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SSRQ ZH NF I/1/3 128-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 128-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Mandat der Stadt Zürich betreffend Entrichtung des Zehnten

1525 August 14.

Bürgermeister, Kleiner und Grosser Rat der Stadt Zürich haben nach Anhörung der Abgeordneten der Grafschaft Kyburg, der Herrschaften Eglisau, Grüningen, Greifensee, Andelfingen, Bülach, Neuamt und Rümlang über die Frage des Zehnten beraten. Sie erklären, dass der Zehnt für Dinkel, Roggen, Weizen, Gerste, Hafer, Wein und Heu mit der Heiligen Schrift, dem alten Herkommen und den eidgenössischen Bünden im Einklang stehe. Grosser und Kleiner Zehnt sind deshalb jetzt wie in Zukunft vollumfänglich zu entrichten. Frei von Abgaben ist lediglich der zweite Ernteertrag des Jahres. Den Gemeinden soll jedoch nach Möglichkeit bei der Ablösung des Kleinen Zehnten geholfen und die zweckgemässe Verwendung des Kirchenzehnten sichergestellt werden. Die Aussteller siegeln mit dem Sekretsiegel der Stadt Zürich.

  • Signatur: StAZH A 42.1.8, Nr. 16
  • Originaldatierung: 1525 August 14
  • Überlieferung: Aufzeichnung, Heft (3 Blätter)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 22.5 × 32.5
  • Sprache: Deutsch

Das Mandat erging am Ende der Bauernunruhen des Jahres 1525 auf der ZürcherOrt: Landschaft. Ein besiegeltes Exemplar ist nicht überliefert; neben dem edierten Entwurf, der leichte Überarbeitungen enthält, liegt noch eine zeitgenössische Reinschrift von anderer Hand vor, die ebenfalls unbesiegelt ist (StAZH A 42.1.8, Nr. 16).

Hatte die Problematik der Zehnten nur einen Teil der an die Obrigkeit gerichteten Beschwerdeschriften (vgl. exemplarisch die Beschwerdeartikel der Leute aus der Herrschaft GreifenseeOrt: : SSRQ ZH NF II/3 58-1) ausgemacht, gewann sie im Verlaufe des Jahres 1525 zunehmend an Bedeutung. Dies zeigt sich deutlich anhand der anfangs Juni 1525 erfolgten Anfrage der Stadt gegenüber den Gemeinden am ZürichseeOrt: , HönggOrt: , NeuamtOrt: sowie den ZünftenOrganisation: (SSRQ ZH NF I/1/3 127-1).

Bereits in den vorangehenden Jahren hatte es auf der ZürcherOrt: Landschaft Zehntenverweigerungen und entsprechende Mandate gegeben (SSRQ ZH NF I/1/3 116-1). Auf die Ereignisse des Jahres 1525 reagierten Bürgermeister und RatOrganisation: zunächst mit einem Erlass zum Zehntenwesen, der sich an diesen früheren Mandaten orientierte und die Verpflichtung der Untertanen zur Entrichtung sämtlicher Abgaben bekräftigte (StAZH A 42.1.8, Nr. 14; Edition: Egli, Actensammlung, Nr. 737). Zusätzlich wurde in diesem Mandat seitens der Obrigkeit angeboten, die Landgemeinden darin zu unterstützen, mit den Inhabern der Zehntenrechte über den Erlass des sogenannten Kleinen Zehnten sowie die Ablösung der Zehntenpflicht zu verhandeln.

