlung halb ausgegangene Mandat auch in diesem Punkt zu milteren geruhet, und sowohl dasjenige, was Wir in Ansehung der
Viehhandlung uͤberhaupt unter dem 17ten Jenner dieß JahrsDatum: 17.1.1772, als dermahlen in Betreff der Melchkuͤhen und Kalbeten insbesonders zu erkennen gutgefunden, in
gegenwaͤrtige Verordnung zusammenfassen lassen, wie von dem einten zum andern folget: und zwar


I. Ansehend das große Mast- und fette Vieh


Soll der freye Kauff oder Handlung desselben auf Unseren oͤffentlichen Jahr- und Wochenmaͤrkten gestattet, danethin jederman erlaubt seyn, dergleichen Waar zu seinem Behelf anzukauffen, jedennoch bleibet fernerhin verbotten, Mastvieh auf aussere Maͤrkte, oder sonsten zum
Verkauff aus dem Land zu fuͤhren.

Sollen alle Unterhaͤndler gaͤnzlich abgestreckt und verbotten, mithin die aussern Mezger
verbunden seyn, die noͤthige Mastwaar selbsten anzukauffen oder durch ihre gedingte Knechte
kauffen zu lassen.

Allen fremden und aussern Mezgern und Kaͤuffern soll gaͤnzlich verbotten seyn, einiches
Mastvieh bey den Staͤllen und Haͤusern, auf den Alpen und Weyden, noch auf den Straßen
anzukauffen, noch einichen Accord deßhalb zu treffen, sondern sie sollen lediger Dingen gehalseynKorrigiert: gehalten seyna, solches auf Unsern offentlichen Maͤrkten zu kauffen.

Die Mezgermeistere, sowol EydgenoͤßischeOrt: als fremde, sollen gehalten seyn, die erkauffte
fette Waar auf den offentlichen Maͤrkten alsobald an die Hand zu nemmen und abzufuͤhren,
mithin ist ihnen verbotten, solche wieder an das Futter zu stellen, noch in Unsern Landen wieder zu verkauffen. Hingegen die hiesigen Haͤndler und Unterthanen sollen ferner gehalten seyn,
die fette Waar, so sie in Unsern Landen kauffen, vier WochenZeitspanne: 4 Wochen, ehe sie solche wieder verkauffen
koͤnnen, ob ihrem eignen Futter zu halten.

Das Zugrecht des fetten oder Mastviehs soll den Mezgermeistern Unserer Hauptstadt allein, wider alle fremde, so nicht EydsgenossenOrganisation: sind, und auch die innern Haͤndler und Fuͤrkaͤuffer gestattet seyn.3


II. Betreffend die Melchkuͤhe und Kalbeten


Soll auch derenthalb der freye Kauff oder Handlung auf Unsern offentlichen Jahr- und
Wochenmaͤrkten wieder gestattet, und jedermann erlaubt seyn dergleichen Waare zu seinem Behelf anzukauffen; Es bleibt aber fernershin verbotten, Melchkuͤhe und Kalbeten auf Aussere
Maͤrckte oder sonsten zum Verkauff aus dem Land zu fuͤhren.


Allen Aussern und Fremden soll auch dannethin gaͤnzlich verbotten seyn, Melchkuͤhe oder
Kalbeten bey den Staͤllen und Haͤusern, auf den Alpen und Weyden, oder auf den Strassen
anzukauffen, noch auch einichen Accord deßhalb zu treffen, und darmit auf eint- oder andere
Weis Fuͤrkauff zu treiben, inmassen denen EydgenossenOrganisation: und Fremden auch dißorts alle Unterhaͤndler abgestreckt und verbotten seyn sollen.


III. Ansehend das magere Zugvieh oder die sogenannte Lebwaar


So soll die freye Handlung und Ausfuhr alles mageren Zugviehs, oder der jungen und alten Stieren Jedermann erlaubt und gestattet seyn.


