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SSRQ ZH NF I/1/3 127-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 127-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Instruktion für die Verordneten der Stadt Zürich zur Durchführung einer Anfrage betreffend Bauernbewegung bei den Gemeinden am Zürichsee, in Höngg, im Freiamt sowie bei den Zünften

1525 Juni 1.

Die Verordneten der Stadt Zürich sollen den Bewohnern der Gemeinden am Zürichsee, Hönggs, des Freiamts sowie den Zünften die Beschwerdeartikel der Grafschaft Kyburg und anderer Gemeinden verlesen, einschliesslich der Antworten der Herren von Zürich. Sodann sollen sie von der Versammlung in Töss und von der Ankündigung einer Zusammenkunft in Kloten berichten sowie die Position der Obrigkeit den Zehnten betreffend erläutern. In den Gemeinden am Zürichsee und in Höngg sollen sie auf die in den Beschwerdeartikeln geforderte Befreiung fremden Weins vom Ungeld hinweisen, was den angesprochenen Gemeinden zu Schaden gereichen würde. Betreffend die angekündigte Versammlung in Kloten sollen sie die Anwesenden bitten, entweder keine Vertreter zu senden, oder solche, die für den Frieden sprechen und in Bezug auf den Zehnten die Position der Stadt vertreten. Schliesslich sollen sie den angesprochenen Gemeinden den guten Willen der Herren von Zürich ausdrücken und die Gemeinden am Zürichsee darauf hinweisen, dass sie seit jeher mit den Bürgern der Stadt gleichgestellt gewesen seien.

  • Signatur: StAZH A 95.1, Nr. 6.11
  • Originaldatierung: 1525 Juni 1 (Die Anfrage selbst ist undatiert, die Antworten der Gemeinden Höngg und Männedorf datieren vom 11. Juni 1525.)
  • Überlieferung: Aufzeichnung (Einzelblatt)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 22.5 × 33.5
  • Sprache: Deutsch

Mit der vorliegenden Ämterbefragung reagierte die ZürcherOrt: Obrigkeit auf die Bauernbewegung auf der Landschaft, die sich in mehreren Beschwerdeschriften und Versammlungen aufständischer Bauern artikuliert hatte (vgl. exemplarisch die Beschwerdeartikel der Herrschaft GreifenseeOrt: : SSRQ ZH NF II/3 58-1). Für die Reaktion der Obrigkeit vgl. das Zehntenmandat vom 14. August 1525 (SSRQ ZH NF I/1/3 128-1).

Die Stadt wandte sich mit der Anfrage an diejenigen Teile der Landschaft, die sich bisher kaum an der Bauernbewegung beteiligt hatten und suchte sich ihrer Loyalität zu vergewissern. Erhalten sind die Antworten von HönggOrt: , HorgenOrt: , KilchbergOrt: , MännedorfOrt: , RegensdorfOrt: , StäfaOrt: , ThalwilOrt: , UnterstrassOrt: , WädenswilOrt: sowie dem FreiamtOrt: und der Herrschaft RegensbergOrt: (StAZH A 95.1, Nr. 6.13; StAZH A 95.1, Nr. 6.16; StAZH A 95.1, Nr. 6.17; StAZH A 95.1, Nr. 6.18). Die Antworten der ZünfteOrganisation: sind nicht überliefert. Ausführlicher auf die Beschwerdeartikel der Landschaft gehen einzig MännedorfOrt: und das FreiamtOrt: ein, wobei sie sich vor allem hinsichtlich der Frage des Zehnten auch kritisch gegenüber dem Vorgehen der Stadt äussern.

Die Instruktion steht exemplarisch für die Praxis der Ämterbefragungen auf der Zürcher Landschaft. Verstärkt eingesetzt hatte diese bereits im späten 15. Jahrhundert. Neben der in der vorliegenden Anfrage zur Anwendung kommenden Vorgehensweise, mit Instruktionen versehene Abgeordnete auf die Landschaft zu entsenden, existierte auch die Praxis, Bevollmächtigte der Gemeinden zu Meinungsbefragungen vor den städtischen RatOrganisation: zu laden. Die rein konsultativen Umfragen ohne rechtlich bindende Wirkung für die Stadt erlangten erhebliche Bedeutung im Hinblick auf Bündnispolitik und Soldverträge sowie in der ersten Phase der Reformation. Schliesslich wurden die Ämteranfragen auf Bestreben der Landschaft hin im Kappelerbrief (SSRQ ZH NF I/1/3 151-1) sogar explizit verankert. Im Zuge des Ausbaus der Landesherrschaft im 17. und 18. Jahrhundert konsultierte die Stadt ihre Untertanen jedoch immer seltener.

