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SSRQ ZH NF I/2/1 23-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, von Bettina Fürderer

Zitation: SSRQ ZH NF I/2/1 23-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Verleihung eines Ablasses durch zwei Erzbischöfe und neun Bischöfe zugunsten der Pfarrkirche in Winterthur

1362 November 14. Avignon

Die Erzbischöfe Jakob von Neopatra und Nikolaus von Larissa sowie die Bischöfe Albertinus Surmenensis, Lazarus von Butrinto, Philipp von Lavata, Raphael von Arkadi, Egidius Favariensis, Augustinus von Silivri, Berthold von Sosopol, Franciscus von Vrego und Johannes Armirocensis verleihen allen Büssenden, die am Laurentiustag, an den Marienfeiertagen, an den Festen der Geburt, der Beschneidung und der Erscheinung des Herrn, an Karfreitag, Ostern, Auffahrt, Pfingsten, am Dreifaltigkeitssonntag, an Fronleichnam, an den Festen der Kreuzfindung und Kreuzerhöhung, an den Festen der Heiligen Michael, Petrus und Paulus, Johannes des Täufers, Johannes des Evangelisten und der anderen Evangelisten sowie der vier Kirchenlehrer, an Allerheiligen und Allerseelen, an den Festen der Heiligen Stefan, Laurentius, Pankraz, Vitus, Martin, Nikolaus, Ulrich, Maria Magdalena, Martha, Anna, Katharina und Ursula sowie während der Oktaven und an den Sonntagen die Pfarrkirche in Winterthur in der Diözese Konstanz zur Andacht, zum Gebet oder als Pilger aufsuchen, dort an Gottesdiensten teilnehmen, die Spende der Sterbesakramente begleiten, bei dem abendlichen Glockengeläut auf Knien drei Ave Maria beten, zugunsten des Kirchenbaufonds Leuchter, Zierrat, Bücher, Kelche, Gold oder Silber spenden, vermachen oder die Kirche auf andere Weise unterstützen, für das Wohlergehen des Bischofs und das Seelenheil der Eltern, Freunde und Wohltäter und aller verstorbener Getreuer im Fegefeuer beten, 40 Tage Ablass, vorbehaltlich der Zustimmung des zuständigen Bischofs. Die Aussteller siegeln.

  • Signatur: STAW URK 165a
  • Originaldatierung: 1362 November 14
  • Überlieferung: Original
  • Beschreibstoff: Pergament
  • Format B × H (cm): 66.0 × 45.0 (Plica: 5.5 cm)
  • 12 Siegel:
    1. Erzbischof Jakob von NeopatraPerson: , Wachs, spitzoval, angehängt an Fäden, bruchstückhaft
    2. Erzbischof Nikolaus von LarissaPerson: , Wachs, spitzoval, angehängt an Fäden, beschädigt
    3. Bischof Franciscus LapsacensisPerson: , Wachs, spitzoval, angehängt an Fäden, beschädigt
    4. Bischof Egidius FavariensisPerson: , Wachs, spitzoval, angehängt an Fäden, bruchstückhaft
    5. Bischof Philipp von LavataPerson: , Wachs, spitzoval, angehängt an Fäden, beschädigt
    6. Bischof Albertinus SurmenensisPerson: , Wachs, spitzoval, angehängt an Fäden, bruchstückhaft
    7. Bischof Lazarus von ButrintoPerson: , Wachs, spitzoval, angehängt an Fäden, bruchstückhaft
    8. Bischof Petrus von SvačPerson: , Wachs, spitzoval, angehängt an Fäden, beschädigt
    9. Bischof Augustinus von SilivriPerson: , Wachs, spitzoval, angehängt an Fäden, bruchstückhaft
    10. Bischof Robertus DavacensisPerson: , Wachs, spitzoval, angehängt an Fäden, bruchstückhaft
    11. Bischof Johannes ArmirocensisPerson: , Wachs, spitzoval, angehängt an Fäden, bruchstückhaft
    12. Bischof Raphael von ArkadiPerson: , Wachs, spitzoval, angehängt an Fäden, bruchstückhaft
  • Sprache: Latein
  • Regest
    • REC, Bd. 2, Nr. 5757

