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SSRQ ZH NF I/1/3 116-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 116-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Mandat der Stadt Zürich betreffend Entrichtung des Zehnten

1523 September 1.

Bürgermeister, Kleiner und Grosser Rat der Stadt Zürich erneuern ihr vor rund einem Jahr erlassenes Mandat betreffend den Zehnten. Erneut wollen etliche Untertanen den Zehnten nicht mehr entrichten und versuchen entgegen den Bestimmungen der Spruchbriefe auf der Landschaft Versammlungen abzuhalten. Angesichts dessen rufen Bürgermeister und Räte in Erinnerung, dass der Zehnt im rechtmässigen Herkommen und den eidgenössischen Bünden verankert sei. Beschwerden wegen Missbräuchen sollen vor die Herren von Zürich gebracht und nicht in den Gemeinden selbst verhandelt werden.

  • Signatur: StAZH A 42.1.8, Nr. 11
  • Originaldatierung: 1523 September 1 (Das undatierte Mandat nimmt Bezug auf jenes vom 22. September 1522.)
  • Überlieferung: Aufzeichnung (Einzelblatt)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 22.0 × 33.0
  • Sprache: Deutsch
  • Edition

Die ersten Zehntenverweigerungen auf der Zürcher LandschaftOrt: fielen in das Jahr 1522, worauf die Obrigkeit mit einem Erlass (StAZH A 42.1.8, Nr. 10, Edition: Egli, Actensammlung, Nr. 273) reagierte, in dem sie die Verpflichtung der Untertanen zur Entrichtung sämtlicher Abgaben unterstrich. Der Sommer 1523 brachte jedoch neue Konflikte bezüglich der Zehntenabgaben, deren Resultat das vorliegende Mandat darstellt.

Zuvor hatten die sechs stadtnahen Gemeinden ZollikonOrt: , RiesbachOrt: , FällandenOrt: , HirslandenOrt: , UnterstrassOrt: und WitikonOrt: , die ihre Zehnten allesamt dem GrossmünsterstiftOrganisation: zu entrichten hatten, vor dem RatOrganisation: die Verwendung des Zehnten durch die Chorherren sowie die Kostenpflichtigkeit kirchlicher Dienstleistungen wie Taufen und Begräbnisse kritisiert. Der RatOrganisation: entschied jedoch zugunsten des GrossmünsterstiftsOrganisation: , indem er die Landgemeinden zur Zahlung wie bisher verpflichtete und lediglich zusagte, gegen allfällige Missbräuche vorzugehen (StAZH B VI 249, fol. 44r; Teiledition: Egli, Actensammlung, Nr. 368). Ähnlich richtete er bezüglich der Beschwerden RümlangsOrt: gegen das FraumünsterklosterOrganisation: sowie KilchbergsOrt: gegen das Kloster KappelOrganisation: .

Das Mandat vom September 1523 schärfte vor diesem Hintergrund die Verpflichtung zur Entrichtung des Zehnten noch einmal ein. Die Forderung nach Abschaffung der Gebühren für kirchliche Handlungen wurde hingegen kurz darauf im Rahmen der durch den RatOrganisation: und die Chorherren gemeinsam durchgeführten Reform des GrossmünsterstiftsOrganisation: erfüllt (SSRQ ZH NF I/1/3 117-1).

In welchem Ausmass die Zehntenverweigerungen des Jahres 1523 tatsächlich zu finanziellen Ausfällen in der Wirtschaftsführung der betroffenen geistlichen Institutionen führten, bleibt noch genauer zu erforschen (vgl. Kamber 2010, S. 103). Die Ereignisse markieren jedoch den Anfangspunkt einer Entwicklung, die im Jahr 1525 zu den tief greifenden Unruhen der Bauernbewegung und weiteren Zehntenmandaten (SSRQ ZH NF I/1/3 128-1) führte. Nach früheren kritischen Aussagen zum Zehnten stellten sich führende reformatorisch gesinnte Geistliche im Sommer 1523 in dieser Frage erstmals deutlich auf die Seite der weltlichen Obrigkeit: So bezog Huldrych ZwingliPerson: in seiner Predigt «Über göttliche und menschliche Gerechtigkeit» (Zwingli, Werke, Bd. 2, S. 458-525) Position, indem er den Zehnten zwar als nicht aus dem Gotteswort ableitbar, jedoch zur Erhaltung der Vertragssicherheit innerhalb der menschlichen Gemeinschaft für notwendig erklärte.

Allgemein zum Zehnten vgl. HLS, Zehnt; für die Zehntenverweigerungen auf der Zürcher LandschaftOrt: vgl. Kamber 2010, S. 98-107; Stucki 1996, S. 201-202; Dietrich 1985, S. 165-170; zu ZwinglisPerson: Behandlung des Zehnten vgl. Pribnow 1996.

