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SSRQ ZH NF I/1/11 85-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, von Sandra Reisinger

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/11 85-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Schulordnung der Stadt Zürich für die deutschen Schulen

1781.

Editionstext


Erneuerte
Schul- und Lehr-Ordnung
fuͤr die
Haus- und Deutsche Schulen der
Stadt ZuͤrichOrt:


Aus Hoch-Obrigkeitlichem Befehl zum
Druck befoͤrdert.
Holzschnitt

MDCCLXXXIDatum: 1781.
[S. 2]Seitenumbruch [S. 3]Seitenumbruch
Holzschnitt

Die Haus-Schulen


Es sollen derselben fernerhin nur siebenMenge: 7 seyn. Naͤmlich
zweyMenge: 2 in der Groß-MuͤnsterOrt: , zweyMenge: 2 in der StAbkürzung PetersOrt: , zweyMenge: 2
in der PredigerOrt: , und eine in der Frau-Muͤnster-GemeindeOrt: . ‒
Um nun diese Schulen desto nutzbarer zu machen, ward
fuͤr den Unterricht folgende Ordnung vestgesetzt, deren Beobachtung und gewissenhafte Befolgung jeder Schulmeister
der siebenMenge: 7 Haus-Schulen sich bestens soll angelegen seyn
lassen.1
[Marginalie am rechten Rand:]
A.Schriftwechsel In Ansehung der
Eintheilung der PensorumSchriftwechsel.

I.
Jeder Schulmeister soll taͤglichWiederholte Zeitspanne: 1 Tag 4 StundenZeitspanne: 4 Stunden Schule
halten, nebst 2 NachstundenZeitspanne: 2 Stunden, naͤmlich von 8 bis 10 Uhr
des Morgens
Zeitspanne: von 8:00 bis 10:00
, sowohl im SommerZeitspanne: Sommer als im WinterZeitspanne: Winter, und [S. 4]Seitenumbruch
von 1 bis 3 Uhr des NachmittagsZeitspanne: von 13:00 bis 15:00. ‒ Die Nachstunden
sind des Morgens von 10 bis 11 UhrZeitspanne: von 10:00 bis 11:00, und zu Mittag von
3 bis 4 Uhr
Zeitspanne: von 15:00 bis 16:00
.

II.
In besagten Stunden werden der Ordnung nach folgende PensaSchriftwechsel tractiert:

MontagWiederholte Zeitspanne: 2 Wochen Morgens lehrt er Buchstaben kennen, buchstabieren und lesen, nach Anleitung des verfertigten Lese-Buͤchleins ‒ zugleich wird aus dem kleinen und
grossen Catechismus memorisiert, und die in dem Lese-
Buͤchlein enthaltene Verse und Spruͤche sammt den eigens
hierzu ausbezeichneten schoͤnsten Psalmen sollen dem Gedaͤchtniß der Kinder durch fleißiges Lesen eingepraͤget
werden.

" " " NachmittagsZeitspanne: nachmittags wie am MorgenZeitspanne: morgens.

DienstagWiederholte Zeitspanne: 3 Wochen MorgensZeitspanne: morgens wird der grosse und kleine Catechismus ganz recitiert.

" " " NachmittagsZeitspanne: nachmittags, wie am MontagWiederholte Zeitspanne: 2 Wochen.

MittwochWiederholte Zeitspanne: 4 Wochen MorgensZeitspanne: morgens, wie am MontagWiederholte Zeitspanne: 2 Wochen.

" " " NachmittagsZeitspanne: nachmittags eben so.

DonnstagWiederholte Zeitspanne: 5 Wochen MorgensZeitspanne: morgens, wie am DienstagWiederholte Zeitspanne: 3 Wochen.

" " " NachmittagsZeitspanne: nachmittags sind Ferien.

FreytagWiederholte Zeitspanne: 6 Wochen MorgensZeitspanne: morgens, wie am MontagWiederholte Zeitspanne: 2 Wochen.

" " " NachmittagsZeitspanne: nachmittags eben so.
[S. 5]Seitenumbruch
SamstagWiederholte Zeitspanne: 7 Wochen MorgensZeitspanne: morgens, wie am DienstagWiederholte Zeitspanne: 3 Wochen, aussert daß
noch Psalmen recitiert werden.

" " " NachmittagsZeitspanne: nachmittags begleitet der Schulmeister die
Kinder in die Kirche zum Grossen MuͤnsterOrt: , wo alle
mal 4Menge: 4 Kinder aus jeder Schule der Ordnung nach aufsagen muͤssen.