Die Ereignisse rund um die Entstehung des vorliegenden Mandats werden von Heinrich BullingerPerson: ausführlich beschrieben (Bullinger, Reformationsgeschichte, Bd. 1, S. 283-284). Am 22. Juni 1525 empfing der RatOrganisation: Abordnungen verschiedener Landgemeinden und der Pfarrer zu direkten Verhandlungen, an denen sich auch Huldrych ZwingliPerson: beteiligte (StAZH B VI 248, fol. 269r-270r; Edition: Egli, Actensammlung, Nr. 756). Bei dieser Zusammenkunft wurde ein weiteres Zehntenmandat in Aussicht gestellt, welche die Rechtsverhältnisse abschliessend klären sollte. Das vorliegende Mandat vom 14. August 1525 basiert massgeblich auf den Ergebnissen der Unterhandlungen vom 22. Juni, bezieht jedoch ein zusätzliches Gutachten ZwinglisPerson: mit ein (Zwingli, Werke, Bd. 4, S. 434-439).

Mit dem Festhalten an Grossem und Kleinem Zehnten unter Freistellung einzig der sogenannten Zweiten Frucht (also dem zweiten Ernteertrag des Jahres) formulierten Bürgermeister und RatOrganisation: die inskünftig geltende Regelung, die sie auch den in späteren gedruckten Zehntenmandaten beibehielten (vgl. exemplarisch: SSRQ ZH NF I/1/11 4-1). An dem Mandat lässt sich die um die Mitte der 1520er Jahre verstärkt einsetzende Tendenz der ZürcherOrt: Obrigkeit ablesen, in Fragen, die zuvor auch innerhalb der reformatorischen Bewegung umstritten gewesen waren, die Regulierungsdichte zu erhöhen und abweichende Positionen zu marginalisieren, wie dies auch hinsichtlich der TäuferOrganisation: (SSRQ ZH NF I/1/3 130-1) und der Heiligenbilder (SSRQ ZH NF I/1/3 120-1) unternommen wurde.

Allgemein zum Zehnten vgl. HLS, Zehnt; für die Bauernunruhen des Jahres 1525 auf der ZürcherOrt: Landschaft vgl. HLS, Bauernkrieg (1525); Kamber 2010; Stucki 1996, S. 200-204; Dietrich 1985, S. 213-252; Largiadèr 1920, S. 32-42; zu ZwinglisPerson: Behandlung des Zehnten vgl. Pribnow 1996.

Editionstext


Wir der burgermeister, ratt und der groß ratt, so maͣn neͣmpt
die zweyhundert der statt ZurichOrt:
Organisation:
, embieten allen dennen,
so inn unnsern oberkeiten, gerichten und gepieten wonhafft
sind, unnsern gu̍nnstigenn willen zuͦvor.
Unnd als
ir, wie unns nit zwyffletttAuffällige Schreibung, allenthalb bericht, das uß unglichem predigen unnser predicanten unnd myßverstannd
der unnsern allenthalb (unnsers bedu̍nckens) uff eignen nu̍tz,
zwytracht unnd irrungTextvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: irrungena der zehenndenUnterstrichen von späterer Handb halb erwachßen und
ufferstannden, darumb dann etlich gegninen, als von
unnser graffschafft KyburgOrt: , der herschafft EglisowOrt: , GruͤningenOrt: , GriffenseeOrt: Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: Andelfingenc, AnndelfingenOrt: Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: Gryffenseed, Bu̍lachOrt: , Nu̍wamptOrt: und Ru̍mlanngOrt: , durch ire erber bottschafften mitt sampt iro selsorgern
und predicannten vor unns erschynnen unnd soͤllicher zehënnden halb vill unnd meͣngerley gehanndlet unnd geredt
unnd zuͦ letst durch die botten obbestimpterTextvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: der obbestimptene gemeynden f
heitter gesagt, das soͤllich unruͦw allein von der pfaffenn
g–uß irem unglichen
predigen
Hinzufügung am linken Rand
–g under sy gewachßenn, also gelert unnd underricht syennt
unnd darmit unns die hanndlung heimgesetzt unnd u̍ber
geben, die nach denKorrektur auf Zeilenhöhe, ersetzt: mh wortenn gottes zuͦ erwegenn, und welliche nit darinn grund habent, inen nachzuͦlassen.

