SSRQ ZH NF I/1/3 167-1
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die
Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich.
Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner
Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 167-1
Lizenz: CC BY-NC-SA
Ordnung der Stadt Zürich für den Frauenwirt (Bordellbetreiber)
1538 Februar 12.
Stückbeschreibung
- Signatur: StAZH A 43.2, Nr. 81
- Originaldatierung: 1538 Februar 12 Überlieferung: Aufzeichnung (Doppelblatt)
- Beschreibstoff: Papier
- Format B × H (cm): 21.5 × 32.0
- Sprache: Deutsch
Kommentar
Die erste ausführlichere normative Quelle zur Prostitution in der Stadt ZürichOrt: stammt aus dem Jahr 1319 und enthält stigmatisierende Kleidervorschriften für die Prostituierten (Zürcher Stadtbücher, Bd. 1/1, S. 17-18, Nr. 42). Auch das Mandat des Jahres 1488 beschäftigt sich mit der äusseren Erscheinung der Prostituierten, indem es diese ausdrücklich von den Bestimmungen in Bezug auf weibliche Kleidung und Schmuck ausnimmt (SSRQ ZH NF I/1/3 26-1).
Die bekanntesten städtischen Bordelle befanden sich während des Spätmittelalters links der LimmatOrt: im KratzOrt: , in der rechtsufrigen Stadt hingegen Auf dem GrabenOrt: an der Stadtmauer (in der heutigen ChorgasseOrt: ). Die vorliegende Ordnung bezieht sich auf eines der Häuser Auf dem GrabenOrt: , dessen Liegenschaft in städtischem Besitz war. Systematische Untersuchungen zur Herkunft der Prostituierten liegen für ZürichOrt: nicht vor; wie in anderen spätmittelalterlichen Städten dürfte es sich jedoch mehrheitlich um auswärtige Frauen gehandelt haben. Als Betreiber von Bordellen sind sowohl Männer als auch Frauen überliefert. Zahlreiche Zeugnisse liegen zu Elsbeth von MellingenPerson: vor, die während der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in ZürichOrt: und SchaffhausenOrt: als Frauenwirtin tätig war (Landolt 2007a).
Mit der Reformation erfolgte eine schrittweise Einschränkung der Prostitution, wobei in erster Linie die Strassenprostitution sowie die Bekämpfung des Ehebruchs im Augenmerk der Obrigkeit lagen (vgl. dazu das Mandat des Jahres 1526, StAZH E I 1.1, Nr. 35; Edition: Egli, Actensammlung, Nr. 944). Trotzdem war die Prostitution an bestimmten Orten weiterhin geduldet, wie die vorliegende Ordnung belegt. Ab 1550 wurde sie jedoch zunehmend kriminalisiert und fand fortan weitgehend im Versteckten statt, was nicht zuletzt auf Bemühungen der Pfarrerschaft und der Eherichter zurückzuführen war (vgl. dazu die Eingabe der Eherichter an den RatOrganisation: aus dem Jahr 1547, StAZH A 6.1, Nr. 14).
Zur Prostitution im vormodernen ZürichOrt: vgl. Gilomen 1995, S. 352-353; Brecht 1969; zum Bordell Auf dem GrabenOrt: vgl. KdS ZH NA III.II, S. 460.
Editionstext
Deß froͧwenwirts ordnung
Erkennth unnd bestättet zynßtags nach DorotheePerson: anno etcAbkürzung 1538Datum: 12.2.1538, presentibusIn der Vorlage: pnt herr Diethelm RoystPerson: unnd beyd räthOrganisation: .
Anmerkungen
- Hinzufügung unterhalb der Zeile mit Einfügungszeichen.↩
- Zur Sanktionierung des Ehebruchs vgl. das gedruckte Ehemandat des Jahres 1525 sowie das Mandat betreffend Ehebruch (SSRQ ZH NF I/1/11 1-1; StAZH III AAb 1.1, Nr. 2; Edition: Zürcher Kirchenordnungen, Bd. 1, Nr. 27). Zum EhegerichtOrganisation: vgl. auch das Verzeichnis der im Jahr 1527 hängigen Fälle (SSRQ ZH NF I/1/3 141-1).↩
- Die Bestrafung dieser Delikte wurde im Grossen Mandat des Jahres 1530 geregelt. Zudem waren sie Gegenstand der im Anschluss an die halbjährlichen Eidleistungen verlesenen Verbote (SSRQ ZH NF I/1/11 8-1; SSRQ ZH NF I/1/3 168-1).↩
- Zur Übertragung der seit Ende des 15. Jahrhunderts vor allem durch Söldner aus ItalienOrt: eingeschleppten Syphilis vgl. HLS, Syphilis; Gilomen 1995, S. 353.↩
- Dies bezieht sich auf die Einweisung von Strassenprostituierten in die dafür vorgesehenen Bordelle, vgl. Brecht 1969, S. 69.↩
Regest