III.
In den Nachstunden wird ein kleiner Anfang in dem
Schreiben gemachet.
[Marginalie am rechten Rand:]
B.Schriftwechsel In Ansehung der
Lehrart.
[Marginalie am rechten Rand:]
Von der Erlernung der
Buchstaben.

IV.
Jedes JahrWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr muß, in den oͤffentlichen Schulen die
Unterrichtung der Kinder ganz vornen angefangen, und
denen, die um persoͤnlicher unvermeidlicher Ursachen willen in ihren spaͤten Jahren zur Schule geschickt werden, in
ausserordentlichen Stunden nachgeholfen werden.

In jeder Schul muß eine Tafel aufgehaͤngt sey, auf
welcher in gedruckten Folio-Blaͤttern mit den schoͤnsten ansehnlichsten Buchstaben aufgekleibt sind.

1. Das deutsche Alphabeth in der gewoͤhnlichen kleinen
Schrift und in Versalen.

2. Die vornehmsten Sylben, so daß auf die einfache
immer zusammengesetzte schwerere folgen.

3. Die Ziefern von 1Menge: 1 bis 1000Menge: 1000.
[S. 6]Seitenumbruch

Ueber dies ist dienlich, eine hinlaͤngliche Menge Sylben auch mit solchen Zuͤgen, wie sie von guten Haͤnden geschrieben werden, mit zugeschnittener Kreide auf die Tafel zu
zeichnen. An dieser Tafel nun geschiehet durch Huͤlfe eines
duͤnnen weissen Stabs die allererste Anweisung der Buchstaben, von welcher also eine ziemliche Menge Kinder auf
einmal Nutzen haben kann. Der Lehrer sagt ihnen erstlich
das Alphabeth einige mal nach der Ordnung vor, lieset hernach die Selbstlaute heraus, und macht sie den Kindern bekannt. Nach diesem von den Mitlauten diejenige, welche
am meisten Aehnlichkeit mit der Selbstlauten einem haben.

Es koͤmmt hier viel auf die Geschicklichkeit des Lehrers
an, in der Figur der Buchstaben die kleinen fluͤchtigen
Aehnlichkeiten derselben zu entdecken, wann er dem Kinde
ein Auge geben kann, die kaum bemerkten ApicesSchriftwechsel oder
Strichlein, so sie unterscheiden, zu erblicken. Ein geschickter Lehrer kann ferner in der Gestalt und Form eines Buchstabens immer etwas aͤhnliches, obgleich entferntes, und
nur eingebildetes, mit irgend einer andern ins Auge fallenden, und den Kindern bekannten Figur ersinnen. ‒
Dadurch werden sie aufmerksam gemacht und die Kenntniß
der Buchstaben wird ihnen erleichtert und familiar. Auf
diese zuerst erwaͤhnte Art kann zugleich der Grund zum
Schreiben gelegt werden.
[S. 7]Seitenumbruch
[Marginalie am rechten Rand:]
Von dem
Buchstabieren.

V.
Wann nun die einzelnen Buchstaben, wie sie an der
Tafel stehen, wohl begriffen worden, muͤssen die Kinder
auf ihr A. B. C. Buch gewiesen, und dazu angewoͤhnt werden; daß sie alle zugleich nach dem Wink ihrers Lehrers
auf das, was er ihnen darinnen angiebt, acht haben, und
wann einer laut buchstabiert, ihm anfangs mit einem leisen Murmlen, und hernach nur in Gedanken folgen lernen. Dieses zu erlangen stellet er anfangs etwann 6Menge: 6 bis
10Menge: 10 um sich her und so, daß sie zugleich an die Tafel sehen
koͤnnen, weiset ihnen, was sie an der Tafel gelernet, in
ihrem Buche, und gehet alsdann immer einen Schritt weiter fort. Seine Liebe, Lust zur Sache und Munterkeit
wird auch in den Kindern dergleichen Gemuͤthsregung erwecken, und sie eifrig machen, es einander vorzuthun, so
daß die Anzahl der Kinder, welche anfangs dem gluͤcklichen Fortgange der Unterweisung im Wege zu stehen scheinen doͤrfte, denselben vielmehr befoͤrdern wird. Es muß
aber die Uebung im Buchstabieren sonderlich auf das fleissigste getrieben werden, und zwar nicht nur aus dem
Buch, sondern auch auswendig, in dem man den Kindern
die Buchstaben einer Sylbe vorsagt, und sie saͤmtlich fragt,
wie dieselbe auszusprechen? Die so nuͤtzliche Nacheifrung
zu erhalten, theilet der Lehrer die Kinder, nach ihrem unterschiedlichen natuͤrlichen oder durch Fleiß erlangten Faͤhigkeiten, in ihre Classen ein, damit diejenigen, so er zugleich [S. 8]Seitenumbruch
fraget, einander so ziemlich gleich seyen, und nicht ein
oder der andere allezeit, die uͤbrigen aber niemal zur Antwort kommen moͤgen, wodurch diese faul werden, und sich
auf das Vorsagen andrer verlassen, sondern es muͤssen auch
die langsamen bisweilen den Anlaaß haben, durch Huͤlfe
ihrer Aufmerksamkeit mit der Antwort eher fertig zu werden, wodurch zugleich die, so muntrer sind, vor der Einbildung, und daher entstehenden Luͤderlichkeit behuͤtet
werden.
[Marginalie am linken Rand:]
Von dem
Lesen.

