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SSRQ ZH NF I/1/11 91-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, von Sandra Reisinger

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/11 91-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Mandat der Stadt Zürich betreffend Aufenthalt von Juden und Einschränkung des Handels für Juden

1788 Februar 23.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich erneuern aufgrund des vermehrten Handels durch Juden die Verordnungen von 1639 und 1695 und erlassen ein Mandat. Verordnet wird, dass allen Juden der Aufenthalt und Handel in der Stadt und auf der Landschaft Zürich verboten wird. Ausnahmebewilligungen können von der Obrigkeit erteilt werden und gelten für eine maximale Aufenthaltsdauer von drei Tagen (1). Dafür muss eine obrigkeitliche Bescheinigung, worin die Angelegenheit und der Eintrittsort vermerkt sind, ausgestellt werden. Bei der Ankunft muss die Bescheinigung vom dortigen Untervogt oder Unterbeamten unterschrieben werden. Sobald der Jude wieder aus zürcherischem Gebiet reist, muss die Bescheinigung vom Untervogt oder Unterbeamten des Austrittsorts unterschrieben und an die Stadtkanzlei gesendet werden (2). Juden, die das Zürcher Herrschaftsgebiet ohne Bescheinigung betreten, werden mit 100 Talern gebüsst. Angehörige, die mit einem solchen Juden ein Handelsgeschäft tätigen, werden mit 50 Pfund oder am Leib gestraft (3). Alle Wirte werden dazu verpflichtet, die bei ihnen einkehrenden Juden beim Stadtschreiber zu melden (4). Für die Aufsicht über die Einhaltung des Mandats sowie für die Bestrafung der Zuwiderhandelnden sind in der Stadt der Stadthauptmann und der Stadtschreiber, auf der Landschaft der Obervogt oder Landvogt zuständig (5).

Seit dem 15. Jahrhundert wurden die JudenOrganisation: zunehmend aus der Stadt und Landschaft ZürichsOrt: vertrieben. Zwar verkehrten JudenOrganisation: weiterhin als Gäste in ZürichOrt: , aber ihnen war der Eintritt in eine Zunft, die Ausübung jeglicher politischer Rechte und die Nutzung des Gemeindeguts verboten. Daher betätigten sich die JudenOrganisation: seit dem 16. Jahrhundert vor allem als Hausierer, Makler, Tuch-, Vieh- und Pferdehändler.

In den 1630er Jahren wurden die JudenOrganisation: aus dem ZürcherOrt: Herrschaftsgebiet ausgewiesen (vgl. die Ratserkenntnis von 1639: StAZH B II 426, S. 14). Der Aufenthalt war ihnen bei Todesstrafe und Güterverlust untersagt, ausser sie erhielten eine obrigkeitliche Bewilligung. Nichtsdestotrotz wurde das Verbot nicht konsequent eingehalten, weswegen der RatOrganisation: am 29. April 1695 ein Mandat erliess und die Bestimmungen wiederholte (StAZH B II 648, S. 66-67).

Aufenthalts- und Handelsbeschränkungen für JudenOrganisation: wurden im 18. Jahrhundert nicht nur in ZürichOrt: ausgesprochen, sondern auch auf eidgenössischerOrganisation: Ebene, wie zahlreiche eidgenössischeOrganisation: Abschiede zeigen. So erfolgten im Jahre 1786 Beschwerden aus der gemeinen Herrschaft ThurgauOrt: über die zahlreichen erteilten Handelsbewilligungen an fremde JudenOrganisation: trotz dem Einreiseverbot von 1755 (EA, Bd. 8, Nr. 23). Der Zürcher RatOrganisation: gab am 24. Dezember 1787 einigen verordneten Ratsherren den Auftrag, die früheren Verordnungen betreffend den Aufenthalt fremder JudenOrganisation: auf zürcherischemOrt: Gebiet zu konsultieren und ein Gutachten über allfällige Neuerungen zu verfassen (StAZH B II 1018, S. 156-157). Im Gutachten vom 28. Januar 1788 wurden die Ratserkenntnis von 1639 und das Mandat von 1695, in denen den JudenOrganisation: der Aufenthalt und Handel in ZürcherOrt: Gebiet verboten war, bestätigt. Allerdings schlugen die Ratsverordneten vor, das Mandat dahingehend zu ergänzen, dass JudenOrganisation: in wichtigen Angelegenheiten vom Kleinen RatOrganisation: eine Ausnahmebewilligung, die sich auf zwei oder drei Tage beschränken sollte, erhalten könnten. Die Bescheinigung sollte bei Eintritt und Austritt vom Untervogt oder dem ersten Unterbeamten unterschrieben und danach an die StadtkanzleiOrganisation: zurückgesandt werden. Aufgeführt wurden im Gutachten zudem die im vorliegenden Mandat genannten Bussen für Zuwiderhandlungen (StAZH A 44.3). Das Gutachten wurde vom RatOrganisation: am 23. Februar 1788 ohne Ergänzungen oder Änderungen genehmigt und der Druck des vorliegenden Mandats verordnet. Ausserdem wurden die Bestimmungen des neuen Mandats der Stadt BernOrt: und dem Landvogteiamt BadenOrt: schriftlich mitgeteilt (StAZH B II 1020, S. 112-114).

Zur Geschichte der JudenOrganisation: in ZürichOrt: in der Frühen Neuzeit vgl. HLS, Judentum; Kaufmann 1988, S. 101-109; Stahel 1941, S. 41-42; Weisz 1938, S. 196-208.