Unnd diewyl wir sechentTextvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: hörenti, hörrentTextvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: sehendj unnd spu̍rent, das
etlich sind, die uß eignem nu̍tz irer ungehorsame das gots
wort fu̍rhennkend, daruß unns und u̍ch allen großer
nachteyl gegenn gott, unnsern eydgnoneydgnossenOrganisation: und anndern anstoßennden nach purenn, so unnder u̍ch zehennden habent,
erwachßen möcht, habennt wir durch unnsere vorordnoten
raͤte sampt etlichen geschrifft gelertenn die heiligen
geschrifftTextvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: geschrifftenk mit sonnderem vlis unnd erntst durch
ganngen, ersuͦcht unnd erlernet unnd konnent an keinem
ordt des göttlichenn wortes erfinden, das sich yemans
die zehennden zegebenn weder mit gott noch mit recht
entsagenn oder ußgan muge. So will es sich ouch l–nit
zymmen, unns noch keinem richter
Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: weder uns noch keynem richter gezimmen
–l, yemans, es syent
leigen oder kilchenn zehennden, die sovil hundert jarZeitspanne: 100 Jahre in
ruͦwiger besitzunng, loblichem alltem harkomen und guͦtter [S. 2]Seitenumbruch
gewarsami gebenn unnd genomen sind, wem joch die gehoͤrrent, abzusprachenn und Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: alsom ire eigenthumb zenemen und
zuͦvernu̍ten, sonnder habent wir uß villerley goͤtlichen,
christennlichen unnd im gots wort gru̍ndtlichenn ursachenn unns entschloßenn, erlu̍tret und erkaͤnt undAuslassung in StAZH A 42.1.8, Nr. 16n
wellent ouch, das dem uf dis jar undHinzufügung oberhalb der Zeileo fürohin jerlichsWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr gelept
und nachkomen werde.

Also, das alle die, so inn unnsern graffschaftenn, herschafftenn, vogtyen, gerichten und gepieten guͤter habent,
sy syent darinn seßhafft oder p nit, den großen
zehenden nit allein in die sibenMenge: 7 stuk, wie u̍ch die
vorbenempt, als korn, roggen, weytzen, gersten, haber,
win unnd hew, wo hew zegeben gwan ist, sonnder
mit allem anhang anderer stuken, wie unnd was ein
yetliche gegni oder kilchhori ye welten und von alter
har inn den großenn zehenden geben hatt, an die
ordt, end und dennen, sy syennt geistlich oder weltlich, wie sy vorhar gethann, ouch hinfu̍r ungeendert, on abganng zegeben, verbunden und schuldig
sin sollent.

Der cleinen zehennden halb, diewyl es sich unns
aber nit gezimen will, weder den unnsern noch
den ußlenndischen, unser gepieten ir gewarsami,
harkomen und besitzung uß iren henden zeschrenntzen, ist abermals unser erkanntnus,
das ein yede kilchhoͤri und gegni den cleinen
zehenden mit allen dingen, wie und was von
alter har darinn gehërdt hat und sy yewelten
geben habent, uf dis jar und hinfu̍r alle jarWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr ußrichten [S. 3]Seitenumbruch
unnd gebennt söllent, on mindrung und abganng, doch
mit sollicher erlutrung: Was fru̍chten man zum jar
einost
Wiederholte Zeitspanne: 1 Jahr
inn ein aker sageAuffällige Schreibung, darvon solle der zehend einost
gebenn werdenn, unnd wo im selbenn jar witter darinn
gesaigt wurde, sol die selb frucht frig sin.

Und wo oder von wellichem dem allem, wie obstatt, nit
gelebt und sollichs zu clag keme, den wurden wir uber
die straf, deren er von gott warten muͦß, mit unser
zittlichen straff der maßen straffenTextvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: handlenq, das er welte,
uns als siner oberkeit innhalt goͤtlicher geschrifft gehorsam erschinenn sin.