Editionstext


Unnser herren burgermeister, rat und der großrat, so man nempt
die zweyhundert der statt Zu̍richOrt:
Organisation:
, habent sich, wirt yetz umb
sant Mauritzen tagDatum: 22.9.1525 (Kirchenfest) schierest ein jarZeitspanne: 1 Jahr, erkent und dasselb allenthalb
in der statt und uff dem land offenlich lassen verku̍nden und
ouch den iren geschryben, das mengklicher von allen fru̍chten
und dingen, wie von alterhar soͤlle den zehenden geben, unnd wo
yemas nit recht gezehendet hett, das derselb in eim bestimpten
zit s[ich]Beschädigung durch Loch, sinngemäss ergänzta mit dem, des der zehend were, soͤllte vertragen, ouch
er denselben darumb vermuͤgen, und woͤlicher das nit theͣt
und ungehorsam erschynne, den woͤlltend unser herren strafen,
der maßen, das er woͤllte, er were gehorsam geweßen, unnd
hette gezehendet wie von alterhar. Ob aber yemas vermeinte,
uß rechtmeͣßigen, redlichen ursachen den zehenden nit mer ze
geben und sich deß mit recht zuͦ entsagen, der moͤchte in
jars fristZeitspanne: 1 Jahr das unnsern herren anzoͤigen, so wurdint sy inn
hoͤrren und witer thuͦn und handlen, als sich wurd gebu̍ren.
Nu wiewol bißhar niemas fu̍r unser herren ist
komen, der sich fu̍r sich selbs des zehendens mit recht hab
understanden zuͦentledigen unnd sich bemellt unser herren
anders nu̍dtzit habent versehen, dann dz yederman lut
angezoigter erkantnus wol zefryden were b–und deren wurde
statt thuͦn,
Hinzufügung am linken Rand mit Einfügungszeichen
–b so langt doch
yetz aber und von nu̍wen an die selben unser herren, das
sich etlich inHinzufügung oberhalb der Zeilec gmeinden und sonnder personen wider soͤllint
lassen mercken, den zehenden nit me zegeben unnd das sy
deßhalb einander ansuͦchint, mit hie und har schicken
und gmeinden halltind, das unnsere herren uff die iren
nit gloubent, dann wo soͤlichs hinder inen beschehen, so
were es on mittel wider die spru̍ch. Darzuͦ soͤllte
man also gmeinden unnd den zehenden nit woͤllen geben, wie
von alterhar, wurdint biderblu̍t, es werint dann geistlich
oder weltlich, dz nit d erliden unnd unnser eidgneneidgnossenOrganisation:
den iren ruggen hallten und also gegen unnsern herren und
einer statt und landtschafft ursach neͣmen sy zebekriegen,
das zuͦ großem verderplichem schaden wurde reichen und
nu̍tzit anders dann kumber und gebresten bringen.

Allso und uff soͤlichs sind unser herren reͣt und burgerOrganisation:
abermals ob dem handel gesessen und hand ernstlich
Streichung mit Textverlust (2 Zeilen)e [S. 2]Seitenumbruch
geratschlaget, und den handel zuͦ dem hoͤchsten erwegen und
ermessen unnd sich daruff aber erkent, f
das nochmals die sach soͤll bestan bi vorangezeigter und
gegebner urtel unnd mengklicher wie von alter har den
zehenden geben und soͤlicher urtel statt thuͦn. Hab dann
yemas beschwerd, der mu̍ge und soͤlle g namlich ein kilchhoͤri oder gmeind oder sonder
personen fu̍r sich selbs komen unnd sin beschwerden vor
unsern herren darthuͦn und h nit also ein gmeind
die ander ersuͦchen. i Syent dann beschwerden unnd
mißbru̍ch, darinn woͤllent unser herren handlen und
thuͦn, dz sy dunckt fu̍r ein statt und landtschafft sin.
Und soͤlichs berichtend unser herren die iren allenthalb
in der statt und uff dem land, dz sy soͤlicher irer erkantnussen woͤllint statt thuͦn unnd den zehenden geben
wie von alterhar und sy schuldig syent. j
Und dz sy darinn bedenckint, das sy dzHinzufügung oberhalb der Zeilek mit keinem
rechten l mu̍gint underwegen lassen m–ouch die pu̍ndt,
so wir mit unsern eidgneneidgnossenOrganisation:
habent, nit n
erlidint.
Hinzufügung am linken Rand mit Einfügungszeichen
–m Unnd
obschon kein ander ursach da were, dann allein die, o
das einen yeden sinep hoff oder guͤter mit dem zehenden,
es sye in kouffs wyß oder von sinen altfordren q–ankomen syentHinzufügung am linken Rand mit Einfügungszeichen–q, so were
es gnuͦg, dz r sich deß niemas mit einicher billicheit
soͤllt oder mecht entschuldigen.
Darumb so woͤlle
ein jeder die sachen bedencken unnd unsren herren s und
einer landtschafft vor kumber und schaden sin und
dz thuͦn, so er von gehersami, billichkeit und rechts wegen
schuldig ist.

Anmerkungen

  1. Beschädigung durch Loch, sinngemäss ergänzt.
  2. Hinzufügung am linken Rand mit Einfügungszeichen.
  3. Hinzufügung oberhalb der Zeile.
  4. Streichung: verguͦt.
  5. Streichung mit Textverlust (2 Zeilen).
  6. Streichung: diwil.
  7. Streichung: fu̍r sich selbs
    komen.
  8. Streichung: niemas.
  9. Streichung: und.
  10. Streichung: Dann.
  11. Hinzufügung oberhalb der Zeile.
  12. Streichung: das nit.
  13. Hinzufügung am linken Rand mit Einfügungszeichen.
  14. Streichung: mu̍gint erliden.
  15. Streichung: so.
  16. Streichung: n.
  17. Hinzufügung am linken Rand mit Einfügungszeichen.
  18. Streichung: sin.
  19. Streichung der Hinzufügung oberhalb der Zeile: herren.