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SSRQ ZH NF I/1/11 78-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, von Sandra Reisinger

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/11 78-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Lehrordnung der Stadt Zürich für die Schulen der Landschaft

1778.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich erlassen neben der Schulordnung eine Lehrordnung für die Landschaft mit 16 Artikeln. Zunächst wird verordnet, dass die Schulstunden jeweils mit einem Gebet beginnen, dass danach Bibelsprüche und Texte aus dem Neuen Testament durch den Lehrer oder Schüler vorgelesen werden sollen und dass die Schulstunden schliesslich mit einem Gebet enden (I, II, XV). Die Kinder werden in drei Klassen aufgeteilt: In der ersten Klasse lernen sie buchstabieren, in der zweiten Klasse syllabieren und in der dritten Klasse lesen (III-VI). Der Übertritt in eine höhere Klasse erfolgt nach dem bestandenen jährlichen Examen und muss vom Pfarrer und den Schulvorgesetzten bestätigt werden (VII). Der Schulmeister soll gegenüber den Schülern geduldig und wachsam sein sowie ihnen die Texte, die sie auswendig lernen müssen, vorgängig erläutern. Bei der Abfrage der auswendig gelernten Texte (Letzgen) darf der Schulmeister ihnen diese nur abnehmen, wenn sie korrekt und deutlich aufgesagt wurden (VIII, IX). Um das Gelernte nicht zu vergessen, sollen die Kinder einmal wöchentlich in die Repetierschule gehen, wo sie einen Teil aus dem Neuen Testament, eine biblische Geschichte, den kleinen Katechismus oder Ausschnitte aus dem grossen Katechismus aufsagen und vorlesen müssen. Ausserdem sollen in der Repetierschule Schreibübungen durchgeführt werden (X, XVI). Es folgen weitere Bestimmungen bezüglich des Schreibens, Rechnens und Singens (XI-XIII). Fleissige Kinder sollen am Ende der Woche öffentlich gelobt und ihnen ein Ehrenplatz in der Schule zugewiesen werden (XIV). Zuletzt wird verordnet, dass der Schulmeister bei organisatorischen Fragen zu den Schulstunden immer den Pfarrer beiziehen soll und diesbezüglich niemals etwas alleine unternehmen darf.

In den 1770er Jahren kam es zu Reformbestrebungen im Bereich des ZürcherOrt: Landschulwesens. Zwar waren seit dem 17. Jahrhundert mehrere Landschulordnungen erlassen worden, aber die geltende Ordnung von 1744 (SSRQ ZH NF I/1/11 44-1) stiess insbesondere unter den Pfarrern auf Kritik. Bemängelt wurden die fehlenden Vollzugs- und Durchsetzungsmittel der Pfarrer sowie die häufigen Schulabsenzen der Kinder. In den Jahren 1771/1772 wurde deswegen mit einem Fragebogen, den die Moralische GesellschaftOrganisation: entworfen hatte, eine Schulumfrage durchgeführt (digitale Edition: Zürcher Schulumfrage). Es zeigte sich, dass insbesondere in den durch Heimarbeit geprägten Gebieten viele Kinder nicht oder nur wenig zur Schule gehen konnten, da ihre Eltern auf den Verdienst der Kinder angewiesen waren und das Schulgeld nicht aufwenden konnten (vgl. das Mandat betreffend Rastgeben von 1779, SSRQ ZH NF I/1/11 82-1).