Wir wellend ouch nudtdester minder hinfu̍r mit der
hilf des allmëchtigen gottes daran sin, das insonder
die klichenAuffällige SchreibungTextvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: kilchenr zehennden, so in unser landschafft und
gepietenn plibenn und mit denen wir zuͦverwalten habenn, widerumb inhalt des goͤtlichen wortes
inn einen rechten bruch koment, die pfarrer mit
zimlicher narrung daruß enthaltenTextvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: erhalltenns und das u̍brigHinzufügung auf Zeilenhöhet nach dem willen gottes mit der zit verwendt werde.

Wir sind ouch willens, der kleinen zehenden halb
tru̍lich helffen zuhandlen, wo yemas, es werend
der unseren oder ußlendischen, so die cleinenn
zehenden erkoufft und darumb brief und gwarsami mit abloßung hetten, das dann den
kilchhoͤrrinen und gegninen der loßung
gestattet werde.
[S. 4]Seitenumbruch

Wo aber nit kouffbrief noch sigel, sonnder die
ruͦwig besitzung, loblich harkommen und ander gewarsami on loßung werend, wellend wir abermaln fru̍ntlich werben, und so vil uns möglich
ist, das best thuͦn, damit die kilchhoͤrrinen und
gegninen zuͦ einer zimlichen loßung komen
moͤgent.

Unnd wiewol sich diser unnser entlicher beschlus
bißhar mergklicher geschafftenn halb verzogenn,
so habent wir es doch u̍ch u–nit lenngerTextvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: lenger nit–u wellen verhalten, u̍ch darnach wu̍ßen zuͦ richten.

Unnd ist hieruff unnser erntstlich vermanungTextvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: ermanungv, ir
wellint umb zittlicher guͤtter willenn, die ir und
u̍were fromen vorderen ye welten schuldig gewesen und noch sind, dem göttlichen wordt, des ir uch
haltenn wellennd, dhein anstoß gebenn, damit
ir nit inn die rach gottes vallint, sonder uns inn
dennen und anderen göttlichen dingen als u̍wer
oberkeit innhalt des gottlichenn wortes gehorsamHinzufügung am linken Rand mit Einfügungszeichenw zuͦ erschynen, daran thuͦnd ir ein gotlichs, christenlichs
werk unnd unns insonderTextvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: besonderx gefallen.
Unnd
des zuͦ warem urkunt habent wir unser stat secret
innsigel offenlich y–hierinn laßen drukenTextvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: gehenckt zuͦ end diser ge
schrifft
–y unnd
beschächen ist am z–vierzehenden tagTextvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: xiiii tage–z aa augst
monets anno etcAbkürzung xxv
Datum: 14.8.1525
.
[Registraturvermerk unterhalb der Zeile von Hand des 18. Jh.:]
Entrichtung des zehendens nach der glaubens reformation, 1525Datum: 1525.

Anmerkungen

  1. Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: irrungen.
  2. Unterstrichen von späterer Hand.
  3. Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: Andelfingen.
  4. Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: Gryffensee.
  5. Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: der obbestimpten.
  6. Streichung: vill.
  7. Hinzufügung am linken Rand.
  8. Korrektur auf Zeilenhöhe, ersetzt: m.
  9. Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: hörent.
  10. Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: sehend.
  11. Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: geschrifften.
  12. Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: weder uns noch keynem richter gezimmen.
  13. Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: also.
  14. Auslassung in StAZH A 42.1.8, Nr. 16.
  15. Hinzufügung oberhalb der Zeile.
  16. Streichung: nidt.
  17. Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: handlen.
  18. Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: kilchen.
  19. Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: erhalltenn.
  20. Hinzufügung auf Zeilenhöhe.
  21. Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: lenger nit.
  22. Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: ermanung.
  23. Hinzufügung am linken Rand mit Einfügungszeichen.
  24. Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: besonder.
  25. Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: gehenckt zuͦ end diser ge
    schrifft.
  26. Textvariante in StAZH A 42.1.8, Nr. 16: xiiii tage.
  27. Streichung: aust.