Als Graf Rudolf von Habsburg im Juni 1264 die vorliegende Urkunde ausstellte, war sein Onkel Graf Hartmann IV. von Kyburg, der Stadtherr von Winterthur, noch am Leben. Hartmann starb im November 1264, ohne Nachkommen zu hinterlassen, hatte aber noch im Juli zugunsten des Chorherrenstifts Heiligberg geurkundet ([UBZH](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000135491), Bd. 3, Nr. 1274). Mit welcher Legitimation Rudolf die Rechtsaufzeichnung vornehmen liess, ist nicht geklärt. Der rund 70 Jahre nach den Ereignissen aufgezeichneten Schilderung des Chronisten Christian Kuchimeister zufolge soll die Zerstörung der in der Nähe der Stadt gelegenen Burg durch die Bürger von Winterthur den Grafen von Kyburg bewogen haben, seinen Besitz seinem Neffen als Lehen zu übertragen. Dieser habe nach seinem Herrschaftsantritt die Bürger für den Burgenbruch bestraft ([Kuchimeister, Casus](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg991001262647403977), S. 47). Von einer geordneten Herrschaftsübertragung geht die Forschung mehrheitlich aus, vgl. [Windler 2014](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000129786), S. 70-76; [Stercken 2006](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000044696), S. 11-12, 129-130; [Elsener 1981](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg991001258749303977), S. 99-100; [Kläui 1964a](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg991001259148203977), S. 49-53; [Meyer 1947b](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000137449), S. 305-309. Dagegen äussert Erwin Eugster Zweifel an der Plausibilität der Angaben Kuchimeisters und hält eine Vordatierung der Rechtsaufzeichnung für wahrscheinlich. Er verweist auf die langjährigen Auseinandersetzungen um das Erbe des Grafen, die tendenziöse Darstellung seitens des Chronisten zugunsten der Kontrahenten der Habsburger, der Äbte von St. Gallen, die fehlende Mitwirkung Hartmanns an der Ausfertigung der Urkunde, die nirgends belegte Übertragung Winterthurs an Rudolf sowie chronologische Unstimmigkeiten, vgl. [Eugster 2015a](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000135956), S. 98-104.
Ansprüche auf das Kyburger Erbe wurden von vielen Seiten erhoben. 1244 hatte Hartmann IV. mit Zustimmung seines Neffen Hartmann V. von Kyburg seinen Besitz, darunter auch Winterthur, der Strassburger Kirche als Lehen aufgetragen. Bischof Berthold hatte die beiden Kyburger und ihre Nachkommen beiderlei Geschlechts mit den Gütern belehnt und ihnen die Weitergabe aller oder einzelner Besitzungen an Dritte unter der Bedingung eingeräumt, dass die Lehensherrschaft weiterbestand ([UBZH](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000135491), Bd. 2, Nr. 599, 600). Derartige Lehensauftragungen zugunsten kirchlicher Institutionen verfolgten den Zweck, die Güter dem Zugriff territorialer Konkurrenten oder politischer Kontrahenten zu entziehen, vgl. [Sablonier 1981](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg991001262048603977), S. 41-43. Nach dem Tod Hartmanns IV. wurden von Seiten Annas, der minderjährigen Tochter des 1263 verstorbenen Grafen Hartmann V., keine Forderungen bezüglich Winterthurs gestellt, dagegen machten seine Witwe Margarethe von Savoyen und sein Neffe Graf Rudolf von Habsburg Besitzrechte geltend. 1260 war Margarethe in Gegenwart Rudolfs mit den Strassburger Kirchenlehen belehnt worden ([UBZH](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000135491), Bd. 3, Nr. 1108). In einem Verzeichnis der Güter, die ihr Rudolf nach dem Tod ihres Mannes entzogen haben soll, wird die Stadt Winterthur aufgeführt ([UBZH](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000135491), Bd. 4, Nr. 1304). Eine Chronik, die ein Ende des 13. Jahrhunderts im Auftrag des Strassburger Bürgers Ellenhard zusammengestellter Codex enthält, berichtet, wie Graf Rudolf mehrere Burgen sowie die Stadt Winterthur von Margarethes Bruder, dem Grafen Peter von Savoyen, erobert habe ([Ellenhardi Chronicon](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg991001262639603977), S. 123).
