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SSRQ ZH NF I/2/1 89-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, von Bettina Fürderer

Zitation: SSRQ ZH NF I/2/1 89-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Weberordnung der Stadt Winterthur

ca. 1466 – 1468.

Schultheiss und Rat von Winterthur genehmigen unter Vorbehalt ihrer Rechte folgende Statuten der Meister des Weberhandwerks: Der Zunftmeister und die Sechser sollen die Webgeschirre kontrollieren und Abweichungen ahnden. Pro Zahn, der leer gelassen wird, soll ein Bussgeld von 6 Haller erhoben werden. In einem Nachtrag von späterer Hand am Ende der Weberordnung wird die Erhöhung des Bussgelds auf 3 Pfund vermerkt (1.1). Man soll nur die von der Obrigkeit normierte und markierte Elle verwenden (1.2). Ein Meister erhält für die Ausbildung eines Knechts 8 Pfund Haller und 1 Mütt Kernen, er soll diesen in Gegenwart der Meister mindestens für ein Jahr einstellen. Wenn der Knecht sich das nicht leisten kann, soll man ihn Jahr für Jahr in Ausbildung nehmen (2). Wenn ein Meister die Kettfäden gespannt hat, darf ein anderer nur mit seiner Erlaubnis weiter weben, damit die Herkunft der Arbeit nachvollziehbar bleibt. Nur mit dem Einverständnis des Meisters dürfen seine Frau oder seine Mägde und Knechte Garn verkaufen (3). Man soll keine Kunden einladen oder um Aufträge bitten. Zuwiderhandelnde sollen die Meister bestrafen (4). Die Meister sollen einander nicht bei Kunden und anderen Leuten verleumden. Ehrverletzende Äusserungen, die sich nicht bewahrheiten, sollen die Meister bestrafen (5). Die Meister dürfen einander keine Knechte abwerben. Diese müssen die Erlaubnis ihres früheren Meisters einholen und ihre Schulden begleichen, bevor sie eine neue Stelle antreten (6). Man darf nicht mehr Aufträge annehmen, als man erledigen kann, und diese auch nicht an andere vergeben (7).

  • Signatur: STAW B 2/2, fol. 9v-10v
  • Originaldatierung: ca. 1466 – 1468 (Die Vorlage datiert vom 25. Mai und 25. Juli 1466, der vorliegende Band wurde am 12. September 1468 durch Stadtschreiber Georg Bappus angelegt und enthält zu Beginn Abschriften. Der Nachtrag betreffend die Erhöhung des Bussgelds stammt von der Hand des Stadtschreibers Konrad Landenberg (1483-1513).)
  • Überlieferung: Abschrift
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 24.0 × 32.0
  • Sprache: Deutsch
  • Schreiber: Georg Bappus
  • Edition
    • QZWG, Bd. 2, Nr. 1217

  • Signatur: winbib Ms. Fol. 27, S. 553-554
  • Originaldatierung: Mitte 18. Jh.
  • Überlieferung: Abschrift
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 24.0 × 35.5
  • Sprache: Deutsch

Im Spätmittelalter war die Textilproduktion in WinterthurOrt: auf regionale und überregionale Märkte hin ausgerichtet, Hektor Ammann spricht in diesem Zusammenhang von einer «richtigen Ausfuhrindustrie» (Ammann 1953, S. 264). Die hergestellten Stoffe konnten vor Ort in der Bleiche, der Färberei und der Walke weiterverarbeitet werden (Windler/Rast-Eicher 1999-2000, S. 61). Archäologische Funde deuten darauf hin, dass im 14. Jahrhundert neben Leinen von feiner, mittlerer und grober Qualität auch Mischgewebe aus Leinen und Baumwolle respektive Hanf (Barchent, Zwilch) in WinterthurOrt: gewebt wurde (Windler/Rast-Eicher 1999-2000, S. 74-75). Schultheiss und RatOrganisation: achteten auf die Einhaltung der Qualitätsstandards. Je nach Qualität der Ware durften die Weber um 1500 für eine Elle Zwilch zwischen 4 und 6 Haller verlangen (STAW B 2/2, fol. 58r), vor dem Verkauf musste das Tuch von den städtischen Kontrolleuren geprüft und entsprechend markiert werden (SSRQ ZH NF I/2/1 134-1). Zum Weberhandwerk in WinterthurOrt: vgl. Rozycki 1946, S. 58-65.

