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SSRQ ZH NF II/3 88-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft. Band 3: Die Landvogtei Greifensee, von Rainer Hugener

Zitation: SSRQ ZH NF II/3 88-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Entscheid über den Umgang mit den Leibeigenen des Schlosses Greifensee

1584 Oktober 7.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich beauftragen den Vogt von Greifensee, Junker Wilhelm Escher, abzuklären, welche Leute innerhalb und ausserhalb ihres Herrschaftsgebiets als Leibeigene zum Schloss Greifensee gehören, damit sich diese nicht durch Stillschweigen ihren Pflichten entziehen können. Da die Abklärungen des Vogts ergeben haben, dass sich etliche dieser von ihnen aus der Leibeigenschaft loskaufen möchten, beschliesst der Rat, dass der Obervogt von Greifensee zusammen mit Stadtschreiber Gerold Escher mit den loskaufwilligen Leibeigenen verhandeln soll. Diejenigen, die sich nicht loskaufen wollen, sollen indessen in zwei gleichlautenden Rödeln festgehalten werden, von denen einer in Greifensee und der andere in Andelfingen im Archiv des Vogts deponiert werden muss. Jenen, die sich freikaufen, soll dies schriftlich mit Sekretsiegel bestätigt werden.

  • Signatur: StAZH A 123.3, Nr. 119
  • Originaldatierung: 1584 Oktober 7
  • Überlieferung: Aufzeichnung (Doppelblatt)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 23.5 × 32.0
  • Sprache: Deutsch

Neben den Leibeigenen, die im Gebiet der Herrschaft GreifenseeOrt: wohnten, gehörten auch Eigenleute aus AndelfingenOrt: und anderen, teils weit entfernten Regionen zum Besitz des Schlosses. Die hier aufgetragene Erfassung aller Leibeigenen wurde wohl erst 1592 abgeschlossen. Aus diesem Jahr sind nämlich mehrere Verzeichnisse erhalten, in denen die Eigenleute und ihre Fallabgaben aufgelistet werden. Daraus geht hervor, dass sich die Leibeigenen über das gesamte Zürcher HerrschaftsgebietOrt: verteilten, mit Schwerpunkten in der Region AndelfingenOrt: , im UnterlandOrt: und im OberlandOrt: (StAZH A 123.3, Nr. 134, Nr. 135, Nr. 136, Nr. 137, Nr. 138 und Nr. 139). Neben diesen umfangreichen Verzeichnissen sind lediglich wenige Loskäufe von Einzelpersonen und Familien dokumentiert (StAZH A 123.3, Nr. 140, Nr. 141, Nr. 144 und Nr. 145). Obwohl die Zürcher ObrigkeitOrganisation: die Ablösung der Leibeigenschaft aktiv förderte, scheinen viele der betroffenen Leute es bevorzugt zu haben, ihren leibeigenen Status zu behalten – sei es wegen mangelnder finanzieller Mittel oder weil sie sich von ihrer Abhängigkeit auch gewisse Vorteile versprachen.

Unter der staatsideologischen Prämisse «eidgenössischer Freiheit» hat die schweizerische Landesgeschichte das Thema «Leibherrschaft» lange verdrängt (Sablonier 2004, S. 147). In der Literatur wird meist nur erwähnt, dass die Stadt ZürichOrt: ihren leibeigenen Untertanen im Rahmen der Reformation 1525 die Freiheit gewährt und fortan auf deren Fallabgaben verzichtet habe (Scott 2010, S. 51-52; Kamber 2010, S. 395-396; Weibel 1996, S. 31; HLS, Leibeigenschaft). Das vorliegende Beispiel macht indessen deutlich, dass die Ablösung der Leibeigenschaft von der Zürcher HerrschaftOrganisation: ein langwieriger Prozess war, den es künftig noch differenzierter zu betrachten gilt.

Editionstext


Als min gnedig herrn junker Wilhelmen
Escher
Person:
, irem vogt zuͦ GryffenseeOrt: ,1 bevolchen,
sidtmaln das schloß und huß GryffenseeOrt:
inn- und ußerthalb iren ober- und herrligkeiten
vil lybeigner lüthen habe, unnd damit sölliche
durch stillschwygen allerdings nit entganngind, sonnders sovil mügklichen a wider inn
etwas wëßen und ordnung gebracht unnd die
grëchtigkeit, so man zuͦ lybeignen deß ordts
hattHinzufügung am linken Rand von anderer Handb, ingezogen und erforderet werde etcAbkürzungUnsichere Lesungc, erntstlichen
zuͦerkhundigen unnd in erfarung zebringen,
was gstalt es umb d gedachte lybeignen
lüth habe, ouch wievil und was personnen
derselbigen sygind. Wellichem bevelch
gedachter herr vogt zuͦ GryffenseeOrt: nachkommen und statt gethaan, e volgents
vor mynen gnedigen herrn erschinen unnd
angetzeigt, das ettliche der selbigen
personnen sich f der lybeigenschafft abzekouffen begärind, mit bitt, weß er
sich deß enndts fernner verhalten sölle.

HabentHinzufügung am linken Rand von anderer Handg daruf sy, min gnedig herrn, sich deß erkhënndt unnd entschloßen, was
deß hußes GryffenseeOrt: lybeigne lüth sich
der eigenschafft guͦtwilligklich uß- und abzekouffen begërind, mit denen sölle herr
vogt zuͦ GryffenseeOrt: sambt herrn stattschryber ËschernPerson: zuͦ glëgner zyth zehandlen
gwalt haben. Welliche sich aber nit abkouffen wellint, die söllent ordenlichen
beschriben unnd zwenMenge: 2 glychluthend rödel
gemachet werden, der ein zuͦ GryffenseeOrt:
[S. 2]Seitenumbruchunnd der annder zuͦ AnndelfingenOrt: hindern
vögten blyben liggen. Unnd denen, so sich
ledig machend, sölle deßelbigen unnder miner
herrn statt secret brieflichen schyn gegëben
werden, sich deß, wo noth were, wüßen
zuͦgebruchen.
Actum mitwuchs, den 7den octobris
anno etcAbkürzung 84
Originaldatierung: 7.10.1584 ()
, pntpresentibus herr burgermeister
KambliPerson: und beid reth
Organisation:
.
[S. 4]Seitenumbruch
[Vermerk auf der Rückseite von Hand des 17. Jh.?:]
GryffenseeOrt: , der lybeignen luͤthen halber,
h 1584Originaldatierung: 7.10.1584
[Vermerk auf der Rückseite von Hand des 18. Jh.:]
Begehrte aufkauffung etlicher der herrschaft GryffenseeOrt: mit leibeigenschafft
zu gethaner leuthen betreffend, 1584Datum: 1584

Anmerkungen

  1. Streichung: wi.
  2. Hinzufügung am linken Rand von anderer Hand.
  3. Unsichere Lesung.
  4. Streichung: selbiger.
  5. Streichung: unnd.
  6. Streichung: abze.
  7. Hinzufügung am linken Rand von anderer Hand.
  8. Hinzufügung auf Zeilenhöhe von Hand des 18. Jh.: den 7ten 8brisoctobris.
  1. Wilhelm EscherPerson: (im Amt 1579-1585, vgl. Dütsch 1994, S. 109).