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SSRQ ZH NF I/1/11 90-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, von Sandra Reisinger

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/11 90-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Mandat der Stadt Zürich (Avertissement) betreffend Hundehaltung und Tollwutprävention

1787 Dezember 17.

Der Sanitätsrat der Stadt Zürich erlässt aufgrund der Tollwutgefahr ein Mandat betreffend Hundehaltung. Zunächst wird festgehalten, dass während der drei Wintermonate Dezember, Januar und Februar alle Hunde im Haus gehalten werden müssen und nur an der Leine auf die Strasse geführt werden dürfen. Streunende Hunde werden vom Wasenmeister weggeschafft und getötet, unabhängig davon, ob sie ein Identitätszeichen tragen oder nicht. Es folgen acht Artikel mit entsprechenden Busstarifen bei Zuwiderhandlungen. Alle Hunde müssen durch den Wasenmeister jährlich gegen Gebühr auf ihre Gesundheit untersucht werden. Hundehalter, die diese Visitationen verweigern, werden bestraft (1). Hunde, die nachts oder während der Predigten an Sonn- und Festtagen frei herumlaufen, werden eingefangen und können vom Eigentümer gegen eine Ablösesumme zurückgefordert werden (2). Falls die Hunde im Verzeichnis eingeschrieben sind, aber ihr Zeichen nicht tragen, können sie innert drei Tagen gegen eine Ablösesumme abgeholt werden. Bei längerer Frist oder wenn die Hunde nicht im Verzeichnis aufgeführt sind, muss der Wasenmeister die Hunde töten. Die Eigentümer werden vom Sanitätsrat entsprechend bestraft (3). Während der drei Sommermonate Juni, Juli und August sowie während der drei Wintermonate Dezember, Januar und Februar müssen alle Hunde auf der Strasse an der Leine geführt werden. Freilaufende Hunde werden vom Wasenmeister getötet (4). Falls die freilaufenden Hunde nicht gefangen genommen werden können, wird der Besitzer, sofern er bekannt ist, gebüsst (5). Brünstige Hündinnen müssen vom Wasenmeister direkt getötet werden (6). Bei wiederholter Zuwiderhandlung wird die Busse verdoppelt (7). Metzgermeistern, jedoch nicht ihren Knechten, ist es erlaubt, einen einzelnen Hund zu halten. Dieser darf nur dann frei herumlaufen, wenn er zum Viehtreiben eingesetzt wird. In der Metzgerei muss der Hund stets angebunden sein. Für die Aufsicht solcher Hunde wird ein entsprechender Abgeordneter ernannt (8). Zuletzt werden alle Angehörigen aufgefordert, Zuwiderhandlungen anzuzeigen.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam es in ZürichOrt: zu einer verstärkten Regulierung der Hundehaltung. Dies hing mit der Zunahme der Hunde in den Städten sowie mit dem dichteren Zusammenleben zwischen Mensch und Tier zusammen, was dazu führte, dass der Hund vermehrt als Gefahrenquelle angesehen wurde. Die Hundehaltung war nur bestimmten Berufsgruppen (Schiffs- und Fuhrleute, Kutscher, Schützen, Hirten, Jäger, Schmiede, Bauern, Metzger) erlaubt. Fremde, Kostgänger, Knechte, Gesellen und Tagelöhner durften hingegen keine Hunde halten. Die stärkere obrigkeitliche Regulierung der Hundehaltung hing des Weiteren mit den in ganz EuropaOrt: stattfindenden Tollwutepidemien zusammen, die sich vor allem durch streunende Hunde verbreiteten. Daher gerieten Hunde verstärkt in den Fokus medizinalpolizeilicher Abhandlungen und obrigkeitlicher Mandate.

Für die Aufsicht und Ausarbeitung der Mandate zur Tollwutbekämpfung war im 18. Jahrhundert der SanitätsratOrganisation: zuständig (zum SanitätsratOrganisation: vgl. das Pestmandat von 1713: SSRQ ZH NF I/1/11 38-1). Der Wasenmeister, dessen Amt bereits im 15. Jahrhundert bestand und der von Beruf wegen als unehrlich galt, war für die Umsetzung der obrigkeitlichen Bestimmungen zuständig. So musste er die Gesundheit der Hunde jährlich kontrollieren und diese mit einem nummerierten Identitätszeichen, worauf das Aussehen und die Rasse des Hundes vermerkt war, versehen. Zudem war der Wasenmeister dazu verpflichtet, Hundeverzeichnisse anzulegen und an bestimmten Tagen im August (Hundstage) herumstreunende Hunde einzufangen und sie in bestimmten Fällen zu töten (vgl. die Hundemandate von 1755 und 1783: StAZH III AAb 1.11, Nr. 88 und StAZH III AAb 1.15, Nr. 21).