VI.
Es muß niemalen ein Kind aus der Classe der Buchstabierenden herausgenohmen, und unter die Lesenden gesetzt werden; ehe es im Buchstabieren einen ziemlichen
Grad der Fertigkeit erlanget hat. ‒ Alsdann aber wird
es damit eben so, wie mit dem Buchstabieren gehalten. ‒
Nemlich die, so von ungefehr gleichen Kraͤften sind, werden mit einander vorgenohmen. ‒ Alle haben einerley
Buch und in demselben eine Stelle vor sich. Der Lehrer
lieset eine kurze Stelle vor, oder laͤßt dieses durch einen
fertigen Knaben verrichten ‒ Ruft hernach bald diesen
bald jenen zum nachlesen auf ‒ Wann der Aufgerufne
nicht fortkommen kann, oder fehlet, stehet es einem jeden
von seiner Ordnung frey, ihm einzuhelfen. ‒ Der Lehrer
giebt Achtung, ob auch alle Kinder die Augen auf dem
Buch haben ‒ Befiehlet, ohne eine gewisse Ordnung zu [S. 9]Seitenumbruch
halten, bald diesem bald einem andern fortzulesen, und
machet durch seine Munterkeit und bestaͤndige Abwechslung
diese Bemuͤhungen den Kindern zu einem angenehmen Zeitvertriebe.

Zur Lese-Uebung muͤssen die in dem Lese-Buͤchlein enthaltene Spruͤche, Reimgebette, ferner die darin bezeichneten Psalmen, und der Catechismus genohmen werden,
welches aber so oft zu wiederholen, bis es dadurch im Gedaͤchtnisse hangen bleibt ‒ Wobey dann um so viel sorgfaͤltiger zu vermeiden ist, daß nicht einige Fehler dem Gedaͣchtnisse zugleich eingedruͤckt werden. Absonderlich aber
haben die Lehrer auch dahin zu sehen, das die Kinder sich
keinen verdruͤßlichen Sing-Ton und immer wieder kommenden Klang angewoͤhnen, sondern nach Beschaffenheit der
Materie, und Abtheilung der Distinction der Worte, die
Stimme in etwas erheben oder fallen lassen. ‒ Es ist
so weit ertraͤglicher, wenn die Kinder ganz gerade zu in einem Ton fortlesen, als wenn sie am unrechten Orte, und
immer auf einerley Art mit der Stimme steigen und fallen.
[Marginalie am rechten Rand:]
Von dem
Schreiben.

VII.
Mit dem Schreiben kann der Anfang gemacht werden, so bald die Formen der Buchstaben recht begriffen,
und das Buchstabieren angefangen worden. Vor allen
Dingen sollen die Kinder angewiesen werden, wie sie die
Feder halten muͤssen, und daß sie sich weder gewoͤhnen, [S. 10]Seitenumbruch
die Augen zu nahe auf das Papier zu halten, wodurch sie leicht
bloͤdsichtig werden koͤnnen, noch die Federstriche mit Bewegung der Lippen zu verfolgen, krumm und mit gebognem
Rucken zu sitzen, die Haͤnde zu besudeln, die Federn zu kaͤuen,
und was noch mehr fuͤr ungereimte und theils schaͤdliche
Gewohnheiten bey dem Schreiben vorzukommen pflegen.

