Es war verbreitete Praxis, Aussätzige, das heisst Menschen, die an Lepra erkrankten oder vergleichbare Symptome entwickelten, in
sogenannten Siechenhäusern von der übrigen Bevölkerung zu separieren. Verdachtsfälle mussten gemeldet werden, die Betroffenen wurden einer
Untersuchung unterzogen. Zur Entwicklung der Leprosorien vgl. [Reicke 1932](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000138251), 1.
Teil, S. 312-325; zur vormodernen Diagnostik und Terminologie vgl. [Riha 2007](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000138256). Bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts behaupteten die Pfleger des Siechenhauses in
Kreuzlingen mit Unterstützung der Bischöfe von Konstanz ihre Zuständigkeit für die Siechenschau im Bistum, vgl. [Müller 2007](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000137881), S. 52-53; [Sutter 1996](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000064565), S. 35-39, 44-48; [Reicke 1932](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000138251), 2. Teil, S. 261. Am 14. November 1491 ordnete der Rat von Zürich infolge von Missbräuchen an, dass verdächtige Personen im
städtischen Herrschaftsgebiet nur noch von den eigenen Beschauern begutachtet werden durften. Aus Winterthur sollte niemand mehr nach Konstanz geschickt werden ([SSRQ ZH NF I/1/3, Nr. 52](urn:ssrq:SSRQ-ZH-NF_I_1_3-52-1)). Bei einem positiven Befund (vgl. z. B. [Hauser 1901](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000137914), Beilage 2, S. 58, aus dem Jahr 1516) wurden die Betroffenen von der
städtischen Obrigkeit in ein Siechenhaus gewiesen. Leprose, die über eigene Mittel verfügten, erhielten
je nach Vermögen eine einfache oder besser ausgestattete Pfrund mit entsprechender Verpflegung, vgl. [Sutter 1996](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000064565), S. 49-62; [Hauser 1901](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000137914), S. 35-36, 44-45.
Nördlich der Stadt Winterthur, auf freiem Feld, lag das Siechenhaus mit der dem heiligen Georg gewidmeten Kapelle und einem Friedhof. Die Schenkung
Herzog Rudolfs von Österreich ist der früheste Beleg für die Existenz dieser Einrichtung. Das
Patronatsrecht der Kapelle verlieh Herzog Albrecht, Rudolfs
Bruder, am 15. Juni 1298 dem Winterthurer Bürger Stefan Hoppler
([UBZH](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000135491), Bd. 7, Nr. 2445; vgl. auch [SSRQ ZH NF I/2/1, Nr. 43](urn:ssrq:SSRQ-ZH-NF_I_2_1-43-1)). Zwei Jahre später gewährten mehrere Bischöfe in
Rom allen einen Ablass, welche die Kapelle an bestimmten Feiertagen aufsuchten, für ihre Ausstattung
spendeten, die dort lebenden Kranken und Armen unterstützten oder den Priester der Kapelle, der den Kranken die Kommunion brachte,
begleiteten ([UBZH](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000135491), Bd. 7, Nr. 2576). Im Jahr 1425 übertrugen die Hoppler die Kapelle dem Chorherrenstift Heiligberg (STAW URK 621).
Die Chorherren hielten dort wöchentlich drei Messen ab ([Bosshart, Chronik](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000135639), S.
314). Nach der Reformation sollte den Siechen sonntags und einmal unter der Woche gepredigt werden (vgl. [StAZH B IV 19, fol. 143r](https://suche.staatsarchiv.djiktzh.ch/detail.aspx?id=1106249)). Zu der Pfründe und ihren
Inhabern vgl. [Walser 1944](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000134489), S. 51-53.
Schultheiss und Rat von Winterthur liessen das Siechenhaus durch einen Pfleger verwalten, 1366 findet man beispielsweise Rudolf
Hofmann von Winterthur in dieser Funktion (STAW URK 187). Gemäss den Angaben
des Hans Ernst aus dem Jahr 1692 besetzte der Kleine Rat dieses Amt
aus den eigenen Reihen (winbib Ms. Fol. 264, S. 142). Einer Aufzeichnung des Siechenpflegers über seine Aufwendungen zufolge,
die wohl ins letzte Drittel des 16. Jahrhunderts zu datieren ist, waren eine Köchin, eine Untermagd, eine Wäscherin und ein Schröpfer im
Siechenhaus beschäftigt (STAW AC 27/3; Edition: [Hauser 1901](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000137914), Beilage 4, S. 63-64). Viele Stiftungen waren den Siechen gewidmet, vgl.
[Hauser 1901](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000137914), S. 11-16, 20-21, 24, 26-27. Besonders erwähnenswert sind die
Zuwendungen des Erhard von Hunzikon, vgl. [SSRQ ZH NF I/2/1 213-1](urn:ssrq:SSRQ-ZH-NF_I_2_1-213-1); [Hauser 1901](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000137914), S. 28-31. Über die
Einkünfte der Einrichtung gibt unter anderem ein 1479 angelegtes Verzeichnis Auskunft (STAW B 3e/47), vgl. die Zusammenstellung
bei [Hauser 1901](http://permalink.snl.ch/bib/chbsg000137914), S. 25-26.