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SSRQ ZH NF I/2/1 298-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, von Bettina Fürderer

Zitation: SSRQ ZH NF I/2/1 298-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Übergabe des 1544 von Kaiser Karl V. erworbenen Privilegs durch Winterthur an Zürich

1549 Dezember 23.

Schultheiss, Räte und Bürger der Stadt Winterthur erklären: Einst haben Bürgermeister, Rat und Gemeinde der Stadt Zürich die Rechte der Herrschaft von Österreich an Winterthur erworben. Seither haben die Zürcher sie väterlich behandelt und geschützt. Dessen ungeachtet und in unbedachter Weise haben sie im Jahr 1544 ohne Wissen der Zürcher Kaiser Karl V. als einen Fürsten von Österreich um neue und erweiterte Freiheiten und um die Bestätigung der bisherigen gebeten. Weil die Zürcher Nachsicht übten, händigen die Winterthurer ihnen freiwillig das beanstandete Privileg aus. Weitere in ihrem Besitz befindliche oder künftig aufgefundene Verbriefungen von Freiheiten, welche über die zur Zeit des Übergangs an Zürich geltenden Rechte hinausgehen, sowie deren Beglaubigungen oder Abschriften sollen ungültig sein und der Obrigkeit und den Rechten der Stadt Zürich oder der Grafschaft Kyburg keinen Nachteil, den Winterthurern keinen Vorteil bringen. Sie versprechen, nicht mehr ohne Willen des Bürgermeisters und Rats von Zürich bei Kaisern, Königen, Fürsten, Herren oder andernorts um Freiheiten und deren Bestätigungen nachzusuchen, sondern sich mit den hergebrachten Rechten sowie mit den Privilegien und Freiheiten, welche die Zürcher für sich und die Ihren erlangt haben, zu begnügen. Die Aussteller siegeln mit dem Sekretsiegel der Stadt Winterthur.

  • Signatur: StAZH C I, Nr. 3161
  • Originaldatierung: 1549 Dezember 23
  • Überlieferung: Original
  • Beschreibstoff: Pergament
  • Format B × H (cm): 56.0 × 23.5 (Plica: 8.0 cm)
  • 1 Siegel:
    1. Stadt WinterthurOrganisation: , Wachs, rund, angehängt an Pergamentstreifen, gut erhalten
  • Sprache: Deutsch

  • Signatur: STAW URK 2421
  • Originaldatierung: 1549 Dezember 23
  • Überlieferung: Abschrift (Doppelblatt)
  • Beschreibstoff: Pergament
  • Format B × H (cm): 29.0 × 32.0
  • Sprache: Deutsch
  • Signatur: STAW B 1/32, S. 49-50
  • Originaldatierung: 1667
  • Überlieferung: Abschrift
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 22.5 × 35.0
  • Sprache: Deutsch
  • Signatur: winbib Ms. Fol. 27, S. 98-99
  • Originaldatierung: Mitte 18. Jh.
  • Überlieferung: Abschrift
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 24.0 × 35.5
  • Sprache: Deutsch

Am 15. Mai 1544 hatten die WinterthurerOrganisation: ein Privileg Kaiser Karls V.Person: erworben, das ihnen das Recht bestätigte, sich aus der Pfandherrschaft ZürichsOrt: auszulösen, ihnen einräumte, Konflikte mit den ZürchernOrganisation: gütlich oder gerichtlich vor dem Rat von KonstanzOrt: , ÜberlingenOrt: oder SchaffhausenOrt: zu regeln, ihnen das Jagdrecht im EschenbergerOrt: Wald zusprach und den Grossen Rat von WinterthurOrt: Organisation: als letzte Appellationsinstanz für in der Stadt gefällte Urteile bestimmte (SSRQ ZH NF I/2/1 290-1). Infolge ihrer Auseinandersetzungen mit Hans von GoldenbergPerson: , der sich auf sein WinterthurerOrt: Bürgerrecht und die damit verbundenen Freiheiten berief, erhielten die ZürcherOrganisation: fünf Jahre später davon Kenntnis. Zu den Hintergründen vgl. Niederhäuser 2019, S. 45-49; Niederhäuser 2014, S. 184; Niederhäuser 1996a, S. 170; Hauser 1917, S. 148-152.