Die WinterthurerOrt: Weberordnung orientiert sich an den Bestimmungen betreffend das Leinenweberhandwerk, auf die sich unter anderem Abgeordnete aus ZürichOrt: , BadenOrt: , AarauOrt: , BremgartenOrt: , LenzburgOrt: , MellingenOrt: , WinterthurOrt: , SchaffhausenOrt: , DiessenhofenOrt: und Stein am RheinOrt: am 25. Mai und 25. Juli 1466 verständigt hatten (SSRQ AG I/1, Nr. 56). Die auf solchen Handwerkertagen gefassten Beschlüsse mussten durch die städtische Obrigkeit genehmigt werden, um vor Ort in Kraft zu treten. So modifizierten Schultheiss und Rat von WinterthurOrt: Organisation: die Weberordnung in einigen Punkten: Der Artikel über Lohn und Kostgeld der Knechte sowie einige Bussbestimmungen wurden nicht übernommen. Anders als in der Vorlage war in der WinterthurerOrt: Weberordnung nicht vorgesehen, dass Frauen im Handwerk ausgebildet werden konnten.

Abordnungen der WinterthurerOrt: Handwerker nahmen immer wieder an regionalen Zusammenkünften («meyen») teil. 1421 schlichteten Bürgermeister und Rat von ZürichOrt: Organisation: die Differenzen zwischen den Meistern, Zünften und Gesellschaften des Schuhmacherhandwerks der Städte KonstanzOrt: , ÜberlingenOrt: , SchaffhausenOrt: , WinterthurOrt: , LuzernOrt: , AarauOrt: , BremgartenOrt: , BadenOrt: , BruggOrt: , KaiserstuhlOrt: und LaufenburgOrt: einerseits und den Schuhmachergesellen andererseits (SSRQ AG I/1, Nr. 33, vgl. auch SSRQ AG I/2.1, Nr. 44). Am 28. September 1435 kamen die in SchaffhausenOrt: versammelten Meister und Gesellen des Sattlerhandwerks der Städte KonstanzOrt: , ZürichOrt: , BernOrt: , LuzernOrt: , RottweilOrt: , VillingenOrt: , SchaffhausenOrt: , ÜberlingenOrt: , LindauOrt: , WangenOrt: , St. GallenOrt: , RapperswilOrt: , WinterthurOrt: , Stein am RheinOrt: , RadolfzellOrt: , EngenOrt: , PfullendorfOrt: , MengenOrt: , RiedlingenOrt: , ZofingenOrt: , AarauOrt: , BremgartenOrt: , BadenOrt: , BruggOrt: , WaldshutOrt: und RheinfeldenOrt: mit jenen aus AugsburgOrt: , NürnbergOrt: , NördlingenOrt: , DinkelsbühlOrt: , Schwäbisch HallOrt: , Schwäbisch GmündOrt: , MainzOrt: , WormsOrt: , HeidelbergOrt: , HeilbronnOrt: , EsslingenOrt: und ReutlingenOrt: überein «von groses valsches, boͤser uffsaͤtz und unrechtuns wegen, so biß her an etliche enden under unserm hantwerk getriben und beschehen ist», eine Satzung ihren Räten zur Bestätigung vorzulegen, welche die Qualtität der verwendeten Materialien, den Absatz der produzierten Ware, die Reparatur von alten Sätteln und Kummeten, die Ausbildung der Gesellen und die Meisterprüfung regelte (Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Handwerker: Akten 1729, Bl. 3). Auf ihrer Tagung im Juni 1454 in ZürichOrt: arbeiteten die Meister und Gesellen der Zimmerleute ebenfalls eine Handwerksordnung aus und vereinbarten, künftige Versammlungen in einem Gebiet zwischen KonstanzOrt: , ZürichOrt: , BernOrt: , LuzernOrt: , SchaffhausenOrt: , WinterthurOrt: und RapperswilOrt: abzuhalten (QZZG, Bd. 1, Nr. 146). Im Juli 1496 trafen sich die Meister der Gewandschneider, Schneider, Tuchscherer und Kürschner der Städte ZürichOrt: , ZofingenOrt: , SchaffhausenOrt: , WinterthurOrt: und DiessenhofenOrt: in BadenOrt: «um fu̍rdrung willen ir hantwercken» (QZZG, Bd. 1, Nr. 175). Der WinterthurerOrt: Ratsherr Ulrich MeyerPerson: berichtet in seiner Chronik von einer Zusammenkunft von Abgeordneten der Meister des Hafnerhandwerks aus ZürichOrt: , SchaffhausenOrt: , DiessenhofenOrt: , Stein am RheinOrt: , FrauenfeldOrt: , WilOrt: , WinterthurOrt: und RapperswilOrt: am 16. Juni 1557, um sich von «froͤmden meisteren» zeigen zu lassen, wie der Brennholzverbrauch beim Backen, Sieden und Braten reduziert werden konnte (winbib Ms. Quart 102, fol. 94r-95v). Zu regionalen Handwerkerverbänden vgl. Schulz 1987, S. 387-391; Dubler 1982, S. 83-107; Göttmann 1977.