Die Aufzeichnung von Rechtsnormen demonstrierte einerseits Rudolfs Herrschaftsanspruch über Winterthur und förderte andererseits die Verständigung mit den Bürgern, die Zugeständnisse wie den Verzicht auf den Wiederaufbau der Burg erzielten. Dass sich der Habsburger noch zu Lebzeiten seines Onkels um eine günstige Ausgangsposition im erwartbaren Kampf um das Kyburger Erbe bemühte, geht aus dem Vergleich hervor, den er am 18. Juni 1264 mit dem Bischof von Konstanz schloss. Demnach hatte Graf Hartmann seinem Neffen Lehen der Konstanzer Kirche übertragen, die der offenbar übergangene Bischof zurückforderte ([UBZH](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000135491), Bd. 3, Nr. 1266). Vergleichbare Widerstände gegen eine Lehenübertragung waren von dem Strassburger Bischof Heinrich von Geroldseck nicht zu erwarten. Seine Position war infolge der kriegerischen Auseinandersetzungen seines Vorgängers mit den Bürgern der Stadt Strassburg, die von Graf Rudolf von Habsburg unterstützt worden waren, geschwächt, vgl. [Wiegand 1878](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg991001262645003977), S. 65-66, 84-88. Die Lehensherrschaft über die Stadt Winterthur geriet jedoch nicht in Vergessenheit, wie ein Verzeichnis der Lehen der Strassburger Kirche zu Zeiten des Bischofs Berthold von Buchegg (1328-1353) zeigt (ADBR G 377, fol. 80r; Edition: [Grandidier 1865-1867](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg991001263049703977), Bd. 4, S. 554).
Die im 12. und 13. Jahrhundert vierlerorts erfolgenden städtischen Rechtsaufzeichnungen basierten auf einer mündlich tradierten Rechtskultur (consuetudines) und dienten einerseits der Abgrenzung zum Landrecht, andererseits der Absicherung von neuem Recht, für dessen Eindeutigkeit, Anerkennung, Übertragbarkeit und Veränderbarkeit die schriftliche Fixierung Voraussetzung war, vgl. [Dilcher 1992](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg991001259949403977), S. 12-19. Zu den grundlegenden Bedürfnissen einer Stadtgemeinde gehörte die Vereinheitlichung des rechtlichen Status der Bürgerinnen und Bürger, die Garantie der persönlichen und güterrechtlichen Freiheit sowie der Zuständigkeit des örtlichen Gerichts, vgl. hierzu [Isenmann 2012](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000135571), S. 163-171; [Dilcher 1989](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg991001260647703977), S. 22-26. Gerade bei einem Herrschaftswechsel lag zudem die Festschreibung des über die städtischen Mauern hinaus sich ausdehnenden Rechtsbezirks und Allmendgebiets im Interesse der Gemeinde, vgl. [Patze 1977](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000106846), S. 172-174. Welche Vorlagen für die Winterthurer Rechtsaufzeichnung von 1264 herangezogen wurden, muss offen bleiben. Die inhaltlich und formal heterogene Struktur des Textes ist verschiedentlich thematisiert worden, vgl. [Kläui 1964a](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg991001259148203977), S. 25-31. Die erste deutsche Übersetzung lag bereits im Jahr 1297 vor. Ergänzt um Bestimmungen, die auf ein Privileg König Rudolfs von 1275 zurückgehen sollen, und geltende Rechtsgewohnheiten, wurden die Rechtsnormen anderen Städten mitgeteilt ([SSRQ ZH NF I/2/1 7-1](urn:ssrq:SSRQ-ZH-NF_I_2_1-7-1)), mehrfach überarbeitet und erweitert ([SSRQ ZH NF I/2/1 170-1](urn:ssrq:SSRQ-ZH-NF_I_2_1-170-1); STAW URK 2157; [SSRQ ZH NF I/2/1 260-1](urn:ssrq:SSRQ-ZH-NF_I_2_1-260-1)).
Bei dem Schreiber lassen sich die Buchstaben c
und t
kaum voneinander unterscheiden.