Der Unterricht war in den ZürcherOrt: Landschulen des 18. Jahrhunderts geprägt durch religiöse Inhalte. Lesen, Schreiben, Beten und Singen erfolgten meist mit biblischen Texten. Die Schulmeister durchliefen keine geregelte Ausbildung und waren häufig nebenberuflich als Lehrer tätig. Zuständig für die Ausarbeitung von Landschulordnungen war der ExaminatorenkonventOrganisation: , der aus vier Ratsherren und zwölf Geistlichen bestand. Am 26. Oktober 1778 bestätigte der RatOrganisation: den Entwurf einer neuen Schul- und Lehrordnung, die vom ExaminatorenkonventOrganisation: entworfen worden war, und verordnete den Druck der Ordnung (StAZH B II 981, S. 54). Die Schul- und Lehrordnung von 1778 besteht aus zwei separaten Teilen, die jedoch zusammengehören. Die vorliegende Lehrordnung ergänzt dabei die Schulordnung (StAZH III AAb 1.14, Nr. 85). Im Vergleich zur Landschulordnung von 1744 sind die Artikel zur Unterrichtsgestaltung und zu den Unterrichtsmethoden deutlich ausführlicher. Neu werden die Klassen nicht mehr nach Leistungsniveaus, sondern nach Abfolge der zu erwerbenden Fähigkeiten eingeteilt. Im Gegensatz zur Landschulordnung von 1744 wird nun die Forderung formuliert, dass die Schüler nicht nur abschreiben, sondern auch auswendig schreiben sollen. Anstelle der Nachtschule wird mit der Schul- und Lehrordnung von 1778 die Repetierschule eingeführt. Schliesslich wird für den Schulmeister das Führen einer Schülertabelle verbindlich, von der es im Anhang der Schulordnung eine Vorlage gibt.

Zum ZürcherOrt: Schulwesen im 17. und 18. Jahrhundert vgl. HLS, Schulwesen; Berner 2010; De Vincenti-Schwab 2008; Maissen 2004; Stucki 1996, S. 246-249; Wyss 1796, S. 409-413.

Editionstext


Lehr-Ordnung
fuͤr die
Schulen
der
Landschaft ZuͤrichOrt:

Holzschnitt
MDCCLXXVIIIOriginaldatierung: 1.1.1778 – 31.12.1778
[S. 2]Seitenumbruch
[S. 3]Seitenumbruch
Holzschnitt

I.
In allen Lehrstunden soll der Anfang gemacht werden
mit dem Gebett; dasselbe kann entweder von
dem Schulmeister selbst, oder a–von vonKorrigiert: von–a einem der faͤhigsten Schulknaben laut, abgesetzt, verstaͤndlich und andaͤchtig der ganzen Schule vorgesprochen, und von den
uͤbrigen in der Stille nachgebettet werden. Da inzwischen der Schulmeister auf die, so sich minder andaͤchtig
bezeigen, Achtung geben, und sie nach vollendetem Gebett gleich auf der Stelle liebreich und ernsthaft daruͤber
bestrafen, auch dabey den Anlaas nehmen soll, den
Knaben insgesammt die dienlichsten Vorstellungen zu machen, von der Nothwendigkeit eines andaͤchtigen Gebetts, von der Majestaͤt und Allwissenheit Gottes, zu
dem unser Gebett gerichtet ist, an dessen Gegenwart [S. 4]Seitenumbruch
wir immer, im Gebett aber auf eine ganz besondere
Weise, uns erinnern sollen.

II.
Nach verrichtetem andaͤchtigem Gebett soll ein kurzer, faßlicher und wichtiger Spruch der HeilHeiligen Schrift,
aus einer Sammlung von dergleichen Spruͤchen, die
von dem jeweiligen Herrn Pfarrer gewaͤhlt worden, und
zwar eine ganze WocheZeitspanne: 1 Woche durch der nemliche Spruch den Kindern vorgesprochen werden; An den Bettagen aber von
einem der Kinder, die im verstaͤndlichlesen geuͤbt sind,
ein Capitel oder ein Stuͤck aus der heiligen Schrift,
vornemlich aus dem neuen Testamente, vorgelesen werden, wobey die uͤbrigen Kinder ihre Buͤcher offen vor
sich halten, und in der Stille nachlesen sollen. Um
die Kinder aber in der Aufmerksamkeit zu unterhalten,
wird der Schulmeister bald das eine bald das andere
Kind fortlesen heissen, wo das vorige stille gehalten:
Nach geendigter Vorlesung kann der Schulmeister die
von dem seligen Herrn OsterwaldPerson: 1 jedem Capitel angehaͤngten erbaulichen Betrachtungen selbst vorlesen.