Editionstext


Wēbergesatzt


Des ersten, das der zunfftmeister mit den sechssen1 soͤllent
umb gǎn und die wǎgen2 glich machen under iren meisteren,
was in der statt ist. Sy sond ouch daby die geschier besehen
und wa es nit die rechten breiti hǎt, als denn an dem selben
end und von alter gewonheit harkomen und gebrucht ist, das
mugent sy verbieten. Sy sond ouch, wie dick es nottdurfftig
ist, umb gǎn und die geschier besehen, und wa sy vindent,
das es nit volgǎt, so mangen zan sy laͤr vindent,3 so
dick sonds inn straffen, yeden zan umb vj ħWährung: 6 Haller der zunfft
oder nach gewonheit derselben statt oder lands.4
[Marginalie am linken Rand:]
NichelAuffällige Schreibung
valet
Sprachwechsel: Latein
,
luͦg am
xxMenge: 20 blatt.

Item ouch hand sy sich bekennt, das man ein gliche eln
haben sol, yederman an den enden, da er sitzt, und die gezeichnot sige mit ir statt zeichen oder mit ir herrn zeichen,
under dem sy sitzent, umb das biderb lu̍t nit betrogen werdent.

Zuͦ dem andern malen, das kein meister deheinen knecht nit anders
leren sol, er geb im denn acht pfund hallerWährung: 8 Pfund und ein mu̍tt kernenVolumenmass: 1 Mütt Dinkel,
und sol in dingen vor sinen meisteren und sol in nit minder
dingen denn ein gantz jǎrZeitspanne: 1 Jahr. Ob aber ein armman wēre, der daz
gelt nit hett, so mag einer einen leren ein jǎrZeitspanne: 1 Jahr umb das ander.
Das hǎt sich gemein handtwērch bekennt umb des willen, daz
man sehe, das man armer lu̍ten nit varen welle.

Zuͦ dem dritten mal, das keiner dehein werck wercken sol, das ein
ander meister gezettlet5 hǎt und er nit umb geleit hǎt, es wurde
im denn von dem selben meister erlǒpt, so mag er es wol wērcken [fol. 10r]Seitenumbruch
und sunst nit. Welcher aber das u̍bergieng, der wer ǒn
gnad das hantwerch verfallen, daran wir alle gemeinlich sin
soͤllent, sovil und unser in diser berednu̍ß begriffen und beschriben
ist oder noch darin koment. Und ist das, umb daz man verstand,
wahar das werck kome, das einem biderbenman das sin werde.

Ouch hand die meister angesehen, das nieman kein garn kǒffen
sol von keins meisters frowen, junckfrowen noch knechten, es sig
denn sach, das es des meisters will sige.6

Zuͦ dem vierden, das keiner deheinen kunden laden soͤlle, weder
durch sich selber, wib, knecht oder botten noch durch nieman anders
schaffen und getǎn werden, heymlich noch offenlich, in deheinwiß
noch wege, so yeman erdencken kan oder mag. Kompt aber ein
kund zuͦ einem meister in sin hus, so sol er im das allerbest tuͦn,
das er denn kan oder mag. Es sol ouch kein meister keinen kunden
bitten, das er im ze wercken gebe. Welcher das aber u̍bergieng,
so soͤllent die meister inn darumb strǎffen nach billichen dingen.
Und ist das darumb, das die armen ouch zewercken habent.

Zuͦ dem fu̍nfften, das kein meister den andern nyena verclagen sol,
werderAuffällige Schreibung gegen sinen kunden noch gegen andern, noch keinen den
andern gegen nyeman vertragen noch verleiden sol, das es im
schaden brechti oder schaffen bringen moͤcht, in dehein wiß noch wege,
es sige denn sach, das einer dem andern an sin ere rette und es sich
nit funde, das es also wēr, so sol in die zunfft oder die meister
darumb straffen. Und wa es umb unerlich sachen wēr, so moͤchtint sy inn vester und herter strǎffen so verre iren herren an
iren rechten ǒn schaden an denen enden, da er denn sitzt.