Am 17. Dezember 1787 besprach der SanitätsratOrganisation: den Biss eines tollwütigen Hundes in der ZürcherOrt: Gemeinde WaldOrt: . Da es zu keiner offiziellen Meldung des Vorfalls und der künftigen Vorkehrungen seitens der Landvogtei GrüningenOrt: gekommen war, wurde der Landvogt Johannes FüssliPerson: aufgefordert, dies so bald als möglich zu tun. In derselben Sitzung wurde zudem der Entwurf eines Hundemandats besprochen. Da aber nicht alle Kommissionsmitglieder anwesend waren, beschloss der SanitätsratOrganisation: aufgrund der Wichtigkeit der Thematik, den fehlenden Personen den Entwurf mit einem Schreiben zukommen zulassen, sodass allfällige Änderungen berücksichtigt werden konnten. Da offenbar keine Ergänzungen oder Streichungen gemeldet wurden, erfolgte der Druck des vorliegenden Mandats noch vor Ende der Woche (StAZH B III 249, S. 89-90). Zur Bekanntmachung wurde das Mandat in Form eines Avertissements dem Donnstags-Blatt vom 27. Dezember 1787 beigelegt (StAZH Dm 30.40 RP).

Zu Hunden und zur Tollwut in ZürichOrt: im 18. Jahrhundert vgl. Franco 2012; Zihler 2009; Lutz 1963, S. 223-224.

Editionstext

AVERTISSEMENT


Da der LoblLobliche Sanitaͤts-RathOrganisation: fuͤr die Sicherheit und Wolfahrt des
Publici jederzeit bestmoͤglichst besorgt, in Betracht gezogen, daß die
kalte WinterzeitZeitspanne: Winter zur Wuth der s vsalva venia Hunden eben so wol als die
starke SommerhizeZeitspanne: Sommer Gelegenheit gebe, und Er erprobt uͤberzeugt ist,
daß aus dem Gefangenfuͤhren dieser Thieren nicht nur wirkliche Gefahren, sondern auch Schreken, die oft schon allein von grossen
Folgen gewesen, gluͤklich vorgebogen und verhuͤtet worden, so hat
Hochderselbe gut befunden zu verordnen, und hierdurch den Befehl
zu erneuern, daß waͤhrend der drey WintermonatenDatum: 1. Dezember – 1. März, nemlich von
dato an, bis den ersten Merz kuͤnftigen JahrsDatum: 17. Dezember – 1. März, alle und jede groͤssere oder kleinere Hunde gaͤnzlich inne behalten, fleißig mit Wasser
versehen, und ihrer sonst so gewartet werde, daß allem Ungluͤk
vorgebogen werde: ‒ Wann aber dergleichen nothwendiger Weise
auf die Strasse gelassen werden muͤssen, solche nicht anderst, als
an Striken oder sonst sicher gebunden dahin gefuͤhrt werden sollen;
zumalen alle nicht gebunden gefuͤhrte, sie moͤgen Zeichen haben oder
nicht, von dem Wasenmeister weggenommen, und nicht wieder geloͤst, sondern niedergeschlagen, und die Eigenthuͤmer wie nachfolgt
gestraft werden sollen.

Um inzwischen nicht bloß fuͤr den WinterZeitspanne: Winter eine bessere Ordnung
zu bewirken, sondern auch, daß die von Zeit zu Zeit der s vsalva venia Hunden halber so weislich gemachten Mandate das ganze Jahr durch
genauer beobachtet werden, so hat gedacht LoblLoblicher Sanitaͤts-RathOrganisation:
schiklich erachtet, bey diesem Anlaaß fuͤr jede der gewoͤhnlichen Vergehungen eine bestimmte Busse festzusezen, und die schnelle Execution [fol. 1v]Seitenumbruch
des Mandats und Bestrafung der Fehlbaren einer aus seiner Mitte
eigens geordneten Commißion aufzutragen, zugleich aber das wichtigste der ehevorigen die Stadt betreffenden Verordnungen dem
Publiko anmit wieder ins Gedaͤchtniß bringen zu lassen; nemlich:
Es sollen

1mo. Alle s vsalva venia Hunde in der Stadt, und in der Naͤhe derselben,
alljaͤhrlichWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr in dem MaymonatDatum: Mai dem Wasenmeister zur VisitationSchriftwechsel gebracht, und von ihme sorgfaͤltig untersucht werden;
und da wider Erwarten diese zur Sicherheit des Eigenthuͤmers und ihrer Hausgenossen sowol, als des Publici noͤthige
Anstalt von vielen ist vernachlaͤßigt worden, so werden solche
ernstlich ermahnet, solches nun ungesaͤumt von dato an bis
spaͤtstens ultimo huiusSchriftwechsel
Datum: 17.12.1787 – 31.12.1787
zu thun, ansonsten denen, welche solches unterlassen wuͤrden, der Wasenmeister, um es zu bewerkstelligen, in’s Haus geschikt werden, und er dafuͤr anstatt vierWährung: 4 Schillinge , zehn SchillingWährung: 10 Schillinge zu fordern haben wuͤrde; und so
jemand die Hunde nicht zur VisitationSchriftwechsel senden, oder dem
Wasenmeister, falls er in’s Haus kommen muͤßte die Hunde
zu visitieren, sich entziehen wuͤrde, den wuͤrden Wir vor
Uns bescheinen und als vorsezlich ungehorsam, bestrafen.