Allgemein zur Bauernbewegung des Jahres 1525 vgl. HLS, Bauernkrieg (1525); spezifisch zur ZürcherOrt: Situation und der vorliegenden Befragung vgl. Kamber 2010, S. 410-411; Stucki 1996, S. 202-204; Dietrich 1985, S. 226-241; zu den Ämteranfragen vgl. HLS, Ämteranfragen; Dändliker 1898, S. 163-166; Dändliker 1896.

Editionstext


Instruction und befelch, was die verordnoten
am Zu̍richseOrt: allenthalb, zuͦ HonggOrt: , im
Fryen AmptOrt: und vor den zunftenOrganisation: handlen
sollent


Anfangs sollent ir inen mit guͦttem worten sagenTextvariante in StAZH A 95.1, Nr. 6.11: anzoigena,
warumb ir sy uß befelch unnser herren zuͦsammen
habint beruͤfft. Und des ersten inen anzuzoigen,
sy euch verhoͤrren laßen die artigkel, so die von der
graffschaft KyburgOrt: b Textvariante in StAZH A 95.1, Nr. 6.11: Eglisowc unnd sunst ander gemeynden1
gestellt unnd daruf die antwurten und das,
so unnser herren inen uß gnaden unnd zum teyl
nach wyßung des göttlichen worts wider keuff,
spruch unnd vertrags brief, guͦttem altem harkommen und bruch nachgelaßen habent.2

Ir sollent sy demnach witter berichten, wie sy uff dem
pfingst mentagDatum: 5.6.1525 (beweglicher Feiertag) nechst zuͦ ThösOrt: 3 antwurt geben und
beschluß der sach gemmacht solten haben, wellichs
aber nit beschaͤchen, sonders sye an dem ordt alle
unbescheidenheit mit drincken und d anderem unfuͦrHinzufügung oberhalb der Zeilee geprucht
und habent die, so enerthalb der ThurOrt: har zuͦ ThößOrt: gsin,
fur ander ein unweßen gefuͤrt unnd wider ire vor
gethane eyd ein nu̍we pu̍ndtnis Textvariante in StAZH A 95.1, Nr. 6.11: zuͦsammenf wider unns zuͦsammen
wellen schweren, von wellicher lu̍dten wegen unser
herren by iiim guldinWährung: 3000 Gulden verritten und mit unsern lieben
eydgnoßenOrganisation: verrechtet habent. Antrefend den ungeschikten handel, soAuslassung in StAZH A 95.1, Nr. 6.11g zuͦ YttingenOrt: 4 durch sy und ander
vergangen ist, wiewol die hoptsach unser herren garTextvariante in StAZH A 95.1, Nr. 6.11: gantzh
nidt beruͤrt, so ist doch der hopthandel bißhar im
rechten nie recht angeruͤrt etcAbkürzung. Deßhalb man sich
iro wol erzuchen mecht.
[fol. 303v]Seitenumbruch