Zuͦ dem sechsten mal, das kein meister dem andern sinen knecht abziehen sol, in kein wege. Es sol ouch kein meister keinem knecht [fol. 10v]Seitenumbruch
nit ze wercken geben, der dem alten meister schuldig ist und von
im gangen wer one desselben meisters wissen und willen. Waͤr
sach, das ein knecht einem pfister schuldig were oder schuͦchmacher oder einem schnider, so er von einem meister gangen
wēr, so sol im kein meister zewercken geben, er hab denn
die vorgemelten schulde bezalt, und sunst nit, er behab es denn
mit eines willen.

Zuͦ den ledtsten das keiner me werchs in sin hus nemen sol,
denn er gewercken mag oder in siner werckstatt, und keins
ußwendig dem hus, und sol ouch kein werck ußwendig dem
hus ze wercken geben, alles getru̍wlich und ungevarlich,
darumb, das die armen ouch ze wercken habint.

Soͤlich vorgeschriben stuck und artickel habent wir,
schultheiß und rǎte zu WinterthurOrt: Organisation: , den meistern weber
handtwerchs
Organisation:
by uns verwillget und vergu̍nst zehalten,
doch uns an allen unseren rechten in alle wege unschēdlich.
a

Anmerkungen

  1. Hinzufügung unterhalb der Zeile von späterer Hand von :
    Mine herren haben angesaͤhen, woͤlcher wēber, er sige meister,
    knecht, kind oder frow, ein zān laͧsset laͤr gān, so dick das beschicht,
    der gibt zuͦ buͦß von yegklichem zan insonderHinzufügung oberhalb der Zeileb iij Währung: 3 Pfund .
  1. In WinterthurOrt: waren die Handwerker nicht in Zünften organisiert, die Erwähnung eines Zunftmeisters und eines sechsköpfigen Ausschusses deutet daher auf eine fremde Vorlage hin. 1483 beauftragte der RatOrganisation: die Tuchmesser mit der Qualitätskontrolle (SSRQ ZH NF I/2/1, Nr. 134).
  2. Litzenträger am Webstuhl (Idiotikon, Bd. 15, Sp. 673), vgl. zur Funktion Windler/Rast-Eicher 1999-2000, S. 45-46.
  3. Durch die Zähne des Webkamms werden die Kettfäden geführt (Windler/Rast-Eicher 1999-2000, S. 45).
  4. Wie aus der Randbemerkung hervorgeht, wurde diese Bestimmung später geändert. Die Eintragungen auf fol. 20r-v dieses Bands haben keinen Bezug zur Weberordnung. Auf fol. 29v findet sich ein undatierter Vermerk über die Vereidigung der Weber, dass ihre Webgeschirre die vorgeschriebene Breite aufwiesen und kein Zahn leer gelassen werde. Der vorhergehende Eintrag datiert vom 12. Januar 1478 (STAW B 2/2, fol. 29v; Edition: QZWG, Bd. 2, Nr. 1332). Am 22. Dezember 1479 setzte der RatOrganisation: ein höheres Bussgeld für Qualitätsmängel fest: 3 Pfund für jeden leer gelassenen Zahn (STAW B 2/3, S. 421). Auf diesen Beschluss bezieht sich der Nachtrag am Ende der Weberordnung von der Hand Konrad LandenbergsPerson: , der von 1483 bis 1513 als Stadtschreiber amtierte.
  5. Kettfäden spannen (vgl. DWB, Bd. 31, Sp. 818-819).
  6. Die Garnproduktion in WinterthurerOrt: Weberwerkstätten ist auch durch archäologische Funde nachgewiesen. Die Herstellung von Garn war sehr arbeitsaufwendig. Um den Bedarf für die Textilproduktion zu decken, genügte die Menge des von den Frauen, Kindern, Knechten und Mägden der Weber gesponnene Garn meist nicht, sondern es musste hinzugekauft werden (Windler/Rast-Eicher 1999-2000, S. 73-74). Um zu verhindern, dass Hehlerware gehandelt wurde, untersagte der RatOrganisation: den Weberinnen und Webern, sich nasses Garn von dubiosen Verkäufern an verdächtigen Orten zu besorgen (STAW B 2/2, fol. 29v; Edition: QZWG, Bd. 2, Nr. 1332, zu 1478).