Der Ablass bedeutet in der katholischen Busspraxis einen Nachlass der von der Kirche auferlegten Sündenstrafen als Gegenleistung für ein gutes Werk und lässt sich in dieser Form seit dem 11. Jahrhundert nachweisen, vgl. Paulus 1922-1923, Bd. 1, S. 1, 19, 24-25, 31-33, 132, 192-194, 253-254, 259-267. Nur Päpste und Bischöfe konnten Ablass gewähren, da ihnen in der Nachfolge des Apostels PetrusPerson: die Binde- und Lösegewalt zugesprochen wurde. Ablässe, die andernorts erworben wurden, mussten durch den Diözesanbischof bestätigt werden. Die vierte Lateransynode von 1215 bestimmte, dass Bischöfe bei der Einweihung einer Kirche einen Ablass von maximal einem Jahr und bei anderen Anlässen einen Ablass von maximal 40 Tagen gewähren durften. Daraus entwickelte sich die Vorstellung, dass sich diese Fristen bei Ablassurkunden mit mehreren Bischöfen als Ausstellern, sogenannten Sammelablässen, kumulierten, vgl. Seibold 2001, S. 1-2, 41, 47-50, 88-94; Paulus 1922-1923, Bd. 2, S. 61-63. Über die Bedeutung der erlassenen Frist gab es unterschiedliche theologische Auffassungen. Eine Theorie besagte, dass sich die Dauer des Verbleibs im Fegefeuer um die gewährten Tage verkürzte, eine andere, dass sich die geschuldete Bussleistung entsprechend reduzierte, vgl. Paulus 1922-1923, Bd. 2, S. 213-214. Zu der theologischen Begründung, der Praxis und den Formen des Ablasses vgl. auch Angenendt 2017, S. 35-53.

Sammelablässe wurden an der apostolischen KurieOrganisation: massenhaft ausgestellt und weisen ein typisches Layout auf. In der Regel wurden die Urkunden vor Ort oder in einer heimischen Malerwerkstatt mit farbigen Miniaturen versehen oder zumindest die Initialen verziert. Bei der vorliegenden Urkunde unterblieb dieser Schritt. Wie aus der Anzahl der Siegel und dem Vermerk auf der Plica hervorgeht, vergass der Notar die Nennung eines Ausstellers in der Intitulatio. Solche Flüchtigkeitsfehler waren nicht selten und beeinträchtigten die Wirkung der Urkunde nicht, denn entscheidend für die Summe der Ablasstage war die Zahl der Siegel. Ablassurkunden wurden an den im Text erwähnten Ablasstagen in der Kirche ausgestellt und konnten von den Gläubigen berührt werden. Das erklärt den oftmals schlechten Erhaltungszustand der Dokumente, vor allem der Siegel. Die vorliegende Urkunde weist an den Seitenrändern kleine Einstiche zur Befestigung auf. Zu formalen Aspekten der kurialen Sammelablässe, Ausfertigungspraxis und Gebrauch vgl. Seibold 2001, S. 8-9, 18-19, 55-59, 63-64, 70, 87, 104-111.