III.
Fuͤr den Unterricht einer ganzen Schule voll Kinder wird es sehr vortheilhaft seyn, wenn man dieselben [S. 5]Seitenumbruch
nach ihrem Alter und Faͤhigkeiten in 3Menge: 3 Classen eintheilt,
und jede Classe absoͤnderlich zusammen setzet; etwa eine
Classe fuͤr die A, B, C Schuͤler, eine Classe fuͤr die,
so zum Buchstabieren, und eine Classe fuͤr die, so
zum Lesen angefuͤhrt werden sollen; und zwar sollen
jedesmal die Kinder von derselben Classe zu gleicher Zeit
eben dieselbe Letzgen2 lernen: Auf diese Weise wird jedes
Kind mit seiner Classe alles mitlernen, was derselben
Alter und Faͤhigkeit angemessen ist.

IV.
Die Anfaͤnger in der untersten Classe sollen die
einzelnen Buchstaben auf ihre Taͤfelgen kennen
lernen: Dabey soll der Schulmeister auf eine muntere
und freudige Art zu Werke gehen, um das Kind nicht
gerade von Anfang abzuschrecken; er soll dem Kind auf
einmal nicht mehr als zweenMenge: 2 Buchstaben bekannt machen,
dabey aber seine Aufmerksamkeit auf die Kennzeichen zu
richten suchen, wordurch jeder Buchstabe von dem andern sich unterscheidet, damit auch da schon der Verstand der Kinder geuͤbt, und ihnen angewoͤhnt werde,
uͤberall Grund anzugeben, warum etwas so und nicht
anders sey und heisse. Dieses wird auch den Nutzen
haben, daß die Kinder eine Fertigkeit erlangen, die
Buchstaben nicht nur der Ordnung nach, sonder an [S. 6]Seitenumbruch
jeder Stelle durch das Taͤfelgen oder Lesebuͤchlein, wo
sie immer vorkommen, behende zu erkennen und zu unterscheiden: Man kan ihnen zur Probe etwa zweenMenge: 2 oder
dreyMenge: 3 Buchstaben aufgeben, die sie durch das Lesebuͤchlein
suchen und zeigen muͤssen.

V.
Wann dann das Kind die einzelnen Buchstaben des
ganzen Alphabeths deutlich kennet, so gehet man zum
buchstabieren der einfachen Sylben uͤber, wo dann der
Schulmeister die Buchstaben eine Sylbe nennen, und
die Sylbe aussprechen soll; Sylben besonders von mehrern Buchstaben soll er den Kindern lange vorsagen, die
verschiedenen Buchstaben sie in einen Laut zusammenfassen lehren, bis daß die Kinder selber die Sylbe aussprechen lernen, wo es viel leichter von statten gehet,
wenn er etwa mit 7Menge: 7 oder 8Menge: 8 Kindern diese Uebung zugleich vornimmt: Sind diese nun so weit gekommen,
daß sie einzelne Sylben, und zwar alle Arten derselben,
richtig aussprechen koͤnnen, so soll der Schulmeister mit
dem Syllabieren anfangen, die verschiedenen Sylben
eines Worts getheilt, und hernach das Wort ganz aussprechen, und diese Uebung so lange fortsetzen, bis die
Kinder darinnen zu einer voͤlligen Fertigkeit gelangen,
so daß sie, um einst richtig lesen und schreiben zu koͤn[S. 7]Seitenumbruchnen, jedes vorkommendes Wort auswendig buchstabieren, und die Buchstaben in ihrer Ordnung an den Fingern herzaͤhlen koͤnnen.

