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SSRQ ZH NF I/2/1 193-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, par Bettina Fürderer

Citation : SSRQ ZH NF I/2/1 193-1

Licence : CC BY-NC-SA

Klageschrift des Klosters Töss gegen die Stadt Winterthur

1500.

Die Nonnen des Klosters Töss erheben folgende Klagen gegen die Stadt Winterthur, deren Bürgerrecht der Konvent besitzt: In ihrem Konflikt mit Hans Konrad von Rümlang, der vor dem Zürcher Rat ausgetragen wurde, erbaten sie Unterstützung von Hans Hettlinger und Hans Gisler, beides Angehörige von Klosterfrauen. Schultheiss und Rat von Winterthur haben den Stadtschreiber Konrad Landenberg nach Zürich entsandt, um dies zu verhindern (1). Die Winterthurer haben mehrfach gegen die Interessen des Klosters gehandelt (2). Die Winterthurer benachteiligen das Kloster, indem sie dessen Wiesen und Güter auf den Neuwiesen als Erblehen und nicht als Handlehen betrachten (3). Die Winterthurer enthalten dem Kloster vertragswidrig Holz für das Wehr bei seinen Mühlen an der Eulach vor (4). Das Kloster bezieht vom Lindberg und dem Gut Akrat den Zehnten für die Kirche von Veltheim. Aus einem Acker, von dem es jährlich 8 Schilling Haller bezieht, haben die Winterthurer eine Weide gemacht, so dass den Klosterfrauen Einkünfte entgehen (5). Die von den Klosterfrauen bewirtschafteten Güter sollen gemäss päpstlichem Privileg vom Zehnten befreit sein (6). Das Kloster ist seit jeher von Zöllen befreit (7). Die Stadt hat dem Konvent grundlos den Bürgerrechtsvertrag aufgekündigt (8). Die Winterthurer haben dem Ziegler verboten, für das Kloster zu arbeiten (9). Die Winterthurer haben dem Kloster ohne Begründung die Nutzung einer Wiese im Wald untersagt (10). Die Betreibung seitens Klug wollten die Winterthurer nicht einstellen, bis sich die Klosterfrauen an Zürich wandten (11). Die Winterthurer haben die Fischlieferungen von Pfäffikon an das Kloster unterbunden (12). Die Winterthurer haben Erzenholzer, den Hofmeister des Klosters, vor dem Rat verleumdet (13). Die Winterthurer lehnen alles ab, was dem Kloster zugutekommen würde, obwohl das städtische Handwerk von den Klosterfrauen Aufträge erhält (14). Das Kloster wendet täglich Kosten auf für die Erziehung von Winterthurer Kindern (15).

  • Cote : StAZH C II 13, Nr. 696
  • Date : 1500
  • Tradition : Aufzeichnung, Heft (5 Blätter) mit Pergamentrücken (Makulatur einer Urkunde)
  • Support d’écriture : Papier
  • Dimensions l × h (cm) : 16.5 × 23.5
  • Langue : allemand
  • Edition

Dem in der Nähe von WinterthurLieu : gelegenen Dominikanerinnenkloster TössLieu : Organisation : gehörten mehrere Mühlen und Häuser auf städtischem Gebiet, vgl. Sulzer 1903, S. 92. Der Konvent ist im 15. Jahrhundert wiederholt im temporären Besitz des Bürgerrechts belegt (StAZH C V 7.1, Nr. 38; Regest: URStAZH, Bd. 5, Nr. 6772; StAZH C II 13, Nr. 458; Regest: URStAZH, Bd. 5, Nr. 7307; SSRQ ZH NF I/2/1 60-1; StAZH C II 13, Nr. 483; Regest: URStAZH, Bd. 6, Nr. 8657). Zur Aufnahme kirchlicher Institutionen in das städtische Bürgerrecht vgl. SSRQ ZH NF I/2/1 113-1.