Editionstext


Wir Burgermeister und Rath der Stadt ZuͤrichOrt: Organisation: ,
entbieten allen Unsern getreuen lieben Buͤrgern und Angehoͤrigen Unsern goͤnstigen,
wohlgeneigten Willen, und geben ihnen dabey zu vernehmen: daß, nachdem der sint einigen Jahren, allzustark uͤberhand
genommene Verkehr und Handel der JudenOrganisation: in hiesigem Gebieth uns noͤthigt, demselben Schranken zu sezen, und Unsre
Angehoͤrige vor den damit oͤfters begleitet gewesenen strafbahren Betriegereyen in Zukonft sicher zu stellen, Wir bey genommener Ruͤcksicht auf dasjenige, was Unsre Standes-Vorfahren in fruͤhern Zeiten ruͤcksichtlich auf den Aufenthalt der
JudenOrganisation: in Unsern Landen verordnet haben, sowohl den dermahligen Umstaͤnden, als Unsrer Landesvaͤterlichen Obsorge
allerdings angemeßen erachten, die AnnoSchriftwechsel 1639Datum: 1639 () errichtete und 1695Datum: 1695 () bestaͤtigte Verordnung1 vermittelst des gegenwaͤrtigen
durch den Druck oͤffentlich bekannt gemachten, und zu Stadt und Land ab der Canzel zu verlesenden Mandats zu erneuern, dem zu folge Unsren ausdruͤcklichen Willen alles Ernst dahin zu aͤussern:

Daß allen und jeden JudenOrganisation: ohne Ausnahme der Aufenthalt, Handel und Wandel in Unsrer Stadt sowohl als auf der Landschaft von nun an
neuerdings verbothen seyn solle, es waͤre dann Sache, daß einer besondere wichtige Angelegenheiten in hiesigen Landen nothwendig zu betreiben haͤtte;
in welchem Fall aber ihme allein vor Uns die Bewilligung Unser Land zubetretten ertheilt werden solle, mithin dem Jud obliegt, Uns solches vorstellig
machen, und um die Erlaubniß, sich in Unser Land zu begeben, geziemend bitten zu lassen, wo wir alsdann nach Befindniß der Sache demselben nebst
einem Knecht einen Aufenthalt von zweenZeitspanne: 2 Tage oder hoͤchstens drey TagenZeitspanne: 3 Tage gnaͤdig gestatten werden.

Den auf erlangte solche Einwilligung hin von der Stadt-CanzleyOrganisation: erhaltenen Paß, in welchem theils die dem Jud zu seinem hiesigen Aufenthalt gestattete Zeit, theils desselben Angelegenheit und Eintritts-Ort in Unser Land zu bemerken ist ‒ solle der Jud bey der Betrettung Unsers TerritoriumSchriftwechsel’s
von dem Untervogt, oder ersten Unterbeamteten des Eintritts-Ort, samt dem DatoSchriftwechsel seiner Ankonft unterschreiben zu lassen, und ihn, wenn er das Land
wieder verlaͤßt, dem Untervogt oder ersten Unterbeamteten des lezten Orts einzuhaͤndigen, derselbe aber den empfangenen Paß der Stadt-CanzleyOrganisation:
wiederum einzusenden schuldig seyn.

Damit aber diese Verordnung desto mehrern Nachdruck erhalte, so ordnen Wir ferner, daß ein Jud, der ohne einen solchen Paß Unser Land betritt,
mit Einhundert ThalernWährung: 100 Taler , und der Angehoͤrige, der sich mit demselben in einen Handel, welcher Beschaffenheit dieser immer seyn mag, einlaͤßt, mit
fuͤnfzig PfundWährung: 50 Pfund ohnnachlaͤßlich gebuͤßt, oder falls sie diese Busse nicht bezahlen koͤnnen, am Leib abgestraft werden sollen.

Endlich ergehet noch an samtliche Wirthe hiesiger Stadt der gnaͤdige Befehl, so oft in Zukonft ein Jud bey ihnen einkehrt, davon Unserm jeweils
verordneten Stadt-Schreiber ohngesaͤumte Anzeige zu thun.

Gleichwie Wir nun einerseits die ExecutionSchriftwechsel dieser Unsrer Willensmeinung fuͤr die Stadt Unsrem jeweiligen Stadthauptmann und verordneten
Stadtschreiber gemeinsam, fuͤr die Landschaft aber den RespectiveSchriftwechsel Ober- und Landvogtey-Aemtern mit dem Auftrag uͤbergeben, auf die Handhabung
derselben sorgfaͤltig zu wachen, und die Fehlbaren ohne Schohnung zu bestrafen, also naͤhren Wir anderseits zu Unsern G LGnaͤdigen Lieben Buͤrgern und Angehoͤrigen die angenehme Hoffnung, daß sie von der wohlmeinenden Absicht, die Wir bey dieser Verordnung haben, uͤberzeugt, nicht nur selbst nicht
darwieder handeln, sondern durch unpartheyische Laydung der Fehlbahren die ExecutionSchriftwechsel, so viel in ihren Kraͤften stehet, erleichtern werden.
Geben, Samstags den 23. Hornung 1788Originaldatierung: 23.2.1788.
Canzley der Stadt ZuͤrichOrt: Organisation: .
[fol. v]Seitenumbruch

Anmerkungen

    1. Gemeint sind die beiden Ratserlasse vom 4. Februar 1639 und vom 29. April 1695, worin den JudenOrganisation: das Betreten des ZürcherOrt: Gebiets verboten wird (StAZH B II 426, S. 14; StAZH B II 648, S. 66-67).