VI.
Erst alsdann, wann sie im Buchstabieren und
Syllabieren geuͤbt und vest genng sind, sollen sie zu
dem richtig und fertig lesen angefuͤhrt werden; und da
soll der Schulmeister ihnen nicht nur nach Beschaffenheit
ihrer Faͤhigkeit eine Letzgen zum Lesen aufgeben; sondern sie dieselbe vorher unter seiner Aufsicht buchstabieren lassen, und hernach sie ihnen selbst ganz vorlesen:
Und da zugleich die Kinder auf die Verschiedenheit der
Buchstaben, der Sylben, der Unterscheidungs-Zeichen,
auf eine richtige Aussprache, die Ruhepunkte und den
Accent aufmerksam machen, damit sie so wohl abgesetzt,
als deutlich und verstaͤndlich lesen lernen; dazu wird sehr
viel beytragen, wann sie in dem Lesen schoͤner Verse
und Reimen fleißig geuͤbt werden. Da nun aber die
ersten Anfaͤnge am meisten Gedult, Muͤhe und Zeit erfordern, insgemein aber auf eine verkehrte Weise, aus
einem unverstaͤndigen Stolze sehr damit geeilet wird;
so soll
[S. 8]Seitenumbruch

VII.
Zufolge des XIX. Artickels der Schulordnung3 kein
Schulkind aus einer untern Classe, ohne daß es in einem Examen, welches im Beyseyn des Herrn Pfarrers
soll gehalten werden, genugsame Proben abgelegt,
daß es sich in dem, was in jeder Classe erfordert wird,
recht vestgesetzt habe, in eine hoͤhere Classe aufgenommen werden: Ordentlicher Weise kann diese Befoͤrderung aus einer Classe in die andere am bequemsten
bey dem jaͤhrlichenWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr Examen von Herrn Pfarrer und
den Schulvorgesetzten eigentlich bestimmet werden, um
so von dem Schulmeister allen Unwillen der Eltern und
allen Verdacht der Partheylichkeit zu entfernen. Deßwegen soll

VIII.
Der Schulmeister, damit ihm wegen des Zuruͤckbleibens der Kinder keine Schuld koͤnne beygemessen
werden, sich es zur Pflicht machen, seinen bestmoͤglichsten Fleiß und Geduld bey den Anfaͤngern zu verwenden, und so oft es ohne Versaͤumniß der uͤbrigen geschehen kann, dieselben entweder zu sich kommen lassen,
oder zu ihren Plaͤtzen hingehen, ihnen ihre Letzgen erklaͤren, und wo sie anstossen, ihnen forthelfen; allzeit [S. 9]Seitenumbruch
aber ein wachsames Aug auf dieselben richten, daß sie
nicht, wie nur gar zu oft zu geschehen pflegt, entweder
ganz muͤßig dasitzen und also lange Weile haben, und
so einen Eckel an der Schule bekommen, oder wohl gar
den andern hinderlich fallen.

IX.
Was nun das auswendig lernen betrift, so sollen
die Kinder den kleinern und groͤssern Catechismus, in
welchem die Hauptwahrheiten der Christlichen Religion
enthalten sind, sich dazu empfohlen seyn lassen; diesem
soll hernach eine von dem Herrn Pfarrer vernuͤnftig getroffene Auswahl von Psalmen, Gebettern und schoͤnen
Liedern beygefuͤgt werden: wobey man aber mehr auf
die Wichtigkeit und Nutzbarkeit, als auf die Menge sehen soll. Mit den faͤhigern und denen, so mit gutem
Willen ihrer LLieben Eltern laͤngere Zeit als gewoͤhnlich, die
Schule besuchen, koͤnnen aus dem Zeugnißbuch die Zertheilungen der Fragen, die deutlichsten und lehrreichsten
Stellen aus den Buͤchern des NNeuen Testaments mit einer
kurzen Nutzanwendung, biblische Geschicht-Erzaͤhlungen etcAbkürzung vorgenommen werden. Ueberhaupt soll dabey
verhuͤtet werden, daß den Kindern gar nichts zum auswendig lernen aufgegeben werde, was sie nicht vorher
bey dem Schulmeister richtig durchgelesen, und ihnen [S. 10]Seitenumbruch
so viel moͤglich erklaͤrt und verstaͤndlich gemacht werden.
Bey dem Abfordern der bey Hause nun auswendig gelernten Letzgen soll der Schulmeister genaue Achtung darauf geben, daß sie dasselbe laut, deutlich, verstaͤndlich, wohl abgesetzt, und in dem angemessenen Ton der
Stimme aussprechen und hersagen, so daß sie keine Sylben verschlingen, nichts verstuͤmmeln, oder hinzusetzen.
Kurz, der Schulmeister soll keine Letzgen abnehmen,
die nicht richtig und fertig gelernt worden.