2do. Sollen das ganze Jahr hindurch des NachtsZeitspanne: nachts, und an SonnWiederholte Zeitspanne: 1 Woche-
und Festtagen waͤhrend den Predigten keine Hunde auf der
Gaß laufen, sondern solche ‒ wann sie auch gleich mit Zeichen versehen ‒ von dem Wasenmeister weggenohmen, und
mit 1 PfundWährung: 1 Pfund geloͤst werden. Und wenn sonst gelaydet wuͤrde, daß zu diesen Zeiten Hunde herumgeloffen, um man deren Eigenthuͤmer weißt, diese von der Commißion mit 1
Pfund
Währung: 1 Pfund
Buß belegt werden.
[fol. 2r]Seitenumbruch

3tio. Wenn der Wasenmeister Huͤnd ohne Zeichen fangt, die jedoch in dem Buch als visitiert und gutbefunden eingeschrieben sind, soll er solche, wenn sie am dritten TagZeitspanne: 3 Tage nicht mit
2 PfundWährung: 2 Pfund geloͤst werden, ohne anders niederschlagen, solche
aber die nicht eingeschrieben sind, gar nicht ausloͤsen lassen,
sondern niederschlagen, und wenn dergleichen Hunde zwar
nicht gefangen, ihre Eigenthuͤmer aber angegeben wuͤrden,
sollen solche im ersten Fall von der Commißion um 2 PfundWährung: 2 Pfund
gebuͤßt, solche aber, die einen Hund weder einschreiben noch
visitieren lassen, nach dem 1. §. dem LoblLoblichen Sanitaͤts-RathOrganisation:
selbsten zur Bestrafung gelaydet werden.

4to. Sollen alljaͤhrlich alle Hunde waͤhrend den 3 Sommer- und
3 Wintermonaten, d idas ist vom 1. Juni bis 1. SeptSeptemberDatum: 1. Juni – 1. September und
vom 1. DecDecember bis 1. MerzDatum: 1. Dezember – 1. März nicht anderst als sicher gebunden
uͤber die Strassen der Stadt lauffen duͤrfen, die frey herumlauffenden aber von dem Wasenmeister gefangen und abgethan, und das vorgefallene jederzeit der Commißion angezeigt werden.

5to. Im Fall solche frey herumlauffende Hunde nicht gefangen werden koͤnnten, man aber deren Eigenthuͤmer sonst innen wuͤrde,
sollen solche um 5 PfundWährung: 5 Pfund gebuͤßt werden.

6to. Lauffende Huͤndinnen sind gar nicht auf der Strasse zu dulden,
sondern wann sie gefangen oder erkennt werden, zu allen Zeiten gleich ohnverschont niederzumachen.

7mo. Wer sich des gleichen Fehlers wiederholt schuldig macht, dem
solle die Buß von mal zu mal verdoppelt werden.
[fol. 2v]Seitenumbruch

8vo. Die Meister Mezgere sollen nach Anweisung der Ihnen zugestellten Special-SchriftwechselErkanntnuß, jeder nicht mehr als einenMenge: 1
Hund, ihre Knechte aber gar keine halten duͤrfen, und dieselben zu keinen Zeiten, als wann, und wo es Ihnen zu noͤthiger Treibung ihres Viehs bestimmt erlaubt ist, frey lauffen
lassen, auch in der Mezg stets sicher eingesperrt halten, und
neben dem Wasenmeister der dazu eigens bestellte Mann, die
noͤthige Aufsicht, wie uͤber alle Hunde, so besonders auf diese
zu halten, die Obliegenheit haben.

Der LoblLobliche Sanitaͤts-RathOrganisation: erwartet, daß maͤnniglich durch gehorsame Befolgung dieser Verordnung, Schaden und Ungluͤk zu
vergaumen, und so viel an ihm steht, die Handhabe derselben zu erleichtern, auch seine allfaͤlligen Beobachtungen einem der Mitglieder
desselben oder der verordneten Canzley Zutrauensvoll mitzutheilen
und zu layden beflissen seye.
ActumSchriftwechsel Montags den 17. DecSchriftwechselDecember 1787Originaldatierung: 17.12.1787.
Coram Sanitatis CuratoribusOrganisation: .Schriftwechsel
Sanitaͤts-Raths-CanzleyOrganisation: .