IV. Die Kaͤlber und Schaafe aber beruͤhrend


So ist Unser Wille und Befehl, daß die Ausfuhr derselben in anderwaͤrtige Bottmaͤßigkeiten, und deren Verkauff an EydgnossenOrganisation: und Fremde bey den Haͤusern und Staͤllen, auf den
Alpen und Weyden, wie auch auf den Strassen und Maͤrkten noch ferneres verbotten seyn und
bleiben solle. Jedennoch denen Mezger-Meistern LoblLoblichen Eydgnoͤßischen StaͤndenOrganisation: , und ihren gedingten Knechten fernerhin gestattend auf Unseren offentlichen Jahr- und Wochen-Maͤrkten, und
nicht bey den Staͤllen oder Haͤuseren, auf den Alpen oder Weyden, noch auf den Strassen,
sowohl Kaͤlber als Schaafe zum Gebrauch ihrer Fleischbaͤnken ankauffen zu koͤnnen; denen
Mezger-Meistern Unsrer Hauptstadt gleich oben bey der Mastwaar das Zugrecht gestattende;
Jedoch mit dieser Einschraͤnkung, daß der so ziehen will, alsobald ziehe, den ganzen Kauff,
wie solcher ergangen annehme, und nicht nur etwann ein Stuck, so Ihme beliebig, auslese,
auch die Kauff-Summa baar erlege.

Alles bey ohnablaͤßiger Straff der Confiscation und einer Buß von Vierzig PfundenWährung: 40 Pfund von
einem großen Stuck, und fuͤnf PfundWährung: 5 Pfund von einem Kalb oder Schaaf, mit welcher die, gegen
den eint- oder andern Artickel dieser Verordnung wiederhandlende, es seyen Kaͤuffere oder Verkaͤuffere, ohne Schonen werden angesehen werden; davon ein DrittelMenge: 0.33 Uns, der andereMenge: 0.33 dem Amtsmann des Orts, und der dritteMenge: 0.33 dem Verleider (nebst Geheimhaltung seines Namens) heimdienen soll.

Wornach sich nun Maͤnniglich zu richten, und zu verhalten haben wird. Geben in Unsrer
Großen Rathsversammlung den 14. August 1772Datum: 14.8.1772.
Canzley BernOrt: Organisation: .

Wir hiemit diese neu-eingefuͤhrte Anordnung zu wissenhafter Nachricht und noͤthigem Verhalt aller und jeder Unserer Verburgerten und Angehoͤrigen, welche
in gedacht LoblLoblichen Standes BernOrt: Landen, des Viehhandels halber, etwas zu verkehren haͤtten, kund machen, anbey anfuͤgen wollten, das wir hierinfalls das Reciprocum gegen die Angehoͤrigen LoͤblLoͤblichen Standes BernOrt: zu beobachten, festgesetzet, zumahlen auch Ihnen in Unseren Gerichten und Gebieten Vieh einhandeln zu duͤrfen die Bewilligung ertheilet haben.
Geben den 2ten September, nach Christi Unsers lieben Herrn und Heilandes Geburt gezehlt Eintausend Siebenhundert, Siebenzig und Zwey JahrOriginaldatierung: 2.9.1772.
Canzley der Stadt ZuͤrichOrt: Organisation: .
[fol. v]Seitenumbruch

Anmerkungen

  1. Korrigiert: gehalten seyn.
  1. Gemeint ist die Verordnung der Stadt BernOrt: über den Viehhandel vom 14. August 1772 (StABE Mc 381; Regest: SSRQ BE I/8.1, Nr. 45).
  2. Gemeint ist die Verordnung der Stadt BernOrt: über den Viehhandel vom 17. Januar 1772 (StABE Mb 285; Edition: SSRQ BE I/8.1, Nr. 45).
  3. Das Zugrecht war ein Vorkaufsrecht, bei dem eine Drittperson bei einer Kauftransaktion die Ware selbst erwerben konnte (vgl. zum ZürcherOrt: Vorkaufsrecht auf dem Kornmarkt die Kornmarktordnung von 1770: SSRQ ZH NF I/1/11 68-1).