X.
Damit aber das Gelernte nicht bald wieder vergessen werde; so soll alle Wochen am FreytagWiederholte Zeitspanne: 6 Wochen oder
SamstagWiederholte Zeitspanne: 7 Wochen fuͤr alle Kinder, die sich im Auswendiglernen
geuͤbt haben, eine Repetierstunde gehalten werden; und
damit die obern Kinder in dem so nothwendigen richtig
und fertig Lesen nicht ohne Uebung bleiben, so soll alle
Tage etwa eine halbe StundeZeitspanne: darauf verwendet werden,
so daß die Kinder in ihrer Ordnung sitzend, eines nach
dem andern, fuͤr das erste einen Vers laut und vernehmlich buchstabieren, und die andern nachsehen muͤssen,
bis die Reihe auch an sie koͤmmt.
[S. 11]Seitenumbruch

XI.
In Ansehung des Schreibens so sollen den Anfaͤngern die erstern Zuͤge und Grundstriche, hernach die
leichtesten Buchstaben, aus welchen die andern fliessen,
und hernach die schwerern vorgeschrieben werden.

c, i, nn, u, m, mm, e.

o, a, q, g, r, v, w, y, z.

l, b, h, d, t, tt, s, ß, f, ff, t, tz.

Da wird ihnen der Schulmeister die Arbeit viel erleichtern, wenn er ihnen die Hand fuͤhrt und die Buchstaben mit dem Bleystift zuerst vorzeichnet, und die
Schuͤler vermittelst der Feder dieselbe mit Dinten
uͤberziehen laͤßt. Dabey soll er ihnen zeigen, wie
sie die Feder bequem in die Hand nehmen und behandeln, wie sie den Leib tragen, und den Kopf aufrecht
halten muͤssen. Wann die Schuͤler das Schreiben der
Buchstaben gefasset haben, so sollen ihnen dann Sylben
und Woͤrter und zuletzt ganze Spruͤche vorgeschrieben werden, wobey man ihnen dann zeigen soll, wie man die
Woͤrter abbreche, wo man grosse Buchstaben setze, die
verschiedenen Unterscheidungs-Zeichen, und wo sie gesetzt werden. Die Vorschriften koͤnnen am bequemsten
aus Spruͤchen der heiligen Schrift oder geistlichen Liedern genommen werden, doch daß sie den Kindern nicht
zu bekannt seyn, auch kann man den Kindern Muster [S. 12]Seitenumbruch
von Conten, Quittanzen, Obligationen und kurzen
Briefen vorlegen; dabey soll jedes Kind seine eigene
Vorschrift haben, und die Schriften der Kinder fleißig
corrigiert, ihnen die Fehler in Zuͤgen, Buchstaben und
Woͤrtern, und in der Stellung derselben auf eine faßliche Art gezeiget werden; die Fertigsten im Schreiben
nach der Vorschrift muͤssen endlich dazu gewoͤhnt werden, aus dem Kopf ihnen vorgesprochene Woͤrter und
Spruͤche zu schreiben, damit sie mit der Zeit das noͤthige aufzeichnen koͤnnen: Endlich soll den Kindern auch
Anleitung gegeben werden, mancherley Handschriften
lesen zu lernen.

XII.
Was das Rechnen betrift, so wird den Kindern
nach einer guten und leichten Anleitung dasjenige davon
gezeiget, was ihnen nach ihrem Stande noͤthig seyn
mag.