Man faͤngt von dem einfachesten und leichtesten Zuge
an, mit welchem alle Buchstaben sich im Deutschen anheben, und gefuͤget werden. ‒ Gehet von da fort auf das
i, n, m, und so weiter. Es werden aber die allerersten
Zuͤge mit Reißbley auf das Papier gemacht, und von den
Kindern mit Dinte, doch unter der Aufsicht des Lehrers,
damit sie die Feder recht fuͤhren, uͤberzogen. Bey einer
ziemlichen Menge mahlet der Lehrer die Buchstaben, auch
wohl mit zugeschnittener Kreide an die Tafel, und heißt
die Kinder auf seine Zuͤge Acht geben.

So bald die Kinder eine Fertigkeit in den einzelnen
Buchstaben, und deren Zusammenfuͤgung erlanget, muß
der Lehrer ihnen benahe taͤglichWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr eine andere Vorschrift geben, damit sie bestaͤndig auf das ihnen vorgelegte Muster
zu sehen, gezwungen seyen, und nicht, ohne die Vorschrift
ins Auge zu fassen, schreiben koͤnnen. Zu welchem Ende
dann jeder Schulmeister mit einer grossen Anzahl schoͤner
entweder geschriebner oder in Kupfer gestochner Vorschriften versehen seyn soll.
[S. 11]Seitenumbruch
[Marginalie am rechten Rand:]
C.Schriftwechsel In Ansehung der
Schul-Disciplin.

VIII.
Die Schule soll allemal mit den auf das Alter der Kinder eingerichteten, und hinten an dem Lese-Buͤchlein gedruckten Gebetten angefangen und beendigt werden.

IX.
Da die Liebe zur Tugend den Kindern am besten in
dem zartesten Alter eingepraͣget werden kann, und die Erfahrung zeiget, daß sich die ersten Eindruͤcke, sey es zum
Guten oder Boͤsen selten ausloͤschen lassen, so soll hiemit
den Schulmeistern ernstlich anbefohlen seyn, auf die Unarten des kindlichen Alters genaue Aufsicht zu halten, und
die Kinder zu einer hoͤhern Sittenlehre vorzubereiten. Zu
dem Ende werden sie ermahnet, keine Hartnaͤckigkeit, kindische Schalkheit oder gar Bosheit unbemerkt hingehen zu
lassen, den Kindern Ehrfurcht und Gehorsam gegen ihre
Eltern, als eine der nothwendigsten Pflichten, immer vorzusagen ‒ sie zu ermahnen, daß sie sich gegen aͤltere Personen ehrerbietig, und gegen ihres gleichen liebreich bezeigen. Insonderheit soll der Schulmeister trachten, ihnen
durch artige Histoͤrchen fuͤr Fluchen, poͤbelhafte Beynemen,
und alle andern unanstaͤndigen Dinge Abscheu einzupflanzen, welches gewiß durch Gottes Segen einem rechtschaffnen Schulmeister nicht schwer fallen, und ihm bey seiner
Muͤhe den freudigen Gedanken beybringen wird, daß er [S. 12]Seitenumbruch
zum Nutzen seines Vaterlands zarte Herzen zur Erkenntniß
der Religion und Tugend gebildet habe.

X.
Hiemit wird den Schulmeistern auf das ernstlichste
anbefohlen, und zweifelt man keineswegs, sie werden die
Wichtigkeit dessen von selbst einsehen, daß sie, wenn allenfalls liebreiche Ermahnungen bey Kindern nichts fruchten wurden, und eine Strafe nothwendig waͤre, nicht
mit ungestuͤm-zornigen Gebaͤhrden, Schreyen und Poltern
drein fahren, welches den Kindern eine Art der Selbstraache scheinen doͤrfte, sondern mit Bescheidenheit handeln,
Widerwillen fuͤr den Fehler, und Mitleiden fuͤr das Kind
bezeugen. Besonders muͤssen sie nie straffen, wenn sie zornig sind; (und welcher vernuͤnftige Mann wird sich von
einem Kind selbst beleidiget halten koͤnnen?) um auch nur
den Schein des Zorns zu vermeiden, soll der Schulmeister bis nach geendigter Schule zuwarten. ‒ Wobey ihm
aber ernstlich untersagt seyn soll, anders als mit Zwicken
der Ruthe auf die Haͤnde zu zuͤchtigen. ‒ Anbey ist anzumerken, daß die Seltenheit einer jeden Sache alte und
junge aufmerksam, und um dessentwillen mehrern Eindruck
macht, und hieraus entspringt der Nutzen, daß die Strafen, je seltener sie sind, desto gelinder seyn koͤnnen.
[S. 13]Seitenumbruch

XI.
Da besonders der Schulmeister, bey unausweichlicher
Ahndung, nie sich unterstehen soll, ohne dringende Umstaͤnde sich von der Schule zu entaͤussern, so wird ihm auch
ebenfalls ernstlich angesinnet, in denjenigen Stunden, in
welchen er Schule haͤlt, keine eigne und fremde Geschaͤfte zu verrichten, sey es lesen, copieren etcAbkürzung welches ihn
hindern wurde die noͤthige Aufmerksamkeit ganz auf die
liebe Jugend zu wenden. ‒ So auch sich durch niemand
ander, als durch sein Eheweib oder andere, die von seinen
Vorstehern dazu tuͤchtig befunden worden, helfen zu lassen.