Demnach sollent ir i–inen sagen unndAuslassung in StAZH A 95.1, Nr. 6.11–i sy witter berichten,
wie sy zu ThossOrt: den abscheid gemacht, uff nechsten
donstag zuͦ ClottenOrt: 5 zuͦsamen zekemen unnd sich ire
antwurten zuͦentschließenn und laßint sich
darnebent aber allenthalb unnd insonnders enethalb
der ThurOrt: merken, sy wellinnt niemas mer j
weder zins noch zehenden geben, mit geding den
kleinen zechenden hinfu̍rTextvariante in StAZH A 95.1, Nr. 6.11: fu̍rhink nit geben. Wo das
furgenommen solte werden, so kende noch mechte
hieruß nidt anders erfolgen unnd erwachsen,
dann ein mergklicher, todlicher krieg mit nam, brand
und großem pluͦtvergießenn, dann die vorbehaltung der zehenden wider gott unnd alle recht
sin wurde. Unnd obschon unnser herren gemeynlich
oder sondrig personnen ire zehenden nachlaßenn
weltind, aber so sind doch ußerthalb unser
herren piet ander lu̍t, geistlich und weltlich personnen,
so hinder gmeynen eydgnoßenOrganisation: und sondern l orten
ouch andersthwo gesäßen sind, die ire zehenden in
unnser herren piet habent, als der byschoff
unnd gestifft zu CostentzOrt: , die äbt von Sant GallenOrganisation: ,
KrutzlingenOrganisation: , SchafhußenOrganisation: , RhinowOrganisation: , Petters hußenOrganisation: ,
WettingenOrganisation: , MureOrganisation: , EngelbergOrganisation: , EinsidlenOrganisation: , die
spittal zuͦ BadenOrganisation: , RappreschweylOrganisation: und andersthwo,
deßglichen die frowen closter MunsterlingenOrganisation: ,
AllenspachOrt: , DießenhofenOrganisation: , zum BarendisOrganisation: und WurmspachOrganisation: , dartzuͦ so sind weltlichKorrektur oberhalb der Zeile, ersetzt: etlichm personnen vil in anderen
orten gesäßen, die inn unser herren landtschaft
ouch zehenden habent, wellichs an sy uffrecht [fol. 304r]Seitenumbruch
in koufs wyß und sunst kommen sind, die man
inen, es syent zins oder zehenden, mit keinenn
rechten, eren nochAuslassung in StAZH A 95.1, Nr. 6.11n fuͦgen vorbehalten mag etcAbkürzung, wie
obstatt.

o–Furer sollent ir dennen am ZurichsewOrt: und
HongOrt: insonders furhalten den artigkel, wie
sy in anderen gmeynden des willens syent,
frembd win in das land zuͦfuͤren, den schenken
und drinken, fryg, on alles umbgelt, das
aber wider die spruch brief und alt harkommen
were und weder unseren herren noch inen
am SewOrt: dheins wegs zuͦ erliden.
Auslassung in StAZH A 95.1, Nr. 6.11
–o6

Witter werdent unser herren bericht, das
die gmeynden, so zuͦ ThosOrt: geweßen, yetz hinder
unsern herren zuͦ anderen gmeynden und sundern
personen am ZurichsewOrt: und andersthwo
in aller unser herren landtschaft wider den
letsten spruchbrieff schiken und die mit guͦten
und sunst mit trew worten ufwiglend, yetz
gen ClottenOrt: zu inen zekommen, wo sy das nit
thuͤyent, wittter zeerwarten, was inen darnach
gange, das wo dem also unser herren
hoch beschwerte, das sy inen also die iren
einich in ungehorsami furen welten.

Daruff sollend ir disen gemeynden am SewOrt: , HöngOrt:
und im Fryen AmptOrt: sagen, ob sy erfordert
wurdent, mechtend unser herren erliden, [fol. 304v]Seitenumbruch
das sy anheymbsch plibent, ob sy aber beßer beduchte,
zuͦ inen zekemmen, das sy doch from, erber und fridtsam
personen schikint, dartzwuschendt redent und insonders
von der zins und zehenden ouch unser herren gestelten
antwurt schidlich handlend, darmit es darbi plibe.

Unnd wiewol sich unnser herren gegen denen am ZurichsewOrt: , HengOrt: und Fryen AmptOrt: nit anders dann alles
guͦtten versechen und das sy wie ire frommen
vetter und vorderen von einer loblichen statt ZurichOrt:
nit abwyßen laßint, undt desterminder wellend
unser herren irs willens in disem vall gern
bericht werden, dann die statt ZurichOrt: und die
am SewOrt: jewelten Textvariante in StAZH A 95.1, Nr. 6.11: harp eins geweßen und als die
burger in der statt gehalten syen,7 alls sy mit
der gnad gottes in die ewigkeit pliben und gehalten werden sollen.