Editionstext


Universis sancte matris
ecclesie filiis, ad quos presentes littere pervenerint, nos, miseracione divina JacobusPerson: LeopatrensisKorrigiert: NeopatrensisaOrt: 1, NicolausPerson: LaicisanensisOrt: Korrigiert: LarisanensisOrt: b2, archiepiscopi, AlbertinusPerson: Surmenensis3, LazarusPerson: BotrontinensisOrt: 4, PhilippusPerson: LavatenensisKorrigiert: LavatensiscOrt: 5,
RaphaelPerson: ArchadensisKorrigiert: ArchadiensisdOrt: 6, EgidiusPerson: Favariensis7, AugustinusPerson: SalubriensisOrt: 8, BertoldusPerson: CisopolensisKorrigiert: CisopolitanensiseOrt: 9,
FranciscusPerson: VrehenensisKorrigiert: VregensisfOrt: 10, JohannesPerson: Armirocensis11, episcopi, salutem in domino sempiternam.
Splendor paterne
glorie, qui sua mundum illuminat ineffabili claritate, pia vota fidelium de clemencia et eius maiestate sperancium tunc enim precipue benigno favore prosequitur, cum devota ipsorum humilitas sanctorum
meritis et precibus adiuvatur.
Cupientes igitur, ut ecclesia parrochialis fundata in honore sancti LaurenciiPerson:
in WinterturOrt: ConstanciensisOrt: dyocesis congruis honoribus frequentetur et a christifidelibus iugiter veneretur,
omnibus vere penitentibus, contritis et confessis, qui ad dictam ecclesiam in singulis sui patroni et beate
MariePerson: virginis ac omnibus aliis infrascriptis festivitatibus, videlicet nativitatis dominiDatum: 25. Dezember (Kirchenfest), circumcisionisDatum: 1. Januar,
epiphanieDatum: 6. Januar (Kirchenfest), parascevesDatum: beweglicher Feiertag, pascheDatum: beweglicher Feiertag, ascensionisDatum: beweglicher Feiertag, pentecostesDatum: beweglicher Feiertag, trinitatisDatum: beweglicher Feiertag et corporis ChristiDatum: beweglicher Feiertag, invencionisDatum: 5. März et
exaltacionis sancte crucisDatum: 14. September (Kirchenfest), sancti MichaelisPerson: Datum: 29. September (Kirchenfest), sanctorum PetriPerson: et PauliPerson: Organisation: Datum: 29. Juni (Kirchenfest) et omnium aliorum apostolorum, sanctorum Johannis
baptiste
Person:
Datum: 24. Juni (Kirchenfest)
et ewangelistePerson: Datum: 27. Dezember (Kirchenfest) et omnium aliorum ewangelistarum et quatuorMenge: 4 sancte ecclesie doctorum, in festo omnium sanctorumDatum: 1. November (Kirchenfest) et commemoracione animarumDatum: 2. November (Kirchenfest) dicteque ecclesie dedicacionibus sanctorumque StephaniPerson: Datum: 26. Dezember (Kirchenfest), LaurenciiPerson: Datum: 10. August (Kirchenfest), PancraciiPerson: Datum: 12. Mai (Kirchenfest), VitiPerson: Datum: 15. Juni (Kirchenfest), MartiniPerson: Datum: 11. November (Kirchenfest), NicolaiPerson: Datum: 6. Dezember (Kirchenfest), UdalriciPerson: Datum: 4. Juli (Kirchenfest) ac sanctarum Marie MagdalenePerson: Datum: 22. Juli (Kirchenfest), MarthePerson: Datum: 29. Juli (Kirchenfest), AnnePerson: Datum: 26. Juli (Kirchenfest), KatherinePerson: Datum: 25. November (Kirchenfest), UrsulePerson: Datum: 21. Oktober (Kirchenfest) et per octavas omnium festivitatum predictarum octavas habencium g–singulis queKorrigiert: singulisque–g diebus dominicis et festivis causa devocionis, oracionis et peregrinacionis accesserint vel qui missis, vesperis, matutinis, predicacionibus aut aliis divinis officiis ibidem interfuerint seu qui corpus Christi vel oleum sacrum, cum infirmis portantur, secuti fuerint vel qui in serotina pulsacione
campane flexis genibus ter Ave Maria dixerint aut qui ad fabricam dicte ecclesie luminaria, ornamenta, libros, calices, aurum, argentum donaverint vel legaverint,
donari vel legari procuraverint seu quovis alio modo dicte ecclesie manus porrexerint adiutrices aut qui pro felici statu domini episcopi presencium confirmatoris ac pro impetratore earundem nec non pro animabus omnium parentum, amicorum et benefactorum suorum et omnium fidelium defunctorum in purgatorio existencium pie deum exoraverint, quandocumque,
quocienscumque aut ubicumque premissa seu aliquid premissorum devote fecerint, de omnipotentis dei misericordia et beatorum PetriPerson: et PauliPerson: Organisation: , apostolorum, eius auctoritate confisi, singuli
nostrum quadraginta diesZeitspanne: 40 Tage indulgenciarum de iniunctis eis penitenciis misericorditer in domino relaxamus, dummodo dyocesani voluntas ad id accesserit et consensus.12
In quorum
omnium testimonium sigilla nostra presentibus sunt appensa.13
Datum AvinioneAusstellungsort: , quartadecima die mensis novembris, anno domini millesimo trecentesimo sexagesimo
secundo, pontificatus domini UrbaniPerson: pape quinti anno primo
Originaldatierung: 14.11.1362
.
[fol. v]Seitenumbruch
[Vermerk auf der Plica:]
Episcopus CostConstanciensisOrt: , iiMenge: 2 archiepiscopi, xMenge: 10 episcopi, sunt xiiiMenge: 13 episcopi, quilibet xl diesZeitspanne: 40 Tage, smasummam induliencie conHinzufügung auf Zeilenhöhehferunt v hudthundert et xx diesZeitspanne: 520 Tage.
[Vermerk auf der rechten Seite der Plica:] Visitantibus ecclesiam causaUnsichere Lesungi devocionisUnsichere Lesungj
[Vermerk auf der Rückseite von Hand des 18. Jh.:] Anno 1362Datum: 1362

