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SSRQ ZH NF I/1/11 77-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, von Sandra Reisinger

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/11 77-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Mandat der Stadt Zürich betreffend Ausbildung und Ausübung des Tierarztberufs für die Landschaft

1776 März 18.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich erlassen aufgrund der steigenden Anzahl der Tierärzte, die ohne Erfahrungen und Kenntnisse tätig sind, ein Mandat mit vier Artikeln. Zunächst wird verordnet, dass niemand als Tierarzt arbeiten darf, der nicht von einem erfahrenen Meister ausgebildet worden ist, was mit einem Attest bestätigt werden muss (1). Diejenigen Personen, die als Tierärzte auf der Landschaft arbeiten wollen, sollen vom Sanitätsrat examiniert werden. Bei erfolgreichem Ergebnis erhalten die angehenden Tierärzte ein obrigkeitliches Patent, worin ihre beruflichen Pflichten aufgeführt sind (2). Die Bewohner auf der Landschaft dürfen ihr Vieh künftig nicht mehr zu Tierärzten, die über kein obrigkeitliches Patent verfügen, bringen (3). Zuletzt wird verordnet, dass die Schmiede zwar wie bisher Pferde verarzten dürfen, sich aber in wichtigen Fällen und bei ansteckenden Krankheiten an den Sanitätsrat wenden sollen (4).

Neben der Prävention von Seuchen bei Mensch und Tier war der ZürcherOrt: SanitätsratOrganisation: auch für die Aufsicht der Tierärzte zuständig (vgl. das Pestmandat von 1713, SSRQ ZH NF I/1/11 38-1 und die Ordnung betreffend Zungenkrebs von 1763 SSRQ ZH NF I/1/11 60-1). Bei Ausbruch einer Viehseuche auf der ZürcherOrt: Landschaft mussten die Tierärzte beigezogen werden, damit das befallene Tier untersucht und dessen Krankheit diagnostiziert werden konnte. Falls das kranke Tier starb, musste es aufgeschnitten werden und dem zuständigen Vogt zuhanden des SanitätsratsOrganisation: Bericht erstattet werden. Als Tierärzte fungierten meist nebenamtlich Bauern, Metzger, Hufschmide und Wasenmeister, die ihre tiermedizinische Ausbildung durch einen gelehrten Meister erhalten hatten. Eine eigentliche Lehranstalt für Tierärzte entstand in ZürichOrt: erst im Jahre 1820.

Am 15. Februar 1776 legte der SanitätsratOrganisation: dem ZürcherOrt: RatOrganisation: ein Gutachten und Mandatsentwurf vor. Darin stand, dass die Ausbreitung diverser Viehseuchen unter anderem auf die Unwissenheit und Inkompetenz vieler Tierärzte zurückzuführen sei, weswegen nur noch Tierärzte, die ihr Handwerk durch einen Meister erlernt hatten und dies anhand eines Attests beweisen konnten, tätig sein sollten. Ausserdem schlug der SanitätsratOrganisation: vor, Viehärzte künftig zu examinieren und ihnen bei erfolgreicher Prüfung ein Patent auszustellen. Das Tierarztpatent legte der SanitätsratOrganisation: ebenfalls als Entwurf vor (StAZH B III 244, S. 77-86). Bereits am 18. März genehmigte der Rat das Gutachten und verfügte den Druck des vorliegenden Mandats sowie des Patents. Das Mandat sollte (über die Ober- und Landvögte) von allen Kanzeln verlesen werden. Ausserdem verordnete der Rat, dass der SanitätsratOrganisation: alle zurzeit tätigen Tierärzte ebenfalls examinieren und ihnen ein Patent erteilen musste (StAZH B II 972, S. 104-105).

Zu den Viehseuchen und der Tiermedizin in der EidgenossenschaftOrt: sowie in ZürichOrt: im 18. Jahrhundert vgl. HLS, Tiermedizin; HLS, Viehseuchen; Bühlmann 1916; Wyss 1796, S. 276-281.

