SSRQ ZH NF II/11 122-1
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft. Band 11: Die Obervogteien um die Stadt Zürich, von Ariane Huber Hernández und Michael Nadig
Zitation: SSRQ ZH NF II/11 122-1
Lizenz: CC BY-NC-SA
Hintersassenordnung für die Gemeinden Enge, Oberstrass, Fluntern, Hottingen und Riesbach
1660 Oktober 3.
Stückbeschreibung
- Signatur: StArZH VI.FL.A.1.:3
- Originaldatierung: 1660 Oktober 3 Überlieferung: Original, Heft (8 Blätter)
- Beschreibstoff: Pergament
- Format B × H (cm): 17.0 × 22.0
- 1 Siegel:
- Stadt ZürichPerson: , Wachs in Holzkapsel, rund, angehängt an einer Kordel, abgeschliffen
- Sprache: Deutsch
Weitere Überlieferungen
- Signatur: StArZH VI.EN.LB.A.2.:18
- Originaldatierung: 1660 Oktober 3 Überlieferung: Original, Heft
- Erhaltungszustand: Verblasste Tinte, teilweise mit Textverlust
- Beschreibstoff: Pergament
- Format B × H (cm): 16.5 × 21.5
- 1 Siegel:
- Stadt ZürichPerson: , Wachs in Holzkapsel, rund, angehängt an einer Kordel, abgeschliffen
- Sprache: Deutsch
- Signatur: StArZH VI.OS.A.3.:19
- Originaldatierung: 1660 Oktober 3 Überlieferung: Zeitgenössische Abschrift, Heft (4 Blätter)
- Beschreibstoff: Papier
- Format B × H (cm): 20.0 × 31.0
- Sprache: Deutsch
Kommentar
Seit dem Ausbruch des Dreissigjährigen Krieges war deutlich geworden, dass ZürichsOrt: mittelalterliche Stadtmauer einem Angriff mit moderner Kriegstechnik nicht standhalten würde. 1642 wurde in ZürichOrt: mit dem Bau einer neuen Stadtbefestigung begonnen. Die Errichtung zog sich in mehreren Etappen bis mindestens 1678 hin, als der Schanzenbau im Wesentlichen vollendet war, doch auch später lassen sich noch Ausbauten und Unterhaltsarbeiten nachweisen. Vor Baubeginn waren nicht nur verschiedene Befestigungstypen in Erwägung gezogen worden, sondern auch mehrere Varianten, wo die Fortifikationen verlaufen sollten (vgl. die Karte in KdS ZH NA IV, S. 33). Einige Vorschläge sahen vor, die Schanzen eng der bestehenden Mauer entlangzuführen; umgesetzt wurde aber eine andere Variante, die innerhalb der neuen Befestigung Platz liess für die Errichtung barocker Vorstädte, repräsentativer Landsitze und protoindustrieller Anlagen. Das rechtliche sowie infrastrukturell erschlossene Gebiet der Stadt wurde damit beträchtlich vergrössert. Diese Gebietserweiterung ging jedoch zulasten der umliegenden Gemeinden.
1660 erhielten einige dieser Gemeinden die vorliegende Urkunde, in der die Rechtsstellung ihrer Gemeindegenossen, die sich neu auf städtischem Gebiet wiederfanden, präzisiert wurde. Gleichzeitig erliessen oder wiederholten Bürgermeister und RatOrganisation: einige allgemeine Bestimmungen zu den Hintersassen. Diese Einwohner verfügten über eine Aufenthaltserlaubnis, aber eingeschränkte politische und wirtschaftliche Rechte. Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde die Aufnahme als Hintersasse zunehmend reguliert, immer wieder kam es auch zu Aufnahmestopps. In HottingenOrt: zum Beispiel beschloss die Gemeinde 1766, für die nächsten sechs Jahre keine Hintersassen anzunehmen (StArZH VI.HO.A.5.:105).