Der jüngste Bürgerrechtsvertrag zwischen Stadt und Kloster datiert vom 28. Januar 1488, nachdem der Konvent ein Haus an der KirchgasseLieu : in WinterthurLieu : gekauft hatte (StAZH C II 13, Nr. 641). Den Klosterfrauen wurde für diese Liegenschaft eine jährliche Steuer von 6 Pfund Haller auferlegt, dafür waren sie von weiteren Diensten befreit. Für die Einfuhr und Ausfuhr von Getreide und Wein mussten sie keine Zollgebühren entrichten, wohl aber für den Verkauf dieser Produkte in der Stadt. Ebenso unterlag der Weinausschank der üblichen Verbrauchssteuer. Auch die Stellung künftiger Bewohner wurde geregelt. Ein Pfründner oder Amtmann, für dessen Unterhalt das Kloster aufkam, durfte steuerfrei in dem Haus wohnen, ein «huswirt» dagegen musste Steuern und Dienste leisten wie andere Bürger auch.

Mit dem Bürgerrecht waren Rechte und Pflichten auf beiden Seiten verbunden, vgl. SSRQ ZH NF I/2/1 38-1. Bürger und Bürgerinnen konnten von der Obrigkeit Unterstützung in Konflikten mit Dritten erwarten, waren zur Nutzung der Allmende berechtigt und durften sich am städtischen Wirtschaftsleben beteiligen. Eine Stellungnahme des RatsOrganisation : zu den Vorwürfen des Konvents ist nicht überliefert. Über den Auslöser der Auseinandersetzungen und den Ausgang dieses Konflikts ist nichts bekannt. Vgl. hierzu auch Däniker-Gysin 1957, S. 37-38.

Texte édité

Spenn zwu̍schen dem gotzhuß ToͤßLieu : Organisation : und der statt WinterturLieu : , so sich gehalten hand anno domini xvc jarDate : 01.01.1500 – 31.12.1500 a

[p. 2]Saut de page

[p. 3]Saut de page1 Item der span zwu̍schent dem gotzhuß TößLieu : Organisation : und der statt WinterturLieu : anno domini m ccccc jarDate : 01.01.1500 – 31.12.1500

Item so sind die frowen von ToͤßLieu : Organisation : mit irem gotzhuß burger zu WinterturLieu : , darum hand sy brieff und sigel von der statt WinterturLieu : .

Item so ist diß nach geschriben der frowen von ToͤßLieu : Organisation : anklag u̍ber die von WinterturLieu : :

[1] Item alß die frowen von ToͤßLieu : Organisation : spenn und einen schweren handel gehebt hand mit Hansen Cuͦnrat von RuͦmlangPersonne : 2 vor unsern herren Zu̍rchLieu : , so hand die frowen erbetten ire fru̍nd Hansen HettlingerPersonne : von WinterturLieu : , der het zwoQuantité : 2 elich tochtren im gotzhußÀ l’original : gotzh ToͤßLieu : Organisation : , und Hansen GislerPersonne : , der het ein elich schwoͤster och im gotzhuß, die sind all drijQuantité : 3 gewilet closterfrowen im gotzhußÀ l’original : gotzh, daß sy bed alß fru̍nd by irn botten Zu̍rchLieu : vor raͧtOrganisation : stuͤndint und inen Dessin à la plume [p. 4]Saut de page Dessin à la plume alda hilfflich und raͤtlich werind, wan sy doch ir lib und gut im gotzhußÀ l’original : gotzh hettint. Do hand die von WinterturLieu : , schulthess und ratOrganisation : , irn stattschriber LandenbergPersonne : 3 gen Zu̍rchLieu : geschikt, der het sy bed ab gemanet by iren eiden, so sy dem schulthess und ratOrganisation : geton hand, daß sy den frowen von ToͤßLieu : Organisation : nach irn botten weder hilfflich nach raͤtlich b sin soͤlten, und solten der sach gantz muͤssig gon. Daß beschach lut ir manung.4

2. Item nu̍tz dester minder sind die von WinterturLieu : vor und nach an etlichen enden wider die frowen und daß gotzhuß gestanden.

[p. 5]Saut de page

3. Item der wisen und eignen guͤtern halb, so daß gotzhuß zuͤ WinterturLieu : uff den nu̍wen wisen hat und den frowen zinsent und hantlechen sind, bekennent die von WinterturLieu : fu̍r erblechen, daß wider der lechen und alt herkomen ist. Und sind damit groͤslich beschwert.

4. Item der mu̍linen halb, die der frowen von ToͤßLieu : Organisation : sind und an der OͤlachLieu : ligent, hand die von WinterturLieu : den frowen holtz uß dem wald verseit zum wuͤr. Daß ist wider den alten bruch und wider die vertraͤg lut der brieffen.