XIII.
In Absicht auf das Singen, so ist dasselbe, weil
es ein Stuck unsers oͤffentlichen Gottesdiensts ist, sehr
noͤthig, und soll dasselbe mit jungen Knaben und Toͤchtern fleißig geuͤbt werden, und wo es nicht oͤfter ge[S. 13]Seitenumbruchschehen kann, wenigstens wochentlichWiederholte Zeitspanne: 1 Woche eine StundeZeitspanne: 1 Stunde in
der Schule oder Kirche, sey es am SonntagWiederholte Zeitspanne: 1 Woche oder an
einem andern Tag in der Woche, vorgenommen werden: Zu dem Ende hin soll und wird der Herr Pfarrer
jedes Orts stets sorgfaͤltige Aufsicht haben, daß es und
wie es geschehe, besonders auch dafuͤr sorgen, daß es
den zu Schuldiensten in die Wahl kommenden an der
Faͤhigkeit im Singen der Psalmen und Festlieder zu unterrichten nicht fehle, damit der Kirchengesang nicht ein
blosses Geplärre sey, sondern mit Melodey und Annehmlichkeit zum Lob und Preis des herrlichen Gottes
und Heilandes verrichtet werden moͤge.

XIV.
Um den Fleiß der Kinder zu schaͤrfen, und ihnen
eine vernuͤnftige Ehrbegierde in dem, was gut und loͤblich ist, einzupflanzen, sollen am Ende der Woche diejenige die sich durch fleißiges Lernen, Gehorsam und
anstaͤndige Auffuͤhrung vor andern hervorgethan haben,
oͤffentlich gelobt, und ihnen ein Ehrenplatz in der Schule
angewiesen werden.

XV.
Endlich wird die Schule wieder mit dem Gebette
beschlossen, und werden die Kinder mit der liebreichen Er[S. 14]Seitenumbruchmahnung, sich wohl und ehrbar aufzufuͤhren, einander
nichts leids zu thun, ihren Eltern in allem Guten Gehorsam zu leisten, ihre Arbeit fleißig zu verrichten,
oft und andaͤchtig zu betten, und Gott immer vor
Augen zu haben, entlassen, eingedenk, daß die Gottesfurcht aller Weisheit Anfang und Ende, oder Hauptsumm ist.

XVI.
In der Repetier-Schule oder an dem Bettag mit
den entlassenen Schuͤlern wird gleichfalls mit einem andaͤchtigen Gebett der Anfang gemacht, hernach ein
Capitel aus dem NNeuen Testament oder eine biblische Geschichte vorgelesen, nach diesem der kleine Catechismus
und einMenge: 1 oder zweenMenge: 2 Hauptpuͤnkten des groͤssern aufgesagt, hernach was die Schuͤler an Psalmen, Spruͤchen, Liedern etcAbkürzung auswendig gelernt, untersucht, und so
auch ihre Schreibuͤbungen, vorgewiesen, beurtheilt und
ausgebessert, und alles mit einer Ermahnung und Gebett beschlossen.

Wie im uͤbrigen diese Lehr-Ordnung am besten
koͤnne angewandt, und die Letzgen und Lehrstunden am
bequemsten eingetheilt, und alles vorgeschriebene zum
allgemeinen Nutzen am sichersten in Uebung gebracht [S. 15]Seitenumbruch
werden, daruͤber soll der Schulmeister seinen Herrn
Pfarrer fleißig zu Rathe ziehen, desselben Raͤthen und
Gutachten in allem gehorsame Folge leisten, und sich
niemals zu Sinne kommen lassen, ohne oder gegen
dessen Rath und Gutbefinden etwas zu unternehmen oder
abzuaͤndern.

Der Herr verleihe zu diesem allem den Lehrern und
Lernenden seinen Segen! Er bereite sich selbst dadurch
ein Lob aus dem Mund der jungen Kinder und Saͤuglinge! und gebe, daß die Erkenntniß der Wahrheit
und die Ausuͤbung der Froͤmmigkeit und Rechtschaffenheit
unter unserm Volk zunehme und ausgebreitet werde.
[S. 16]Seitenumbruch

Anmerkungen

  1. Korrigiert: von.
  1. Vielleicht handelt es sich um den Theologen Jean-Frédéric OstervaldPerson: (HLS, Ostervald, Jean-Frédéric).
  2. Mit der «Letzge» ist das Pensum gemeint, das jedes Kind individuell zum auswendig Lernen auferlegt hielt (De Vincenti-Schwab 2008, S. 20, Anm. 16).
  3. Gemeint ist die Schulordnung von 1778 (StAZH III AAb 1.14, Nr. 85).