Am 20. Februar 1549 wurden ZürcherOrt: Ratsverordnete und der Stadtschreiber erstmals mit der Prüfung des Sachverhalts beauftragt (StAZH B II 72, S. 8; StAZH C I, Nr. 165, Beilage 12). Damals liess man sich das Privileg von 1544 vorlegen, gab die Urkunde aber den WinterthurerOrt: Gesandten zunächst zurück (StAZH C I, Nr. 3165, Beilage 7). Am 4. Dezember 1549 luden Bürgermeister und RatOrganisation: den Landvogt von KyburgOrt: zu einer auf den 12. Dezember anberaumten Unterredung mit Vertretern WinterthursOrt: ein (StAZH B IV 17, fol. 110r). Von den seitens der WinterthurerOrganisation: vorgelegten Privilegien liessen die ZürcherOrganisation: ein Verzeichnis anfertigen (StAZH C I, Nr. 3165, Beilage 14). Am 18. Dezember versicherten Schultheiss und Rat von WinterthurOrt: Organisation: , keine weiteren Urkunden Karls V.Person: zu besitzen. Sie erklärten, dass der Kaiser ihnen bereits zuvor eine Bestätigung ihrer alten Freiheiten erteilt, etliches darin aber ausgelassen habe. Daher sei dem Kaiser die Urkunde zurückgegeben worden, worauf er ihnen das nun beanstandete Privileg zugesandt habe (StAZH C I, Nr. 3165, Beilage 15).

Am 23. Dezember wurden beide RäteOrganisation: in WinterthurOrt: einberufen, um eine Delegation aus ZürichOrt: zu empfangen, wie der WinterthurerOrt: Ratsherr Ulrich MeyerPerson: schildert (winbib Ms. Quart 102, fol. 37v-38v; Edition: Geilfus 1870, S. 7-8). Den WinterthurernOrganisation: wurde vorgeworfen, sich hinter dem Rücken ihrer Herrschaft kaiserliche Privilegien beschafft zu haben, welche die Rechte der Stadt ZürichOrt: und der Grafschaft KyburgOrt: verletzten. Nach dem Schuldeingeständnis des Schultheissen und Rats von WinterthurOrt: Organisation: , ihrer Bitte um Gnade und Verzeihung und ihrem Verzicht auf das Privileg vom 15. Mai 1544 erhielten sie die übrigen Privilegien zurück, während die einbehaltene Urkunde durch Einschnitte ungültig gemacht wurde (StAZH C I, Nr. 3165, Beilage 7). Erst 1856 wurde sie durch den ZürcherOrt: Staatsarchivar Gerold Meyer von KnonauPerson: der Stadt WinterthurOrt: zurückgegeben (Häberle 1982, S. 79).