5. Item der LimpergLieu : und daß gut AkratLieu : git dem gotzhußÀ l’original : gotzh ToͤßLieu : Organisation : zechenden an die kilchen gen VelthanLieu : . Und ein aker lit och daselbß, gilt dem gotzhußÀ l’original : gotzh alle jaͤrDurée répétée : 1 année viij  ħUnité monétaire : 8 sous/sols . Daß hand die von WinterturLieu : [p. 6]Saut de page zuͤ einer weid gemachet und muͤssent die frowen zinß und zechenden manglen und moͤchtint dar durch zuͤ langen ziten zinß und zechenden verlieren.

6. Item die guͤter, so die frowen selb buwent, die sond keinen zechenden gen lut ir pullen.5

7. Item daß gotzhußÀ l’original : gotzh het nie keinen zol gen, lenger, denn jeman verdenken mag.

8. Item daß burgrecht hand die von WinterturLieu : den frowen abku̍nt on ursach und wider ir eigen brieff und sigel.

9. Item sy hand den frowen iren ziegler ab gestelt by verlierung sinß burgrechtz.

10. Item die frowen hand jewelten ein wisen im wald genutzet, die hand sy inen genomen on erlu̍trung der ursach.

[p. 7]Saut de page

11. Item von deß KluͤgenPersonne : wegen der leistung halb hand die von WinterturLieu : die leistung nit wellen abstellen, biß die frowen gen Zu̍rchLieu : moͤchten geschiken umb ein lu̍tring irer bekantnu̍ß.

12. Item die von WinterturLieu : hand die von PfeffikonLieu : ab gestelt, daß sy den frowen von ToͤßLieu : Organisation : nit me visch bringent, wie sy von alter her ton hand. Daß ist wider den alten bruch.

13. Item die von WinterturLieu : hand den hoffmeister ErtzenholzerPersonne : vor raͧtOrganisation : umb laussen su̍lchen, daß sy wol hetten abgestelt.

14. Item waß den frowen von ToͤßLieu : Organisation : wol kompt, schlachen die von WinterturLieu : inen ab. Und bruchen doch die frowen bißher alle antwerch von WinterturLieu : und lond sy ir gelt umb sy verdienen etcAbréviation:

metzger schriber
gerwer teker
schumacher kromer
schnider schlosser
murer sattler
zimberlu̍t seiler
ku̍rsiner wagner
glaser tischmacher
maler

[15] Und zuͤ dem allem hand die frowen taͤglichenDurée répétée : 1 jour grossen costen, denen von WinterturÀ l’original : W ire kind zuͤ erziechen an der port etcAbréviation.6

[p. 8]Saut de page [p. 9]Saut de page [p. 10]Saut de page

Annotations

  1. Ajout au-dessous de la ligne d’une main plus récente : 1500.
  2. Suppression : we.
  1. Die leere Rückseite des Titelblatts wurde bei der modernen Paginierung nicht berücksichtigt, daher erklärt sich die abweichende Seitenzählung.
  2. Vor Bürgermeister und Rat von ZürichLieu : Organisation : fand im Jahr 1500 ein Verfahren wegen der Übergriffe des Hans Konrad von RümlangPersonne : auf das Kloster statt, vgl. StAZH C I, Nr. 3249.
  3. Konrad LandenbergPersonne : amtierte von 1483 bis 1513 als Stadtschreiber von WinterthurLieu : .
  4. Hans Konrad von RümlangPersonne : war im Dezember 1496 mit der Herrschaft WülflingenLieu : in das Bürgerrecht der Stadt aufgenommen worden (STAW B 2/6, S. 4). Möglicherweise stand der RatOrganisation : auf seiner Seite im Konflikt mit dem Konvent oder wollte Neutralität wahren.
  5. 1437 befreite Papst Eugen IV.Personne : den Konvent pauschal von Abgaben an den apostolischen Stuhl, an Könige, Fürsten, Herren und Gemeinden (StAZH C II 13, Nr. 472).
  6. Zu Hinweisen auf den Schulbetrieb im Kloster TössLieu : Organisation : ausserhalb der Klausur vgl. Däniker-Gysin 1957, S. 55-56.