Anmerkungen

  1. Korrigiert: Neopatrensis.
  2. Korrigiert: LarisanensisOrt: .
  3. Korrigiert: Lavatensis.
  4. Korrigiert: Archadiensis.
  5. Korrigiert: Cisopolitanensis.
  6. Korrigiert: Vregensis.
  7. Korrigiert: singulisque.
  8. Hinzufügung auf Zeilenhöhe.
  9. Unsichere Lesung.
  10. Unsichere Lesung.
  1. Erzbischof von NeopatrasOrt: (heute YpatiOrt: ), vgl. Eubel 1913-1978, Bd. 1, S. 362.
  2. Vermutlich Erzbischof von LarissaOrt: , vgl. Eubel 1913-1978, Bd. 1, S. 294.
  3. Titularbistum nicht identifizierbar.
  4. Bischof von ButrintoOrt: , vgl. Eubel 1913-1978, Bd. 1, S. 143.
  5. Bischof von LavataOrt: , bei Eubel 1913-1978, Bd. 1, S. 297, nicht aufgeführt.
  6. Bischof von ArkadiOrt: , vgl. Eubel 1913-1978, Bd. 1, S. 102.
  7. Titularbistum nicht identifizierbar.
  8. Bischof von SilivriOrt: , vgl. Eubel 1913-1978, Bd. 1, S. 431.
  9. Bischof von SosopolOrt: , vgl. Eubel 1913-1978, Bd. 1, S. 188. Sein Siegel hängt nicht an der Urkunde. Sein Siegelbild stellt einen Bischof dar, sitzend, mit der rechten Hand segnend, im linken Arm den Bischofsstab, darunter ein grosser Wappenschild mit anstossenden Rauten im Dreipass. Die Umschrift lautet: «S(IGILLVM) FR(ATR)IS BERTOLDI DEI GR(ATI)A EP(ISCOP)I CISOPOLENSIS».
  10. Bischof von VregoOrt: , bei Eubel 1913-1978, Bd. 1, S. 535, nicht aufgeführt. Die nicht mehr vollständig erhaltene Umschrift des dazugehörigen Siegels deutet aber auf eine andere Person hin. Der Vorname ist identisch, doch beginnt die Bistumsbezeichnung mit «LA» und ist vermutlich mit «Lapsacensis» aufzulösen. Der nicht zu identifizierende Bischof Franciscus LapsacensisPerson: begegnet in dieser Zeit ebenfalls unter den Ausstellern von Sammelablässen.
  11. Titularbistum nicht identifizierbar.
  12. Bischof HeinrichPerson: von KonstanzOrt: erteilte am 13. Januar 1363 seine Zustimmung. Diese Urkunde ist als Transfix an der Ablassurkunde befestigt, das Siegel wurde abgeschnitten (STAW URK 165b).
  13. Die Reihenfolge der Aussteller stimmt nicht mit der Reihenfolge der Siegel überein. Ein Siegler wird nicht genannt, das Siegel des Bischofs Berthold von SosopolPerson: hängt nicht an der Urkunde. Die betreffenden Siegel lassen sich den Bischöfen PetrusPerson: von Svač («Suacensis»)Ort: und Robertus DavacensisPerson: zuordnen. Für die angesichts des Erhaltungszustands der Siegel nicht immer zweifelsfreie Identifizierung der Siegelinhaber konnte auf Fotomaterial zurückgegriffen werden, das von dem Diözesanarchiv Wien (DAW 13630110; DAW 13630125), dem Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein (HZAN GA 10 U 151) sowie den Stadtarchiven Stein am Rhein (Stadtarchiv Stein am Rhein Spi 1) und Nürnberg (Stadtarchiv Nürnberg A1 1358.04.07) dankenswerterweise zur Verfügung gestellt wurde.