Editionstext


Wir, schultheis, rethOrganisation: und die burger gemeinlich zuͦ WinterthurOrt: Organisation: , bekhennend offentlich und thuͦnd kundt mengklichem mit disem brieff:
Als wir vor langen zytten
und jaren an die fromen, vesten, fürsichtigen, ersamen und wysen herren burgermeister, rath und gmeind der stat ZürichOrt: Organisation: , unser gnedig lieb herren, inhallt brieff und siglen komen und also die selben all und jede des hus ÖsterrychsOrganisation: recht und gerechtigkeit über gemeine statt WinterthurOrt: und die unnsern zuͦ iren handen gepracht,1 wellich unsere gnedigen herren von ZürichOrt: uns je und allwëg by dem unnsern gnedigclich und vetterlich gehallten und geschirmbt, und aber wir unangesëchen desselben sidhar uß einfalltiger unnd unbedachter meinung by CaroloPerson: , dem jetzigen regierenden keyser, im vier und vierzigisten jarDatum: 1544 der geringern zal als fürst zuͦ ÖsterrychOrt: für uns selbs hinderruckts
und on wüßen bemellter unserer gnedigen herren umb nüwer und witter frygheiten und bestettnußen der alten geworben und erlangt, dero sich die selben unser herren uß vilfalltigen ursachen bilich zubeschweren und zuerclagen gehept, je doch sy sich deßhalb gnedig gegen uns erzoigt und gehallten, das wir daruff mit rëchtem wüßen und rath,
frygs, gutz willens, ungezwungen den genanten unsern gnedigen herren von ZürichOrt: die obengezoigt nüw erlangt keyserlich frygheit zu iren handen und gwallt hinuß gegëben und überantwort haben. Und ob wytter derglich nüw frygheiten, darin mer, dan wie wir an ein stat ZürichOrt: komen, begryffen, vidimus ald abgeschryfften darvon vorhanden wëren oder künfftigclich funden wurdint, die söllendt unnütz gemacht werden. Und also die obvermellt unsere nüw erlangten vermeint frygheiten, vidimus oder abgeschryfften davon entkrefftiget und abgethan heißen und sin, bemellten unnsern gnedigen herren von ZürichOrt: und irer grafschafft KyburgOrt: an irer oberkeith
und gerechtigkeiten weder jetz noch harnach keinen schaden und nachtheil, ouch uns und unsern nachkomen dheinen fürstand und nutz gepëren noch bringen söllendt, inn kein
wyß noch wëg.
Darzuͦ wöllent wir noch unnser nachkomen zu WinterthurOrt: hinfüro weder by keyßern, künigen, fürsten, herren noch anderschwo hinderruckts vilgedachten unnsern gnedigen herren burgermeister und rath der statt ZürichOrt: Organisation: und on der selben gunst und willen umb dhein frygheiten nachKorrigiert: nocha bestettnus der
selben, weder heimlich nachKorrigiert: nochb offenlich, werben noch anhallten, sonders uns alein unnserer alten und hargeprachten gnaden und rechtungen, wie wir an ein statt ZürichOrt: komen
sind und von dero erlangt hand, ouch bißhar in bruch und übung gewësen, und der privilegien und frygheiten, so die selb statt ZürichOrt: für sich selbs und all die iren, so
inn kouff, pfand oder ander wyß sy angefallen sind, getrösten und behëllffen, alles getrüwlich, erbarlich und on alle geferd.
In crafft dis brieffs, daran wir des
zuͦ warem urkhundt der statt WinterthurOrt: secret insigel offentlich habent laßen hencken, der geben ist an montag nach sant ThomasPerson: , des heligen
appostels, tag, nach Christi gepurt gezallt fünffzechenhundert vierzig und nün jar
Originaldatierung: 23.12.1549
.
[fol. v]Seitenumbruch
[Vermerk auf der Rückseite von Hand des 16. Jh.:]
Bekantnus dero vonHinzufügung oberhalb der Zeilec WinterthurOrt: irer
nüwen vermeinten frygheiten halb,
1549Datum: 1549
[Vermerk auf der Rückseite von Hand des 18. Jh.:]
Ingrossiert

Anmerkungen

  1. Korrigiert: noch.
  2. Korrigiert: noch.
  3. Hinzufügung oberhalb der Zeile.
  1. Vgl. die Verpfändung WinterthursOrt: an ZürichOrt: durch Herzog Sigmund von ÖsterreichPerson: und die Bestätigung der Rechte und Freiheiten der Stadt durch ZürichOrt: im Jahr 1467 (SSRQ ZH NF I/2/1 90-1; SSRQ ZH NF I/2/1 92-1).