Editionstext


Wir Burgermeister und Rath der Stadt ZuͤrichOrt: Organisation: , entbieten
allen und jeden Unseren Angehoͤrigen auf Unserer Landschaft, Unseren goͤnstigen Gruß,
geneigten Willen, und alles Guts zuvor! Und dabey zuvernehmen: Demenach Wir von Unseren
verordneten Sanitaͤt-Raͤthen mit Bedauren haben erfahren muͤssen, was massen sich die Anzahl derjenigen Vieh-Aerzten, die aus hoͤchststraͤflichem Eigennutz, ohne alle Einsicht, Erfahrung oder Kenntniß,
die Viehartzney-Kunst zum augenscheinlichen Nachtheil derer, die ungluͤcklich genug sind, ihnen ihr svsalva venia Vieh
anzuvertrauen, uͤben, und sich fuͤr Meister in dieser Kunst ausgeben, taͤglich anwachse, und auf diese
Weise nicht selten zum aͤußersten Schaden Unserer lieben Angehoͤrigen, durch die Unwissenheit, und durch
die ganz unrechten und oft sehr schaͤdlichen Mittel, die sie dem Vieh geben, aus einem geringen, nichtsbedeutenden Uebel, das groͤßste Elend, und die Ausbreitung der Ansteckung des ganz gesunden Viehes entstehe; So hat Uns dieses nach Unserer fuͤr die allgemeine Landes-Wohlfarth, und den besonderen Nutzen
und Wohlstand Unserer LLieben Angehoͤrigen auf der Landschaft, tragenden Landesvaͤterlichen Fuͤrsorge, nothwendig bewegen muͤssen, diesem beynahe allgemeinen, und aͤußerst schaͤdlichen Mißbrauch moͤglichster maßen Innhalt zuthun, und zu dem Ende
hin vermittelst gegenwaͤrtigen Hochobrigkeitlichen Mandats, Unsern ernstlichen Will und Meynung hieruͤber dahin offentlich bekannt zu machen,
daß nemlich:

Erstens jedermaͤnniglich die Ausuͤbung der Vieharzney-Kunst gaͤnzlich verbotten seyn solle, der dieselbe nicht von einem erfahrnen Meister
erlehrnet hat, und im Stande waͤre hierum genugsame Attestata vorzuweisen.

Demnach, daß alle und jede welche die Viehartzney-Kunst auf Unserer Landschaft auszuuͤben gedenken, ohne allen Unterscheid sich bey
Unsern verordneten Sanitaͤt-Raͤthen geziemend melden, und durch eine aus dem Mittel derselben zubestellende Commißion sorgfaͤltig examiniert, und im Fahl sie tuͤchtig und geschickt genug befunden wurden, auf ihr bittliches ehrerbietiges Anhalten hin, Oberkeitlich durch ein eigenes Patent zu Treibung ihrer Kunst privilegiert, und zu genauer Erstattung ihrer hiermit verbundenen, und in gedachtem Patent umstaͤndlich
enthaltenen wichtigen Pflichten nachdrucksamst aufgefordert werden sollen.

Daß sodann Drittens nicht nur niemand, der nicht mit einem solchen gesiegleten Patent versehen waͤre, irgendwo in Unserer Landschaft
die Viehartzney-Kunst ausuͤben, sondern auch niemand von Unseren Landleuthen sein svsalva venia Vieh einem solchen nichtprivilegierten After-Artzt
in die Cur geben solle.

Und Endlich, da Uns wohl bekannt, was gestalten die Meister Schmied Kraft ihrer Profeßion sich bisweilen mit Heilung der Pferdt-
Krankheiten abgeben muͤssen, so lassen Wir es Uns auch weiters gefallen, daß die Verstaͤndigen und Erfahrnen unter ihnen, wie bisher,
mit Artznung der Pferdten fortfahren doͤrffen, jedoch mit dem ausgedruckten Vorbehalt, daß sie sich auch dießfahls in wichtigern Faͤllen,
und bey jeder der Ansteckung unterworfenen Krankheit, sogleich an Unsere Sanitaͤts-KammerOrganisation: wenden sollen.

So wie nun die Handhab dieser Unserer ernstlichsten Willens-Meynung nothwendig von den gemeinnuͤtzigsten Folgen, besonders in
Absicht auf unsere LLiebe Landleuthe seyn muß, so wird auf der andern Seithe auch gegen die darwieder fehlbar erfindenden nicht weniger mit
gedoppelter Schaͤrfe verfahren werden. Wir versehen Uns aber zu Jedermaͤnniglich in einer so heilsamen Sache, alles willigen, schuldigen, und unausgesetzten Gehorsams.

Geben, Montags den 18. Merzen, nach Christi unsers einigen Erloͤsers gnadenreichen Geburth gezehlt;
Eintausend Siebenhundert Siebenzig und Sechs Jahr
Originaldatierung: 18.3.1776
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Canzley der Stadt ZuͤrichOrt: Organisation: .
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