XII.
Jeder Schulmeister soll verbunden seyn, um den Kindern eine gute Ordnung anzugewoͤhnen, selbst in der
Schulstube eine gute Ordnung zu halten, jedem Kind seinen bestimmten Platz einzuraͤumen, und genau Achtung
darauf zu geben, daß jedes in seiner Buͤchern und Schriften ordentlich sey, und dieselbigen immer in seinem angewiesenen Ort verwahre.

XIII.
Der Schulmeister muß bey Endigung der Schule jedesmal, so wohl im SommerZeitspanne: Sommer als im WinterZeitspanne: Winter, wenigstens
ein halbe StundeZeitspanne: 30 Minuten lang die Thuͤr und die Fenster oͤffnen, [S. 14]Seitenumbruch
um die verdorbne Luft herauszulassen, und selbige im
WinterZeitspanne: Winter annoch mit Wachholderfeuer jedesmal wohl beraͤuchern.

XIV.
Die Abwesenheit eines jeden Kindes soll ordentlich
bemerkt, und der Ursache derselben geflissen nachgefraget
werden.

XV.
Damit diese Gesetze in allen Theilen genau befolget
werden, und weder aus Unachtsamkeit, oder vorschuͤtzender Vergessenheit dawider gehandelt werden koͤnne, so sollen sie nicht nur jedem neuerwaͤhlten Schulmeister vorgelesen, und die gewissenhafte Beobachtung derselben auf das
nachdrucklichste eingeschaͤrft und anbefohlen, sondern ihm
auch ein gedrucktes Exemplar zu Handen gestellet werden.

XVI.
Um dieser Schul Ordnung den erwuͤnschten Nachdruck
zu geben, und den Fleiß und Eifer so wol der Lernenden
als Lehrenden zu erwecken, wird den Herren Pfarrern
und Helfern, wie auch denen verordneten Stillstaͤndern,
hiemit aufgetragen, die Visitationen der Ordnung nach in
diesen Schulen und je oͤfter je lieber zu machen, um von
der eigentlichen Beschaffenheit derselben grundlichen Be[S. 15]Seitenumbruchricht zu haben. Da dann alle VierteljahreWiederholte Zeitspanne: 3 Monate bey Haltung
des gewohnten grossen StillstandsOrganisation: auf die HHeiligen Feste Nachfrage zu halten, ob diese Visitationen fleißig seyen eingenohmen worden, und jeder von den Herren Visitatoren
auf das nachdruͤcklichste ermahnet werden soll, alles lobens-
oder tadlenswuͤrdige bey seinem Gewissen, und ohne Verschonen oder Nachsicht anzuzeigen.

XVII.
Jeder Praͤtendent zu einer dieser Haus-Schulen soll
zuerst von den eigens hiezu verordneten HHerrenHohen Herren Schulherren der deutschen Schulen auf das genauste examiniert
werden, ob er die erforderliche Eigenschaften im gehoͤrigen
Grad habe.

Damit nun die Landesvaͤterliche gute Gesinnungen gegen die Jugend desto besser befolget werden, als soll von dem
StillstandOrganisation: in jeder Gemeind jaͤhrlichWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr einmal in denen ihm
angehoͤrigen Schulen ein Examen gehalten werden. ‒
Die Schulmeister aber sollen wie bis anhin, in den Examinibus auf der deutschen Schule erscheinen, um daselbst
von ihren Verrichtungen Rechenschaft abzulegen.