Anmerkungen

  1. Textvariante in StAZH A 95.1, Nr. 6.11: anzoigen.
  2. Streichung: EglyßowOrt: .
  3. Textvariante in StAZH A 95.1, Nr. 6.11: Eglisow.
  4. Streichung: eßen.
  5. Hinzufügung oberhalb der Zeile.
  6. Textvariante in StAZH A 95.1, Nr. 6.11: zuͦsammen.
  7. Auslassung in StAZH A 95.1, Nr. 6.11.
  8. Textvariante in StAZH A 95.1, Nr. 6.11: gantz.
  9. Auslassung in StAZH A 95.1, Nr. 6.11.
  10. Streichung: weder der sig.
  11. Textvariante in StAZH A 95.1, Nr. 6.11: fu̍rhin.
  12. Streichung: personen.
  13. Korrektur oberhalb der Zeile, ersetzt: etlich.
  14. Auslassung in StAZH A 95.1, Nr. 6.11.
  15. Auslassung in StAZH A 95.1, Nr. 6.11.
  16. Textvariante in StAZH A 95.1, Nr. 6.11: har.
  1. Die Bauern von KyburgOrt: , EglisauOrt: , AndelfingenOrt: , NeuamtOrt: und RümlangOrt: reichten ihre Beschwerdeartikel anfangs Mai 1525 ein (StAZH A 95.1, Nr. 6.1; Edition: Egli, Actensammlung, Nr. 703).
  2. Bürgermeister und RatOrganisation: hatten am 28. Mai 1525 auf die Artikel geantwortet (StAZH A 95.1, Nr. 6.28; Edition: Egli, Actensammlung, Nr. 726), damit jedoch keine Beruhigung der Situation erreicht.
  3. Am 5. Juni 1525Datum: 5.6.1525 fand in TössOrt: unter Beteiligung von rund 4000 Personen die bisher grösste Bauernversammlung auf zürcherischem Gebiet statt. Dem Versammlungsort kam insofern eine besondere Bedeutung zu, als die Untertanen der Landvogtei KyburgOrt: in TössOrt: jeweils einmal im Jahr ihren Huldigungseid gegenüber der Stadt ZürichOrt: ablegten. Vgl. Sieber 2001, S. 29; Stucki 1996, S. 203.
  4. Der sogenannte Ittingerstrum des Jahres 1524 wurde durch das Todesurteil des altgläubigen Landvogts im ThurgauOrt: gegen den reformierten Pfarrer Johannes OechsliPerson: von BurgOrt: bei Stein am RheinOrt: ausgelöst. Die Auseinandersetzung resultierte in der Zerstörung der Kartause IttingenOrt: durch aufständische Bauern. Trotz der Proteste ZürichsOrt: wurden zwei der bäuerlichen Anführer im September desselben Jahres von der TagsatzungOrganisation: zum Tod verurteilt. Vgl. HLS, Ittingersturm.
  5. In Kloten fand am 15. Juni 1525Datum: 15.6.1525 eine weitere Versammlung von Vertretern der Landgemeinden statt. Vgl. Stucki 1996, S. 204.
  6. Die Steuern auf fremden Wein sollten die inländische Produktion schützen und waren unter anderem im Waldmannschen Spruchbrief für die Grafschaft KyburgOrt: verankert (StAZH C I, Nr. 1917; Teiledition: Forrer, Waldmannsche Spruchbriefe, S. 85-92). Vgl. auch die Verordnungen das Weinungeld betreffend (SSRQ ZH NF I/1/3 108-1). Die Beschwerdeartikel von KyburgOrt: und GreifenseeOrt: wandten sich gegen diese Abgaben. Mit der Hervorhebung dieses Streitpunkts wollte die Obrigkeit die Weinbaugemeinden am ZürichseeOrt: und HönggOrt: für die Sache der Stadt gewinnen.
  7. Denselben Status der rechtlichen Gleichstellung mit den Bürgern der Stadt nahmen die Bewohner der Herrschaft GreifenseeOrt: für sich in Anspruch, vgl. SSRQ ZH NF II/3 44-1.