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SSRQ ZH NF I/1/3 171-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 171-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Verordnung der Stadt Zürich betreffend Bestrafung des Totschlags zwischen Bürgern

1539 Januar 1 – 1543 Januar 29.

Jeder Bürger oder Landmann, welcher in die Gerichtszugehörigkeit der Stadt fällt, der an einem anderen Bürger einen Totschlag verübt und nicht in Notwehr dazu gedrängt worden ist, soll der Stadt 20 Mark Busse entrichten und für die Dauer eines Jahres aus der Stadt Zürich und ihrem Herrschaftsgebiet verbannt sein. Nach Ablauf dieser Frist ist er zur Rückkehr befugt, jedoch soll er zuvor die genannte Busse entrichten und sich mit den Verwandten des Toten gütlich einigen. Wer ohne dies zurückkehrt, soll in Haft genommen werden, bis er sich mit den Verwandten gütlich geeinigt hat. Den Verwandten ist keine andere Form der Rache gegenüber dem Täter erlaubt. Im Fall eines unehrlichen Totschlags steht es dem Rat frei, darüber nach Ermessen zu urteilen, je nach Schwere des Vergehens. Wer mit glaubwürdigen Zeugen versichern kann, dass er aus Notwehr gehandelt hat, muss keine Busse entrichten und soll vor den Verwandten des Toten sicher sein. Zwei spätere Vermerke: Im Fall des Nichtentrichtens der Busse soll das Vermögen des Gebüssten um den entsprechenden Betrag gepfändet werden; gegebenenfalls kann gnadenweise dem Delinquenten erlaubt werden, den Betrag der Busse abzuarbeiten.

  • Signatur: StAZH B III 4, fol. 26v-27r
  • Originaldatierung: 1539 Januar 1 – 1543 Januar 29 (Der spätere Vermerk betreffend das Abarbeiten der Busse datiert vom 29. Januar 1543 (mentags vor estomichi).)
  • Überlieferung: Eintrag
  • Beschreibstoff: Pergament
  • Format B × H (cm): 20.0 × 29.5
  • Sprache: Deutsch
  • Nachweis

Die vorliegende Ordnung stellt die überarbeite Fassung eines Erlasses aus dem späten 15. Jahrhundert dar (SSRQ ZH NF I/1/3 32-1). Sie dürfte um das Jahr 1540 entstanden sein (zur Datierung vgl. Pohl 1999, S. 265). Die Ordnung schliesst an die Gerichtspraxis an, wie sie sich seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entwickelt hat: Diese ging von der Unterscheidung zwischen «ehrlichem» und «unehrlichem» Totschlag aus, wobei im ersten Fall nach Entrichtung der Busse und Ablauf der Verbannung in der Regel eine Reintegration in die städtische Gesellschaft erfolgte, während «unehrliche» Totschläger mit der Todesstrafe belegt werden konnten (Pohl 1999, S. 265-266).

Eine wichtige Neuerung in der vorliegenden Ordnung besteht in der Abschaffung der Möglichkeit zur Blutrache seitens der Verwandten des Getöteten. Künftig wurde die bereits im 15. Jahrhundert bekannte und verschiedentlich praktizierte gütliche Einigung der beiden Parteien, die eine finanzielle Entschädigung seitens des Täters beinhaltete, zum einzig erlaubten Vorgehen, wobei der RatOrganisation: die Aufsicht über die Einigung ausübte.

Die Ordnung löste die im Jahr 1529 im Zuge der Reformation eingeführte Bestimmung ab, wonach alle ungesetzlichen Tötungen unterschiedslos mit dem Tod bestraft werden sollten (StAZH A 42.1.8, Nr. 24; Edition: Egli, Actensammlung, Nr. 1609). Darauf bezieht sich auch die in der vorliegenden Aufzeichnung enthaltene spätere Anmerkung, wonach zuvor über Totschläge «gegen baar» gerichtet worden sei (zur Formulierung vgl. Schauberg, Zürcherische Rechtsquellen, S. 367, Anm. 3). Offenbar wurde die Bestimmung von 1529 schon bald als zu hart empfunden und durch die vorliegende ersetzt. Diese blieb in der Folge in Geltung und fand auch noch in die Satzungsbücher des 17. Jahrhunderts Eingang. Ergänzend wurden während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts weitere Ordnungen erlassen, die das Gerichtsverfahren und die Anhörung von Zeugen bei Totschlägen betreffen (StAZH B III 4, fol. 28br, Eintrag 1; StAZH B III 4, fol. 28br, Eintrag 2; StAZH B III 4, fol. 28bv; StAZH B III 4, fol. 53r-54r).