Damit anbey die Herren Vorsteher der deutschen
Schulen wissen, in wie weit ein jeder derselben seinen Pflichten ein Genuͤgen leiste, als wird einem jeden Herrn Pfarrer
aufgetragen, vor dem Examen der deutschen Schulen im [S. 16]Seitenumbruch
Namen seines StillstandesOrganisation: bey Ihro Gnaden Herrn Buͤrgermeister, welcher die vorderste Aufsicht auf die deutschen
Schulen hat, ein Zeugniß von denen ihm zur Visitation
anvertrauten Schulen abzulegen, damit in allweg die
noͤthigen Anstalten zur Bildung der Jugend nach Nothdurft der Sachen vorgekehret, und von den angezeigten
Vorschriften nichts unterlassen werden moͤge.
Holzschnitt
[S. 17]Seitenumbruch


Die Deutschen Schulen


In beyden Deutschen Schulen aber soll die gleiche
Lehrart beobachtet werden ‒ Mit dem Anhang, daß
die alljaͤhrigenWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr Examina in dem Schulhaus in der grossen Stadt gehalten werden sollen, wohin sich alsdann
der Schulmeister und die Schuͤler der kleinen Stadt verfuͤgen muͤssen. Im uͤbrigen sind die Schulmeister der
Deutschen Schulen an die gleiche Disciplin und Ordnung
gebunden, welche den Schulmeistern von den Haus-
Schulen vorgeschrieben ist, und diese beyden Schulmeister haben in allem die gleichen Pflichten. Die besondere Ordnungen dieser deutschen Schulen aber sind nachfolgende:
[Marginalie am rechten Rand:]
A.Schriftwechsel In Ansehung der
Aufnahme
in dieselbe.

I.
Der Schulmeister soll keinen Knaben annehmen, bevor er ihn wohl examiniert hat, ob er in einer der Hausschulen im Buchstabieren, Lesen des kleinen Lese-Buͤchleins,
und Erlernung des grossen und kleinen Catechismus die erforderliche Progressen gemachet habe?
[S. 18]Seitenumbruch

II.
Wann etwann ein Knabe nicht in den Hausschulen
gewesen, und doch in die deutsche Schule wollte, so soll
er nicht aufgenommen werden, wenn er nicht in allem,
was in der Hausschule gelehrt wird, vollkommen geuͤbet
ist, damit er den erwuͤnschten Nutzen von der deutschen
Schule haben koͤnne, und andern nicht hinderlich sey.
[Marginalie am linken Rand:]
B.Schriftwechsel In Ansehung der
Eintheilung
der PensorumSchriftwechsel.

III.
Jeder Schulmeister soll taͤglichWiederholte Zeitspanne: 1 Tag 4 StundenZeitspanne: 4 Stunden Schule
halten, sowohl im SommerZeitspanne: Sommer als im WinterZeitspanne: Winter, am Morgen
von 8 bis 10 Uhr
Zeitspanne: von 8:00 bis 10:00
, und Nachmittags voKorrigiert: vona 1 bis 3 UhrZeitspanne: von 13:00 bis 15:00.

IV.
In diesen Stunden werden der Ordnung nach folgende PensaSchriftwechsel tractiert:

MontagWiederholte Zeitspanne: 2 Wochen MorgensZeitspanne: morgens 1ste Stunde, in den auserlesenen
evangelischen Spruͤchen lesen.
2te Stunde, in den moralischen Erzehlungen lesen.

" " " NachmittagsZeitspanne: nachmittags 1ste Stunde, auswendig erzehlen, was man am MorgenZeitspanne: morgens gelesen hat, und weiter in den moralischen Erzehlungen lesen.
2te Stunde, die groͤssern Knaben auswenig schreiben,
die kleinern nach Vorschrift.
[S. 19]Seitenumbruch
DienstagWiederholte Zeitspanne: 3 Wochen MorgensZeitspanne: morgens 1ste Stunde den Christlichen Catechismus recitieren lassen.
2te Stunde in OsterwaldsPerson: biblischen Geschichten lesen,
auch die in den Hausschulen gelernte Psalmen recitieren.

" " " NachmittagsZeitspanne: nachmittags 1ste Stunde nach der Vorschrift und nach der Tafel Zahlen machen.
2te Stunde Zahlen aussprechen lernen, und dann dieselben abschreiben.

MittwochWiederholte Zeitspanne: 4 Wochen MorgensZeitspanne: morgens 1ste Stunde in den auserlesnen
evangelischen Spruͤchen lesen.
2te Stunde in den moralischen Erzehlungen lesen.

" " " NachmittagsZeitspanne: nachmittags 1ste Stunde auswendig erzehlen, was man am MorgenZeitspanne: morgens gelesen hat, und weiter
in den moralischen Erzaͤhlungen lesen.

DonnstagWiederholte Zeitspanne: 5 Wochen MorgensZeitspanne: morgens, 1ste Stunde im deutschen Declinieren lesen, mit den lateinischen Paradigmen uͤben.
2te Stunde, sich im Schreiben uͤben, sowohl im auswendig schreiben, als nach Vorschrift. Lernen den Cirkel zu gebrauchen, Linien, Quadrate zu machen.