Abgesehen von den ersten drei Bestimmungen, die sich mit den spezifischen Fragen zur Stadtgebietserweiterung befassen, erscheinen die hier genannten Punkte recht typisch. Bereits 1647 hatte der RatOrganisation: für die gesamte Landschaft, insbesondere aber für das Gebiet um die Stadt, die Überlassung von Haushofstätten an Fremde verboten (StArZH VI.FL.A.2.:12; StArZH VI.WP.A.6.:47). 1676 wurde anlässlich einer Untersuchung wegen neu erbauter Häuser und Stuben in HottingenOrt: , aber wiederum allen Gemeinden «nächst umb die statt», verordnet, dass die Besitzer der Häuser sich verpflichten müssen, keine Fremden aufzunehmen, die Häuser nur an Bürger oder Gemeindsgenossen zu verkaufen, sie nicht um mehr Räume zu erweitern und dass, wer fremde Lehenleute annimmt, für diese zu bürgen habe. Ausserdem erfolgt der Verweis auf die Satzung, dass eine halbe Stunde um die Stadt ohne ausdrückliche Erlaubnis des RatesOrganisation: keine Häuser gebaut werden dürfen, auch nicht, wenn die Gemeinde dies erlaubt (StAZH A 149.1, Nr. 105). Diese Satzung wurde am 13. Juni 1678 noch einmal wiederholt (SSRQ ZH NF II/11, Nr. 137). Am 8. Mai 1739 wurde für die Gemeinden EngeOrt: und WollishofenOrt: eine neue Hintersassenordnung erlassen, in diesem Fall durch die Obervögte (StArZH VI.WO.A.2.:17; StArZH VI.EN.LB.A.5.:59). Darin wurde festgehalten, dass niemand ohne Vorwissen und Bewilligung von Obervögten und Gemeindevorgesetzten einen Hintersassen aufnehmen solle; dass Hintersassen eine Bescheinigung ihrer Heimatgemeinde, dass sie dort wieder aufgenommen würden, vorlegen müssen; dass die Hintersassen einen jährlichen Betrag von 8 Pfund und Tischgänger 2 Pfund zu bezahlen haben; dass Gemeindegenossen, die eine Wohnung brauchen, Priorität haben und Hintersassen gegebenenfalls die Wohnung räumen müssen; und dass die Hausväter für Schäden ihrer Hintersassen haften.
Zu den Fortifikationen vgl. KdS ZH NA IV, S. 15-66; zu den Hintersassen vgl. den Kommentar zu SSRQ ZH NF I/1/11 96-1 sowie die dort angeführte Literatur; HLS, Hintersassen.
Editionstext
Wir, burgermeister unnd rath der statt ZürichOrt: Organisation: , thund khundt offentlich hiemit: nachdemme wir von unßeren lieben und gethröüwen angehörigen den gemeinden EngiOrt: , OberstrâßOrt: , FlunterenOrt: , HottingenOrt: und RiespachOrt: , uß anlâß unser erneüwerten alten hinder säß ordnungen, underthenig umb bscheid und erlütherung ersucht worden, sithenwylen angedüthe ihre gmeinden biß an unser statt alte muhren gegrëntzet, siderthar aber durch unßere nöüwe bevestigungs werckh der statt bezirckh umb vil erwytheret worden; waß es deßwëgen mit denen persohnen für ein verstand und meinung habe, welche innerth gedachten unser stat alten muhren und den nöüwen bevestigungswercken gesëßen und by ihnen gmeindts gnößig sygen; ob nammblichen sölliche persohnen nit fürbaß gmeindtsgnoßen syn und blyben, oder aber ob man sy anjetzo für hindersäßen rächnen und halten wölle. Haben wir inn betrachtung der sachen beschaffenheit denenselben disen bscheid und antwort ertheilen laßen:
Unnd deß alleße zu wahrem urkhundt, so haben wir unßer statt ZürichOrt: secret ynsigel an diseren brieff offentlich laßen hënkhen, der geben ist uff mitwuchs, den drithen tag wynmonath, nach der gebuhrt Christi, unsers lieben herren unnd [S. 9]Seitenumbruch heilandts, gezahlt ein thußent sëchshundert und sächszig jahreOriginaldatierung: 3.10.1660 ().
b–Zu dieserem wahredTextvariante in StArZH VI.OS.A.3.:19: warenc under vögt Heinrich GosauwerPerson: uß dem RiespachOrt: , Jacob SchwartzenbachPerson: zu HotingenOrt: , Geörg AmmenPerson: von FlundterenOrt: , aberAuslassung in StArZH VI.OS.A.3.:19d Jacob SchwartzenbachPerson: ab der OberstraßOrt: . Auslassung in StArZH VI.EN.LB.A.2.:18–b2
Anmerkungen
- Textvariante in StArZH VI.OS.A.3.:19: züchen.↩
- Auslassung in StArZH VI.EN.LB.A.2.:18.↩
- Textvariante in StArZH VI.OS.A.3.:19: waren.↩
- Auslassung in StArZH VI.OS.A.3.:19.↩
- Der Schreiber hat hier versehentlich einen Abstrich zuviel gesetzt. Sinngemäss handelt es sich um «züchen», wie auch aus der Abschrift hervorgeht.↩
- Hierbei könnte es sich um eine Zeugenliste handeln, wie sie teilweise zur Beglaubigung von Urkunden üblich war. Dagegen spricht allerdings, dass sich diese Liste nur auf einer Ausfertigung der Urkunde findet.↩
Regest