Editionstext


Textvariante in StAZH B III 5, fol. 497r: Satzung umb todschlega b Wo eyn burger den anndern burger vom leͣben zum tod bringt,
wie soͤllicher todschlag gebuͤßt
werden soͤlle
Unterstrichen

[Marginalie am linken Rand:] Umb todtschlegRubriziert

Wir habenUnterstrichen unns erkennth, so ein burger oder ein landtmann, der hiehär gerichtszwyngig ist, an eym anndern
burger eynen todschlag thuͦt unnd derselb, so den
todschlag gethan hat, nit zuͦ der nottweer getrënngt
ist, der soll der statt zuͦ buͦss geben zweyntzig marchUnterstrichenWährung: 20 Mark Textvariante in StAZH B III 5, fol. 497r: silbersc
unnd darzuͦ von der statt unnd unnsern gepietten
syn eyn ganntzes jarZeitspanne: 1 Jahr.dRubriziert Unnd will er nach dem jarZeitspanne: 1 Jahr
inn die statt unnd unnser gepiet, das mag er
wol thuͦn, doch soll er zuͦvor unnser statt umb söllich buͦss ussgericht haben unnd nit herin gelassen
ald inn unnser statt lannden noch gepietten gelitten werden, er habe sich dann zuͦvor mit dess
lyblos gethonen fründen guͤttlich vertragen.
Gienge
aber eyner über das fräfennlich darin, der soll fëngklich angenommen unnd nit uss gefangenschafft gelassen
werden, er syge dann (wie vor gelütert ist) mit der
früntschafft verkommen. Unnd soll sunst der fründtschafft für sich selbs keynerley raach noch straaff ald
fygenntliche gethaat wider den thätter gezymmen noch
gestattet werden.
e
f Es moͤchteUnterstrichen ouch so ein gefaarlicher ald unredlicher
todschlag sin, so soll dem rathOrganisation: , so darüber zuͦerken[fol. 27r]Seitenumbruchnen hat, sin hannd offenn sin, darüber zerichten, nachdem sy uss gelëgenheyt der thaat, schwäre unnd grösse
dess fräfels bedunngkt billich unnd der sach gemäss sin.
WellicherUnterstrichen aber mit glouplicher kundtschafft ussbringen unnd kundtlich machen mag, dess den rathOrganisation:
zuͦ recht gnuͦg sin bedungkt, das er zuͦ der nottweer
getrenngt syge, derselb soll gemeyner statt keyn
buͦss verfallen sin unnd damit dem gericht unnd
rechten gebuͤsst haben, ouch vor dess lyblos thonen
fründen sicher sin.g

Anmerkungen

  1. Textvariante in StAZH B III 5, fol. 497r: Satzung umb todschleg.
  2. Hinzufügung am oberen Rand von späterer Hand: Form umb verrechtfertigung der todschlaͤgen,
    stadt hienach am 53Menge: 53ten blat.
  3. Textvariante in StAZH B III 5, fol. 497r: silbers.
  4. Hinzufügung am linken Rand von späterer Hand: Es was vorhaar gegen
    baar, mecht aber nit erlitten werden.
  5. Hinzufügung auf Zeilenhöhe von späterer Hand: Umb welliche buͦss des todschlegers
    hab und guͦt inn hafft und verbott ungeëndert plyben liggen,
    biß das jarZeitspanne: 1 Jahr verschinnen ist und dann die obangezeigt buͦss vom
    guͦt zuͦ der statt handen ingezogen werden, der theter habe sich
    mit des entlypten fründtschafft vertragen oder nit, er welle
    dasselbig mittler zyt thuͦn oder andersthwo hin züchen, darinn
    nüdt vorbehalten.
  6. Hinzufügung unterhalb der Zeile von späterer Hand: Uß dem grund, das Melchior SchloßerPerson: sunst mit recht ußgangen were, wo er den gezügen gewißt, den er sydhar
    funden hat unnd das er sich sunst wol an unnsern herren
    gehaltten, ist im uß sundern gnaden nach gelaßen, die obbestimpte buͦss der xx marchenWährung: 20 Mark zuͦverwerchen unnd diß darumb hiehaͤr geschriben, ob eyn annderer ouch durch dises
    loch woͤlte, das man den underscheyd wißte. Mentags vor
    estomichi 1543
    Originaldatierung: 29.1.1543
    , pntpresentibus herr RoystPerson: und beyd raͤthOrganisation: . Man macht
    ye nach gstalt der sachen.
  7. Hinzufügung unterhalb der Zeile von späterer Hand: Luͦg hienach am 28Menge: 28 blat b.