" " " NachmittagsZeitspanne: nachmittags sind Ferien.

FreytagWiederholte Zeitspanne: 6 Wochen MorgensZeitspanne: morgens 1ste Stunde aus dem Christlichen
Catechismus aufsagen. Besonders werden die auserlesenen evangelischen Spruͤche repetiert.
2te Stunde aus den moralischen Erzehlungen gelesen,
und aus denselben erzehlt.
[S. 20]Seitenumbruch
FreytagWiederholte Zeitspanne: 6 Wochen NachmittagsZeitspanne: nachmittags 1ste Stunde im deutschen Declinieren lesen; sich bey den lateinischen Paradigmen
im latein lesen uͤben.
2te Stunde latein schreiben lernen.

SamstagWiederholte Zeitspanne: 7 Wochen MorgensZeitspanne: morgens 1ste Stunde Christlicher Catechismus.
2te Stunde OsterwaldsPerson: biblische Geschichten lesen; die
gelernten Psalmen aufsagen.

" " " NachmittagsZeitspanne: nachmittags gehet man in die Kirche.
[Marginalie am linken Rand:]
C.Schriftwechsel In Ansehung der
Lehrart.

V.
Da man sich Muͤhe gegeben, daß das Lese-Buch correct und in reiner deutscher Sprache geschrieben sey, so
sollen die Schulmeister den kleinen Knaben ihre Vorschriften eigenhaͤndig daraus schreiben, die groͤssern aber aus
dem Lese-Buch selbst abschreiben lassen, ihnen auch daraus
dictieren, und ordentlich corrigieren.

VI.
Auf alle und jede Unarten bey dem Schreiben soll
ordentlich Achtung gegeben, und denselben nach Anleitung
der Gesetze fuͤr die Hausschulen, ferners vorgebogen werden. Da dann nicht unnoͤthig seyn wird, denen Schulmeistern der deutschen Schule die Gesetze der Hausschulen
zu ihrem Verhalt ebenfalls mitzutheilen.
[S. 21]Seitenumbruch

VII.
Die Erfahrung zeiget, daß man gemeiniglich zufrieden gewesen, wenn die Knaben die Woͤrter nur aussprechen konnten, und man sich nicht bekuͤmmerte, ob sie bey
den Unterscheidungszeichen gehoͤriger Massen absetzten, so
daß ihr Lesen dem Zuhoͤrer ein unverstaͤndliches Getoͤn,
und ohne einigen Verstand und Zusammenhang schien,
welche uͤble Lehrart manchem, der sich keine Muͤhe gab,
sich selbst zu corrigieren, bis ins reife Alter anhaͤngt, und
noch uͤber dies der Schaden entstehet, daß die Knaben von
Historien, die man ihnen nicht bloß, um dieselben zu lesen,
sondern um sie auch zu belehren, vorlegt, keinen Begriff
haben; so sollen die Schulmeister die genaueste Sorge tragen, daß sie kein Wort verschlucken, jede Sylbe deutlich
aussprechen, an behoͤrigen Orten anhalten, und bey jedem
Punct ordentlich absetzen. Ferner ist sowohl der singende
als aber einfoͤrmige Ton im Lesen zu verhuͤten, welche beyde gleich unangenehm sind ‒ Und soll einem jeden Schulmeister angelegen seyn, selbst zu lernen, was fuͤr Woͤrtern
im Lesen ein besondrer Nachdruck gegeben werden muͤsse,
damit sie es den Knaben zeigen, und durch verstaͤndliches
Lesen ihrem Gedaͤchniß zu Huͤlfe kommen koͤnnen.

VIII.
Zu einer Probe, ob der Knab eine Historie mit Nachsinnen und Aufmerksamkeit gelesen habe, soll man ihn al[S. 22]Seitenumbruchlemal das Buch zuthun lassen, um zu sehen, was er von
derselben wieder im Stand sey zu erzehlen. In gleichem
sollen die andern Knaben, wann einer von ihnen lieset,
ordentlich nachschauen, und soll der Schulmeister genau
Achtung geben, ob sie aufmerksam seyen, und um diese
Aufmerksamkeit rege zu halten, dann und wann in den
Haufen fragen, wo man im Lesen sey? welches bey allen
Lectionen zu beobachten ist.

IX.
Der Schulmeister soll nicht zugeben, daß ein Knab
anfangs zu geschwind schreibe, (wie es manchmal aus falscher Ehrbegierde geschiehet, damit seine Vorschrift vor seines Cameraden seiner geendigt sey) bis er die Zuͤge eines
jeden Buchstabens vollkommen im Kopf hat, weil dieses
ein Hauptgrund ist, wodurch man sich eine ungleiche und
unleserliche Schrift angewoͤhnt.
[Marginalie am linken Rand:]
D.Schriftwechsel In Ansehung der
Schul-Disciplin.

X.
Alles, was in den Gesetzen der Hausschulen unter diesem Artikel den Schulmeistern eingeschaͤrft worden, soll
auch den deutschen Schulmeistern anbefohlen seyn.

XI.
Da schon in dem IXten Gesetz der Hausschulen den
Kindern die Ehrfurcht und Gehorsam gegen ihre Eltern [S. 23]Seitenumbruch2
und andere Personen von hoͤherm Alter eingepraͤgt wird,
so soll sich der Schulmeister in der deutschen Schule, besonders in dem dermaligen Alter der Knaben aͤusserst angelegen seyn lassen, seinen Untergebnen ihre Pflichten der
Ehrerbietung gegen ihre Obrigkeit, Lehrer und aͤltere Personen zu Gemuͤthe zu fuͤhren, und um sie zu einer anstaͤndigen und gesitteten Lebensart zu gewoͤhnen, ihnen einschaͤrfen, daß sie niemals ohne Abnehmen des Huts oder
der Kappe vor jemand vorbeygehen.

XII.
Sehr oft und vielleicht allemal haͤngt es von den Schulmeistern ab, den Knaben die Haͤßlichkeit des Fluchens und
poͤbelhafter Beynamen zu zeigen, und deßhalben erwartet
man von ihnen, daß sie alle Sorge anwenden werden,
diese Unarten, die in der Folge der Zeit in Laster ausarten koͤnnen, sorgfaͤltig zu ersticken. Gleicher Maassen kann
man den Knaben zu Gemuͤth fuͤhren, was fuͤr Gefahren
sie mit dem Steinwerfen, nachlaufen der Kutschen, Wagen und Pferde unterworfen seyen, und was fuͤr Niedertaͤchtigkeit und Bosheit schon in einem jungen Herzen eingewurzelt sey, welches arme Leute und Dienste mit Schneeballen verfolgen koͤnne. ‒ Grausamkeiten gegen Thiere
sollen allemal ernstlich geahndet werden, weil dadurch ein
Knabe nicht nur die Empfindungen des Mitleidens gegen
seine Nebengeschoͤpfe, sondern sogar die so edlen Triebe der
Menschlichkeit verlieren kann.
[S. 24]Seitenumbruch

XIII.
Ausser der in dem XIIten Gesetz der Hausschulen anbefohlenen Ordnung, wird den Schulmeistern angesonnen,
zuzusehen, daß ein jeder Knabe gekaͤmmt sey, und Gesicht
und Haͤnde gewaschen habe. Bey dem ersten mal soll er
freundlich gemahnet werden, solches nicht mehr zu unterlassen; in dem zweyten mal aber setzt ihn der Schulmeister
als einen eckelhaften und unsauberen Menschen an einen besondern Platz, welches dem Knaben empfindlicher seyn
wird, als eine thaͤtliche Strafe, die allemal, wie schon in
den Gesetzen der Hausschulen angezeiget ist, nur bey groben Fehlern gebraucht werden soll.

XIV.
Die in dem XVIten Gesetz der Hausschulen angezeigte
Verordnung wegen fleißiger Visitationen soll dem Herrn
Pfarer und Helfer in derjenigen Gemeine, wo sich eine
der deutschen Schulen befindet, nebst Zuzug der Herren
Stillstaͤnder ebenfalls ernstlich anbefohlen werden, nur mit
dem Anhang, daß sie alle Jahre vor den, zu den deutschen
Schulen verordneten HHerrenHohen Herren Examinatoren deßhalber
einen gewissenhaften Bericht abstatten sollen.
[S. 27]Seitenumbruch [S. 28]Seitenumbruch

Anmerkungen

  1. Korrigiert: von.
  1. Zum ZürcherOrt: Schulwesen vgl. auch die Ordnung für die Schule am GrossmünsterOrt: (SSRQ ZH NF I/1/3 149-1).
  2. Im Druck irrtümlich S. 15.
  3. Im Anschluss an die Schulordnung befindet sich eine vorgedruckte Tabelle, worin die Lese- und Schreibübungen zum Auswendiglernen («Leztgen»), die Abwesenheiten und das Zeugnis eines jeden Schülers aufgeführt werden kann.